Kurztrip in Übersee

Während im Kino Handkameras mittlerweile zum modernen Stilmittel gehören, entwickelte sich dieses Feature in Spielen erst später in jüngerer Vergangenheit...

von - Gast - am: 11.09.2010

Während im Kino Handkameras mittlerweile zum modernen Stilmittel gehören, entwickelte sich dieses Feature in Spielen erst später in jüngerer Vergangenheit weiter. Vor allem Actionspiele profitieren davon, nur gilt es nach wie vor fast nur als nette Dreingabe oder finden in Zwischensequenzen ihren Platz. Kane & Lynch 2 macht es hingegen anders, denn das komplette Spiel ist in verwackelten und schiefen Kamerawinkeln präsentiert, reiht sich aber auch inhaltlich mau in den allgemeinen Hollywood-Trend ein.

Kehrseite der Medaille

Im Vorgänger hatten wir noch Kane bei der Suche nach seiner Tochter an der Leine und ballerten uns durch Michael Mann-typische Hollywood-Szenarien, so dürfen wir uns diesmal mit Lynch, dem Psychopathen, durch die Straßen Shanghais kämpfen. Der schmierhaarige Lynch hat in der Metropole Fuß gefasst und holt seinen Kumpel für einen Waffendeal über den großen Teich. Leider läuft dieser erwartungsgemäß aus dem Ruder, und schon bald werden die beiden allerlei Interessengruppen gegenüber stehen, inklusive Armee und Polizei. Was also tun? Richtig - ballern, bis niemand mehr Ärger macht.

IO Interactive spart sich jedenfalls von Anfang an die Mühe, die Protagonisten vorzustellen. Wer also den Vorgänger nicht gespielt hat, dürfte sich wie ein Tourist ohne Karte inmitten von Shanghai vorkommen. Genau so durchschreiten wir auch die Kulissen und begleiten die beiden Haudegen von einem Abschnitt zum anderen. Leider vermissen Kenner schnell den Bezug zum ersten Teil, denn Lynch ist plötzlich nicht mehr von seinen geistigen Aussetzern geplagt, und Kane erwähnt kaum etwas von vergangenen Ereignissen. Also ist der Plot rein auf die folgenden Begebenheiten fixiert. Wirklich schade, denn auch wenn die Story schon in 'Dead Men' keinen Schönheitspreis gewinnen konnte, faszinierte die Bindung der beiden um so mehr.

Scheuklappen-Großstadt

Hinterhof-Aktionen, Klischee-Ecken und Großstadt-typisches Flair - die Eindrücke von den Locations zielt eindeutig auf die hässliche Seite der einst britischen Metropole ab. Das bietet den richtigen Rahmen für ein Gangsterpärchen, das wild um sich schießend um sein Leben rennt, jedoch wird dem Spieler rein gar nichts anderes geboten. Von Abschnitt zu Abschnitt treten uns Wellen von Gegnern entgegen, die es zu bezwingen gilt. Dabei wirken die Umgebungen ziemlich konstruiert, denn ständig wird uns das Inventar als Deckungsmöglichkeit in zahlreicher Form serviert. Egal ob Kisten, Betonkonstruktionen oder Türrahmen, überall werden wir exzessiven Gebrauch davon machen müssen, denn die KI trifft uns, wo sie nur kann, wenn wir seelenruhig im offenen Raum stehen. Die KI selbst verhält sich aber leider recht dumm, denn mehr als in Deckung gehen, dort wie angewurzelt verharren und in die Schusslinie laufen tut sie selten. Man muss nur Geduld beweisen und im richtigen Moment den Abzug betätigen, was wiederum später im Spiel erst aufgrund der Trefferanzahl anspruchsvoll wird. Hat Lynch zu viel Blei geschluckt, kann er sich durch Tastendruck nochmal aufraffen, um sich selbst zu heilen. Leider kann die Nutzung der Deckung durch undurchdachte Bewegungsabläufe und Tastenzuordnung leicht zur Verwirrung beitragen und eine gewisse Fummelei zur Folge haben, wenn wir zum Beispiel unerklärlicherweise die Deckung verlassen.

