Auf dem Seitenstreifen der Realität?

Square Enix hat etwas gemacht, dass noch kein MMO Entwickler jemals gemacht hat. Ein gefloppter Triple AAA Online Titel wurde abgewickelt, zu Ende gebracht,...

von Tyantreides am: 11.03.2014

Square Enix hat etwas gemacht, dass noch kein MMO Entwickler jemals gemacht hat. Ein gefloppter Triple AAA Online Titel wurde abgewickelt, zu Ende gebracht, umgestaltet und neu herausgebracht.

Allein das nötigt mir tiefen Respekt ab. Vermutlich fast jeder Publisher der westlichen Halbkugel hätte die Segel gestrichen, die Wunden geleckt und das Spiel stillschweigend im F2P Sumpf untergehen lassen. 

Aber nein! Neu entworfen und auf Angriff getrimmt entsteht da ein Spiel welches offenbar niemand so ganz ernst nehmen will.

Quasi auf dem Seitenstreifen und unter dem Radar begibt sich das Spiel auf Augenhöhe mit Platzhirschen wie Guildwars2 oder WoW.  Und plötzlich hat ein Spiel, dass es eigentlich so nicht geben dürfte und es obwohl es fast aus der Berichterstattung der Presse verbannt ist weit nach der Freimonatsphase einfach mal 1,5 Millionen Abonennten. Und die Zahlen wollen nicht wie von allen westlichen Medien vorausgesagt fallen. Im Gegenteil. Das Spiel gewinnt immer noch Kunden hinzu.

 Was steht denn da nun dahinter?

Update, Remake oder doch ganz neu?

Um es vorwegzunehmen: sowohl als auch.

"Final Fantasy XIV A Realm Reborn" unter den Spielern kurz FFXIV 2.0 genannt ist technisch bedingt ein komplett neues Spiel. Es basiert auf einer komplett anderen Gameengine als noch Version 1.0. Daher hat sich sowohl grafisch als auch technisch einiges getan. Grafisch hat sich der Look in Richtung Comik verschoben und technisch ist wohl der Wechsel vom übergangsfreien Reisen in der Welt hin zu Trennungen mit Ladebildschirmen die auffälligste Neuerung.

Die Storyline ist neu, knüpft jedoch an die Geschehnisse von Version 1.0 nahtlos an, ohne diese jedoch vorauszusetzen.

Einige Spielinhalte wurden übernommen und entweder neu gestaltet oder nur leicht abgeändert. Andere Spielinhalte sind ganz neu.

Wer soll das spielen?

Beim Spiel handelt sich natürlich um ein MMO. Jedoch zieht der Name natürlich gewollt auch Fans der Serie an. FFXIV 2.0 versucht hier den Spagat zwischen MMO und Offline Titel. Es bietet einen für MMO Kenner schon fast erschreckend langwierigen Einstieg in das ja durchaus spezifische Genre MMO und versucht so, auch Neulinge im Genre abzuholen.
Für mich als alten Hasen ist schwer zu sagen, ob mir der Einstieg in die MMO Welt mit dieser Herangehensweise leichter gefallen wäre. Jedoch hat der Einstieg in Spiel für mich persönlich längst vergessene Türen aus der Vergangenheit in Sachen Atmosphäre wieder aufspringen lassen.

Geht es doch in vielen MMOs heute am Anfang nur darum nach dem ersten NPC mit Fragezeichen über dem Kopf das möglichst noch direkt vom NPC aus sichtbare Monster zu erlegen um die erste mit EXP und Equipment belohnte "töte 4 Hunde" Quest hinter sich zu haben.

Der Einstieg ist lang. Für MMO Kenner wie gesagt zu lang. Nimmt man sich jedoch die Zeit und ließt sich alles durch was die NPCs einem so erzählen sticht einem sogleich die ausgezeichnete Lokalisation in deutscher Sprache in Auge. Hier werden mit viel Liebe zum Detail via Text und Zwischensequenz unterschiedliche Charakterzüge herausgearbeitet die neben allgemeinen Informationen und Geschichte ihren Teil zur dichten Atmosphäre beitragen.

Da man sich natürlich eine Welt mit den anderen Spielern eines Servers teilt, erreicht das ganze keinesfalls den Fluss eines Offline Final Fantasy Teils, jedoch gelingt es Square Enix überraschend gut, eine fortlaufende Geschichte mit der MMO Mechanik zu koppeln. Bestimmte Inhalte werden Spielern schlichtweg nur dann angezeigt, wenn sie Ihre Geschichte schon soweit vorangetrieben haben.

Weiterhin muss man an dieser Stelle sagen, dass FFXIV 2.0 eines der wenigen MMOs ist die für die Playstation 3 und bald auch Playstation4 erhältlich ist. Der Clou dabei ist, das alle Spieler egal von welcher Plattform aus sie spielen auf den selben Servern zusammen spielen können. Es handelt sich somit neben Final Fantasy XI um den einzigen echten Crossplattform MMO Titel überhaupt.

