Von Seeräubern und epischen Schlachten

Es gibt Tausende von mittelalterlichen Strategiespielen. Ich weiß das! Immerhin hab ich ein Drittel davon gespielt. Aber in jedem Spiel war der Wille da,...

von Grizzyplayer am: 01.12.2012

Es gibt Tausende von mittelalterlichen Strategiespielen. Ich weiß das! Immerhin hab ich ein Drittel davon gespielt. Aber in jedem Spiel war der Wille da, endlich mal selbst in die Schlachten zu ziehen. Als Person, die man selber steuern kann. Als Kommandant, den man nicht nur als fliegenden Befehlshaber verkörpert, sondern als tapferer General, mit dem man nicht nur tatenlos zusieht, sondern auch tatkräftig etwas zur Schlacht beiträgt.

Mount & Blade war wie eine Erlösung für mich. Ein Spiel, das ich lange gesucht und durch einen glücklichem Zufall, erfolgreich gefunden hatte.

Fehlanzeige

Die Überschrift kann jeder Mensch so interpretieren, wie er will. Aber Leute, die meine ersten beiden Tests gelesen haben, wissen, dass hier immer etwas zur Handlung des Spiels steht. Und mit dieser Erklärung hat sich hiermit auch alles erledigt.

Denn M&B hat schlichtweg keine Story. Natürlich könnte man jetzt sagen: "Sicher, man soll sich ja auch selbst entwickeln können." Aber eine kleine Videosequenz oder ein paar Bilder bzw. wunderschön gezeichnete Artworks, welche die Spielwelt und ihre Besonderheit vorgestellt hätten, würden schon viel auswirken.

Stattdessen bekommen ich ellenlange Texte vor die Nase geknallt und wähle dann in schnöden Textantworten aus, wo ich herkomme, wer meine Vorfahren waren, was ich erreichen möchte und welcher Fraktion ich mich anschließen möchte.

Einen Vorteil hat das Ganze allerdings: Sollte ich etwas nicht richtig verstanden haben oder möchte ich meine Auswahl ändern, kann ich einfach zurückgehen. Gut so! 

Grafik

Die Grafik von Warband ist leider hoffnungslos veraltet. Man nehme nur mal 'Need for Speed: Shift' als Beispiel, welches 2009(!) erschien und immer noch eine ansehnliche Optik besitzt. Bei M&B sieht das leider komplett anders aus: Die Texturen sind unscharf, die Charaktere sind schlecht dargestellt und beherrschen (außer Blinzeln und Kämpfen) keinerlei Bewegungen und die Animationen sind nur bedingt flüssig, wirken nämlich anfangs recht abgehackt und enden genauso abstrakt wieder. 

Trotzdem gibt es auch positive Punkte zu nennen. Das Schattenspiel, sowie die gut verteilten Lichtverhältnisse (besonders während Sonnenuntergängen atemberaubend) kommen der Atmosphäre ungemein zur Gute.

Waffen und Schilde sehen ordentlich aus. Vor allen, wenn sie dann das eigene Logo tragen. Da fühlt man sich schon viel mehr, wie ein richtiger Kriegsherr. Sollte der Charakter, dann noch eine Plattenrüstung und einen Helm tragen, vermittelt dies, das befriedigende Gefühl, einen unbesiegbaren Recken, durch Caladria zu scheuchen.

Die Städte selbst sehen toll aus und sind ordentlich strukturiert. Besonders die Burginnenbehausung ist stets imposant anzusehen und übertrifft auch sonst jeden Aspekt von ausuferndem Luxus. 

Sound

Das Problem ist Folgendes: Es gibt keine Vertonung der Charaktere. Und hier verliert Warband sehr viele Punkte. Stattdessen führen sie Konversationen in langweiligen Textfenstern. Die einzigen Charaktere, die sprechen, sind die Banditen. Und die können das noch nicht einmal in Deutsch. Zumal können sie nur zwei Sätze sagen. 

Dazu kommt, dass die Übersetzung im Allgemeinen grottig ausfällt.Entweder es gibt unzumutbare Grammatikfehler oder die Übersetzer haben sich erst gar nicht die Mühe gegeben, die Texte ins Deutsche zu übersetzen. So fängt ein Charakter beispielsweise mitten im Satz an Englisch zu sprechen oder man kann aufgrund mangelnder Englischkenntnisse die Quest nicht richtig lösen. Bei mir war das zum Glück nicht der Fall, aber für den einen oder anderen könnte es eventuell zum Verhängnis werden.

Sonst gehen die Soundeffekte völlig in Ordnung. Das Trefferfeedback, durch das Schwert ist angenehm anzuhören und setzt einen unglaublichen Glücksschwall frei. Die Pferdehufe klingen auf Schnee zwar genau so, wie auf Stein, aber wer darüber hinwegsehen kann, dürfte, abgesehen von der miesen Übersetzung, eigentlich ein recht annehmbares Sounderlebnis haben. 

