Jagged Aliens

Das legendäre XCOM/UFO ist zurück gekehrt! Schon wieder? Ja, nur diesmal vollständig. Wie sich Xenonauts spielt, worin es sich vom Original...

von Yeager am: 18.06.2014

Das legendäre XCOM/UFO ist zurück gekehrt!
Schon wieder?
Ja, nur diesmal vollständig.
Wie sich Xenonauts spielt, worin es sich vom Original unterscheidet, für wen es sich eignet - und für wen eher nicht - das erfahren Sie hier.

Hintergründig

Vor ziemlich genau 20 Jahren erschien ein Computerspiel, das Geschichte schreiben sollte.
Es ist die Rede von UFO - Enemy Unknown.
Aliens griffen darin die Erde an, terrorisierten Städte, entführten Menschen und machten sich dran unsere schöne blaue Murmel einfach so zu übernehmen.
Daher wurde eine globale Defensiv-Organisation gegründet namens XCom, dessen Chef man spielte. Man musste mehrere Basen gründen, diese ausbauen, Technologien erforschen, Waffensysteme entwickeln, UFOs abschiessen - in pausierbarer Echtzeit.
Vor allem aber musste man einen Squad aus Elite-Soldaten aus aller Herren Ländern befehligen - in rundenbasierten und sehr spannenden Scharmützeln in isometrischer Ansicht.
Im Laufe der Zeit gewannen die Recken an Erfahrung dazu, man konnte sie mit besserem Zeugs austatteten, das man auf Basis der Alien-Technologien erforscht hatte - und schlließlich konnte man den extraterrestrischen Invasoren in ihren grau-, blau-, grün- oder sonstwie farbenen Allerwertesten treten.
Oder auch nicht, je nachdem, wie gut oder wie schlecht alles lief.

2012 gelang Firaxis ein grandioses Revival des längst tot geglaubten Spiels - und ebnete gleichzeitig den Weg für die Rückkehr des Genres rundenbasierter Rollen- und Taktikspiele. Die Neuauflage wurde zum Erfolg, da sie mit ihrer Entschlackung des Spielsystems bei gleichzeitiger Modernisierung der Darstellung viele neue Spieler dazugewann und nicht all zu viele Veteranen vergraulte. 
Letztere allerdings auch nicht immer begeisterte.
So wurde kritisiert, dass zu viele Elemente des Originals entfernt worden seien, dass dies kein "echtes" Xcom mehr sei. 

Doch Firaxis waren nicht die Ersten, die an einer Rückkehr der Legende werkelten.
Viele hatten sich schon daran versucht, doch keines kam an den Klassiker heran.
Das hatte man beim englischen Independence-Studio Goldhawk wohl ähnlich gesehen und starte vor fünf Jahren den Versuch es selbst besser zu machen.
Der Firaxis Release dürfte zunächst ein Dämpfer für die Briten gewesen sein.
Dennoch machte man weiter.
Glücklicherweise, denn ansonsten wäre Xenonauts wohl nie fertig geworden und es würde bis heute kein Spiel geben, das dem Original wirklich gleicht.
Es in einigen Dingen sogar übertrifft, doch dazu später mehr.

Jeder Sieg beginnt bei der Planung - jede Niederlage ebenfalls

Das Spiel beginnt 1979.
Entsprechend ist der modernste Abfangjäger, über den wir verfügen die F-16 und die Standardwaffe unserer Soldaten das M-16 Sturmgewehr.
Damit werden wir nicht weit kommen, aber aller Anfang ist nunmal schwer.
Zunächst müssen wir den Standort unserer Hauptbasis wählen.
Dazu versuchen wir möglichst viele Kontinente abzudecken, da dies unsere Geldgeber sind.
Und unsere Garanten dafür, dass wir weiterspielen können.
Springen nämlich fünf Quasi-Kontinente ab (Asien wird z.B. in die Sowjetunion und Indochina unterteilt), finanzieren sie uns also nicht mehr weiter, weil wir ihre Ländereien zu sehr vernachlässigt haben, zu wenige UFOs über ihrem Gebiet abgeschossen haben, zugelassen haben, dass ihre Städte von den Invasoren terrorisiert werden - dann haben wir das Spiel verloren.
Das kann schneller passieren, als man denkt!
Es gibt zwar Tips im Spiel, diese beschränken sich jedoch auf das Nötigste.
Daher hier ein paar Start-Hilfen (Achtung, Spoilergefahr!):