Also nur was für Neulinge?

Den Eindruck könnte man in den ersten Stunden gewinnen. Aber weit gefehlt. 
FFXIV 2.0 steigt langsam ein, nimmt dann jedoch ab Level 25 - 30 von der Lernkurve her stetig zu.

Die Instanzen werden schwerer, die Bosse knackiger und das Spielsystem komplexer. Viele Mechaniken und Inhalte setzen nun die Auseinandersetzung mit seinen Fähigkeiten und dehnen der Gruppenmitglieder voraus.

Spätestens hier hat das vor sich hin gequeste ein Ende. Denn nun sind Gruppenspiel und Ablauforganisation gefragt.

Man muss es klar sagen. Wer sich hier nicht auf das Gruppenspiel einlassen will bleibt auf der Strecke. FFXIV 2.0 ist und bleibt ein MMO, welches schon im Midgame stark auf Gruppen basierende Inhalte setzt. Wer lieber für sich allein bleibt und Questet und Story erlebt sollte etwas anderes spielen.

Weiterhin muss ich erwähnen, dass es sich keineswegs um ein leichtes Spiel handelt. Man kommt zwar mit etwas Einsatzbereitschaft sehr weit jedoch gibt es immer wieder Herausforderungen die einen erst einmal fordern.

Das Spiel versteht es aber gut, eine erst einmal fast unlösbar wirkende Aufgabe nach geschafftem Kampf in ein "Ha! hab ich es doch geschafft!" Gefühl zu verwandeln.

Je mehr man ins derzeitige Endgame (lvl 50) vordringt, je mehr dieser Momente bekommt man zu sehen. Die wirklich schweren Herausforderungen legen hier noch mal eine Schippe drauf und verlangen gut organisierten Gruppen alles ab. Hier ist dann auch für gut ausgerüstete Chars kein Platz mehr für Fehler. Zum Beispiel bedeutet ein Fehler eines der 8 Gruppenmitglieder im Kampf gegen Titan im Extreme Mode in der Regel den Tod aller beteiligten, weil der Kampf von seiner Mechanik her nur sehr wenig Spielraum in Sachen Timing, Positionierung und ausgeteilten Schaden zulässt.

 

Ein MMO wie jedes andere?

kurz: nein.

FFXIV 2.0 macht vieles genauso wie andere Spiele, vieles jedoch ganz anders.

Als Übereinstimmungen sind da ganz klar das Questsystem mit simplen "hole bringe töte" Quests und das Zeilbasierte Kampfsystem zu nennen bei dem man nach und nach seine Aktionen gegen das gerade ausgewählte Zeil auslöst.

Jedoch sind auch eine ganze Menge Dinge dabei die kein anderes MMO in der Art gelöst hat. Allen voran ist hier das Klassensystem zu nennen. Man erstellt in FFXIV 2.0 wie schon in 1.0 und in FFXI nur einen Char und kann dann alle Klassen ausüben. Die erstellung eines Twinks (Zweiter Char für andere Klasse) ist damit nicht mehr erforderlich. Man schaltet einfach die Klassen frei die man spielen möchte und kann frei hin und her wechseln und alle Klassen unabhängig von einander Leveln. Handwerksberufe und Sammlerberufe fallen in FFXIV 2.0 in die Kategorie "Klasse" und werden genauso wie der Krieger oder der Heiler mit EXP gelevelt.

Um das Wechseln der Ausrüstung zu erleichtern gibt es ein System mit dem sich die Ausrüstungsgegenstände aller ausgeübten Klassen verwalten und in Sets abspeichern lassen.

Als zweiten Punkt ist die Integration der Geschichte zu nennen. Die Geschichte wird durch eine gesonderte Questreihe vorangetrieben. Im Rahmen dieses so genannten Hauptszenarios wird die Geschichte mit einfachen Gesprächen und/oder Zwischensequenzen erzählt die teilweise vertont sind. Über weite strecken bestreitet man instanzierte und nicht instanzierte Kämpfe hier allein. Jedoch sind auch einige Aufträge im Rahmen von instanzierten Gebieten und Bosskämpfen umgesetzt welche sich ausschließlich in der Gruppe bestreiten lassen.

Als drittes möchte ich noch die normalerweise in den Hintergrund tretende musikalische Untermalung herausheben. Kein MMO das ich bisher gespielt habe (und es waren einige!) wartet mit einem derart epischen Soundtrack auf wie dieses Spiel. Ich möchte noch darauf hinweise, dass ich das Wort "episch" alles andere als inflationär gebraucht sehen möchte. Aber dieser Soundtrack hat diese Bezeichnung wirklich verdient.

