Komplex und motivierend: Path of Exile

Path of Exile wird oft mit Diablo 2 verglichen und als geistiger Nachfolger beschrieben. Tatsächlich ist das nur in Hinsicht auf den Grafikstil richtig....

von Eronaile am: 22.11.2013

Path of Exile wird oft mit Diablo 2 verglichen und als "geistiger Nachfolger" beschrieben.

Tatsächlich ist das nur in Hinsicht auf den Grafikstil richtig. Alle anderen Elemente des Spiels wie Items, Charakterentwicklung und Langzeitmotivation weisen deutliche Unterschiede zu Blizzards legendärer Hack&Slay-Referenz auf.

 

Die Grafik: Hübsch aber unauffällig

Wie in Diablo 2 ist die Grafik in PoE wenig glamourös sondern eher realistisch. Die Effekte sind anfangs kleinformatig, werden aber im Lauf des Spiels durch Effekte wie Mehrfachgeschosse, vergrößerten Radius oder zusätzlich getriggerte Effekte recht eindrucksvoll. Einen Explosions-Pfeil zu verfünffachen, der Gegner durchschlagen kann udn zusätzlich "bei Treffer" weitere Zauber auslöst ist einfach ein Augenschmaus.

Die Umgebungen sind stimmig inszeniert.

Wer das unübersichtliche Effektgewitter aus Diablo 3 gewohnt ist muss sich natürlich umstellen, aber an der Qualität an sich gibt es nichts zu meckern.

 

Die Gegner: Hack&Slay-Standard mit Ausnahmen

PoE erfindet das Rad nicht neu, wie in D2/3 laufen hauptsächlich XP-Quellen ohne nennenswerte taktische Erfordernisse rum. Nur die "named" Gegner und Bosse erfordern ab und zu Umdenken. Tatsächlich ist es nicht immer möglich, bestimmte Bosse alleine zu besiegen, speziell in den höheren Schwierigkeitsgraden. Die meisten Bosse sind mit bestimmten Charaktereigenschaften (Nah/Fernkämpfer, Schadenart, Beweglichkeit, Skills usw.) fast nicht zu knacken, mit anderen dagegen relativ einfach. Es lohnt sich, eine kleine Gruppe zu bilden um diese Gesellen ins Jenseits zu schicken.

In Sachen Vielfältigkeit erschöpft sich das Repertoire an aus dem Boden brechenden Gegnern, stationären Geschützen und Suizid-Bombern.

 

Eine besondere Erwähnung verdienen die Bossgegner, die zumindest dem einzelnen Spieler einiges abverlangen. Diablo selbst würde sich in seinen Seelenstein verkrümeln wenn man den Kampf mit Bossen aus PoE vergleicht. In einer Gruppe sind die Kämpfe dagegen zu leicht, wer gerade anfängt und noch nicht alle Schwierigkeitsgrade kennt sollte sich selbst nicht den Spaß verderben sondern versuchen, den Obermotz alleine zur Strecke zu bringen.

 

Das Herz von PoE: Die Helden

Die Motivation und der Spielspaß in PoE kommen neben dem Endgame vor allem durch die zahllosen Experimente mit Skills und Talenten zu Stande.

Die Charakterentwicklung ist um ein Vielfaches komplexer und spannender als in anderen Hack&Slays:

Skills erlernt man nicht einmal für alle Zeit sondern rüstet sie wie Waffen oder Rüstungsteile aus. Sie kommen einher in Form von Skill-Gems, die man in Sockel einsetzen kann - und auch wieder rausnehmen oder austauschen.

Die Fähigkeiten sind nicht an Heldenklassen gebunden sondern einem der drei Attribute Stärke, Geschicklichkeit und Intelligenz zugeordnet. Höhere Stufen einer Fähigkeit erfordern ein Minimum in diesem Attribut, somit ist es prinzipiell möglich mit jeder Klasse jede Fähigkeit zu benutzen aber die Stärke des Skills hängt davon ab, wie hoch man den Skill-Gem levelt.

Levelt? Ja, denn neue Skill-Stufen gibt es nicht zu kaufen oder automatisch zu erlernen. Stattdessen sammeln alle ausgerüsteten Skill-Gems Erfahrung genau wie der Held selbst. Sie steigen damit im Level auf, solange man das zugehörige Attribut besitzt.

