Stellt euch vor es ist Verschwörung und alle machen mit

Adam Jensen wird verfolgt: Von skrupellosen Konzernen, Regierungen, Geheimbünden...Hier kann jeder mit jedem.Ob das Spiel nur für Leute mit Alufolienhelm...

von Tsabotavoc am: 29.08.2011

Adam Jensen wird verfolgt: Von skrupellosen Konzernen, Regierungen, Geheimbünden...
Hier kann jeder mit jedem.

Ob das Spiel nur für Leute mit Alufolienhelm geeignet ist oder auch die breite Masse ansprechen kann beantwortet dieser Test.

FEMA und du: Konspiration für Anfänger

Wer mit Begriffen wie FEMA, HARP und ELF nichts anfangen kann muss zwar nicht von Haus aus draussen bleiben, aber man muss schon etwas guten Willen haben um sich auf die Story einzulassen.

An jeder Straßenecke riecht es nach Verschwörung. In jedem Hinterhof bemerkt man wie sehr es unter der Oberfläche brodelt.

Während die Hauptstraßen von Detroit mit riesigen Leuchtreklamen und protziger Werbung eine heile Welt vorgaukeln ist man in den Seitengassen seines Lebens nicht mehr sicher.

Dies betrifft besonders die sogenannten 'Optis' - Menschen die ihren Körper mit sogenannten Augmentierungen verbessern. Adam Jensen ist einer von Ihnen: Bei einem Angriff auf das Forschungslabor in dem seine Freundin arbeitet wird er schwer verletzt und bekommt einen Kugel in den Kopf. Sein Arbeitgeber, David Sarif, rettet ihm das Leben indem er ihn mit den modernsten Augmentierungen versorgt die die Menschheit kennt.

Von nun an dreht sich in Adams Leben alles nur noch um eines: Herauszufinden wer für den Tod seiner Freundin und den Überfall auf Sarif Industries verantwortlich ist.

Auf der Suche nach den Drahtziehern, geht es dabei wilder zu als in jedem James Bond Film: Wer waren die Special Ops Soldaten zu Beginn? Was hat die Purity First Bewegung mit der Sache zu tun? Und was verheimlicht uns David Sarif? Und wem das schon zu wirr ist dem sei gesagt: Das war erst der einfache Teil....

Verschwörung mit Checkliste

Die Story bietet alles was ein guter Verschwörungsthriller bieten muss. Das Problem ist: Es hat genug Verschwörung für drei Verschwörungsthriller. Daher bleibt die Rolle von manchen Beteiligten in dem Komplott mehr als unklar.

Das Warum ist es, dass der Story oftmals fehlt: Das Spiel wirft viele Fragen auf ohne immer die passenden Antworten zu liefern. Dadurch wird die Handlung nicht schlecht - während dem Spielen fällt einem das nicht auf. Erst nach dem Ende merkt man wieviele Handlungsfäden eigentlich offen geblieben sind.

Vor allem gegen Ende des Spiels verhaspeln sich die Entwickler als würden sie merken dass sie etwas zuviel gewollt haben. Dabei wurde teilweise an den falschen Enden gespart.
Gegen Ende stagniert die Charakterentwicklung beinahe komplett. Eine Szene im Spiel die eigentlich hochemotionell und eine echte Belohnung für den Spieler hätte sein sollen verkommt zur Farce.

Die Story fesselt dennoch bis zum Ende. Und nachdem die letzte Patrone abgefeuert wurde, nachdem alles gesagt und alles getan wurde...
Hat man die Wahl zwischen vier Knöpfen.

Im Laufe des Spiels trifft man sehr viele Entscheidungen die sich sogar das komplette Spiel hindurch auswirken! Warum dann ausgerechnet beim Ende diese Inkonsequenz? Eine Frage die nur die Entwickler beantworten können.

Von Abendsonne und Sturmhauben

Deus Ex 3 versucht nicht nur bei der Story neue Maßstäbe zu setzen sondern auch grafisch. Ob nach unten oder oben darüber lässt sich streiten.

Zum Einen hat man dieses - fast schon ans Extreme grenzende - Spielerei mit Licht und Schatten. Oft genug habe ich mich beobachtet wie ich einfach nur dastand und die in Gold getauchte Welt bestaunt habe. Eine Welt am Abgrund die dennoch auf ihre Art wunderschön ist.

