Antiker Größewahn

Anmerkung: Der Test bezieht sich auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tests aktuelle Version des Spiels 1.7 - es ist mir durchaus bewusst,...

von - Gast - am: 30.11.2013

Anmerkung: Der Test bezieht sich auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tests aktuelle Version des Spiels 1.7 - es ist mir durchaus bewusst, dass Rome II zum Releasezeitpunkt in einem unfertigem Zustand war. Diese Aspekte fließen in diesen Test aber nicht ein.

 

Alle Wege führen nach Rome: Total War

Total War: Rome II tritt ein schweres Erbe an. Nach dem großartigen Rome I und Medieval II verlor die Total-War-Community kontinuierlich ihr Vertrauen in Entwickler Creative Assembly. Empire war voll von Bugs und stieß genau wie Napoleon aufgrund des Schießpulver-Szenarios nicht überall auf Gegenliebe. Shogun II beflügelte sodann die Fans der "Ersten Stunde", vergraulte aber diejenigen, die nichts mit japanischer Geschichte anfangen konnten oder wollten. Mit Rome II holte der Entwickler zum großen Schlag aus. Rome I gilt immer noch als das beste Spiel der Serie - und hier wollte der Entwickler nun einen Draufsetzen.

Römergenerationen im Vergleich

Ich selbst bin mit Rome I in die Serie eingestiegen. Was für mich das Spiel damals so interessant gemacht hat war nicht nur die für damalige Verhältnisse sehr realistische Darstellung der Schlachten (verglichen mit Age of Empires), das interessante Szenario im alten Europa, die Vielfalt und Wiederspielbarkeit, die das Programm bot. Besonders hervorzuheben war das Spielprinzip der Rundenstrategie, auf der man gemütlich sein Imperium planen konnte, gepaart mit Echtzeit-Kämpfen, die hingegen auch Reaktionsvermögen und Übersicht erforderten. Was bietet Rome II in dieser Hinsicht? Auf dem Papier ist Rome II eine Verbesserung in fast allen Bereichen im Vergleich zu Rome I. Die Anzahl der Fraktionen wurde von 20 auf über 100 erhöht, die Grafik ist auf der Höhe der Zeit, die Vertonung ist mit einigen Ausnahmen ebenfalls gelungen (bei Rome I hingegen war die dt. Vertonung makellos exzellent). Die Wiederspielbarkeit ist aufgrund des hohen Anti-Determinismus der Kampagne gegeben. Beim genauen Hinsehen passierten den Entwicklern allerdings bei der Konzeption des Spiels einige Fehler. Meiner Meinung nach tun die Voreingestellten diplomatischen Beziehungen der Nationen zu Beginn der Kampagne dem Determinismus nicht gut und führen in einigen Regionen zu ähnlichen oder gleichen Spielverläufen. In Rome I startete jedes Volk quasi bei Null und der Spieler hatte mehr Freiheiten im Bezug auf die weitere Entwicklung auf dem diplomatischen Parkett. Aber immerhin: mit diesem Schritt ehrt Rome II die historischen Tatsachen zu dieser Zeit. Nächster Design-Fehler: Rom verhält sich aufgrund seiner parametrisierten Startbedingungen etc. so, dass die eigentlich wichtigste Fraktion des Spiels in jedem Spiel von anderen Völkern früh überrannt wird, sofern Rom nicht vom Spieler gesteuert wird. In Rome I war das noch anders. Da stellte das röm. Reich mit seinen vier internen Nationen für jeden Spieler eine große Bedrohung dar, mit der ein Konflikt früher oder später unausweichlich war. Bedrohungen gehen nun dafür von allen 100 Nationen aus, auch hier greift der Anti-Determinimus ein. Ich habe schon erlebt, dass etwa die Seleukiden in Ägypten ein Großreich aufgebaut hatten, sogar ein Lybisches Mittelmeer-Imperium mit Stützpunkten in Italien und Kleinasien oder ein von einem germanischen Stamm überranntes Nordeuropa kann ich bezeugen. Was aber gleich bleibt ist die Tatsache, dass Rom außer unter dem Spieler selbst niemals zur Großmacht wird.