/ SPOILER

Wir wählen optimaler Weise eine Basis im Nahen Osten (angrenzend: Nordafrika, Europa, Sowjetunion, Indochina) und bauen sofort eine zweite Radaranlage, um unsere Aufklärung zu verbessern. Im zweiten Spielmonat erstellen wir eine zweite Basis in Mittelamerika, die also auch Nord- und Südamerika abdeckt und nur Abfangjäger beherbergt. Zügig eine zweite Forschungs-, Herstellungs- und Mannschaftsanlage bauen, insgesamt 15 Forscher und 15 Ingenieure einstellen, sonst kommen Sie schnell ins technologische Hintertreffen mit den Aliens.
Nutzen Sie nur ein Einsatz-Team, bauen Sie ein Lazarett und ignorieren Sie auf keinen Fall Terror-Einsätze, da sich diese besonders gravierend auswirken, ob ein Kontinent bleibt oder abspringt.

/ SPOILER-ENDE


Klassenlose Gesellschaft?

Danach kümmern wir uns um unser Team und stellen schon die erste Neuerung fest:
Es gibt Klassen.
Naja, fast.
Eigentlich sind es eher Rollen, damit wir auf einen Blick sehen können, wofür sich der jeweilige Soldat in der jeweiligen Situation eignet. 
Riflemen sind z.B. Universalisten, die mit dem Sturmgewehr sowohl Salven, als auch relativ präzise Einzelschüsse abgeben können. Man kann sie gut sowohl im Nah-, als auch im Fernkampf einsetzen. Assault hingegen sind reine Nahkämpfer, deren Schrotflinte aus nächster Nähe tödlich ist, auf lange Distanzen aber zu sehr streut.
Sniper sind Scharfschützen, die Meister des Fernkampfes. Rocketeers tragen Raketenwerfer. Beide sind im Nahkampf sehr anfällig.
Dafür gibt es die Shield-Klasse, eine Neuerung, die es im Original nicht gab.
Dies sind Soldaten, die mit einer Handfeuerwaffe und einem schweren Schild bewaffnet sind. Sie eignen sich herovrragend, um gegnerisches Reaktionsfeuer auf sich zu ziehen, stellen also die "Tanks" unseres Squads dar.
Doch Vorsicht: der Schild hat eigene HP und kann zerstört werden.
Danach haben wir nur noch einen leicht bewaffneten und möglicherweise auch angeschlagenen Soldaten. Ausserdem kommt es darauf an, dass wir den Schild in die richtige Richtung ausrichten, also dahin, von wo aus wir Feindfeuer vermuten.
Wer welcher Klasse zugeteilt wird hängt von den Startwerten der Soldaten ab:
Für Raketenwerfer und schwere Waffen eignen sich nur körperlich starke Personen, ein Scout will über viele Aktionspunkte und einen hohen "Bravery" (Mut) - Wert verfügen, denn einige Aliens versuchen mit geistigen Fähigkeiten unsere Soldaten in Panik zu versetzen oder gar Kontrolle über sie zu übernehmen. Je höher der Mut-Wert ist, umso geringer die Wahrscheinlichkeit davon betroffen zu sein.
Moment, Aktionspunkte?
Ja, Xenonauts spielt sich wie das Original-UFO, nicht wie Firaxis' Variante.
In Letzterer konnte jeder Soldat zwei Aktionen durchführen. Hier kann er so viele Aktionen durchführen, wie er Aktionspunkte (Time Units) besitzt.
Man kann also einen Soldaten sich hinknien und wieder aufstehen lassen, immer und immer wieder, dazwischen eine Granate werfen - die Time Units müssen nur reichen.
Genau, wie schon beim Original, gibt es auch bei Xenonauts eine jederzeit einstellbare (oder auch ganz abschaltbare) "Time Units Reserve".
Damit stellen wir sicher, dass wir nicht aus Versehen einen Soldaten zu viele seiner Aktionspunkte verbraten lassen, vor einem Alien stehen und nicht mehr feuern können. Eine sehr praktische Hilfe, die man immer wieder im Game nutzt, denn mit den Aktionspunkten steht und fällt alles. Was haben wir z.B. von einem Scharfschützen, der zwar jedes Ziel in beliebiger Entfernung treffen könnte, aber nur so viele Aktionspunkte besitzt, dass er immer nur ein paar Meter weit vorrücken kann für den anschliessendem Schuss?
Das betrifft natürlich auch unsere Gegner.
Daher gibt es ein weiteres Feature: Unterdrückungsfeuer.
Dabei wird eine Figur einem Sperrfeuer ausgesetzt, verliert zwar kein Leben, aber bis zu alle ihrer Aktionspunkte für die laufende und die Hälfte davon sogar für die nächste Runde.
Besonders schwere MGs des Heavy Gunners eignen sich hierfür.

