Eine Serie mit Verschleißerscheinungen

Klare Kampfansage. Der neuste Ableger der Call of Duty-Reihe Ghosts überrascht mit der wohl besten Solokampagne der Serie in den letzten Jahren und...

von AlexX2 am: 15.11.2013

Klare Kampfansage. Der neuste Ableger der Call of Duty-Reihe Ghosts überrascht mit der wohl besten Solokampagne der Serie in den letzten Jahren und überbietet den Singleplayer von Battlefield 4 deutlich. Insgesamt hätte Infinity Ward seinem Serien-Neustart und dem Next Gen-Sprung trotzdem etwas mehr Fortschritt einhauchen können.

Vor zwei Jahren noch lieferten sich Electronic Arts und Activision mit Battlefield 3 und Modern Warfare 3 das bis dato wohl größte Shooter-Duell. Während die Solo-Kampagne von Modern Warfare 3 knapp als Sieger hervorging, verlor der enttäuschende Multiplayer-Modus klar gegen die grandiosen Mehrspielerschlachten von Battlefield 3. Den schwedischen Entwicklern von DICE ist nicht mehr und nicht weniger das wohl beste Multiplayer-Spiel aller Zeiten gelungen, Teil 4 versucht es nun mit behutsamen Änderungen. Ob das Meisterstück erneut gelungen ist, gibt es bald im Test zu Battlefield 4 zu lesen.  Da wird dann ausführlich sowohl auf die Solo-Kampagne als auch auf den Mehrspieler-Teil eingegangen, bei Ghosts dagegen wurde nur ersterer getestet, deshalb bezieht sich die Wertung auch auschließlich auf den Singleplayer, berücksichtigt jedoch für den Umfang den Mehrspieler-Part, da hier ein respektables Arsenal an Karten, Modi und Waffen geboten wird. So fällt der Umfang im Gesamtpaket bei Ghosts ordentlich aus, auch wenn die Kampagne gerade mal vier bis fünf Stunden Zeit in Anspruch nimmt, ein Rückschritt nach der doppelt so langen Kampagne in Black Ops 2. Call of Duty Ghosts schafft es allerdings, seine Geschichte deutlich klarer und schlüssiger zu erzählen als das wirre und diesbezüglich ziemlich dämliche Modern Warfare 3 und auch im Vergleich zu Black Ops 2 wissen wir als Spieler nun immer, warum gerade was passiert. Die Geschichte von Ghosts ist zwar gefüllt mit Klischees und Stereotypen und auch unsere Spielfigur Logan Walker (übrigens diesmal auch nur der einzige Charakter, den wir spielen) spricht in den fünf Stunden kein einziges Wort, gewinnt gegenüber Recker aus Battlefield 4 trotzdem viel mehr Profil durch seinen Bruder Hesh und Vater Elias, die ihn stetig durch die Handlung begleiten und diese auch tragen. Auch wenn das Familienmotiv hier alles andere als neu und ziemlich aufgesetzt ist, so funktioniert es doch und gibt dem Handlungsverlauf einen roten Faden und den Bezug, der Battlefield 4 völlig fehlt.

Ungewöhnlich für die Reihe spielt Ghosts in einem Endzeit-Szenario

Alle gegen Amerika

Doch worum geht es in Call of Duty Ghosts überhaupt? Oder, interessiert das überhaupt jemanden? Das sollte es, denn während Battlefield 4 ohne Motive und Struktur auskommt und dabei wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht, gibt Ghosts seinen Schießbuden-Schießereien (die sich genauso stumpf wie eh und je spielen) mit seinem Setting die nötige Daseinsberechtigung. Da wäre das erwähnte Familiengespann um Vater und Kriegsveteran Elias, der seinen zwei Söhnen Hesh und Logan gerne Legenden vom Schlachtfeld erzählt. Wir in Form von Logan und unser Bruder Hesh schenken dem in der deutschen Fassung von Schauspieler Thomas Kretschmann vertonten Elias dabei keinen Glauben. Eine Legende von einer Einheit namens Ghosts? Pustekuchen. Doch nachdem ein gehackter Satellit namens Odin plötzlich die USA dem Erdboden gleichmacht, stellt sich heraus, das die Ghosts wirklich existieren und wir gehören schon bald zu ihr. Klingt jetzt verdammt bescheuert, ist aber ein netter Kniff, um den Spieler durch die Handlung zu führen. Das Endzeitszenario und der Kampf ums Überleben in den Ruinen der USA fühlen sich angenehm anders an, mitunter weil den Entwicklern es hier gelingt, eine beklemmende Atmossphäre zu erzeugen. Auch die ständige Frage im Raum, warum die Föderation, ein Verbund südlicher Staaten, einen Krieg gegen die USA führt, macht einen Reiz der Geschichte aus. Hier macht Infinity Ward jedoch leider den Fehler, diese nie zu beantworten. So hätte die löchrige Geschichte deutlich mehr Struktur bekommen, der rote Faden fehlt jedoch trotzdem nie.

