Enhanced Edition oder Abzocke?

Diese Rezension bezieht sich auch die ENHANCED EDITION von Beamdog, die seit dem 27.03.2018 auf Steam erhältlich ist. Als vor einigen Wochen still und...

von - Gast - am: 29.03.2018

Diese Rezension bezieht sich auch die ENHANCED EDITION von Beamdog, die seit dem 27.03.2018 auf Steam erhältlich ist.

Als vor einigen Wochen still und heimlich bekannt wurde, das in Kürze eine Enhanced Edition von NEVERWINTER NIGHTS (2002) erscheinen sollte wurde ich hellhörig. Ich habe das Spiel vor gut 6 Jahren durchgespielt in der Platinum Edition (DVD) und ich hatte durchaus meinen Spass damit. Weniger mit der arg in die Länge gezogenen Hauptkampagne, mehr mit den beiden DLCs, SHADOWS OF THE UNDRENTIDE und HORDES OF THE UNDERDARK.

Beamdog hatte bisher mittels ENHANCED EDITION bereits BALDUR'S GATE 1 & 2, ICEWIND DALE 1 und PLANESCAPE TORMENT neu aufgelegt.

Präsentation

Sicherlich darf man nicht allzuviel auf technischer Seite erwarten wenn das eigentliche Spiel mehr als 15 Jahre auf dem Buckel hat, aber wenn man das Programm als "Enhanced Edition" auf den Markt bringt und dafür beachtliche 20 Euro blechen darf, dann darf man doch auch ein bisschen was erwarten? Schliesslich gibt es ja die Standard Diamond Edition für die Hälfte auf GOG.

Grafik (Mangelhaft)

Die ENHANCED EDITION wirbt mit grafischen Verbesserungen. Ich konnte nur minimalst welche feststellen, die aber gar nicht ins Gewicht fallen. Die Auflösung 1080p wurde bereits von der auf GOG erhältlichen Diamond Edition unterstützt, neu hinzugekommen ist 4k, dass ich auf Grund mangelnder Hardware allerdings nicht testen konnte. Grafisch aufpoliert wurde nicht wirklich, die Grafik ist hoffnungslos veraltet und potthässlich. Neu ist das man die UI in zwei Stufen einstellen kann: Standard (sieht bei 1080p winzig aus) oder riesig (gezoomt sodass man die einzelnen Pixel regelrecht zählen kann und verschwommen!). Ein Mittelding gibt es nicht! Von einer ENHANCED EDITION hätte ich einiges mehr erwartet! Die Animationen sind stocksteif, Mundbewegungen gibt es nachwievor nicht und die Polygone sehen wie 2002 aus!

THE WITCHER von 2007 basiert ebenfalls auf einer modifizierten Aurora Engine und sieht um Welten besser aus als diese 2018 "Enhanced" Edition. Dafür sollte sich Beamdog wirklich in Grund und Boden schämen!

Sound (Mangelhaft)

1 zu 1 übernommen wurde der Sound, bis auf dass es jetzt die Möglichkeit von 3D Sound gibt (kann ich Hardwarebedingt nicht beurteilen). An sicht ist auch der Sound hoffnungslos veraltet.

Vertonung (Ungenügend)

Ebenfalls eine 1 zu 1 Umsetzung und hier fällt es besonders ins Gewicht: Ich hätte zumindest erwartet, dass man die englische Sprachfassung neu vertont und 100% der Dialoge jetzt Sprachausgabe haben, auch ein Sprecher der den Erzähler gibt wie in DIVINITY: ORIGINAL SIN 2 hätte durchaus in einer ENHANCED EDITION eine Daseinsberechtigung gehabt!

