Mass Effect 2 – Biowares Zweitgeborener

„Du bist doch der kleine Bruder von…“ hat wohl jeder mit älteren Geschwistern schon gehört und gehasst. „Ja bin ich, ich heiße Shepard, auch.“Und als kleiner...

von killua am: 17.02.2010

„Du bist doch der kleine Bruder von…“ hat wohl jeder mit älteren Geschwistern schon gehört und gehasst.
„Ja bin ich, ich heiße Shepard, auch.“
Und als kleiner Bruder möchte man der Welt sagen: Seht her, ich bin anders, wir sehen uns sehr ähnlich aber ich kann andere Sachen, hab andere Freunde, bin eine eigene Persönlichkeit!
Diesen Eindruck vermittelt Mass Effect 2 und muss dabei den Vergleich nicht scheuen, denn es hat gänzlich andere Stärken und Schwächen als sein Vorgänger.

Gestatten: Shepard II

Mit einem der bombastischsten Intros der Videospiel- und Filmgeschichte wirft Sie Bioware ins Spielgeschehen und schafft dabei den Spagat zwischen neuem Spiel und alter Story:
Die Normandy wird angegriffen und Commander Shepard riskiert Leib und Leben um die eigene Crew zu retten, nur um selbst Opfer des Angriffes zu werden. Steuermann Joker und die restliche Crew entfliehen, Shepards davonwirbelnder Körper scheint in der Atmosphäre des nahen Planeten zu verglühen.
Es sei nur so viel verraten: natürlich erfolgt die Rettung sogleich.
Die nutzt Bioware geschickt um ihnen den neuen Shepard anzuvertrauen. Wer möchte, spielt mit dem vorgegebenen Aussehen weiter, Individualisten basteln sich ein neues Gesicht, der Science Fiction Technologie sei Dank.
Für Veteranen hält das Spiel ein besonderes Schmankerl bereit: Per Menü importieren Sie den Spielstand aus Mass Effect 2 und „erben“ damit das Aussehen des alten Alter Egos.
Doch damit nicht genug: Auch die Geschichte des ersten Teils wird übernommen: Liebschaften, alte Freunde, mehr oder minder schwere Entscheidungen, immer wird der Spieler auf die Folgen seiner Aktionen treffen. Die großen und kleinen Konsequenzen dessen hinterlassen beim Spielen einen unglaublich befriedigenden Eindruck, man fühlt sich heimisch und gleichzeitig verantwortlich.

Mein Team

Doch was macht Shepard eigentlich?
Im Dienste der dubiosen Organisation „Cerebrus“ gilt es diese mal, das mysteriöse Verschwinden ganzer Kolonien aufzuklären und nebenbei eine schlagkräftige Crew zusammenzustellen.
Nach Besuch und Erkundung einer der zahl- und abwechslungsreichen Siedelungen überall in der Milchstraße muss dem zukünftigen Teammitglied erst geholfen werden, bevor es sich an die Rettung der Galaxie machen kann und öfters auch will.
Nebenbei trifft Shepard auf zahlreiche Bekannte wie der Quarianerin Thali oder Captain Anderson.
Der Besuch der Citadel ist dabei einer der nostalgischsten und witzigsten Momente des Spiels.

Meine Welt

Eine der großen großen Stärken des Spieles ist dabei die Atmosphäre. Und diese entspringt nicht wie sonst üblich der Gestaltung der Welten an sich. Zwar wummert Im Nachtclub auf Omega dumpf der Bass zu dem sich Alienwesen lasziv auf Tanzflächen räkeln während in den unteren Stockwerken Arme und Ausgestoßene in der Gosse liegen, springen kleine, affenartige Wesen durch Dschungelplaneten und vermittelt die vom nuklearen Winter zerstörte Welt der Kroganer auch genau diesen Eindruck, doch wirklich glaubhaft wird dieses Universum erst durch die Wesen, die es bevölkern.
Rollenspieler können unzählige Stunden in Gesprächen mit vielen,vielen Charakteren verbringen. Jeder hat dem geneigtem Zuhörer eine eigene Geschichte zu berichten und eben diese Figuren, die man überall trifft erzählen dem Spieler dabei die Welt, ihre Geschichte, ihre Probleme und ihren direkten oder indirekten Beitrag zur Hauptgschichte. Zu vielfältig sind die Themen und Verwicklungen um sie hier aufzuführen doch das Spiel wird dabei keineswegs langatmig oder repetiv denn Bioware scheut sich nicht, brisante Themen wie Rassismus, Krieg, Freundschaft, Liebe und Moral zu diskutieren.
Der Effekt des Ganzen ist eine unglaublich persönliche Atmosphäre das ganze Spiel hindurch die Rollenspiel-Fans fesseln wird.