 

Klingt ja toll. Wo ist denn der Harken?

Ich muss vorwegschicken, dass ich mich wirklich schwer dabei tue, diesem Spiel Kritik angedeihen zu lassen. Ich versuche es trotzdem.

Ich möchte das Spiel hierfür jedoch aus zwei Perspektiven betrachten um zu Zeigen, das einige der Schwächen auf der einen Sicht zugleich auch Stärken aus der anderen Sicht sein können und umgekehrt.

Aus der Sicht eines MMO Spielers, der noch nie ein Final Fantasy gespielt hat ob nun offline oder online:

1. Für diesen Spieler ist das Spiel ja grundsätzlich betrachtet erst einmal nichts außergewöhnliches. Und da liegt auch schon der erste Hund begraben. Aus dieser Sicht kommen die eigentlichen Stärken des Spiels kaum zum tragen. Es spielt sich über weite strecken fast wie jedes andere MMO ala WoW oder Guildwars auch. Warum also wechseln? Das ist definitiv eine Schwäche.
2. Eine zwingende Einführung ins MMO Genre ob man das nun braucht oder nicht.
3. Zwang zum Gruppenspiel
4. monatliche Gebühren. für manche ein Qualitätsmerkmal für viele ein Ärgernis

Aus der Sicht eines MMO Spielers der Final Fantasy XI Online oder XIV 1.0 kennt und mochte.

1. Das Spiel ist zu weit in Richtung Casual Spieler verschoben worden. Die Inhalte sind über weite Strecken zu leicht geraten und das Leveln geht viel zu schnell. Schnell schnell mag aus der Sicht des Massenmarkts ok sein. Jedoch verliert mir dadurch ein Levelaufstieg zu sehr an Bedeutung. Das sollte etwas sein, über das man sich freut und nicht etwas, was man abarbeitet.
2. Das Spiel setzt im Endgame auf eine Equipment Tretmühle bei der man durch das Farmen von Marken und Dungeons weitere noch bessere Gegenstände erwirbt. Zur Erklärung: das Maximallevel von Chars ist 50. Das Maximale Equipment Level liegt jedoch schon bei 91. Frisch auf 50 wärt die Freude über die gerade vollständig erworbene Artefaktrüstung nur kurz wenn man feststellt, dass einen ein mit Equipment Level 90 ausgerüsteter Spieler ganz klar in die Tasche steckt auch wenn der nur mit einer Hand spielt. Schade! Ein etwas weniger inflationärer Umgang mit Equipmentleveln hätte die Wertschätzung für Loot und das Erfolgsgefühl bei bestimmten Inhalten da sicher gesteigert. Dies ist offenbar ein Zugeständnis an den Massenmarkt und mag dort toll und gut sein. Jedoch ist es für den FF MMO Fan ein ärgernis.

3. Das strecken des Inhalts über teils lange Laufwege bei den Quests. Manchmal gut kaschiert manchmal wirklich offensichtlich. Wenn ich nur um einen Satz mit einem NPC zu wechseln um die halbe Welt reisen muss um danach wieder zum vorhergehenden NPC zurückzukehren ist auch für den Hardcorefan der Spaß irgendwann man vorbei.

 

Ist das was für mich?

Das ist pauschal so gut wie nicht zu beantworten. 

Final Fantasy XIV A Realm Reborn macht vieles gut und einiges sogar sehr gut. einiges aber auch nicht so toll.

Letztlich muss jeder für sich entscheiden, ob er bereit ist für ein MMO überhaupt noch monatlich Gebühren zu entrichten. Aus meiner Sicht geht die Rechnung hier auf, weil der Gegenwert stimmt. Man bekommt ein grundsolides Spiel mit grafischen und akustisten "wow" Momenten welches einen solange man es zulässt großartig zu unterhalten weiß. Für den Hardcorezocker ist vielleicht auf Dauer noch zu wenig Content im Spiel. Hier schiebt der Publisher aber bereit jetzt schon stück für Stück einiges nach und das erste Addon befindet sich bereits in Produktion.

Für Kenner und Liebhaber des klassischen MMO Genres ohne Aktivkampfsystem Klimbim und F2P/B2W Shop Nerverei ist das Spiel allemal einen Blick wert. Es gibt tatsächlich viele Wechsler von Guidwars 2 oder WoW die hochzufrieden sind.

Wer etwas neues sucht, wird hier gerade im early und midgame nicht wirklich glücklich.


Wertung
Pro und Kontra
  • wundervolle Grafik
  • erstklassiger Soundtrack
  • einmaliges Klassensystem
  • tolle Atmosphäre
  • schöne Geschichte
  • eindrucksvolle Bosskämpfe in verschiedenen Schwierigkeitsstufen
  • abwechslungsreiche Instanzen
  • Loot im frühen Endgame durch Markenequipment fast überflüssig

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(2)
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