Achtung, es gibt Friendly Fire im Spiel - nicht nur bei Unterdrückungsfeuer, aber gerade dabei. Dumm gelaufen nämlich, wenn wir zwar einen Alien in Schach halten, gleichzeitig unseren Scout aber auch auf diese Weise "unterdrückt" haben.
Noch dümmer gelaufen, wenn zwei Meter neben jenem ein weiteres Alien auftaucht. Erst recht dumm gelaufen, wenn wir feststellen, dass wir vergessen haben vor der unbedachten Aktion unseres Heavy Gunners zu speichern.
Ja, ich rede aus schmerzhafter Erfahrung ;-).

Doch weiter im Text:
Mit wenigen Klicks können wir jederzeit in der Basis einem Soldaten eine neue Rolle zuweisen, woraufhin er die Standardausrüstung der jew. Rolle erhält. Diese können wir dennoch individuell anpassen, ja sogar eigene Rollen definieren und jenen ein Icon zwecks Wiedererkennungswert zuweisen.
Mit dem "Set Equipment as default"-Schalter können wir jederzeit eine Standardausrüstung für unsere benutzerdefinierte Rolle zuweisen, z.B. lauter Granaten und eine Pistole für unseren "Grenadier", Icon: eine Granate.
(Danke @ Tsabotavoc, er hatte mich darauf hingewiesen, ich hatte das Feature völlig übersehen)
Ausserdem sind es keine Klassen im herkömmlichen Sinne:
Alle haben dieselben Skills, nämlich gar keine. 
Sie unterscheiden sich nur durch ihre Waffen und deren Vor- und Nachteile.
Entsprechend verbessern sich ihre Werte auch unterschiedlich (schnell).
Einerseits sind wir damit flexibler, können z.B. einen reinen Tank-Trupp ins Gefecht schicken oder dem Medic (Arzt) aus dem letzten Einsatz diesmal als Heavy Gunner einsetzen. Andererseits gibt es so keine echte Spezialisierung, wodurch die Identifikation etwas leidet.
Das ist sehr schade und wurde im Firaxis' Revival besser umgesetzt. 

Munition wie Sand am Meer

Ebenfalls schade ist, dass uns Munition in unendlichem Maße zur Verfügung steht. Sie muss nicht produziert werden, wie es im Original z.T. der Fall war.
Vielleicht wollte man mehr Action erreichen, tatsächlich hat man damit ein wesentliches Spielelement gestrichen: Spannung durch Knappheit.
Limitiert sind unsere Soldaten nur durch ihr Tragegewicht, welches von ihrer körperlichen Kraft abhängt. Sie können so viel schiessen, wie wir ihnen an Magazinen mit auf den Weg geben. Dasselbe gilt für Granaten.
Schöne Komfortfunktion:
Nach einem Einsatz wird die gespeicherte Ausrüstung des jew. Soldaten wieder hergestellt, wir müssen also nicht mühsam Magazin für Magazin manuell in den Rucksack der Soldaten befördern.