Kampf in Schwarz und Weiß

Viele Probleme auf Stewards Weg lassen sich durch Reden und Diplomatie lösen. Dabei gibt es oft einen vorbildlichen aber auch einen verwerflichen Weg. Meist sind dies gewisse Gesprächsoptionen Stewards, die dann mit Moralpunkten a la Fable belohnt werden.
Leider kommt es dabei nur allzu oft vor, dass ein Thema der Auswahl nicht hält was es verspricht und irgendwie nicht das was erwartet wurde gesagt wird. Unfreiwillige „schlechte“ und „gute“ Dialoge sind dabei das Resultat.
Eindeutiger sind die kleinen Quicktime-Events die immer mal wieder vorkommen und Shepard zu einer jeweils guten oder schlechten Aktion veranlassen. Das ist oft nicht nur Spielerei und hat durchaus Konsequenzen. Wer zum Beispiel die Reparatur eines Kampfjägers mittels Elektroschock des Mechanikers verhindert bekommt zwar Punkte aufs „böse“ Konto, hat später aber auch einen leichteren Kampf gegen eben jenen Jäger.
Überhaupt die Kämpfe. Hier hat sich im Vergleich zum ersten Teil wohl am meisten verändert. Zwar schießen sie immer noch wie gewohnt mit Sturmgewehr, Pistole und Skipper im Schiff Format, doch wesentlich unkomplizierter als zuvor.
Mit linker Shirt-Taste pausiert das Spiel und Kommandos können bequem an Teamkameraden vergeben werden. Das wahrt die Übersicht und bricht die doch manchmal ausbrechende Hektik, wird aber auf die Dauer etwas anstrengend weil Pflichtprogramm. Zwar agieren die immer zu zweit agierenden KI Kollegen recht gut selbstständig, effektiv lassen sich ihre Kräfte und Stärken jedoch nur vom Spieler gesteuert einsetzen.
Für Rollenspieler birgt dies in Verbindung mit den doch recht eindimensionalen Kampflevels die Gefahr, zu aktionlastig zu werden, Aktion-Fans werden wie gesagt durch das Management der Kammeraden belastet.

Schiff, Rüstung, Schiffsrüstung

In weiser Voraussicht hat Bioware das Ausrüstungsmanagement des Teams entschlackt und vereinfacht. Waffen und Upgrades findet Shepard während seiner Missionen, kauft sie sich oder bekommt sie von neuen Teammitgliedern.
Erstandene Waffen und Verbesserungen sind dabei sofort verfügbar, Gefundenes muss erst erforscht werden. Dazu haben sich die Entwickler ein Ressourcensystem einfallen lassen, bei dem gewisse Elemente vorrangig für bestimmte Upgrades gebraucht werden. So wird für Bionik stets das seltene Element Zero gebraucht.
Die benötigten Materialien finden Sie dabei währen ihrer Missionen, doch um wirklich genügend parat zu haben, muss Shepard zu anderen Planeten fliegen und diese mittels eines Mineralienscanners erkunden. Anfangs als witziges Minispiel gedacht, wird die Sucherei jedoch schnell zur nervigen Farce. Kein Spieler möchte gerne eine halbe Stunde lang Planet-Anfliegen, Mineralien-Scannen, Sonden-Schießen in ständiger Wiederholung ausführen.
Waffen und Upgrades kommen dabei entweder dem ganze Team zugute oder begünstigen einzelne Kämpfer. Überhaupt verteilt sich die sehr überschaubare Anzahl an Wummen relativ schnell, denn ein Teammitglied kann nur zwei Waffen tragen. Einzig Shepard kann mächtige Spezialwaffen wie Mini-Nuke Werfer(Fallout lässt grüßen) oder Gefrier-Flinte nutzen, für die Munition entsprechend rar ist.
Leider versäumte Bioware, dem Spieler klar zu machen, warum Schiffsupgrades wie Schilde oder Geschütze auch wichtig sind und desshalb sei hier gesagt: Für das Endgame ist eine gute Ausrüstung des Schiffes sehr wichtig.

