Überflüssiger Diabloklon mit heftigen Problemen

Wenn man als Schüler nicht weiß, wo man später arbeiten soll, so kommen einige auf die Idee irgendwas mit Medien. Hier winken schließlich das große Geld und...

von - Gast - am: 22.02.2010

Wenn man als Schüler nicht weiß, wo man später arbeiten soll, so kommen einige auf die Idee irgendwas mit Medien. Hier winken schließlich das große Geld und eine erfolgreiche Karriere. So ähnlich muss es wohl auch unter Spielentwicklern laufen. Wenn ein Studio nicht weiß, woran es arbeiten soll, dann kommen einige auf die Idee irgendwas zu programmieren, das wie Diablo funktioniert. Schließlich kennt nahezu jeder Spieler das Spielprinzip und es winkt das große Geld. Das muss sich wohl auch der Radsport-Manager-Entwickler Cyanide gedacht haben und brachte 2007 Loki – Im Bannkreis der Götter auf den Markt.

OK.

Dass das kopierte Spielprinzip von Diablo nicht unbedingt schlecht werden muss, haben unter anderem Sacred, Titan Quest, Dungeon Siege oder jüngst Torchlight bewiesen. Auch Loki kopiert grundsätzlich nur das Prinzip. Das bedeutet, man kämpft gegen Horden von Monstern, bekommt Erfahrungspunkte, steigt im Level auf und sammelt immer bessere Items. Loki variiert dieses Spielprinzip jedoch an einigen Eckpunkten.
Bei der Erfahrungspunktehatz und beim Levelaufstieg etwa werden normale Levelaufstiege und Fertigkeiten unabhängig voneinander gesteigert. Beim normalen Levelaufstieg kann man seine Attribute Stärke, Geschick, Intelligenz, Energie und Vitalität steigern, bekommt man hingegen einen Fertigkeitenpunkt gutgeschrieben, kann dieser im Talentbaum für Kampfskills ausgegeben werden. Eine weitere Besonderheit hierbei: Jeder der vier Heldenklassen hat drei Talentbäume, die jeweils einem Gott gewidmet sind. Um in einem bestimmten Talentbaum Punkte vergeben zu können, muss man zunächst die jeweilige Gottheit anbeten, um den Talentbaum anzuwählen. Dies erfordert ein wenig Vorausplanung, jedoch kann man die Talente gegen Geld auch wieder auf null setzen lassen und die Punkte in dem jeweiligen Baum neu verteilen. Eine gewisse Verskillgefahr ist dennoch gegeben.

Na ja!

Die Charaktere sind insgesamt recht interessant gestaltet. Kurz zusammengefasst: Der nordische Barbar ist stark im Nahkampf und kann durch Fertigkeiten besonders starke Schläge oder unterstützende Buffs aktivieren. Der ägyptische Kampfmagier hat Zugriff auf Feuer-, Blitz- und Schattenmagie. Die griechische Amazone ist eine Allrounderin in Sachen Nah- und Fernkampf, kann aber auch Gegnern Fallen in den Weg legen. Zuletzt kann die aztekische Schamanin sich Gegner mit Geistermagie, Verwandlungen und Beschwörungen vom Halse schaffen.
Ebenfalls gut gemacht: Die vier Charaktere starten jeweils in ihrem Heimatland. Erst wenn dort alle Probleme erledigt sind, geht es weiter zu den anderen drei Welten. Schade ist hierbei jedoch, dass im Prinzip alle Charaktere das gleiche erleben, da bis auf die Eingangsquest alle Haupt- und Nebenquests für alle gleich sind. Andererseits sind die alle Quests ohnehin nach aller simpelsten Mustern gestrickt und bestehen meistens daraus, Bossgegner zu bekämpfen oder Wegpunkte abzuklappern. So stellt sich schnell Routine ein, vor allem weil die Kämpfe gegen besonders starke Gegner keine besonderen Taktiken erfordern, sondern nur darauf hinauslaufen, wie gewohnt seine Kampfmuster abzuspulen.
Des Weiteren tritt die Story extrem in den Hintergrund. Zwar wird man immer am Anfang einer Welt darauf aufmerksam gemacht, dass man Seth verfolgen soll, der versucht die Götter der vier Kulturen ins Unheil zu stürzen, letztendlich macht aber nur Kinkerlitzchen um den Leuten direkt vor Ort zu helfen. So verliert man schnell den Überblick.

Puh!