Der Blick durchs Zielfernrohr ist verdammt hässlich, man achte auf die Unschärfe!

Spielerisch hat sich auch in der neu gestarteten Ghosts-Reihe gegenüber den vielen Vorgängern eigentlich nichts verändert. Nach wie vor kämpfen wir uns von einem Areal zum Nächsten durch unendliche Feindeswellen, bestehend aus dummen KI Gegnern. Was Ghosts hier besser macht als beispielsweise ein Modern Warfare 3, ist der äußerst seltene Einsatz von stupiden Moorhuhn-Einlagen. Etwa die ersten zwei Drittel des Spiels sind sogar beeindruckend gut gelungen. Mit den Ghosts fühlen wir uns tatsächlich wie eine Elite-Einheit im Kampf um ein zerstörtes Land. Infinity Ward verzichtet hier fast gänzlich auf die sonst so bekannten Krawallorgien und lässt uns mehr denn je in Schleicheinsätzen operieren, was dem Spiel verdammt gut tut. Ghosts entfaltet hier eine ungeahnte Spannung, die sich über mehrere Missionen halten kann. Da wäre der wirklich sehr gelungene Taucheinsatz, bei dem wir mit Unterwassergewehren konzentriert zielen müssen, um unsere Feinde auszuschalten und gefährlichen Haien ausweichen, was uns ein flaues Gefühl im Magen beschert. Eine der wenigen Missionen, denen man den Next Gen-Grafik-Facelift anmerkt. Auch die Schleichmission in einem Dschungel, bei dem man zunächst ohne Waffen auskommen muss sowie der wohl beste Spielabschnitt, der uns einen Wolkenkratzer bei Nacht infiltrieren lässt, vertikales Vorgehen an der Häuserwand inklusive, überraschen mit spannendem und abwechslungsreichen Gameplay. Wenn dann auf einmal der durch seine in den Vorgängern so penetrant oft verwendete und daher abgenutzte Vorstoß mit Zeitlupen-Effekt ansteht (die Vorzeichen zeigt Ghosts hier unverkennbar) und dann sich selbst eine Hommage macht, da unser erwartete Vorstoß durch ein Skript plötzlich schiefgeht, ist die Verblüffung komplett.

Wir wollen Ghosts schon adeln als einen der besten Shooter seit Modern Warfare (2007), da begibt sich das Spiel in seinen letzten Missionen auf die übliche 08/15 Schiene und lässt uns durch endlose Gegnermassen ballern. Enttäuschend. Ärgerlich wird das vor allem durch das häufige Recycling mehrerer Elemente der Vorgänger. Damit meinen wir nicht die Schießereien oder das Waffenverhalten oder die dumme KI, das Alles gehört nunmal zur Serie wie der Wasabi zum Sushi, sondern beziehen das vielmehr auf Aufträge und Abschnitte, die wir schon in den verschiedensten Teilen der Call of Duty-Reihe erlebt haben. Da wäre etwa die Eroberung einer Bohrinsel, welche zunächst ruhig beginnt und dann lauter zur Sache geht. Diese Mission haben wir fast genauso schon in Modern Warfare 2 erlebt. Das Eskortieren unseres verletzen Hundes Riley, währendessen wir nicht schießen dürfen, erinnert frappierend an das erste Modern Warfare, wo wir Cpt. Mac Millan nach einer Verletzung durch Pripyat tragen mussten. Dieser wusste sich wenigstens dabei noch zu wehren. In Ghosts nervt es jedoch dagegen, da unzählige Feinde unserem wehrlosen Logan an den Kragen wollen und die KI-Kollegen keine große Hilfe sind. Richtig albern wird es dann sogar in der vorletzen Mission, in der wir wie in Call of Duty 2 mit einer Panzerarmee unterwegs sind. Kurious ist dabei, wie sich die schweren Vehikel steuern. Wir haben dabei eher das Gefühl, einen Sportwagen zu fahren als einen Stahkoloss, so schnell und wendig, wie dieser unterwegs ist.

