"Simulator" für zwischendurch

Über ein Video von AltF4Games darauf aufmerksam geworden, wollte ich mir diesen Scharfschützensimulator auch mal genauer ansehen. Eine Kugel, die sich...

von Bakefish am: 24.01.2014

Über ein Video von AltF4Games darauf aufmerksam geworden, wollte ich mir diesen Scharfschützensimulator auch mal genauer ansehen. Eine Kugel, die sich realistisch fortbewegt, ein Spiel, das seinen Fokus nur darauf legt? Zumindest einen Blick wert. Jetzt, da ich das Spiel durchgespielt habe, kann ich sagen, ja, ganz nett, mehr aber auch nicht.

 

Ausschlaggebender Name

 

Wir sind im Jahre 1945. Die Fronten stehen nun in Berlin, die Deutschen greifen zu ihren allerletzten Mitteln, nämlich den Vergeltungswaffen. Die Dinger sind mordsgefährlich, für uns, die Amerikaner, aber auch etwas ziemlich Interessantes. Und irgendwo in Berlin liegen die Pläne noch rum. Also, fix reinschleichen, natürlich mit dem Scharfschützengewehr im Anschlag, und los geht´s.

So weit, so gut. Das Grundsetting der Story mag ganz nett wirken, allerdings besitzt diese so gut wie keine Tiefe. Vor jeder der insgesamt 11 Missionen, welche fast alle in Berlin spielen, wird immer eine kurze Beschreibung gegeben, was wir zu tun haben. Doch diese Missionen spiegeln fast immer dasselbe Schema wieder: Entweder zu diesem Punkt vorrücken, diese bestimmte Person töten oder diesen Gegenstand hochjagen. Addiert man hinzu, dass unser Spielcharakter nicht im Geringsten ausgebaut wird und die gesamte Story über durchgehend blass bleibt, stumpft die Story von Anfang bis Ende recht schnell ab und tritt in den Hintergrund. Auch die anderen Charaktere, die im Spiel vorkommen, wirken nicht besonders gut gezeichnet: Da müssen wir einen Deutschen an einer Stelle retten, welcher anschließend so schlechtes Englisch redet, dass selbst den Klischeefans die Haare zu Berge stehen.

Insgesamt betrachtet ist die Story einer der großen Minuspunkte des Spiels. Zum Glück legt dieses nicht allzu viel Wert auf diese, sondern auf das Gameplay.

 

Willkommen auf den Dächern

 

Der Name sagt ja schon alles, wir haben es hier mit einem waschechten Scharfschützensimulator zu tun. Unser Charakter verfügt über ein Scharfschützengewehr, ein Sturmgewehr und noch eine Pistole. Vor jeder Mission dürfen wir uns unser Equipment auch gerne selbst zurechtlegen und aus einer Vielzahl an Schusswaffen sowie Granaten, Dynamit, Stolperdrähten und Minen auswählen. Dabei können wir unseren Fokus auf bestimmte Gegenstände festlegen. Keine Lust auf Granaten, nur Minen? Okay! Je weniger wir vom anderen Inventar mit uns rumschleppen, desto mehr dürfen wir dafür von diesem einen tragen. Mehr Granaten, dafür keinen Stolperdraht? Geht auch. Insgesamt betrachtet sind diese Gegenstände aber meistens nutzlos, zwar können wir mit Granaten mehrere Feinde auf einmal ins virtuelle Jenseits schicken oder mithilfe der Stolperdrähte sicherstellen, dass sich auch niemand hinter uns schleicht, doch ist das meistens nicht nötig, da wir das auch so merken, wenn sich jemand hinter uns schleichen will bzw. Feinde meistens gut im Auge haben.

Und nun rein ins Getümmel. Oder eher reingeschlichen. Im Spiel sollte man hauptsächlich leise agieren, denn begeben wir uns in ein direktes Feuergefecht, bedeutet das meistens unseren sicheren Tod, da wir so gut wie nichts aushalten. Was mich an dieser Stelle allerdings etwas frustrierte, war, dass das Spiel Lebenspunkte automatisch regeneriert, wenn wir eine bestimmte Zeit nicht angeschossen wurden. In einen Simulator gehört das nicht.

Genug geredet, nun geht´s ums Eingemachte. Haben wir erst einmal eine gute Position bezogen, die Umgebung abgecheckt und alles überprüft, können wir nun endlich mit der Arbeit anfangen. Wenn wir mit dem Gewehr anvisieren, müssen wir auf einige Dinge achten: Zum einen können wir während des Zielens die Luft anhalten, um so unseren Atem zu stabilisieren und zu sehen, wie die Kugeln fliegen. Und das ist der zweite Punkt: Gravitation und Wind haben ebenfalls ihren Einfluss auf die Kugel, je weiter der Gegner von uns entfernt ist, desto stärker wird die Kugel letztendlich abgelenkt. Dabei müssen wir auch darauf achten, dass wir bei Beschuss verreißen und dass wir nach dem Sprint oder anderen Bewegungen erst einmal eine kurze Zeit benötigen, um uns wieder zu erholen und Ruhe in den Schuss zu kriegen. Am besten fliegt der Schuss, wenn wir uns vorher hinlegen oder knien.