Alleine mit den Grund-Skill-Gems kommt man bereits auf etwa 15-20 verschiedene Fähigkeiten PRO ATTRIBUT. Die Charakterklassen spezialisieren sich normalerweise auf 1-2 Attribute, somit stehen schon einmal 30-40 Skills zur Verfügung, die man auf hoher Stufe halten oder sogar maximieren kann.

Dazu kommen Trigger- und Support-Gems. Erstere lösen Skills automatisch in bestimmten Situationen aus, z. B. wenn man getroffen wird. Zweitere verstärken andere Skill-Gems, die im selben Ausrüstungsstück sitzen. So lassen sich beispielsweise Minen (gezielt detonierbar) oder Fallen (lösen aus wenn jemand drüberläuft) mit dem entsprechenden Grund-Skill kombinieren und fortan kann man die Fähigkeit als Zündsatz verteilen. Oder man baut den (einzelnen) Feuerpfeil um in eine tödliche Salve aus 5 Geschossen, die sich zusätzlich nach jedem Treffer in zwei Projektile aufteilen und weiterfliegen. Oder man verstärkt einen Flächenangriff mit größerem Radius, Lifeleech und Chaos-Schaden -> Metzelmetzel!

Als Beispiel für Trigger-Gems könnte man sich vorstellen, bei erlittenen Treffern automatisch defensive Zauber zu wirken.

 

Weil Gegenstände mit 0-6 Sockeln einhergehen und diese Sockel nur immer einem Attribut angehören ist die Suche nach dem "perfekten" gesockelten Item schon eine langfristig motiverende Geschichte. Natürlich sollten neben Sockeln in der richtigen Farbe und Zahl auch die Eigenschaften des Gegenstands an sich stimmen.

 

Noch umfangreicher wird das Skill/Item-System weil es zahlreiche wertvolle Runensteine gibt, mit denen man die Qualität, die Anzahl oder Farbe Sockel und die Sockelverbindungen ändern kann. Wer ein stinknormales, eher nutzloses weißes Item findet aber dieses hat die lange gesuchten 6 Sockel in nützlichen Farben und Verbindungen, der kann es per Runenstein zum Rare aufrüsten! Umgekehrt, ein Rare mit tollen Eigenschaften aber schrottigen Sockeln kann man mit der richtigen Rune um zusätzliche Sockel erweitern und deren Verbindungen neu anordnen.

 

Aber mit dem sehr umfangreichen und hoch-flexiblen Skill-System ist die Charakterentwicklung nicht abgeschlossen!
Zusätzlich stellt PoE den Spieler vor die Wahl aus mehreren hundert Talenten, die von jeder Klasse erlernt werden können und dem Charakter eine einzigartige, nun ja, Charakteristik verleihen.

Diese Talente verbessern die verschiedensten Eigenschaften: Ressourcenpool, Schaden, Geschwindigkeit, Attribute, Angriffsfläche usw.

Dabei ist der Talentbaum zwar prinzipiell frei zugänglich, das heißt Magier-Archetypen können problemlos mit Zweihandwaffen und viel Stärke in den Nahkampf stürmen. Allerdings startet jede Klasse in einer anderen Ecke des Talentbaums und umliegende Talente sind auf "typische" Eigenschaften der Klasse ausgelegt. Ein Ranger startet in der Nähe von Talenten, die Fernkampf und Beweglichkeit verbessern. Trotzdem ist es problemlos möglich, mit ein paar investieren Talentpunkten weit in andere Gegenden des Baums vorzustoßen.

Besonderen Glanz verleihen dem Talentbaum die "Key Stones", das sind ungewöhnliche Talente, die teilweise den ganzen Spielstil des Helden ändern. Wer statt Mana plötzlich Lebenspunkte bezahlt um Skills zu wirken, wer seine Rüstung drastisch verringert um öfter auszuweichen oder wer gar komplett auf seine eigenen Fähigkeiten verzichtet und stattdessen 2 Totems gleichzeitig beschwören kann, die diese für ihn wirken... der weiß, wie komplett die Key Stones das Spielgefühl umkrempeln können.