Einschränkung der Freiheiten

Was hat sich sonst auf der Kampagnenkarte getan - Generäle haben ihre Bedeutung verloren und gehen im völlig absurden Politik-System des Spiels unter. Wo man in Rome I noch seine Generäle anhand des besseren Interfaces und dem langsameren Altern der Charaktere besser identifizieren konnte, sind Generäle in Rome II gesichtslose Statisten in einer Armee. Positiv hingegen in diesem Zusammenhang die Identifizierung der Armeen in Rome II - durch Individualisierungsmöglichkeiten und "Leveln" kompensieren Armeen den Verlust der Generäle als Identifikationsfiguren in Rome II. Warum nicht beides, Creative Assembly? Ein weiterer positiver Punkt sind Agenten - rundum gelungen, viele Möglichkeiten und die KI weiß mit ihnen gut umzugehen! Positiv auch das Provinzial-Verwaltungssystem, die mittlerweile akzeptablen Limits auf Armeen und Agenten, die für Herausforderung sorgen. Positiv das Städte-Design auf der Kampagnenkarte, negativ aber auch die Einschränkungen in diesem Bereich. In Rome I hatte ich die Freiheit, aus Dörfern Metropolen zu machen und aus Metropolen unbedeutende Kaffs. Ich konnte für jede Stadt ihren eigenen Steuersatz festlegen und ich konnte eine Stadt nach meinem Belieben in "Acroneopolis" umbenennen, wenn es mir gefiel. Das alles fehlt in Rome II und ist ein Verlust, der dummen Design-Entscheidungen obliegt. Und dennoch darf man das tolle Gesamtprodukt nicht aus den Augen lassen. Die Schlachten suchen ihresgleichen. In der audiovisuellen Aufmachung ist Total War bei Schlachten der unangefochtene Platzhirsch der Industrie. See- und Landschlachten sind in Rome II ein Genuss in jeder Hinsicht - in jeder Hinsicht? Nicht ganz. Die KI verhält sich bei Belagerungen aktuell nicht gut und ist leicht in Schach zu halten. Bei Feldschlachten hingegen agiert die KI bis auf Ausnahmesituationen recht gut und nachvollziehbar. Aber auch hier wurden Freiheiten des Spielers aus Rome I eingeschränkt. Steuerung der Formationsdichte der Einheiten? Ohne Befehl feuern? Wurde in Rome I sehr geschätzt, also lassen wir es in Rome II weg! Ein weiteres Beispiel für die Fails, die Creative Assembly bei der Konzeption des Spiels unterlaufen sind. Die Bugs in Schlachten halten sich in der aktuellen Version (1.7) in Grenzen.

Herausforderung ist da

Und schließlich wäre noch ein Problem da, mit dem sich jedes Total War herumschlagen muss: Motivation im späteren Spielverlauf. In jedem Total War Spiel war es bisher so, dass es einen gewissen Punkt in der Kampagne gibt, ab dem der Spieler eine regionale Supermacht wird und über kurz oder lang die Kampagne gewinnt, da die wirtschaftlichen Einnahmen durch ihre exponentielle Wachstumsnatur dem Spieler keine Grenzen mehr setzt. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass Rome I zumindestens auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad (Legendär) und eingeschaltetem Schlachtenrealismus-Modus durchaus eine Herausforderung bietet! Diese variiert von Nation zu Nation. Während ein Spiel mit Sparta eher einfach vorangeht, hat es der Makedone schwieriger (obwohl das Spiel Sparta als "schwierig" und Makedonien als "durchschnittlich" aufweist). Ich habe mit Makedonien sogar im späten Spiel eine Kampagne verloren. Das ist mir in noch keinem einzigen Total War auch nur annähernd passiert! Herausforderung ist also da, man muss sie anhand des Schwierigkeitsgrades auch annehmen.

Fazit

TL;DR: Rome II ist ein großartiges Spiel mit Detailmacken, die den Rome-I-Fan vergraulen könnten. Einige altbekannte Total-War-Schwächen sind fast schon traditionsmäßig mit von der Partie. Das Gesamtmosaik stimmt aber und lässt den Spieler voll und ganz in die Antike eintauchen. Creative Assembly hat viele der Fehler aus dem Release-Debakel mit aktuell sieben Updates ausgebessert, weitere folgen sogar noch. Wem also Hoplit und Manipel etwas sagen, der kann bei Rome II bedenkenslos zugreifen, wenn die Hardware für dieses State-of-the-Art-Programm das erlaubt.


Wertung
Pro und Kontra
  • Opulente Schlachten
  • Tolle Grafik
  • Guter Sound
  • Große und detaillierte Kampagnenkarte
  • Lebendige, größtenteils nicht-deterministische Spielwelt
  • Hoher Wiederspielbarkeitswert
  • Lang anhaltende Motivation
  • Für TW-Verhältnisse gute KI
  • Mods sind möglich und zahlreich vorhanden
  • Beschnittene Freiheiten im Vergleich zu den Vorgängern
  • Schlecht durchdachtes Interface
  • Schlecht durchdachtes Politiksystem
  • Vereinzelt Bugs in Schlachten
  • KI-Schwächen in Detailbereichen wie etwa Belagerungen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(1)
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