Ins Spiel integriert ist ein Punktesystem. Töten wir einen Feind einfach nur mit dem Sturmgewehr, erlangen wir dafür meistens nur sehr wenige Punkte, eine zweistellige Zahl in etwa. Töten wir diesen Feind auf eine Entfernung von über 150 Metern mit einem sauberen Kopfschuss unseres Scharfschützengewehrs, am besten noch, während er sich bewegt, winkt eine satte vierstellige Zahl als Belohnung. Schaffen wir es manchmal sogar noch, zwei hintereinander stehende Feinde auszuschalten, steigt die Belohnung gleich noch viel stärker an. Damit wird man immer und immer weiter motiviert, auf die anderen beiden Waffen im Gepäck zu pfeifen und nur noch durchs Visier hindurch jeden Feind einzeln wegzuknipsen.

Eine Rolle spielt dabei auch die so genannte Bullet Cam. Feuern wir die Waffe in einem günstigen Moment ab, wird in einer filmartigen Szene oft noch gezeigt, wie die Kugel auf den Feind zufliegt und ihm anschließend Knochen und Organe zerfetzt. Das ist aufs Erste gut und lustig mit anzusehen, für Menschen sanfteren Gemüts aber ziemlich ekelhaft. In der deutschen Version wurde sie dafür ziemlich stark beschnitten, in der englischen kann man sie auch nicht ausstellen. An sich ist die Bullet Cam Geschmackssache, wem sie gefällt, der kann sich die englische Version holen.

Im Laufe des Spiels kommen noch Faktoren wie zusätzliche Geräusche hinzu. Das kann ein Artillerieschlag oder Kirchturmgeläute sein, während dieser Zeit nehmen uns Feinde nicht wahr, wenn wir schießen. So wird noch mehr Taktik ins Spiel eingewebt.

Auch gibt es die Funktion, dass wir die Leichen getöteter Gegner aufnehmen und woanders absetzen können, damit ihre Kumpels uns nicht bemerken. Eine gute Idee, allerdings ist die KI der Gegner mehr als wünschenswert, so dass sie es manchmal nicht einmal bemerken, wenn ihr Kumpel direkt neben ihnen plötzlich umkippt. Dazu später mehr.

Alles in allem gesagt spielt sich der Grundfaktor „Snipen“ des Spiels sehr gut, angenehm und flüssig, die Mechanik des Spiels funktioniert super und simpel. Allerdings hält sich diese Mechanik das gesamte Spiel über und wird auch nicht geändert. Wer hier also Abwechslung sucht, ist fehl am Platze.

 

Deutsche Elite?

 

Wie bereits gesagt, spielt Sniper Elite V2 hauptsächlich auf den Dächern, in den Gebäuden  und auf den Straßen des zerstörten Berlins. Es ist zwar schön, einige der Sehenswürdigkeiten wiederzuerkennen, doch trägt die recht öde gestaltete Stadt schon bald dazu bei, dass der gesamte Spielfluss etwas erlahmt.

Was mich allerdings viel mehr gestört hatte, war die KI der Gegner. Wenn die deutschen Soldaten wirklich so blöde gewesen wären wie die in Sniper Elite, hätten wir den Krieg wahrscheinlich schon gleich 1939 verloren. Die Soldaten schießen zwar recht präzise, scheinen aber regelmäßig zu vergessen, dass sie einmal im Team arbeiten sollten und dass ein Scharfschütz die Gegend unsicher macht. Ständig rannten die Männer ziellos hin und her, als wüssten sie nicht, wo ich bin. Gepaart damit, dass sich ihre Sprüche mit der Zeit immer und immer wieder wiederholen, hinterlässt das Ganze schon einen recht schalen Beigeschmack. Auch die russischen Gegenspieler verhalten sich nicht besser.

 

Du bist so wunderbar, Berlin…

 

Grafikmäßig ist Sniper Elite V2 recht gut geraten. Die Stadt an sich sieht recht hübsch aus und auch die Partikeleffekte und Charaktermodelle sind recht gut geraten, doch fällt recht schnell der geringe Detailgrad der Stadt auf. Gut, Berlin war halt zerstört, aber doch bestimmt nicht so leer. Dafür serviert das Spiel uns echt gute Soundeffekte, Waffen wummern und hämmern ordentlich durch und man hat auch darauf geachtet, echte deutsche und englische Sprecher einzusetzen (zumindest in der englischen Version). Im Großen und Ganzen ist die Grafik also oberes Mittelfeld, interessiert mich aber nicht viel weiter und fließt daher auch nicht in die Endwertung mit ein.

 

Fazit

 

Sniper Elite V2 hat einige ziemlich gute Ideen eingebracht. Die Bullet Cam, das ganze zusätzliche (wenn auch nicht unbedingt nützliche) Inventar, die Kugelballistik und und und. Doch an einigen Stellen weist das Spiel Fehler auf, die nicht hätten sein dürfen- die Hauptkampagne spielt sich durchgängig nach ein und demselben Prinzip und die Blödheit der KI sucht an einigen Stellen ihresgleichen. Auch ist die Story nur schwach ausgeprägt.

Den Mehrspieler habe ich nicht ausprobiert, daher fließt nur der Einzelspieler in die Wertung ein. Insgesamt vergebe ich dem Spiel daher 72 Punkte. Für zwischendurch mal etwas ganze Nettes, Solides, mehr aber auch nicht. Für Fans des Genres jedenfalls empfehlenswert.


Wertung
Pro und Kontra
  • recht lange
  • Fokus auf Scharfschützengwehre gelegt, wildes Herumschießen ist meistens ziemlich unangebracht
  • Hauptelement des Scharfschützen ist sehr spaßig
  • einfache Bedienung
  • einige taktische Elemente
  • Spielfluss erlahmt auf Dauer
  • strunzblöde KI
  • immer dasselbe Grundprinzip
  • Story schwach

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(0)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.