Und spätestens wenn Adam sein Apartement betritt wird der Spieler mit einem Anblick belohnt der unglaublich ist: Wenn sich die Jalousien öffnen und die Abendsonne durch die auf Barock getrimmten Fenster ins Wohnzimmer leuchtet dann verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Kunst. Es sind Momente wie diese an die man sich erinnert.

Auf der anderen Seite stehen da die Sturmhauben: Es hat gute Gründe warum sehr viele Charaktere im Spiel einen Helm, eine Haube oder etwas ähnliches aufhaben: Denn die meisten Gesichter sind entsetzlich detailarm. Gemeinsam mit der nicht lippensynchronen Sprachausgabe die teilweise schon ins unfreiwillig komische abdriftet wird hier viel von der Atmosphäre kaputt gemacht die mit den Szenarien mühsam aufgebaut wurde.

Dabei können es die Entwickler auch anders: Adam Jensen, Megan Reed, David Sarif - das sind die Glanzlichter. Hingegen sehen die Gesichter von Barrett, Tong und mehreren anderen Nebencharakteren aus als hätte man sie aus Plastilin gemacht.

Letzten Endes überwiegt aber auch hier das Licht die Schatten: Wenn man durch die lebendig gestaltete Welt spaziert und sich in verwinkelten Gassen herumdrückt dann stechen eher die Stärken ins Auge. Und wenn man dann die vielen kleinen Geheimnisse und Dramen in der Stadt erlebt, sei es persönlich oder als Zaungast, dann merkt man das die Entwickler hier mehr als nur ihren Job gemacht haben. Diesem Titel merkt man das persönliche Engagement der Entwickler an jedem Moment an.

Der Coole, Der Böse und der Unsichtbare

Letzten Endes dient das alles aber nur als Skelett für ein sehr gutes Rollenspiel mit Shooteranleihen. Oder für einen sehr guten Shooter mit Rollenspielanleihen.
Wie man Deus Ex spielt hängt nämlich ganz vom Spieler ab. Dieser Test ist das Resultat von den Erkenntnissen von zwei Spielern. Während ein Freund von mir die Schleichvariante bevorzugt und praktisch jedem Gegner aus dem Weg geht, lasse ich auch ganz gerne mal die Korken knallen.
Beide Varianten nehmen sich im Endeffekt nichts. Als Schleicher werdet ihr mehr Zugang zu Implantaten haben. Allerdings werdet ihr unter Geldmangel leiden und daher keine wirklich gut aufgerüsteten Waffen haben. Wer der Meinung ist, dass extreme Situationen extreme Feuerkraft benötigen wird in Geld schwimmen. Die Implantate werden dabei aber etwas auf der Strecke bleiben. Natürlich kann man sich Implantate auch kaufen - allerdings ist das sehr teuer und keine echte Option. Wirklichen Mangel hat man aber nie: Das Spiel gibt einem genau das, was man braucht um es so zu spielen wie man möchte.

Es bleibt jedem selber überlassen wie man spielen will und ich würde empfehlen es nach seinen eigenen moralischen Einstellungen zu spielen da das am meisten Spaß macht.

Macht führt zu Machtmissbrauch

'Hätte ich das geahnt wäre ich Uhrmacher geworden.'
Eines der Zitate zur Atombombe welches auch im Spiel benutzt und gelebt wird.
Beispiel gefällig? Nach mehreren Spielstunden haben wir wieder Kontakt mit den Soldaten die für unseren Zustand verantwortlich sind. Adam Jensen hadert noch immer mit dem Schicksal seiner Freundin. Ich entscheide mich so vorzugehen wie ich vorgehen würde: Rache. Nun ist es Zeit fürs Bluten.

Ich reisse einen Getränkeautomaten aus der Verankerung und schleudere ihn nach unten ins Erdgeschoss. Er überschlägt sich mehrmals und tötet ein halbes Dutzend der Soldaten. Nach einem beherzten Sprung über drei Stockwerke in die Tiefe, den ich dank Ikarus Implantat unbeschadet überlebe, wird das Taifun Implantat gezündet. In einer spektakulären Sequenz schleudert Adam hunderte von Kugellagern kreisförmig in seine Gegner die regelrecht zerfetzt werden. Zeit für das nächste Implantat: Auf Knopfdruck werden wir unsichtbar und springen in die Deckung: Nach mehreren heftigen Gefechten ist alles und jeder in dem Komplex tot.