Gameplay

Gameplaymässig blieb die Enhanced Edition vollkommen unangetastet seitens Beamdog: NEVERWINTER NIGHTS ENHANCED EDITION ist noch dasselbe Spiel wie NEVERWINTER NIGHTS, also ein Quasi-Nachfolger zur BALDUR'S GATE Serie. Anders als bei BALDUR'S GATE gibt es keine Party mehr: man erschafft eine Spielfigur und kann maximal einen NPC als Handlanger rekrutieren. Diesen kann man zu keiner Zeit direkt steuern, sondern lediglich grobe Anweisungen geben. Das war auch seinerzeit einer der grössten Kritikpunkte seitens der Fans, die vermissten nähmlich eine Party. Dieses "Vergehen" wurde mit dem Add-On HORDES OF THE UNDERDARK getilgt, hier wurden grosszügigerweise ganze zwei Handlanger spendiert, im Nachfolger NEVERWINTER NIGHTS 2 wurden wieder drei direkt steuerbare NPCs daraus.

Ebenso unzufrieden war man damals mit der eigentlichen Handlung. Diese ist eher durchschnittlich und ich hatte auch nach einmaligem durchspielen nicht wirklich das verlangen mich nochmals durch die lange, nur leidlich spannende Kampagne zu quälen, wesentlich besser machten es die beiden DLCs.

Der eigentliche "Star" von NEVERWINTER NIGHTS ist sowieso nicht die Kampagne, sondern der wirklich gelungene Editor, mit dem man selber ganze Kampagnen basteln kann.

Bedienung (Befriedigend)

Um es positiv zu formulieren: verschlimmbessert wurde nichts. Die Bedienung war schon immer zweckmässig, nicht mehr und nicht weniger, und das ist sie nachwievor auch. 1 zu 1 aus der vorherigen Version übernommen.

Zugänglichkeit (Gut)

NEVERWINTER NIGHTS war für Einsteiger ebenso geeignet wie für Fortgeschrittene, Profis wurden mit dem wesentlich schwereren HORDES OF THE UNDERDARK gut bedient. Daran hat sich nichts geändert. Es ist nicht schwer sich zurechtzufinden, das Meiste wird im Spiel erklärt, wer sich mit dem DUNGEONS & DRAGONS Regelwerk allerdings nicht auskennt, dem bleibt ein Blick ins Handbuch allerdings nicht erspart.

Komplexität (Ausreichend)

NEVERWINTER NIGHTS ist ein typisches, kampfbetontes Rollenspiel mit dem aus BALDUR'S GATE bekannten, jederzeit mittels SPACE Taste pausierbaren Echtzeitkämpfen.

Das Charaktersystem basiert auf dem DUNGEONS & DRAGONS Regelwerk und ist relativ leicht zu erlernen.

Die Komplexität hält sich ansonsten auch in Grenzen, mehr als simple Point & Klick Rätsel und Multiple Choice Dialoge gibt die Engine nicht her, Erkundung geschieht auf mittelgrossen, übersichtlichen Karten.

Story und Handlung (keine Spoiler) (Ausreichend)

Die Hauptkampagne bietet Standard 08/15 Durchschnittskost und hat etliche Längen. Vor dem "Mangelhaft" rettet allein die Kampagne des DLCs HORDES OF THE UNDERDARK, die zwar auch nicht weltbewegend ist, aber immerhin zu gefallen weis. An der Handlung wurden keinerlei Änderungen vorgenommen, daher verzichte ich hier auf einen Abriss der Handlungen.

Atmosphäre (Ausreichend)

Auf Grund der technischen Betagtheit kommt eine Höhere Bewertung einfach nicht in Frage. Weder sind die Schauplätze besonders einprägsam, noch ist die Story wirklich mitreissend, Charaktere sind stereotyp und mangeln an Charisma. Wer DRAGON AGE ORIGINS gespielt hat vermisst einfach einen Duncan oder eine Morgan.

Spieldesign (Befriedigend)

Designerisch ist NEVERWINTER NIGHTS voll in Ordnung. Zu seiner Zeit sicherlich wesentlich besser, aber das System hat sich einfach bewährt. Wer die Infinity-Engine Spiele und deren moderneren Ableger wie PILLARS OF ETERNITY mag, der wird sicher auch NEVERWINTER NIGHTS, dessen Aurora Engine der Nachfolger der Infinity Engine war, etwas abgewinnen können.

