Ein steiniger Weg zum Spielspaß

Gemischte Gefühle gehören zu Titeln des Studios Piranha Bytes aus Essen fast schon dazu. Sei es die Steuerung eines Gothic 1 oder das umstrittene...

von Danagat am: 17.08.2014

Gemischte Gefühle gehören zu Titeln des Studios Piranha Bytes aus Essen fast schon dazu. Sei es die Steuerung eines Gothic 1 oder das umstrittene Piratensetting eines Risen 2 - immer wieder müssen tolle Spiele mit einem "aber..." versehen werden. Für den Einen sind die ungewöhlichen Designentscheidungen das Haar, für den Anderen das Salz in der Suppe. Auch Risen 3 - Titan Lords ist hier keine Ausnahme.

Die ersten Stunden des Rollenspiels waren für viele neue Falten auf meiner gerunzelten Stirn verantwortlich. Als (neuer) Namenloser Held startet mein Abenteuer an der tropisch anmutenden "Krabbenküste". Mit Kapitänsmütze, Piratenschwester Patty und Käpt'n Stahlbarts Schwert im Gepäck mache ich mich auf den Weg in das Innere der Insel um einen Schatz zu heben. Moment mal - hiess es nicht, man wolle zurück zu den Wurzeln? Weniger Piraten und Musketen, dafür mehr Schwerter, Rüstungen und Drachen?

Kampfsystem

In der Tat bewahrheiten sich schon bald meine schlimmsten Befürchtungen. Das oft als "sinnvoll überarbeitet und dynamisch" betitelte Kampfystem entpuppt sich schnell als Reinfall. Wie gehabt wird mit der linken Maustaste angegriffen, mit der Rechten pariert. Wo also sind die Neuerungen? Zum Einen hat man nun die Möglichkeit, mit Ausweichrollen den Attacken der Gegner zu entgehen. Grundsätzlich Daumen hoch, schließlich hat die Kombination aus Blocks, Rollen und Attacken zu Lasten eines Ausdauerbalkens ja schon in Titeln wie "Dark Souls" fordernde, spannende und dennoch faire Kämpfe ermöglicht.
Nicht so in Risen 3. Es gibt nämlich keinen Ausdauerbalken. Habe ich für ein paar Minuten keine Lust getroffen zu werden, rolle ich einfach umher, bis mein Gegner angreifbar wird.
Und sollte ich das Timing verpatzen und doch eine der fatalen gegnerischen Attacken kassieren - kein Problem! Mit heilenden Gegenständen wie Rum, Grog oder Fusel ist meine Lebensenergie sofort wieder am Maximum; ohne Abklingzeit, ohne Animation. Egal ob in der Rolle, im Angriff, oder nachdem der Gegner mich zu Boden geworfen hat - ein Tastendruck und alles ist wieder in Butter. Hier offenbart sich schnell die grösste Schwäche von Risen 3. Die Kämpfe werden durch unendlich viele Ausweichrollen und nachteillose Sofortheilung trivialisiert. Sterben tue ich nur, wenn ich meinen Lebensenergiebalken aus den Augen verliere. Oder mir die heilenden Gegenstände ausgehen - was mir im Spielverlauf nur genau ein Mal passiert ist.

So weit, so schlecht. Erfreulicherweise war dies auch schon die einzig grosse, böse Überraschung. Das Piratensetting entpuppt sich nach einigen Stunden als Teil eines grossen Ganzen. Für etwa zwei Drittel der Spielzeit bekomme ich kaum Kapitänshüte und Musketen zu sehen. Dies ist stark abhängig von der Wahl der Fraktion. Zur Auswahl stehen die Wächter (am ehesten vergleichbar mit der Inquisition aus Risen 1, nur ohne Kampfstäbe), die Piraten, und die auf angenehme Weise an Gothic 1 erinnernden Dämonenjäger.

Atmosphäre und Spielwelt

Die Stärken der Vorgänger sind auch in Risen 3 wieder vorhanden. Die handgemachte Spielwelt ist wieder so schön und clever gestaltet, dass ich aus dem Entdecken kaum noch herauskomme. Hinter fast jeder Ecke finde ich einen nützlichen Gegenstand, eine kleine Nebenquest, oder kann einen hübschen Ausblick auf die Umgebung geniessen. Insgesamt ist die Spiewelt ein wenig grösser als noch in Risen 2. Unterstützt wird sie durch einen stimmungsvollen Soundtrack, jeder Track passt wunderbar zu den jeweiligen Gebieten. Hier ist natürlich viel Geschmackssache, mir persönlich hat aber ein markantes Hauptthema gefehlt.

