Fantasy-Humor der Extraklasse

Es klingt beinahe klischeehaft, dass mal wieder ein deutsches Point-and-Click Adventure (eines bisher unbekannten Entwicklers) einer der gelungensten Vertreter...

von Phoenix.Feanaro am: 15.09.2013

Es klingt beinahe klischeehaft, dass mal wieder ein deutsches Point-and-Click Adventure (eines bisher unbekannten Entwicklers) einer der gelungensten Vertreter des Genres sein soll. Doch gerade mit brillianter Parodie von unzähligen Klischees, genialem Wortwitz und einer fantastischen Atmosphäre schafft es der Entwickler KING Arts ein Adventure zu erschaffen, das selbst unter seinen deutschen Kollegen seinesgleichen sucht.

 

Helden fangen klein an – mit Ratten

Gnom Wilbur träumt davon, ein Held zu sein, was leider nicht gerade typisch für einen Gnom ist und darüber hinaus vermutlich niemals wahr werden wird. Daher muss der arme sich seine Zeit mit Putzen und Ratten jagen vertreiben (wann hätte ein Held am Anfang einer Geschichte jemals Ratten jagen müssen?) - jedenfalls bis ihm aus heiterem Himmel (wortwörtlich) ein Käfig mit einem Gremlin vor die Füße fällt, der ihn bittet, einen magischen Ring zum Erzmagier in die weit entfernte Stadt der Menschen zu bringen. Wer dabei an Herr der Ringe denkt, muss sich nicht wundern. Dies ist nur eine der unzähligen Anspielungen auf diverse Bücher, Filme und Spiele im Fantasy-Setting. Der Herr der Ringe wird ebenso häufig und gekonnt veralbert wie World of Warcraft und Rollenspiele im allgemeinen. So trifft Wilbur zum Beispiel in einer Schenke mit dem vielsagenden Namen "Zum tänzelnden Eberkopf" auf zwei Spieler an einer Rollenspielmaschine. Diese führt sie fort in eine fantastische Welt ganz ohne Magie, mit seltsamen Wesen namens Finanzprüfer, die sich in ihrem geheimen Unterschlupf (dem Finanzamt) treffen – verrückt! Der Humor ist mit Sicherheit die größte Stärke von The Book of Unwritten Tales, er hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: wer sich nicht auskennt mit der Materie ist aufgeschmissen und wird wesentlich seltener etwas zu lachen haben.

 

Skurril und liebenswert

Auch vor sich selbst macht der Humor des Adventures nicht halt. Im Gegenteil. Die Geschichte ist zum Teil so klischeebehaftet, dass es sogar den Charakteren selbst auffällt und das, ohne je langweilig zu werden, wofür mitunter einige tatsächlich unerwartete Wendungen sorgen. Generell dreht sich die ganze Geschichte um den bereits erähnten Gnom Wilbur, den selbstverliebten und herrlich sarkastischen Schatzsucher Nate, sein seltsames Haustier, ein Vieh, dass sich keiner bekannten Gattung zuordnen lässt, und die Elfe Ivo (welche sehr sexy ist, wie Nate nicht müde wird zu betonen). Gerade Nate und Wilbur sind toll charakterisiert und wachsen einem sofort ans Herz. Ivo bleibt dagegen leider ein wenig blass während das mehr als seltsame "Vieh" hat eine etwas zu kleine Rolle hat, aber das alles ist Kritik auf sehr hohem Niveau.

Meistens steuern wir nur eine dieder vier Hauptpersonen, in manchen Passagen ist es aber auch möglich (und nötig) zwischen ihnen hin- und her zu wechseln.

 

Nicht nur die Hauptpersonen aus The Book of Unwritten Tales sind außerordentlich charakteristisch. Auch (vielleicht sogar vor allem) die Nebencharaktere werden einem noch lange nach Beendigung des Spiels in guter Erinnerung bleiben, was nicht zuletzt an den hervorragenden Sprechern liegt. Im gesamten Spiel existiert einfach kaum ein Nebencharakter, der nicht ebenso skurril wie liebenswert wäre. Da sind die freundlichen Zombies, der drogenabhängige Taurer, ein metrosexueller Paladin, ein Schausteller samt unsichtbarem rosa Eichhörnchen und und und...

