Endlich wieder sehr gut

Wer hätte das gedacht. Nach über drei Jahren hat sich EA seiner Kunden angenommen und die FIFA-Reihe wieder auf Vordermann gebracht.
Einen kompletten Neuaufbau des Spiels kann man trotzdem nicht erwarten. Vieles bleibt, guter Weise aber auch schlechter Weise, beim Alten.

Was ist neu?

Die augenscheinlichste und offensichtlichste Neuerung von FIFA 09 ist sicherlich die überarbeitete Grafik. Dabei ist Überarbeitung aber ein wichtiger Begriff, denn weiterhin werkelt in dem Titel die altbewährte Engine welche sonst solch hässliche Pappfigürchen auf den Bildschirm zauberte.
Allerdings ist die Engine deutlich verbessert. Schärfere Texturen, sehr detailreiche Gesichter welche ihren Vorbildern verblüffend ähnlich sehen, wirklich gute Animationen, all das wird einem nun präsentiert. Wieder gibt es aber einen Haken. Diesen Detailreichtum bekommt man größtenteils nur in der Nahansicht, also in Wiederholungen sowie Jubelsequenzen zu sehen. In der normalen Spielansicht von schräg oben, verliert das Spiel viel von seinem Glanz.
Dies nennt man Level of Detail (LoD). Eine typische Technik im 3D-Zeitalter den Hardwarehunger eines Spieles in den Griff zu bekommen.
Also nicht ungewöhnliches, oder doch? Doch es ist im Falle FIFA 09 etwas ungewöhnlich. Denn das LoD ist wirklich sehr extrem angewandt. Unschärfere Texturen sowie das Verlieren von Gesichtdetails wäre noch angebracht, beim neuesten FIFA Ableger werden jedoch ganze Frisuren und Gesichter von Baukastenmodellen ersetzt. Dies führt zu recht kuriosen Erscheinungen. So hat Frank Lampard etwa in der rausgezoomten Ansicht einen leichten Irokesen, in der Nahansicht und im wahren Leben sieht man davon aber nichts.
Ruud van Nistelrooy sieht schon beinahe lächerlich aus. Nichts bleibt von seinen längeren Haaren. Stattdessen bekommt er einen Kurzhaarschnitt mit sehr hohem Haaransatz spendiert, dazu noch ein hässliches Gesicht.
Bei all der Kritik sieht das Spiel aber auch in der Draufansicht deutlich besser aus als die Vorgänger. Insbesondere die Rasentextur (von Nahem gibt es 3D-Gras, weit weg keins) gefällt mir sehr viel besser als noch beim 07er bzw. 08er Teil. Nur scharfe Trikottexturen bekommt man auch jetzt nur von Nahem spendiert.
FIFA 07 war das letzte FIFA welches ich gespielt und gekauft habe. Die 08er Version habe ich wohlwissend ausgelassen und trotzdem hat sich eigentlich bemerkenswert wenig geändert. Das Menü besitzt den gleichen Aufbau, die Kommentaren labern den gleichen Stuss (dazu später mehr) und die Modi sind noch die Gleichen.
Das Ganze sind aber Dinge der Präsentation. Auf dem Spielfeld hat sich dagegen einiges getan. Die Ballphysik ist deutlich realistischer. Der Ball springt nun, bis auf seltene Ausnahmen, glaubwürdig umher.
Ebenfalls realistischer ist das Verhalten der Spieler beim Körperkontakt. Große Spieler fallen seltener um als kleine Hempflinge à la Philipp Lahm und sind auch im Zweikampf deutlich robuster.
Die KI agiert nun deutlich intelligenter, vor allem die Mitspieler und die gegnerischen Angreifer. Die eigenen Kameraden laufen besser mit und laufen sich frei. Die Verteidiger decken den Gegner nun effektiver und geordneter.
Eine große Schwäche der letzten FIFA-Teile, war meiner Einschätzung nach, der absolut grottige gegnerische Sturm. Tore vielen größtenteils durch absolut unglaubwürdige und erzwungen wirkende Situationen, der Zufall spielte ebenfalls eine große Rolle.
Nun spielen die Angreifer deutlich besser. Sie laufen sich frei, passen intelligent und schießen nicht wild drauf los.
Das Ganze macht die Partien deutlich anspruchsvoller. Bereits den Schwierigkeitsgrad Profi (zweithöchster) finde ich deutlich schwieriger als noch bei 07 die Stufe Weltklasse.