Obligatorische Skriptsequenzen fehlen auch in Ghosts nicht

Call of Duty mit Tieren

Hund Riley ist ein gutes Stichwort, denn Activision erntete so einigen Spott für die große Werbetrommel um die Tiere in Ghosts – spielbarer Hund, Fisch-KI, neue Fell-Engine – all das hat nun im Nachhinein kaum Relevanz. Fell zeigt Riley zwar genug, ohne sich dabei von der eigentlichen Grafik irgendwie abzusetzen, die Fische, tja, die sind halt in der Unterwassermission nunmal da und Riley, der begleitet uns nur eine Handvoll Einsätze. Gut so, dadurch bringt der Schäferhund eine willkommene Abwechslung, ohne im Spiel zu dick aufgetragen zu sein. Als anspruchsvoll entpuppt sich die taktische Einsetzung von ihm dabei nicht. Ghosts schreibt uns genau vor, wann wir Riley steuern dürfen. Dann geben wir den Föderationssoldaten Saures, ohne je gefordert zu werden. Solange wir Logan steuern und Riley uns passiv begleitet, dürfen wir dem Hund immerhin Anweisungen geben, bestimmte Gegner zu beißen. Ansonsten spart sich Ghosts die Neuerungen, vom deutlich höheren Anteil ruhiger Einsätze mal abgesehen. Auch wenn wir wirklich überrascht waren, Ghosts ist ein reines Call of Duty und wird auch Niemandem gefallen, der mit der Reihe bisher nichts anfangen konnte. Das gilt auch für die Gestaltung der Levels selbst. Nach dem vergleichsweise offenem Black Ops 2, welches uns sogar mehrere Entscheidungsmöglichkeiten gab, welche den Verlauf der Handlung beeinflussten und sogar einige, wenn auch nicht gute, Strategie-Missionen bot, setzt Infinity Ward ganz auf das konventionelle CoD-Prinzip und neigt nur innerhalb der Serie leicht zur Evolution. Auf das Genre selbst bezogen, ist Ghosts bekannter Popcorn-Shooter-Standard. Das ist nicht weltbewegend, hat uns aber viel mehr Laune gemacht als Electronic Arts lieblose Schieß-Mich-Tot-Kampagnen von Medal of Honor Warfighter und Battlefield 4, auch weil hier an Patriotismus klar zurückgefahren wurde. Zwar gibt es obligatorische Helden-Reden und einen ziemlich vorhersehbaren Verlauf der Geschichte, die Vereinigten Staaten selbst werden allerdings als angreifbaren und zerstörten Staat ohne jedes System dargestellt. Was zählt, ist der Mensch an sich. Menschen wie die Ghosts, die sich für den letzten Kampf zusammengetrommelt haben. Schade eigentlich, das man wie gesagt durch mehr Erläuterung hier noch viel mehr hätte rausholen können aber vielleicht ändert sich das ja im nächsten Teil. Ghosts ist wie Modern Warfare als Trilogie angelegt. So endet das Spiel folglich auch mit einem netten Cliffhanger.

Während der spielerische Stillstand durch die gut erzählte Kampagne noch in Ordnung geht, ist bei der Technik Enttäuschung angesagt. Zuerst als neue Grafikengine angekündigt, stellt sich die Optik von Ghosts als kaum verändert heraus. Die Grafik ist nachwievor veraltet und wird weder den technischen Möglichkeiten des PCs noch der neuen Konsolengeneration gerecht. Insgesamt wirkt Ghosts wie ein Call of Duty HD, da die Texturen und Objekte deutlich schärfer geworden sind. Bei einigen Stellen wie der erwähnte Taucheinsatz und vor allem dem Prolog, welcher im Weltraum spielt (auch hier ein Recycling, in diesem Fall Modern Warfare 2) sind wir sogar richtig angetan. Diese Momente sind trotzdem eher selten, häufiger dagegen der blick durchs Zielfernrohr oder ein Blick ins Jahr 2000 wohlgesagt. Was wie ein optischer Tiefenunschärfeneffekt sein soll, ist hier einfach nur hässlich. Call of Duty ist inhaltlich und spielerisch nunmal, wie es ist und hält an seinem Konzept fest. Doch bei der Technik muss sich Ghosts einfach gefallen lassen, das es gegen Battlefield 4 klar den Kürzeren zieht. Wer sich jedoch nicht groß für den Multiplayer Modus begeistern kann, ist beim Singleplayer mit Call of Duty Ghosts gut bedient und bekommt hier das um Welten bessere Spiel als Battlefield 4. Nächstes Mal dann bitte mit Next Gen-Grafik und weniger Ferrari-Panzer, okay Infinity Ward?

 

 

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • durchgängig sehr unterhatsame Solo Kampagne...
  • optisch leicht verbessert...
  • klare eingängige und funktionierende Geschichte...
  • erfreulich subtile Atmossphäre mit interessantem Setting
  • viele Schleicheinsätze; Ghosts Einheit verdammt cool
  • gute Musik, guter Sound
  • umfangreicher Multiplayer
  • ...mit gewohntem Genre-Standard
  • ...trotzdem veraltet
  • ...mit großen Lücken
  • Stimmen zu leise, Sound Bug im Ladebildschirm
  • Kampagne viel zu kurz
  • zweckmäßige, nicht verbesserte KI
  • Level Recycling aus den Vorgängern, einige öde Schießbuden-Passagen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(3)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.