Umfang (Ungenügend)

OK, kommen wir zum unangenehmen Teil. NEVERWINTER NIGHTS - ENHANCED EDITION kostet derzeit 19,99 Euro auf Steam. Dafür bekommt man eine grafisch minimal aufpolierte (ich habe nicht wirklich einen Unterschied gemerkt) Version, die der DIAMOND EDITION von GOG entspricht, soll heissen: das Hauptspiel inklusive des Top Editors der es ermöglich eigene Szenarien zu erstellen, sowie die beiden DLCs SHADOW OF THE UNDRENTIDE und HORDES OF THE UNDERDARK.  Also super-tollen Bonus gibt es die drei "Premium" Module KINGMAKER, SHADOWGUARD und WITCH'S WAKE, also 3 Module die von der Community per Editor erstellt wurden und bisher extra gekauft werden mussten. Diese sind nicht sonderlich umfangreich und eher durchschnittlich.

Der Clou an dem ganzen, die zusätzlichen Kampagnen, die auch schon uralt sind und inzwischen schwer zu bekommen sind, WYVERN CROWN OF CORMYR und PIRATES OF THE SWORD COAST sind nicht enthalten! Hier darf man beim Steam Store auf den Reiter DLC gehen und wird für jeweils 2,99 Euro erneut zur Kasse gebeten! Ebenfalls nicht enthalten sind, INFINITE DUNGEONS (eine Art Random Dungeon Generator im Rogue Style) für 2,99 Euro, HEROES OF NEVERWINTER (ein Portrait Pack) für 2,99 Euro, ENHANCED EDITION SOUNDTRACK für 9,99 Euro und PREMIUM ADVENTURES OFFICIAL SOUNDTRACK für 2,99 Euro. Wer also das Komplettpaket haben will bezahlt also 19,99 Euro PLUS 24,94 Euro. Wow!

Für wen ist NEVERWINTER NIGHTS ENHANCED EDITION?

NEVERWINTER NIGHTS ist an sich kein schlechtes Spiel. Es ist ziemlich in die Jahre gekommen und sehr schlecht gealtert. Spass machen die drei Kampagnen durchaus, wobei die Hauptkampagne einige Längen hat. HORDES OF THE UNDERDARK habe ich vor Kurzem erst wieder durchgespielt und der Editor mit dem wirklich ganze Kampagnen erstellt werden können ist so ziemlich die Krönung des Ganzen. Für die reguläre Fassung würde ich zum kleinen Preis (auf ein Sale bei GOG z.B. warten, bei 1,99 Euro kann man zuschlagen) zuschlagen, gut ist NEVERWINTER NIGHTS durchaus.

Als ENHANCED EDITION ist NEVERWINTER NIGHTS nicht nur eine Enttäuschung, sondern eine Unverschämtheit. Die "Verbesserungen" sind derart minimal, dass der Begriff "ENHANCED" schon eigentlich gelogen ist, die UI Vergrösserung ist derart verschwommen dass ich es wieder rückkgängig gemacht habe, und der DLC für den man nochmal extra zur Kasse gebeten wird hätte definitiv in den Preis von 19,99 Euro mit dazugehört! Wer eine alte Version von NEVERWINTER NIGHTS besitzt wird sich nur schwarz ärgern die ENHANCED EDITION zum Vollpreis gekauft zu haben.

Fazit

Wenn es die Auszeichnung "Unverschämtheit des Jahres" gäbe dann wäre NEVERWINTER NIGHTS ENHANCED EDITION eindeutig ein Kandidat hierfür.


Wertung
Pro und Kontra
  • keine nennenswerten Verbesserungen
  • Nachwievor keine vollständige Vertonung
  • Neues UI ist lediglich gezoomt (arg pixelig und verschwommen)
  • Inhalte nahezu identisch zur "Diamond Edition"
  • "Pirates of the Sword Coast" und "Wyvern Crown of Cormyr" sowie Portrait Pack sind nicht enhalten und müssen separat gekauft werden!
  • mit 20 Euro masslos überteuert


Kommentare(5)
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