Abwechlungsreichtum spielt diesmal eine grosse Rolle. Die Welt ist im wesentlichen in drei grosse Inseln unterteilt, jede davon mit einem eigenen Flair. Kila, die Dschungelinsel der Eingeborenen Voodoo-Priester und Piraten bildet die Brücke zu Risen 2.  Taranis, die Insel der Kristallmagier und ihrer Wächter kann zwar auch die ein oder andere Palme aufweisen, ist insgesamt jedoch eher in einem klassischen High-Fantasy Stil gehalten. Zu guter Letzt sorgt Calador, die Insel der Dämonenjäger, für eine gehörige Portion Düsternis. Typen in schwarzen Rüstungen denken hier in ihrer Festung darüber nach, wie sie dem Weltuntergang entgehen können.

Es gibt noch ein paar weitere, kleinere Inseln, die hatte ich jedoch nach jeweils zwei bis drei Stunden Spielzeit bereits von Aufgaben gesäubert. Zwei davon sind leider nur als exklusiver Vorbestellerbonus enthalten - Bedenklich. Gerade diese beiden Gebiete sind jedoch auch am ehesten verzichtbar. Mit der Insel der Diebe zum Beispiel war ich nach rund einer Stunde bereits durch - und trotzdem schon etwas gelangweilt, da alles sich stark nach Copy & Past aus Risen 2 anfühlte.

Bei all der Abwechlung fällt es um so mehr auf, dass es auf jeder Insel eine Konstante gibt: Das "tote Land", wie die von Geistern und Dämonen eroberten Gebiete genannt werden. Betritt man diese Zonen, wird die Welt nur noch schwarzweiss dargestellt und wirft dem Spieler jedes Mal die gleichen paar Gegnertypen entgegen. Das immergleiche Design dieser Areale mit immer dem selben Bossgegner am Ende führt schnell zu einem repetitiven Spielgefühl. Glücklicherweise sind die Gebiete klein und schnell gesäubert.

Der ruppige Charme der Dialoge funktioniert ebensogut wie bisher. Den "Jetzt gibts erstmal was auf's Maul"-Humor der Serie ist halt einfach Geschmackssache. Hier ist zu erwähnen, dass dies nur in der deutschen Version zu funktionieren zu scheint. Ich kann auf keinen Erfahrungswert zurückgreifen, doch internationale, besonders englischsprachige Reviews sehen in den Dialogen oft einen der grössten Schwachpunkte des Spiels. Ich vermute, dass diese Art von sprachlichem Humor sich einfach schlecht übertragen lässt.

Ach, und es gibt jetzt gelegentlich Schiffskämpfe. Bis zu drei Mal muss man mit seinen Bordkanonen immer grösseren Seeungeheuern Saures geben. Ich fand die Sequenzen langweilig. Monster taucht auf, eine Breitseite drauf, Monster taucht unter. 10 Sekunden rumfahren bis es wieder auftaucht und wieder von vorn. Assassin's Creed: Black Flag zeigt wie mans besser macht.

Technik

Natürlich macht die veraltete Grafikengine nicht mehr viel her. Dies wird in meinen Augen jedoch durch tolles Grafikdesign wieder wettgemacht. Richtige Farbauswahl, schöne Texturen und cleverer Einsatz der richtigen Lichteffekte machen Risen 3 hübscher als andere, lieblosere Spiele mit stärkerer Engine.
Leider muss man hier auch die teils schwachen Animationen und Cutscenes erwähnen. Direkt nach dem Tutorial etwa gibt es eine Szene in der Patty den scheinbaren Tod des Spielercharakters betrauert. Die Stimme weint, das Gesicht bleibt völlig ausdruckslos. Ein echter Immersionsbruch - schade drum und offen gesagt ein Punkt, an dem ich kurz davor war das Spiel abzubrechen. Auch die folgenden Zwischensequenzen sehen einfach nicht gut aus. Oft hätte schon eine andere Kameraperspektive gereicht - Schade.

Technische Probleme hatte ich keine. Keine Abstürze, keine unerfüllbaren Quests. Natürlich schließe ich nicht aus, dass es auf anderen PC-Systemen zu Problemen kommen kann.