Nun wird es Zeit sich mal die Computer anzusehen...

Aha: Hier meint einer das es ungerechtfertigt sei die Gefangenen so zu behandeln. Dort finden wir den Trashtalk zwischen einem Soldaten und einem Freund bezüglich der Sportergebnisse. Einmal mehr führt uns das Spiel vor Augen, dass unsere Gegner Menschen sind. Und auch wenn viele dieser Spec Ops foltern und quälen - wie es das Spiel während einer Aufzugsfahrt plakativ demonstriert - sind genauso viele dagegen.

Das Spiel macht uns unaufdringlich eines klar: Viele dieser Soldaten sind nur dort weil sie Befehle befolgen. Und wenn man sich die Zeit nimmt und ihnen zuhört, merkt man das viele nur durch die Angst auf Kurs gehalten werden. Das Spiel arbeitet hier mit Symbolen und kleinen Zeichen. Es zeigt das auch ein Feind ein Mensch ist. Und es zeigt uns noch etwas: Adam ist mit seinen Implantaten sehr mächtig geworden. Und ich - der Spieler - hat diese Macht grenzenlos ausgenutzt obwohl ich damit auch die Konfrontaion hätte vermeiden können.

Macht korrumpiert. Eine Botschaft die sich durchs ganze Spiel zieht.

Hacken: Nicht nur für Holzfäller

Etwas anderes worin Deus Ex sehr mächtig ist, ist die Herangehensweise der Entwickler an die Implantate und deren Umsetzung mit Minispielen.

Mit Minispielen ist es ja immer so eine Sache: Entweder man liebt sie, oder man hasst sie. Und da man in Deus Ex einen großen Teil der Zeit mit Hacken bzw. Reden verbringt stellt sich die Frage: Sind die Minispiele dazu denn auch gelungen?

Hier kann man unumwunden sagen: Ja. Das Hack-Minispiel hat mir sogar so viel Spaß gemacht das ich sogar Schlösser und Computer geknackt habe deren Codes ich schon kannte. Dabei greift das Spiel zu einem cleveren Kniff: Schlösser und Computer gibt es in Sicherheitsstufen von 1 bis 5. Bei den schweren Computern bleiben einem oft nur Sekunden zum Handeln nach der Entdeckung weshalb man meist direkt zum Ziel geht. Bei den leichten wäre der Spieler aber unterfordert wenn es nicht ein raffiniertes Belohnungssystem gäbe.

Prinzipiell muss man über mehrer miteinander verbundene Punkte ein Ziel in einem Netzwerk erreichen. Die Punkte haben teilweise unterschiedliche Funktionen und man wird unterschiedlich leicht entdeckt. Mit Nuke-Viren und Stoppwürmern kann man sich der Erkennung des Sicherheitssystems entziehen. Damit nun Stufe 1 Computer nicht zur lästigen Klickarbeit verkommen, sind in praktisch jedem Computer zusätzliche Dinge 'versteckt'. Wer im Netzwerk auch abgelegenere Knoten abgrast kann Bonuserfahrung, Geld oder auch inaktive Software herunterladen.

Dadurch bleibt auch gegen Ende des Spiels ein Stufe 1 Computer noch interessant. Klasse gelöst!

Ähnlich spaßig präsentiert sich das Reden mit Sozialoptimierer. Die Entwickler haben hier eine nicht uninteressante Abwandlung von Stein-Schere-Papier eingebaut welche gemeinsam mit einem Psychoprofil jedes Gespräch zu einer interessanten Erfahrung macht.

Dadurch sind die Implantate von Adam Jensen immer ein spürbares Spielelement: Das Spiel sagt nur selten: Stecke einen Punkt mehr rein damit du das kannst! Statt dessen spürt man selbst wie man mit jedem investierten Punkt nicht nur mehr kann sondern auch spielerischen Mehrwert erhält.

Hier setzt Deus Ex 3 echte Maßstäbe.

