Ritt in die Spielehölle

Ein rache-suchender, ehemaliger Soldat, fette Chopper und genzenlose Highways, getrieben von der Musik der 60er und 70er. Eben ein Biker-GTA in den 70's, so...

von Firefly580 am: 30.06.2013

Ein rache-suchender, ehemaliger Soldat, fette Chopper und genzenlose Highways, getrieben von der Musik der 60er und 70er. Eben ein Biker-GTA in den 70's, so hatte ich mir Ride to Hell: Retribution bei der Ankündigung für sein erscheinen im Jahr 2008 vorgestellt. Dann wurde es ruhig um das Spiel, bis Deep Silver vor einigen Monaten plötzlich damit begann Screenshots zu veröffentlichen. Diese strahlten zwar nicht gerade vor Grafikpracht(um es nett auszudrücken), was aber nicht weiter schlimm gewesen wäre solange zumindest Gameplay und Story stimmen. Doch was der Entwickler Eutechnyx (Auto Club Revolution) hier abliefert ist die DVD nicht wert auf die es gepresst ist.


Doch erstmal eins nach dem anderen. Ride to Hell wirft uns als Vietnamveteran Jake in die USA der 70er Jahre. Gerade wieder zuhause angekommen wird Jakes Bruder vom Anführer einer rivalisierenden Bikergang getötet. Jake sinnt auf Rache und beginnt mit einem gnadenlosen Rachefeldzug.

Wie ein gnadenloser Rachefeldzug gegen die Logik fühlt sich auch die Geschichte an, die so unverständlich und in zusammenhanglosen Cutscenes erzählt wird, dass euer Hirn bald "STOP!" schreit.

Beispiel: Das Spiel beginnt mit einem Intro, dass euch nur vage eine Vorstellung verschafft, wer Jake denn überhaut ist. Mitten in dieser Sequenz erlebt Jake einen Flashback, der Spieler hüpft vollkommen überrascht mitten hinein ins Geschehen. Wir stehen hinter einem stationären Geschütz und beharken Feinde. Schnitt. Cutscene. Schnitt. Quicktime Event. Wir prügeln auf einen Gegener ein, klassisches Buttonmashing. Wer der Typ ist verrät uns das Spiel nicht, schon garnicht warum wir auf ihn einprügeln. Schnitt. Jake sitz auf seinem Chopper und fährt gen Heimat.


Dass das Erzählen nicht die Stärke des Spiels ist wird innerhalb von Sekunden klar. Doch kann das Gameplay das Kind wieder aus dem Brunnen holen? Ganz klar: NEIN!
Wer dachte das Spiel passt ins Genre "Open World" der irrt. Wir fahren mit unserem Chopper immer nur geradeaus durch eng begrenzte Fahrbahnschläuche.

Schon innerhalb der ersten 10 Minuten fahren wir sogar zweimal durch den gleichen Abschnitt, einmal hin und wieder zurück. Das Fahrverhalten ist dabei quasi nicht existent. Unser Bike steuert sich dabei so ungenau wie es nur sein kann, regelmäßig bleibt man an oder in Objekten hängen. Das wäre ja an sich nicht ärgerlich, würde das Spiel einen nicht automatisch 20 Meter zurücksetzen sobald man zu langsam Fährt. Absteigen geht auch nicht. Und noch dazu müssen wir in einigen Missionen Minutenlang geradeausfahren und mittels Buttonmashing immer wieder gleiche Gegner von ihrem Motorrad knüppeln. Das läuft, bis auf die zu hämmernde Taste, immer gleich ab. Ins Gesicht schlagen, den Kerl vom Bike treten, Bike explodiert...und jedes mal wird automatisch für einige Sekunden die Zeitlupe aktiviert, sobald ein neuer Motorradgangster neben uns auftaucht. Das nervt gehörig.

Die Levelschläuche um die amerikanischen Highways sind hahnebüchene Konstrukte fernab jeder Lebhaftigkeit. Da fahren gefühlte 100.000 blaue Dodge Charger herum, gefolgt von 100.000 Lieferwagen, immer abwechselnd. Neben der Straße stehen alle zehn Meter Sprunschanzen, die man aber lieber nicht befahren sollte, die Physikengine ist nämlich noch schlechter als die Grafik und so bleibt man mal stehn, mal dreht sich das Bike wild im Kreis.