Zumal die Musikuntermalung unglaublich authentisch ausfällt und auch nie nervig wird. Nur leider wiederholt sie sich recht oft.

Steuerung

Das Handling beruht auf der klassischen WASD + Maus-Steuerung.Grundsätzlich ist an dieser auch nichts auszusetzen. Wie in The ElderScrolls können sie, mit Druck auf die R-Taste, zwischen Third- und First-Person Ansicht wechseln. Die First-Person Perspektive eignet sich besonders gut für Bogen- bzw. Armbrustschützen, die großen Wert auf eine perfekte Präzision legen. Für den Nahkampf eignet sich die Ego-Ansicht allerdings nicht, da man für Auseinandersetzungen dieses Kalibers mehr Übersicht braucht, um die Gegner besser auszumachen und zu treffen.

Der Nahkampf ist bei Mount ­and Blade sehr taktisch veranlagt. Man kann Schwingen (aus drei Richtungen) und man kann stechen. Man kann den Schild oder die Waffe benutzen, um gegnerische Angriffe abzuwehren und zu Pferd berechnet das Spiel die Geschwindigkeit und lässt die dann in den ausgeteilten Schaden einfließen. Außerdem ist es möglich, dass sich die Waffen, beim gleichzeitigen Zuschlagen in die gleiche Richtung, kreuzen und so niemand Schaden nimmt. Man merkt schon. Hier hat sich Tale Worlds jede Menge Mühe gegeben. 

Außerhalb der Kämpfe bewegen sie sich, wie in einem klassischen Strategiespiel, per Mausklick fort.

Die Menüs fallen wunderbar komfortabel aus und sind schnell ausstudiert. Dabei wurden die Informationen aufs Wesentliche beschränkt. Das schafft Platz, ist aber vielleicht für manche sehr karg an Informationen.

Das Inventar funktioniert gut per Drag & Drop. Allerdings haben viele Gegenstände (obwohl sie über unterschiedliche Eigenschaften verfügen) die gleiche Textur. So kann es schon einmal vorkommen, dass man sich statt einem 'Nordischen Schwert' ein 'schartiges Nordisches Schwert' anlegt. Der Unterschied im Kampf macht sich bemerkbar und sorgte für viel Frust.

Gameplay

Das wohl größte Plus, was Warband sich verdient hat sind die nahezu gar nicht vorhandenen Ladezeiten. Ganz am Anfang erscheint ein riesiger Ladebalken, der in knapp 30 Sekunden sämtliche Texturen, Orte und Charaktere lädt. Danach gehen die Spielabschnitte fast nahtlos ineinander über. Atmosphärefördernd!

Zudem fällt die Charaktergestaltung unglaublich vielfältig aus. Von den Augenbrauen über die Wangenknochen bis hin zum Kinn ist alles individuell und stufenlos einstellbar. Außerdem lassen sich das Alter, die Frisur, der Bart und die Hautfarbe festlegen. Hier kann garantiert jeder seinen eigenen, einzigartigen Charakter erschaffen.

Auch das Tutorial ist ein spielenswerter Abschnitt. Hier wird (wenn auch im Textmodus) jeder auch noch so wichtige Aspekt in der Kampfkunst gelehrt. Man kann sich mit vier verschieden schweren Gegnern im Nahkampf messen. Man trainiert das Reiten in einem Parcours sowie das berittene Bogen- und Armbrustschießen. Man lernt, präzise mit Wurfspeeren und Messern zu werfen. Sehr gut gelungener Spielabschnitt, dem ich jeden Käufer explizit empfehle.

Was auch noch super ist und im Grunde genommen DEN Spaß in Mount & Blade darstellt, sind die Kämpfe. In keinem anderen Spiel fühlt man sich dermaßen episch, wenn man mit seinen Kumpanen, unter Kampfgeschrei, auf seinen Gegner zustürmt und ihn dann glorreich niedermetzelt. Die dabei unendlich bestehenden Taktiken laden zum Experimentieren ein.

Doch hier muss man leider auch wieder Nachteile in Kauf nehmen. Die eigene KI ist dermaßen dumm und extrem stur, dass sie nicht einmal auf meine Befehle hört (auch wenn ich sie zehn Mal ausrufe). Sollte das dann trotzdem Mal der Fall sein, dann führen sie auch keine weiteren Aktionen mehr aus, bis man sie wieder auffordert anzugreifen. Das nervt. Besonders wenn man mit einer begrenzten Anzahl von Männern unterwegs ist. Beispiel: Einmal wollte ich eine Seeräuber-Anlegestelle infiltrieren und befahl meinen Männern mir zu folgen. Plötzlich entdeckt uns ein Seeräuber und eröffnet das Feuer. Während ich mich hinter meinem Schild verschanze, um nicht Opfer der Pfeile zu werden, sterben hinter mir einer nach dem anderen meiner Männer. Und das nur, weil ich nicht den Befehl zum Verteidigen bzw. zum Angreifen gab.