Über Endgegner und Entscheidungsfreiheit

Worin Deus Ex auch Maßstäbe setzt sind die Bosskämpfe. Von diesen gibt es vier im Spiel. Da man die Bosse töten muss, sie gut austeilen, und viel aushalten werden vor allem die auf schleichen optimierten Spieler hier gerne mal in die Tastatur beissen.

Wirklich spannend und interessant sind daher nur der letzte und vorletzte Bosskampf: Ein Kampf inmitten sich selbst bewegender Puppen die aus Implantaten gebaut wurden gegen einen Gegner der öfter unsichtbar als sichtbar ist... Das sorgt für Dramatik!

Entgegen dem was in manchen Tests gerne behauptet wird lässt sich aber jeder Boss einfach knacken wenn man nur weiß wie. Man kann sie ohne Taktik besiegen. Mit Taktik ist es aber leichter.

Dabei wird uns gerade hier deutlich das die Entscheidungsfreiheit oftmals nur vorgegaukelt wird:

Vor uns liegt eine der Söldnerinnen die uns gerade noch töten wollte. Offensichtlich ist sie nach dem Gefecht schwer verletzt aber das Spiel stellt uns noch die Frage: Wollt ihr sie retten?

Ja ich will sie retten! Ich will nicht das jemand in seinem eigenen Blut ertrinkt nach allem was ich bisher in diesem Spiel gesehen habe. Aber es ist eine Zwischensequenz und Jensen, der selbe Jensen der Gegner eher bewusstlos schlägt als sie zu erschiessen, sieht emotionslos zu wie sie stirbt.

Muss das sein? Hier werden dem Spieler Entscheidungen aufgezwungen die nicht die seinen sind. Jensen konfrontiert Menschen die ihm nahestehen mit seiner Wut und seinem Hass. Menschen denen ich in der selben Situation verziehen hätte. Eine Wahl gibt es hier oftmals nicht.

Letzten Endes ist das aber Kritik auf hohem Niveau. Denn im Gegensatz zu Deus Ex 2 macht dieses Spiel richtig Spaß und ist richtig spannend. Auch für Leute ohne Alufolienhelm.

Fazit: Keine Revolution aber ein Auftakt

Deus Ex 3 revolutioniert die Welt nicht. Aber es bietet 40 Stunden Spielspaß die ich in meinem Leben nicht mehr missen möchte.

Wenn die Entwickler eine Lektion aus dem Spiel mitnehmen sollten dann die, dass Weniger oft Mehr ist.

In diesem Fall:
Weniger Sturmmasken, mehr glaubhafte Gesichter
Weniger Verschwörungstheorien, die aber glaubhafter
Weniger Charaktere, dafür mit denen mehr Emotionen

So oder so: Ich hoffe auf ein Wiedersehen mit Adam und seinen Kollegen von Sarif Industries!


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Tolle Lichteffekte, sehr geschmeidige Animationen
  • Sound: Super Musikkulisse, Teilweise aus Deus Ex 1
  • Balance: Sehr viele Lösungsmöglichkeiten, nichts sinnloses
  • Atmosphäre: Sehr dichte glaubwürdige Umgebung
  • Bedienung: Sehr gutes Deckungssystem, voll einstellbar
  • Umfang: Soloplayerkampagne mit über 30 Stunden Spielspaß
  • Leveldesign: Sehr große Level mit vielen Lösungswegen
  • KI: KI nutzt Deckung und sucht aktiv nach Jensen
  • Waffen & Extras: Jede Menge Implantate, Upgrades, Munis und Co.
  • Story: Gut ausgearbeitete Verschwörungsstory
  • Grafik: Viele Sturmhaubenträger, Gesichtsanimationen
  • Sound: Sehr gute Synchronsprecher
  • Balance: Bossgegner erlauben kaum alternative Lösungen
  • Atmosphäre: Gespräche nicht lippensynchron
  • Bedienung: Etwas unübersichtliches Inventar
  • Umfang: keines
  • Leveldesign: Leider oft Fabrikshallen, manchmal unrealistisch
  • KI: Allerdings nicht besonders effektiv
  • Waffen & Extras: Für manche Waffen gibt es kaum Munition
  • Story: Zu wenig Emotionen, Teilweise zu wirr.

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(6)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.