Noch schlimmer als die Quests sind die generischen Landschaften. In Diablo 2 waren die zufallsgenerierten Levels noch ein Grund, das Spiel mehrmals durchzuspielen. In Loki ist alles mehr oder weniger eine Nummer schlechter. Erstens: Die einzelnen Gebiete müssen erstmal ewig lange laden und selbst das bedeutet nicht, dass die Levels danach fertig sind. In Griechenland und im Aztekenreich etwa hat das Spiel Probleme mit der Vegetation und lädt dadurch langsamer. Zweitens: An sich sehen die Gebiete recht ordentlich aus, aber ständig wiederholen sich die Versatzstücke, sodass man schnell genug davon hat. Drittens: Die Levels sind unglaubwürdig aufgebaut, man hat nie das Gefühl tatsächlich durch die antiken Welten zu laufen. Viertens: Durch den Zufallsfaktor stehen Gegner schon mal auf unerreichbaren Erhöhungen. Fünftens: Die Laufwege sind extrem lang. Wenn man etwa in einer Höhle einen bestimmten Gegenstand finden soll, so besteht die Höhle meistens nicht nur aus einem großen Gebiet, sondern direkt aus drei oder vier, die alle gleich aussehen. Und das mit Ladezeiten. Dass die Questbelohnungen kaum der Rede wert sind, geht bei den Mängeln fast schon unter.
Bei so einer großen Welt ist ein Portalsystem unabdingbar. In Loki funktioniert es zumindest akzeptabel, da die Gebiete, in die man sich teleportieren darf halbwegs gleichmäßig verteilt sind und man sich immer in das letzte Gebiet zurücksetzen lassen darf. Problematisch wird es erst, wenn man ein Questziel sucht und sich die Wege verzweigen. Das Spiel selbst zeigt zwar das Zielgebiet an und den Weg auf der Minikarte, aber eine richtig große Karte über die gesamte Spielwelt gibt es nicht und es wird nicht die nächste Teleportationsmöglichkeit angezeigt. So ist man ab und zu dazu verdammt die Gebiete nach dem richtigen Weg abzusuchen.

Aua!

Das könnte man alles noch verzeihen, wenn die Kämpfe wenigstens auf einem ordentlichen Niveau werden, aber auch hier patzt Loki. Vor allem die Bedienung wird hier zum Spielspaßkiller, da das Spiel an vielen Stellen nicht so reagiert, wie man es erwartet. Mal rennt der Held an den Gegnern vorbei, mal bleibt er einfach vor den Gegnern stehen ohne anzugreifen und dazu kommen richtige Bugs, dass man gar nicht mehr angreifen oder sich bewegen kann. Noch ärgerlicher sind die häufigen Abstürze, wenn ein Gebiet geladen werden soll, was den Spielspaß doch deutlich verringert.
Dazu addiert sich die dämlichste KI in der Geschichte der Action-Rollenspiele. Gut, die ist dort eigentlich kaum der Rede wert, normalerweise laufen die Gegner nur stur auf einen zu, bis man weit genug von ihnen weggelaufen ist. Loki stellt dennoch einen Negativrekord in der Intelligenz der Gegner auf, denn die Gegner verfolgen einen, bis man ihren Sichtbereich verlässt. Selbst wenn man sich hinter den kleinsten Felsvorsprung versteckt, drehen die Gegner um. Das zieht zwar die Gefechte in die Länge, ist aber auch fast wieder fair, denn der Anspruch an den Spieler ist teilweise enorm. Gerade der Einstieg ist viel zu schwierig geraten, da man direkt mit einer ganzen Horde von Gegnern konfrontiert wird. Aber auch in späteren Levels ist Masse von Gegnern so hoch, dass man zusammen mit der verkorksten Steuerung teilweise kein Land sieht. Anderenorts hingegen kann man die Gegner massenweise niederstrecken. Hier wackelt die Balance sehr stark.
Übrigens zum Thema Steuerung: Man sollte dringend am Anfang die Shortcuts umändern, da das Spiel die Tränke, die im Kampf gegen große Einheitenmassen nahezu elementar und notwendig sind, in der Standardkonfiguration auf die Nummernblocktasten packt. Für Leute mit einer Handspanne von 40 cm sollte das zwar kein Problem sein, für Spieler mit Ottonormalmaßen ist dies aber unmöglich zu bedienen, wenn man die eine Hand an den WASD- und Nummerntasten oben hat und die andere an der Maus.

Och nö!

Über die Fehler hinaus arbeitet das Spiel mit einigen schmutzigen Tricks, die zwar die Bedienung erleichtern sollen, aber es nun auch nicht mehr wirklich rausreißen. So kennt das Spiel Bäume und Büsche nur als grafisches Gimmick, denn es blendet im Bereich des Helden die gesamte Vegetation aus und Gegner können durchlaufen.
Auch ansonsten ist es eins der wenigen Action-Rollenspiele in 3D, das es halbwegs schafft eine frei dreh- und zoombare Kamera zu verwenden, ohne dass man wirklich davon genervt wird, da es die meisten Sachen ausblendet, die einem im Sichtfeld stehen.
Seine Vorteile verspielt Loki jedoch relativ schnell, nämlich ausgerechnet im Inventar und das, obwohl es doch die Ausrüstungsjagd besonders gut machen wollte, aber eins nach dem anderen. Das Spiel zeigt nicht die Gegenstände in einem Inventar wie in Diablo, sondern in einer Liste und zeigt die Eigenschaften dieser erst an, wenn man mit der Maus darüber fährt. Blöd dabei: Es versucht auch noch den Gegenstand passend zu animieren und das schluckt so viele Ressourcen, dass das Spiel im Inventar wie die Sau ruckelt. Das gleiche gilt beim Händler.
Zusätzlich dazu wollte Loki glänzen mit einem besonders ausgefeilten Sockelungssystem, indem man seine Ausrüstung mit Materialien und Runen verbessert. Aber das ist nicht nur ebenso schlecht intuitiv zu bedienen wie der ganze Rest des Spiels, sondern auch noch komplett überflüssig, da man so schnell neue Gegenstände sammelt, dass man besser auf diese zurückgreift. Des Weiteren fehlt ein Anreiz, weil die Sockelungen nicht unbedingt die Gegenstände entscheidend verbessern.
Generell fehlt dem Spiel ein Tutorial oder eine gescheite Einführung, da es mit einigen Genre-Standards bricht und man gerade beim Charaktersystem auf unangenehme Überraschungen stößt, wenn man die Spielweise nicht kennt.