Auch neu ist die (versprochene) Sorgfalt mit welcher sich EA um das Spiel kümmert. Wöchentlich erscheinen Spielerupdates (aktuelle Form etc.) und häufiger Patches. Beides ist bereits passiert und verpflichtend für Onlinepartien, die reibungslos funktionieren.

Klicken vorm Kicken

Den Billigspruch in der Überschrift bitte ich zu entschuldigen.
Bevor man eine Partie FIFA starten kann wird einem das neue alte Menü in den Blick geraten. Es hat nun eine (endlich) angepasste Auflösung. Wer also einen 1280x1024 Bildschirm hat, nutzt endlich den ganzen Schirm. Wobei es auch wieder eine Einschränkung gibt. Das Menü selbst liegt in keiner größeren Auflösung bereit, es ist lediglich nicht mehr gestreckt sondern fährt nach oben links. Den restlichen Platz haben die Entwickler mit mehr oder minder nützlichen Widgets gefüllt. Kleinen Anzeigetafeln, ähnlich wie beim Fussball Manager.
Von diesem Widgets gibt es sechs Stück. Auf dem Monitor finden allerdings nur fünf Platz. Die Widgets können News zu dem Lieblingsverein anzeigen, Infos zum eigenen Offline sowie dem Online Profil anzeigen und auch die Stände der Onlineligen. Das klappt alles sehr ordentlich, nur die News zu den Clubs sind teilweise recht veraltet. Bei Liverpool etwa sind die Top-News immer noch das verlorene Champiuonsleaque-Finale, sowie der Weggang dreier Spieler. Beides liegt bereits sehr weit zurück.
Die aktuellen Ergebnisse der Mannschaft sind jedoch auf dem neusten Stand.
Die Optik des Menüs weiß zu gefallen. Auf einem leuchtenden stilisierten Fussballhintergrund klebt das sehr schlichte Menü sowie die gleichfarbigen Widgets. Der Hintergrund verfärbt sich sogar ab und an.
Die Struktur finde ich persönlich sinnvoll. Ich habe nie Probleme etwas zu finden, aber das kann auch an meiner langen Erfahrung mit den Vorgängern liegen.

Steckt da aber viel drin

Wie immer ist FIFA prall gefüllt. Das riesige Lizenzpaket dürfte alle Wünsche erfüllen, nur die niederländische Nationalmannschaft fehlt wie immer.
Lobend zu erwähnen sind auch wie jedes Jahr die guten Spielmodi. Für mich der Beste ist der Managermodus. Dieser ist leicht erklärt. Man übernimmt den Trainer/Managerposten einer Mannschaft und spielt nun Saison für Saison um Siege. Es versteht sich von selbst, dass man Spieler kaufen und verkaufen kann, also ziemlich alle Aufgaben solch eines Trainers übernimmt.
Die Komplexität des Fussball Managers kann man aber natürlich bei Weitem nicht erwarten.
Als anderer großer Modus steht der Be a Pro Modus zur Verfügung. Man übernimmt die Rolle eines einzelnen bekannten oder selbst erstellten Spielers, in den Spielen sowie in seiner Karriere. Die Aufstellung der Mannschaft kann man trotzdem selbst bestimmen.
Ich persönlich finde den Modus sehr langweilig, er macht mir keinen Spaß. Auf Flanken der Mitspieler zu warten und gefrustet zugucken zu müssen wie die eigene Mannschaft auseinander genommen wird motiviert mich nicht. Dabei bin ich wohl aber eine Ausnahme. Viele Leute finden den Modus wohl sehr spaßig und unterhaltsam.

Nebenher kann man auch noch Turniere und Trainingsmatches absolvieren. Nichts besonderes, aber für zwischendurch in Ordnung.
Einfach so ein Spiel zu spielen geht natürlich auch noch.

Was vernehmen meine Ohren da?