Besonders flexibel ist hier die neueste Heldenklasse, "Scion", die genau in der Mitte startet und so sofort Zugriff auf Intelligenz-, Beweglichkeit- und Stärke-orientierte Talente hat.

Weil ein Charakter maximal 120 Talentpunkte erhält (1 pro Level und einige als Belohnung) sollte man sich gut überlegen, wie man diese investiert denn ein "Zurücksetzen" der Talente ist teuer und langwierig. So lassen sich kleinere Korrekturen noch recht zügig ausbügeln aber eine generelle Umorientierung ist schwierig. Zum Glück stehen Mitspieler mit Rat und diverse Fansites mit Talentrechnungen dem Einsteiger hilfreich zur Seite.

 

Langzeitmotivation

Die zweite große Stärke von PoE gegenüber der Konkurrenz sind die vergleichsweise umfangreichen Möglichkeiten für Spieler auf dem Maximallevel. Statt einfach die Monsterstärke hochzuschrauben und alles gleich zu lassen wartet PoE mit komplett neuen Karten (inklusive neuen Gegnern und nur dort erhältlichen Items) auf. Außerdem gibt es regelmäßig neu startende "Ladder-Runs" in kniffligen Ligen, die ebenfalls Items in Aussicht stellen, die man im normalen Softie-Modus nicht bekommt. Hardcore-Modus inklusive.

 

Fazit

Für Fans der unendlichen Möglichkeiten und viel Endgame-Action ist PoE das Wahre. Wer eher auf eingängiges, anspruchsloses Dauermetzeln steht greift zu anderen Titeln.

 

UPDATE zur Neubewertung (13.07.2015) mit 89 -> 91 Punkten

Seit meiner ursprünglichen Rezension im November 2013 hat sich viel an Path of Exile getan. Ohne im Detail auf die vielen Verbesserungen und Erweiterungen einzugehen, gibt es von mir +1 Punkt alleine für die absolut vorbildliche und vollkommen kostenlose, regelmäßige Verbesserung und Erweiterung des Spiels durch die Neuseeländer Entwickler. Durch diese Philosophie der Spiele(weiter)entwicklung grenzt sich das Studio positiv von geldgierigen DLC- und "Pay4Fun"-Spiele-Entwicklern ab, die das F2P-Prinzip nur auf dem Papier realisiert haben.
Da ich mich immer stark an den Wertungsgewohnheiten der GS orientiere, hat PoE damit den Sprung ins "Ausnahmespiel"-Segment von 90 Punkten aufwärts geschafft.

Einen weiteren Pluspunkt - damit sind wir dann bei 91 - gibt es für die gerade erschienene, ebenfalls komplett kostenlose Erweiterung durch Patch 2.0. Neben einem kompletten neuen Akt gibt es enorme Anpassungen bei den Items, Talenten, der Zugänglichkeit, den "alten" Gebieten, Mobs, Mechaniken, Skills und und und... die Patchnotes sind enorm umfangreich. Dass dabei praktisch jede Änderung sinnvoll und nachvollziehbar bleibt, ist umso bemerkenswerter.

 

Von mir eine klare Empfehlung!

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • extrem umfangreiche, flexible Charakterentwicklung
  • viele Motivationen im Endgame´
  • ... durch Ligen
  • ... und neue Karten, Monster, Items
  • Item-Hatz um Sockelsystem ergänzt
  • Items können hochgradid angepasst werden mit Runen
  • Skills austauschbar und leveln mit dem Charakter mit
  • Skill-System sehr umfangreich durch Kombinationsmöglichkeiten und Erweiterungen der Grundfähigkeiten
  • Talentbaum mit sehr vielen Möglichkeiten, Flexibilität und besonderen, das Spielerlebnis deutlich beeinflussenden 'Key Stone'-Talenten
  • knackige Bosse (nur alleine)
  • nicht effekt-lastig
  • Story abgedroschen und Ende enttäuschend
  • Bosse (allein) nicht mit jeder Charakterauslegung besiegbar
  • Währungssystem für Einsteiger nicht leicht durchschaubar, Items (Runen) als Währung bzw. Tauschhandel dominiert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(3)
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