Lediglich die Bösewichte der Geschichte sind nicht ganz so kultig, wie man es angesichts der anderen Nebenrollen erwarten würde.

 Sogar dem Tod begegnen wir auf unserer Reise. Der ist leider arbeitslos und gelangweilt, weil man in Adventures nicht sterben kann.

Point and Click

Wie der Name des Genres "Point-and-Click" – Adventure bereits vermuten lässt, klicken wir unsere Helden fast ausschließlich mit der Maus durch die abwechslungsreichen Level. Gegenstände können wir per Mausklick ansehen, benutzen oder einstecken. Unser Inventar bleibt dabei aber jederzeit übersichtlich. Wer mal nicht weiter weiß, kann sich mit einem Druck auf die Leertaste alle Interaktionsmöglichkeiten im aktuellen Levelabschnitt anzeigen lassen. Einziger Kritikpunkt bei der Steuerung: wir können zwar Dialoge, nicht aber Animationen abbrechen bzw. überspringen. Das kann zuweilen ein wenig nerven, ist aber im Endeffekt nicht weiter schlimm. Die Rätsel, die wir meist mit einer Mischung aus Logik, ein wenig Verrücktheit und Ausprobieren lösen müssen sind stets fair gehalten und werden auf angenehme Weise immer ein wenig schwerer.

 

Fantastisch, bunt und einfach schön

Bei Point-and-Click Adventures kleinerer Studios sollte man grafisch eigentlich nicht allzuviel erwarten. Umso erstaunlicher ist es, wie fantastisch die Kulisse dieses speziellen Adventures aussieht. KING Art benutzt die freie Grafikengine OGRE (an sich nichts Besonderes), schafft es aber in Echtzeit animierte und beleuchtete Objekte in eine vorgerenderte Umgebung so perfekt einzufügen, dass der Unterschied für den normalen Betrachter nicht erkennbar ist. Die ganze Welt wirkt wie aus einem Guss, ist herrlich bunt und gekonnt beleuchtet. Vor allem die Licht- und Schatteneffekte verleihen Höhlen und ähnlichem das besondere Etwas. Gemeinsam mit der tollen Vertonung der Charaktere durch bekannte Profisprecher wie Detlef Bierstedt, Thomas Danneberg, Dietmar Wunder und vielen mehr verleiht die außergewöhnlich schöne Optik dem Spiel eine sehr stimmungsvolle, wohlige Atmosphäre, die man nur ungern am Ende der etwa 15 Stunden überspannenden Spielzeit wieder verlässt.

 Wir kommen viel rum auf unserer Reise - sogar in den Magen eines riesigen Monsters!

Fazit:

The Book of Unwritten Tales ist ein Fest für die Lachmuskeln – zumindest für jene, die sich mit Fantasyfilmen und Rollenspielen auskennen. Durch bezaubernde Optik, klasse Sprecher und skurrile Charaktere weiß es aber auch andere Spieler zu unterhalten, wenn auch nicht so zu begeistern.

 

PS

Eine Demo für das Spiel findet ihr hier.

Erhältlich ist The Book of Unwritten Tales auf der beliebten Plattform Steam, als DRM-freier Download auf GOG und natürlich auch als Retail-Version.

 


Wertung
Pro und Kontra
  • viele, sehr viele, wirklich extrem viele Anspielungen/Parodien
  • fantastischer Humor
  • glaubhafte und urkomische Hauptcharaktere
  • ebenso coole Nebencharaktere
  • spannende Story
  • einfache Bedienung
  • wunderbare Optik
  • Profisprecher
  • lange Spielzeit (15 Stunden)
  • Witze und Anspielungen verlangen Fachwissen (Rollenspiele etc.)
  • einige (wenige) Charaktere nicht perfekt ausgenutzt
  • Animationen können nicht übersprungen werden

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(5)
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