Auch wenn die Settings durchaus gut gewählt sind, verbreitet sich nach dem ersten Drittel schnell Langeweile. Denn mehr zu tun, als sich von Schlauchlevels zum nächsten zu arbeiten, passiert eigentlich nicht viel mehr. Ist ein Abschnitt geschafft, werden in gesunden Abständen Zwischensequenzen eingefügt, die teils noch schwindelerregender ausgefallen sind, als wenn Lynch im Laufschritt durch die Straßen hechtet. Die Handkamera-Idee ist in den meisten Fällen zwar nur etwas für die, die es mögen, aber hat durchaus Stil. Nur leider ist es zuweilen auch ein wenig zu viel des Guten, wenn uns leicht die Schwindsucht ereilt, als würden wir in einem Tornado auf meterhohen Wellen versuchen, ein Schiff zu lenken.

Leicht verdaulich und nicht zimperlich

Teil 1 geizte schon nicht mit expliziten Gewaltdarstellungen, doch 'Dog Days' setzt noch ein Schippchen obendrauf. Man möchte sich fragen, warum IO nicht an Kopftreffern oder das Zeigen von Genitalien verzichtet hätte, doch hier ist es als solches zu erkennen und wird gleichzeitig durch grobe Pixelfelder verdeckt. Dass hier ein wenig mit Erwartungen gespielt wird, regt das Interesse des Spielers selbstredend mit an. Und dass es im rein körperlichen Sinne nicht so harmlos ausfällt wie bei den Sims, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Von der Story wird man nicht zum Aktivieren der Gehirnzellen gezwungen werden, denn die ist doch sehr minimalistisch ausgefallen und erinnert teils an typische Muster, die man aus dem einschlägigen Hollywood-Einerlei kennt. Wer hier aufwändige Charakterzeichnung und einen überraschenden Plot sucht, ist fehl am Platze.

Apropos Verpixeln: Neben den gewollten Pixeln gibt es leider auch ungewollte Pixelfehler, die den Eindruck der Grafik ein wenig schmälern. Ansonsten haben mir der Stil und die Levelarchitektur aber gut gefallen, weil das Realismusgefühl durch massig eingesetzte Effekte sowie detaillierte Räume sehr gut zum Tragen kommt. Dazu reiht sich auch eine sehr gute Soundkulisse ein, die keine Musik, sondern nur Hintergrundunterstützung in Form von Soundwänden darstellt. Einzig die Qualität der Waffensounds und der Abmischung sind ein wenig schwankend.

Fazit

Auch wenn die kurze Spielzeit, bedienungstechnische Mängel, Storyminimalismus sowie das simple Ballerprinzip einen großen Teil der Kritik ausmacht, hatte ich meinen Spaß am Spiel. Das liegt zum einen am Look und den beiden Hauptfiguren, die ich schon im ersten Teil trotz ihrer persönlichen Macken als sympathisch empfand. Jedoch werden Neulinge zuerst den ersten Teil spielen müssen, um sie einschlägig kennenzulernen. Als schnelle Kost für Zwischendurch geht das Spiel durchaus in Ordnung, mehr aber auch nicht.

Kurze Anmerkung: Zum heutigen Tag konnte ich nur die Solokampagne testen, den Multiplayerteil musste ich aus zeitlichen Gründen auslassen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Toller Look, viele Details, Effekte
  • Sound: realistische Sounds, gute Vertonung
  • Balance: Schwierigkeit angemessen
  • Atmosphäre: Stilistisch modern, Charaktere...
  • Bedienung: gute Maussteuerung
  • Umfang: Levels detailliert
  • Leveldesign: Viele Deckungsmöglichkeiten, Details
  • KI: geht in Deckung
  • Waffen: aktuelles Arsenal, gute Sounds...
  • Handlung: sympathische Protagonisten
  • Grafik: Pixelfehler, Bugs
  • Sound: Abmischprobleme, Waffen teils weniger gut
  • Balance: steile Lernkurve
  • Atmosphäre: ...die zu blass bleiben, exzessives Wackeln
  • Bedienung: Tastenbelegung fummelig
  • Umfang: zu kurz, wenig Levelabwechslung
  • Leveldesign: Deckungen teils zu offensichtlich, schlauchig
  • KI: läuft ins Verderben, kaum flexibel
  • Waffen: ...aber nicht bei allen
  • Handlung: Story bietet zu wenig, für Einsteiger ungeeignet

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(2)
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