Schau her

Die Grafik von Mass Effect 2 ist am besten mit „durchwachsen“ zu bezeichnen.
Citadel und Asteroidenkolonie Omega überzeugen mit Deteils und Scifi-Design, stimmigem Licht und Schattenarealen, die Schuppen der Kroganer hört man förmlich aneinander reiben doch oft zerstören einzelne verwaschene Texturen das Gesamtbild. Auch bei der Animation haben sich Fehler eingeschlichen. Figuren springen oft von Ort zu Ort und Gesichtszüge flattern im Polygonchaos. Da besteht Flickbedarf.
Funktioniert die Technik, gibt es fein animierte Gesichtszüge und ein breites Spektrum an Weltraum-Völkern zu sehen. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass im späteren Spielverlauf viele Charaketermodelle ernaut Verwendung finden. Das erzeugt einen seltsamen Bruch im sonst so schönen Aufbau der Spielwelt.
Trotz allem bietet das Spiel alles, was für ein immersives Spielerlebnis nötig ist.
Stimmige Außenareale, geschäftige Raumhäfen, knallige Feuergefechte, alles wird hübsch und überraschend Ressourcenschonend auf den Bildschirm gezaubert. Auch der Sound ist glaubwürdig aber doch eher Zweckdienlich. Gegner lassen sich orten und meist exzellente Synchronsprecher runden den Eindruck ab.

Fazit

Mass Effekt 2 spaltet die Gemüter.
Mit dem Fluch des Mannes in der Mitte belastet hat Bioware durch dezente Veränderungen in RPG- und Actionlastigkeit versucht, nicht nur mehr vom Selben zu liefern, es dabei jedoch vorbildlich verstanden, die Atmosphäre aufrecht zu erhalten und durch lohnende Speicherimportierung sogar zu verstärken.
Der Akzent liegt dabei klar auf den zahlreichen Gesprächen und Verwickelungen der Geschichte, Schießeinlagen bilden den notwendigen Kontrapunkt.

Fans des ersten Teils greifen zu, Neulingen lassen sich verzaubern.

Fazit

Mass Effekt 2 spaltet die Gemüter.
Mit dem Fluch des Mannes in der Mitte belastet hat Bioware durch dezente Veränderungen in RPG- und Actionlastigkeit versucht, nicht nur mehr vom Selben zu liefern, es dabei jedoch vorbildlich verstanden, die Atmosphäre aufrecht zu erhalten und durch lohnende Speicherimportierung sogar zu verstärken.
Der Akzent liegt dabei klar auf den zahlreichen Gesprächen und Verwickelungen der Geschichte, Schießeinlagen bilden den notwendigen Kontrapunkt.

Fans des ersten Teils greifen zu, Neulingen lassen sich verzaubern.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Vielseitig
  • Sound: stimmig, untermalend, betonend
  • Balance: Schwierigkeitsgrade, viele Spielweisen
  • Atmosphäre: fesselnd, persönlich
  • Bedienung: kompfortabel, Pausetaste
  • Umfang: groß, Gut/Böse, Save-Import bindet ME1
  • Quests / Handlung: Storytechnich Fesselnd, Belohnend
  • Charaktersystem: zweckdienlich, abechselungsreich
  • Kampfsystem: Teamkämpfe, taktisch
  • Items: unkompliziert, sauber
  • Grafik: kaum Veränderungen zum ersten Teil
  • Sound: auf dauer eintönig, könnte
  • Balance: unstetig, Missionsabhängig
  • Atmosphäre: Bruch durch Ladebildschirme, Bugs, Schlauchlevels
  • Bedienung: schwammig in menüs
  • Umfang: kaum neues wenn einmal ausführlich gespielt
  • Quests / Handlung: läuft auf
  • Charaktersystem: insgesamt zu wenig,wahl spielt keine Rolle
  • Kampfsystem: auf Dauer eintönig
  • Items: unpersönlich

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(4)
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