Abseits des Sattels steuern wir Jake frei durch eine belang- und leblose Stadt, in der Wir immer wieder Aufträge erfüllen oder uns prügeln.
Dass die Prügelabschnitte nicht an ein Batman: Arkham City heranreichen sollte ja jedem klar sein, dass eben jene aber nichtmal den Tiefgang eines Watts bei Ebbe haben kommt dann doch ein bisschen überraschend. Wir kämpfen mit 3 Tasten, Schlagen, Treten, Blocken. Doof nur, wenn eine Taste davon(im Test die Y-Taste des X-Box 360 Controllers) nicht erkannt wird, auch nicht nach mehrmaligem Neustart. In anderen Spielen funktionierte die Taste wie sie sollte. Dass man die Prügelgegner, die das Spiel spawnt, auch einfach mit der Waffe umrotzen kann ist lächerlich. ABER: Das Waffenhandling selbst fühlt sich an als ob man während eines Erdbebens einen Patch auf die Bikerkutte nähen müsste.

Auch die Gegner die uns vorgesetzt werden sind immer wieder die gleichen und so fühlen sich die Kampfsequenzen an, als würden wir gegen die Klontruppen aus Star Wars kämpfen.

Doch es kommt immer noch schlimmer: Sex. Was in GTA: San Andreas damals für einen handfesten Skandal sorgte, dürfte hier niemanden aufregen. Denn Jake und seine Bettliebschaften sind immer komplett angezogen. Warum die Frauen des Spiels jedoch regelmäßig mit Jake schlafen wird nicht klar, Ride to Hell: Retribution verzichtet nämlich konsequent darauf klar zu machen, dass sich eine der Damen auch weigern könnte. Anstattdessen bekommen wir dauerrollige Abziehbildchen von weiblichen Charakteren gezeigt, die nichts mit dem Tiefgang einer Morrigan(Dragon Age) oder Liara(Mass Effect) gemein haben.


Die Grafik wirkte auf den frühen Screenshots noch richtig hässlich. Niedrig aufgelöste Texturen, blasser Grafikmatsch, grobschlächtige Charaktermodelle. Daran hat sich im Endeffekt nicht viel geändert, bis darauf, dass der Farbregler ein wenig hochgedreht wurde und Eutechnyx einige zusätzliche Effekte spendiert.
Trotzdem sieht man Retribution sein alter an, teilweise wirkt das Spiel mit seiner Detailarmmut jedoch wie ein Titel aus der Spätphase der PlayStation 2 oder der ersten X-Box.

Auch der Sound kann keine Ehrrettung mehr betreiben. Der bekannte, und einzig lizensierte Song, aus den beiden Trailern hat genau 3 Auftritte im Spiel, wer jetzt einen Soundtrack im Stil von CCR, Lynyrd Skynyrd und co. gehofft hat wird enttäuscht. Die komplette Musikalische untermalung basiert auf nicht lizensiertem, generischem Genremischmasch aus (schlechtem) Southern Rock bis hin zu noch viel schlechterem 90's Power Grunge(oder so). Auch die Bikes klingen fade, wenn ich auf einer Harley sitze muss das dröhnen, hier hören sich die Schüsseln allerdings eher an wie Rasenmäher an der Belastungsgrenze.

 

Alles in allem ist Ride to Hell: Retribution kein Thrash. Es ist einfach wirklich schlecht. Schon die Tatsache, dass vorab keine Testversionen verschickt wurden macht stutzig, denn das passiert in aller Regel, wenn der Publisher nicht möchte, dass die Welt erfährt wie schlecht das Spiel ist. Ich hatte nicht eine Minute das gefühl, dass das Spiel mich noch auf irgendeine Art und Weise fesseln könnte, denn überall findet man Bugs, an den Haaren herbeigezogene "Wendungen", unfertige Spielelemente. Die größte Frechheit jedoch ist, dass man 40€, also fast Vollpreis, für dieses Stück Softwareschrott ausgeben soll. Depp Silver(absichtlich falsch geschrieben) hat hier tief ins Klo gegriffen um dieses Stück Schund ans Tageslicht zu fördern. Wer sich ein GTA-Klon im Wüsten-Highway Setting erwartet hat wird hier bitter enttäuscht, da warte ich lieber noch 10 Jahre auf GTA V anstatt dieses Spiel noch einmal starten zu müssen.

Ride to Hell: Retribution ist schlicht das schlechteste Spiel, dass ich in den letzten Jahren gespielt habe. Nicht mal das Argument "Es ist so schlecht, dass ich es einfach mal sehen muss" zieht. Auf keinen Fall kaufen, nicht mal illegal beschaffen!

 


Wertung
Pro und Kontra
  • -Bikes können umgebaut werden
  • -hoffnungslos veraltete Grafik
  • -dünner Sound, langweilige Musik
  • -keine Atmosphäre
  • -hahnebüchene Fahrphysik
  • -gelegentliche Steuerungsaussetzer
  • -unlogische, wenn vorhandene Story

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(7)
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