Ein weiterer Aspekt ist die übermächtige Gegner-KI. Wenn ich beispielsweise im Galopp, auf einem Pferd, um die feindliche Truppe reite, kann es trotzdem sein, dass ich von Pfeilen getroffen werde und somit an Gesundheit verliere. Und das sehr oft. Im Allgemeinen ist die KI viel zu gut, weswegen ich die Einstellungen entsprechend festlegen musste, um nicht ein 27. Mal als Gefangener bei irgendwelchen Tundrabanditen zu landen.

Zudem kommen die grauenhaften Quests, die ihren Namen nicht einmal verdienen. Wiederholungen und schlechte Übersetzungen sind an der Tagesordnung. Und meist sind diese dann auch noch unerfüllbar.

Multiplayer

Das Spielen mit anderen Spielern aus aller Welt ist eine kurzweilige Beschäftigung. Man sucht sich einen von 6 Modi aus, wählt einen Server und kämpft anschließend gegen die feindliche Fraktion, die der Host zuvor festgelegt hat. Wenn man Gegner tötet, Flaggen erobert bzw. Kontrollpunkte einnimmt oder einfach nur bestimmte Punkte hält, bekommt man Geld, welches man in bessere Ausrüstung investiert.

So weit, so einfach. Allerdings haben manche Spieler, dermaßen lange bzw. mächtige Waffen, dass es schon fast unmöglich ist, ihnen etwas entgegenzusetzen. Das Gleiche kann aber auch bei Gegnern vorkommen, die über eine ähnliche Waffe, wie die eigene verfügen. Sollte dieser nämlich als Erstes angreifen und man wehrt diesen Angriff mit dem Schild ab, hat man keine Chance mehr, die Oberhand im Duell zu gewinnen, da der Widersacher kontinuierlich zuschlägt, bis er dann den Schild zerstört und man selbst völlig hilflos dasteht. 

Wenn man aber ein bisschen mehr Erfahrung im MP erlangt, können diese Partien richtig spaßig sein. Besonders dort, wo M&B seine Stärken, bezüglich des Mittelalters, umsetzen kann. Die Belagerungen respektive Verteidigungen sind ziemlich spannend gestaltet und bieten viele Stunden Spielspaß. Auch wenn ich es etwas traurig finde, dass man keine Rammböcke oder Katapulte benutzen kann.

Fazit

Mount and Blade: Warband hat so gut wie keine Ladezeiten und fördert die Atmosphäre weiter, durch tolle Lichtverhältnisse und gelungene Schattenspiele. Die Soundeffekte gehen in Ordnung, die Musikuntermalung ist gut. Die Steuerung ist gut durchdacht und taktisch veranlagt. Die Menüs sind angenehm zu bedienen. Die Charaktergestaltung, sowie das Tutorial sind gut eingefügte Aspekte. Die Schlachten sind bombastisch inszeniert und machen Spaß. Gleiches gilt für die Belagerungen im Multiplayer.

Dass Mount and Blade keine Story und Videosequenzen besitzt, enttäuscht. Auch die hoffnungslos veraltete Technik hinter der Grafik ist grauenhaft. Was noch grauenhafter ist: die Übersetzung - ein riesiges Manko! Zudem sind manche Soundeffekte verbesserungswürdig. Auch die fehlende Vertonung generiert Minuspunkte. Die Verbündeten KI ist strunzdumm, die Gegner KI viel zu übermächtig. Viele Multiplayermatches machen, aufgrund schlechten Balancings, wenig Spaß.

Mount and Blade: Warband ist ein gelungenes, mittelalterliches Rollenspiel, dem allerdings, aufgrund von zahlreichen unzumutbaren Fehlern, ein paar weitere Monate Entwicklungszeit gut getan hätten.

 


Wertung
Pro und Kontra
  • epische Schlachten, gewaltigen Ausmaßes
  • gelungenes Tutorial
  • große Vielfalt bei der Charaktererstellung
  • angenehm strukturierte Menüs
  • gelungenes Schattenspiel, sowie tolle Lichtverhältnisse
  • schöne Musikuntermalung
  • spaßige Multiplayermatches (Belagerung)...
  • ...die aber oft, aufgrund mangelnden Balancings in Stimmungskiller ausarten
  • Keine Story
  • grauenhafte Übersetzung
  • schreckliche Quests
  • schlechte und übermächtige KI
  • keine Vertonung
  • verbesserungswürdige Soundeffekte

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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