Endlich vorbei!

Insgesamt kann Loki grafisch wenigstens halbwegs überzeugen. Zwar sind die Landschaften alles andere als hübsch, was auch mit dem zufallsgenerierten Aufbau zu tun hat, aber Effekte wie Feuer oder Wasser sind recht nett, auch wenn sich diese schnell erschöpfen durch die ständigen Wiederholungen. Auch die Kampfeffekte sind gut gelungen, sind aber nicht immer auf dem hohen Niveau von Titan Quest.
Der Sound ist ebenfalls ganz in Ordnung. Zwar übertrifft das Spiel die Genre-Referenz Titan Quest längst nicht, aber es hat nette, wenn auch nicht dynamische Musik und die Kampfgeräusche sind auch gut. Nur die Sprecher könnten noch einen Zacken zulegen, was aber auch daran liegen mag, dass die Texte recht lang sind und das wesentliche erst am Schluss genannt wird.
Trotz seiner Macken ist es in einer Sache absolute Spitze, nämlich in der Streckung seiner Spielzeit. Zum Vergleich: Titan Quest muss mit etwa 25 Stunden Spielzeit angerechnet werden und ist damit sehr ordentlich und interessant gefüllt, wenn man es einmal spielt. Diablo 2 dauert mit Addon mindestens 40-50 Stunden für ein einmaliges Durchspielen. Danach kann man die Story noch mal spielen mit stärkeren Gegnern und einer neuen Welt. Loki braucht ebenfalls so viel, es zieht sich aber wie Kaugummi, weil die Quests öde sind, die Welt ständig wiederholt wird und das Charaktersystem auf Dauer eintönig wird, weil man dazu übergeht nur wenige Fähigkeiten levelt. Der absolute Klopper kommt aber am Ende des Spiels. Nachdem wir den Endboss besiegt haben, werden wir aus einer Apokalypse befreit und uns wird gesagt, dass wir irgendetwas übersehen hätten und deshalb alles noch mal machen müssten. Statt mit einem vernünftigen Ende die Gemüter zu besänftigen, schafft es das Spiel seine letzte Sympathien damit zu verspielen.

Fazit

Loki – Im Bannkreis der Götter hat eigentlich keine Daseinsberechtigung, weil es auf dem Markt so viele bessere Action-Rollenspiele gibt. Die ganzen Ambitionen werden verspielt, weil es einfach schlampig umgesetzt wurde. Die Bedienung ist die Hölle, die Abstürze vermindern den Spielspaß deutlich und die Quests sind zum Gähnen langweilig. Dazu noch die Landschaften, die häufiger wiederholt werden als Gerichtsshows im Fernsehen und das Charaktersystem und die Ausrüstungsjagd können nicht über die Schwächen hinwegtäuschen. Nicht empfehlenswert!


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: gute Effekte, halbwegs detailliert
  • Sound: ordentliche Sprecher, Effekte, ganz nette Musik...
  • Balance: drei Schwierigkeitsgrade
  • Atmosphäre: Hatz nach Ausrüstung und Erfahrung
  • Bedienung: Maus- und Tastatursteuerung, Kamera
  • Umfang: mindestens 40 Stunden Spielzeit
  • Quests: durchschnittliches Questniveau, relativ viele
  • Charaktere: vier Charaktere mit je drei Fertigkeitenbäumen
  • Kampfsystem: Adrenalin als Booster, Fertigkeiten notwendig...
  • Items: unendlich viele Items, besondere Items, Schmieden
  • Grafik: wenig Abwechslung, mäßige Animationen, Fehler
  • Sound: ...die sich nicht der Situation anpasst, Fehler
  • Balance: schwieriger Einstieg, starke Schwankungen
  • Atmosphäre: zerstückelte Welt, schnelle Routine und Langeweile
  • Bedienung: wenig intuitiv, störrisch und ungenau, Bugs
  • Umfang: in die Länge gezogen, dreiste Wiederholungen
  • Quests: kaum Handlung, schlechte Belohnungen, Questlog
  • Charaktere: Konzentration auf sehr wenige Talente, Verskillen
  • Kampfsystem: ...aber keine wirkliche Taktik selbst gegen Bosse
  • Items: ruckeliges Inventar

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Oft, regelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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