Looten und Leveln

Das serientypische Charakterentwicklungssystem funktioniert wunderbar wie gehabt. Basisattribute werden über "Ruhm" (=Erfahrungspunkte) gesteigert, besondere Talente gibts für Gold beim Lehrer. Hier ist eine Rückkehr des Magiesystems positiv zu erwähnen. Dies funktioniert nun auch besser als in älteren Serienablegern, da Nahkampfmagie (zum Beispiel "Feuerfaust") ihren Einzug findet.
Neue Fähigkeiten wirken sich spürbar auf den Spielfluss aus. Haben Nahkämpfer etwa nach dem Erreichen eines gewissen Schwellenwertes des "Nahkampf"-Attributes beim richtigen Lehrer eine Fähigkeit erworben welche die Angriffgeschwindigkeit steigert, gehen die Kämpfe spürbar besser von der Hand.

Ein Handwerkssystem ist natürlich auch wieder mit von der Partie. Waffen aufwerten, Tiere zerlegen, Tränke brauen, Spruchrollen kritzeln; wer seine Attributspunkte schlau anlegt und über das nötige Kleingeld verfügt, kann gleich alles auf einmal.

Alles in allem dreht die Piranha Bytes-Suchtspirale sich munter weiter. Zwar war ich leicht irritiert, dass ich direkt nach dem Tutorial schon mit fast 3000 Goldstücken den ersten Lehrer erreichte. Die Sorge einer zu grossen Flut von Gold und Ruhm löste sich jedoch schnell in Luft auf, die Preise der Händler und Lehrer liegen entsprechend hoch.

Handlung und Charaktere

Die Handlung des Spieles ist solide geschrieben und unterdurchschnittlich präsentiert. Grundsätzlich sind die Begleiter besser ausgearbeitet als in den Vorgängern. Fast jedes Mal wenn ich sie auf meinem Schiff (dem "Lager") ansprach, hatten sie etwas zu Erzählen. Es gibt sogar kleine Questlines, die direkt mit ihnen verbunden sind.

Die Haupthandlung selbst folgt dem typischen Weltenretterschema-F, gewürzt mit ein wenig persönlichem Drama. Der Spielercharakter streunt als eine Art Untoter durch die Welt und versucht seinen Menschlichkeit wiederzuerlangen. Dies stellt erst einmal seine Hauptmotivation dar und wird durch kurze Traumsequenzen verdeutlicht. Anfangs fand ich diese ein wenig nervig, schon bald jedoch erlangen sie auch spielerische Relevanz, da sie auf die Fährte nützlicher Schätze führen können. Natürlich sollte man weder in Sachen Handlung noch Charakterentwicklung einen Vergleich zu Spielen wie Mass Effect oder the Witcher ziehen, davon ist Risen 3 Seemeilen weit entfernt. Daran ändert auch das erzwungene Gut/Böse-Punktesystem nichts. Besonders in der eher moralisch gräulichen Welt von Risen wirkt es etwas fehl am Platze. Schade, dass nicht auch bezüglich der Handlung ein wenig zu Gothic 1 zurückgeschaut wurde. Der Plot um den magischen Knast und die Orkbedrohung ist ein gutes Beispiel dafür, dass kein weltenbedrohender Titan nötig ist, um den Spieler zu motivieren.

Eine Warnung zum Ende noch: Es gibt in Risen 3 einige seltene Bosskämpfe. Teils sind diese auch nett designt. Zwei davon jedoch frustrierend und unfair (was in diesem Spiel zwar nicht viele Tode aber mehrere dutzend Liter verbrauchten Rums bedeutet). Ich hoffe hier wird noch nachgepatcht.

Fazit

Risen 3 - Titan Lords führt die Serie als Mix aus den ersten beiden Teilen fort. Das funktioniert im Großen und Ganzen auch gut, man sollte allerdings mal wieder über ein verhunztes Kampfsystem hinwegsehen können, auch wenn diese diesmal eher zu leicht als zu schwer bedeutet. Viele kleine Kritikpunkte gehen in der wunderschönen Spielwelt und dem motivierenden Charakterentwicklungssystem schnell unter.

Wer Risen 1 mochte und Risen 2 nicht vollkommen schrecklich fand, kann hier zugreifen.


Wertung
Pro und Kontra
  • - tolle Atmosphäre
  • - charmante Dialoge
  • - abwechslungsreiche Spielwelt
  • - solide Handlung
  • - motivierendes Quest/Charakterentwicklungssystem
  • - schlechtes Kampfsystem
  • - teils fehlende/hölzerne Animationen
  • - veraltete Engine
  • - teils frustrierende Bosskämpfe

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(7)
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