Der Sound des Spiels ist eine Münze mit zwei Seiten. Einer wirklich schönen und einer abgrundtief hässlichen.
Die Fangesänge sind sehr gut, die gesamte Stadionathmosphäre stimmt einfach. Auch reagieren meine Fans nun dynamischer auf Ereignisse, nicht mehr nur auf Tore und vergebene Chancen.
Der Soundtrack ist auch wieder super. 52 abwechslungsreiche rockig poppige Songs von mehr oder weniger bekannten Interpreten sind gut anzuhören.
Dagegen stehen aber die Kommentatoren. Diese reden größtenteils riesigen Mist ohne sich zu entschuldigen. Selten trifft eine Aussage mal den Punkt. So werden aus Kullerbällen grandiose Schüsse und leichteste Torwartaufgaben zu unglaublichen Glanzparaden. Man muss glauben die Kommentatoren sehen ein anderes Spiel.
Nun das sind Probleme der Technik. Aber auch die beiden Sprecher von Premiere sind einfach schlecht. Sie rattern die Texte emotionslos und trocken runter. Nichts von spannender und guter Spielkommentation. Als Vergleich: Die englischen Kommentatoren reden zwar den gleichen Stuss, sind dabei aber emotional.

Ich schalte den Kommentar lieber ab als ihn mir anzuhören, denn er kann einen besonders bei schlecht laufenden Spielen stark aufregen. Wieso hat man ständig das Gefühl die beiden Flachpfeifen wären für den Gegner? Naja, das mag an der aktiveren Spielweise von uns Menschen liegen, die wir der KI voraus haben.

Argh!

Bei all dem Spielspaß möchte ich ab und zu aber am liebsten meine Tastatur rausreißen und die Spieleverpackung zerfetzen. Schüsse fliegen zu oft gegen den Pfosten und die Latte, 100 prozentige Chancen pfeffert der Spieler übers Tor.
Dann kommt der Gegner und schießt ein Traumtor oder gelangt glücklich immer wieder an den Ball. Ein Aufschrei durchfährt mich und ich bin nah dran einfach den großen Ausschalter zu drücken.
Am Ende kann man das Spiel aber meistens doch wenden. Denn, wer gut spielt gewinnt auch (meist). Meine Ausraster (ich bin normalerweise ein ruhiger Mensch) zeigen ja gerade wie emotional fesselnd das Spiel ist. Ich gehe in den Partien richtig mit. Ein Tor bedeutet deutlich mehr als noch in den Vorgängern, denn es ist seltener, kostbarer.

Wirklich negativ...

... zu erwähnen sind ein paar kleinere und größere Dinge. Flanken von Außen gehen recht oft aufs Tor. Das ist völlig unnachvollziehbar, denn die Flanken zielen wirklich aufs Tor und sind nicht einfach schlecht. Flanken sind überhaupt ziemlich selten gefährlich.
Ebenfalls sehr nervig ist das Doppelpassverhalten der Spieler. Dies fällt vor allem Spielern auf, welche englisches One-Touch-Football bevorzugen, den Ball also gleich bei der ersten Berührung wieder abspielen oder nach nur wenigen Schritten. Denn bei schnellen Passkombinationen zaubert einem das Spiel gerne einen Doppelpass hin, anstatt den Ball zum angepeilten Kamerad zu passen. Das hat gerne zur Folge dass man eine Großchance verpasst.
Die Stärke der gegnerischen Mannschaft schwankt auch gerne mal von Spiel zu Spiel. Ich meine hiermit wenn man exakt das gleiche Spiel wiederholt.
Die Spieler laufen mit Ball immernoch so schnell wie ohne. Unrealistisch, wenn ich dadurch Tore erziele jubel ich trotzdem.

Fazit

Ich finde FIFA 09 super. Auch wenn im Text viele Kritikpunkte erwähnt werden, bleibt das Spiel doch sehr gut und vor allem deutlich besser als die Vorgänger.
Fussball ist nun einmal ein emotionaler Sport und somit werden auch die Videospiele dazu so behandelt. Es gibt fast immer mehr negative Punkte zu erwähnen als positive, denn die fallen uns einfach deutlicher auf.
Ich kann für FIFA 09 wirklich eine Kaufempfehlung für alle FIFA-Fans aussprechen und solche die es werden sollen.
PES mag spielerisch anspruchsvoller sein, aber FIFA will kein PES sein, es ist etwas anderes. FIFA ist Arcade, PES eine Simulation. Man muss entscheiden was man will. Mit diesem Spiel hier bekommt man jeweils etwas wirklich Gutes.

Ich würde auch Screenshots in den Test integrieren, allerdings kann ich bei FIFA auch mit Screenshotsprogramm keine erstellen.