Paris j'taime...

Open World und dann auch noch 2. Weltkrieg. Nichts, worum ich mich Prügeln würde. Aber irgendjemand hat die Leihfrist in der örtlichen Videothek so dermaßen...

von GROBI75 am: 17.06.2010

Open World und dann auch noch 2. Weltkrieg. Nichts, worum ich mich Prügeln würde. Aber irgendjemand hat die Leihfrist in der örtlichen Videothek so dermaßen überzogen, dass ich neugierig wurde...

Sean Devlin ist Mechaniker, Rennfahrer, Raufbold, Schütze, Klettermaxe, Widerstandskämpfer und ...Ire. Seine Nationalität verleiht dem Rauhbein etwas McClane-Flair, denn er wirkt ständig wie eine Person, die eigentlich nur zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Ein Ire in den Wirren des zweiten Weltkriegs, der Paris aufmischt - nicht grade ein Setting, das man von den Shooter-Kollegen gewöhnt ist. Natürlich vertraut man nicht ausschließlich seiner seiner Individualität sondern schiebt noch eine Motivation hinterher, die im Tutorial sehr gut umgesetzt wird.

Dort wird Sean von Dierker um seinen Rennsieg betrogen. Kurz darauf rächt er sich mit seinem besten Freund Jules an dem ranhohen Deutschen, indem er seinen Rennwagen in einem See versenkt. Während dieser Aktion geraten die beiden in Dierkers Gefangenschaft. Jules wird ermordet, Sean gelingt es zu entkommen und schliesst sich der Resistance an. Auch, um Jules Schwester Veronique beiseite zu stehen, auf die er schon lange ein Auge geworfen hat. Ein stimmungsvoller Auftakt!

Diese Konstellation ist aber ein Grund, warum der Funke nicht so recht überspringen will. An Sean liegt es nicht. Der Ire ist ein herzlicher Held und von grundauf sympathisch. Eben der typische Underdog, mit dem man gerne deutsche Stellungen sabotiert und das beginnt äusserst vielversprechend!

Zuerst wäre die Optik zu nennen, denn das besetzte Paris in ein stimmungsvolles Schwarz-Weiss-Ambiente getaucht. Lediglich markante Elemente wie Blut, Fenster-Lichter oder Armbinden stechen farblich heraus. Dieses Pseudo-Film Noir, das recht frech von Millers bzw. Rodriguezs 'Sin City' klaut, wird erweitert durch malerische, warme Pastell-Töne, wenn ein Gebiet durch eine besonders spektakuläre Aktion von den Nazis befreit wurde und anschliessend der typisch französische Postkarten-Kitsch die Strassen erhellt. Sofort fühlt man sich genötigt ein Bistro zu besuchen, um den Tag ganz entspannt mit einem Glas Pernod ausklingen zu lassen.

Das ständige Augenzwinkern in der Visualisierung steht dem Titel gut zu Gesicht. 'The Saboteur' atmet unentwegt den Geist eines B-Movies, in dem die Nazi-Dame von Welt hautengen Leder-Dress trägt und das Blut in Strömen fliesst. Prügelein mit einer Bud Spencer-Soundkulisse unterlegt sind, mysteriöse Artefakte geborgen werden müssen oder nicht weniger dubiose Apparaturen auf ihre Zerstörung warten. Wahrscheinlich versteckt sich auch irgendwo im Gebüsch ein kleiner Hellboy. Umso irrtierender erscheint der gelegentlich aufblitzende Realismus, wenn z.B. ein friedlicher Passant auf der Straße willkürlich von einem Nazi zu einem LKW abtransportiert wird...

Das alles funktioniert wunderbar, ebenso wie die Steuerung. Der Held schmiegt sich automatisch in die Deckung, klettert zwar nicht so elegant wie ein Altair, aber hätte bei dem Haudegen auch eher irritiert. Technisch läuft alles ruckelfrei und es macht großen Spaß deutsche Einrichtungen mit diversen Hilfsmitteln in satten Explosionen untergehen zu sehen. Man kann sogar Zeppeline vom Himmel holen, die jaulend und flammend wie eine Hindenburg gen Erde sinken. Das Spielgefühl ist dabei am ehesten mit 'Prototype' als mit einem GTA vergleichbar, in dem man auch einen Sandkasten für Destruktionsorgien bereitgestellt bekommt. Alles ganz nett - für'ne Weile.

Denn irgendwann schlägt das Open-World-Syndrom zu: die fehlende Stringenz bzw. Dramaturgie. Immer wieder kutschiert man zu den entlegenen Missions-Punkten um die Story in Gang zu halten und während man bei den ersten Fahrten noch Zeit und Muse für Attentate am Wegesrand und Verfolgungsjagden hegte, fehlt einem im späteren Verlauf dafür der Nerv. Die Missionen sind zwar einfallsreich gestaltet, aber die Hauptgeschichte kommt immer wieder ins Stottern.

So ist nie nachvollziehbar, was Sean von Veronique eigentlich will. Madame ist Staffage³, hat überhaupt keinen Einfluss auf die Handlung und dient lediglich als banales Love-Interest. Sie schwärmt für den Unsympath Luc, der uns immer wieder ins Gefecht schickt und es nicht ersichtlich, warum Sean die beiden Schnösel und deren grausam aufgesetzten französischen Akzent nicht die Stadt der Liebenden überlässt und stattdessen mit dem blonden und zupackenden Sidekick Skylar durchbrennt, die wesentlich besser zu seiner rauhen Art passt. Die Dreiecksbeziehung hat Potential, wird aber unzureichend umgesetzt.

Und so verpufft auch das große Finale, in dem man sich zu ungeahnter Größe hätte aufbäumen können. Der düstere Verweis auf 'Apokalypse Now' überrascht ausserordentlich positiv, wird mir aber viel zu zaghaft zitiert, es bleibt leider größtenteils beim Bestaunen einer Touristen-Attraktion. Das war's trotzdem wert. Schon weil in der Heimat des Iren wohl weitaus weniger Sehenswürdigkeiten im Licht seiner Sabotage-Aktionen erstrahlen dürften...


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(3)
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