Der Unterschied macht den Unterschied

Ebenfalls gelungen:
Bei der Rekrutierung neuer Soldaten können wir die Liste nach dem von uns gewünschten Wert sortieren lassen durch einen Klick auf den jew. Header.
Denn die Rekruten sind nicht gleich gut in ihren Start-Werten, wie das beim Xcom-Konkurrenten der Fall ist.
Hierbei also besser gemacht, als Firaxis.
Sehr motivierend wirkt auch eine weitere Neuerung, die Auszeichnungen.
Soldaten erhalten Orden für bestimmte "Erfolge", z.B. für Teilnahme an 10 Gefechten. Diese sind z.T. echten Orden in Namensgebung und Silhouette nachempfunden. So z.B. beim Crimson Heart, der auf die Purple Heart-Medaille anspielt, die man in den USA für eine Verwundung im Kampf erhält.
Diese sind nicht nur Schmuck, sondern steigern den Mut-Wert des dekorierten Soldaten dauerhaft, wovon man gerade im Endgame nicht genug haben kann aufgrund zahlreicher "Manipulations-"Gegner.

Magisches Lager und durch Abwesenheit glänzende Buchhalter

Nur, wenn man in der Xenopedia, der eingebauten, englisch-sprachigen Online-Hilfe ins Detail schaut, stellt man fest, dass ein einziges Lager pro Basis genügt.
Anders, als im Original, verfügen diese Gebäudestrukturen hier über ein unendliches Fassungsvermögen. Hier hätte eine kurze Info in den Gebäudedetails gereicht, unverständlich für mich, warum man darauf verzichtet hat. Selbsterklärend ist das nämlich nicht.
Mehr Übersicht, gerade, was die Finanzen angeht, wäre ebenfalls nicht schlecht gewesen.
So kann es uns passieren, dass wir pleite gehen, weil wir die Unterhaltskosten unserer Leute, Fahrzeuge und Gebäude unterschätzt haben.
In meinem Fall musste ich das Spiel deswegen mitten in meinem ersten Anlauf noch mal neu von Null beginnen, da ich mich mit meinen vier Basen und einem Alpha und Bravo-Einsatzteam doch gehörig verschätzt hatte.
Zu früh zu viel.
Es ist zu hoffen, dass ein entsprechendes Feature nachgereicht wird, sei es über einen zukünftigen Patch oder ein User-Mod.
Bis dahin gilt:
Vorsicht mit den eigenen Finanzen!

Ein Tank für alle Fälle

Firaxis's Xcom hatte Drohnen.
Die häufig verschmäht wurden.
Warum?
1. weil sie keine Erfahrung erhielten im Gegensatz zu den Soldaten und
2. weil sie nicht nennenswert besser waren.
Das sieht bei Xenonauts ganz anders aus:
Nunja, nicht völlig anders, Erfahrung erhalten unsere stählernen Ungetüme auch nicht, war im Original ja auch nicht der Fall.
Doch hier genau wie dort/damals gilt: gehe nie ohne einen Panzer aus dem Haus!
Denn Panzer können weiter sehen, als (nicht fliegende) Infanteristen und haben eine beträchtliche Feuerkraft. Sie können zudem die Waffenart des Panzers jederzeit in der Basis vor einem Einsatz ändern.
Im Regelfall greift man jedoch zur neuesten und somit stärksten Kanone, was dazu führt, dass das Individualisierungs-Feature gar nicht benutzt wird.
Da hätte ich mir mehr gleichwertige, sich aber unterschiedlich auswirkende Optionen gewünscht. Zum Beispiel starke, aber unpräzise Raketen versus präzisen, aber verhältnismässig schwachen MG. Vermutlich waren diese von Goldhawk sogar eingeplant (denn genau das besagte MG und die Rakete gibt es von Anfang an, spätere Variationen aber nicht mehr), fielen aber dem Zeitplan zum Opfer.
Schade.
Vorsicht vor Einsatz eines Panzers gegen Gebäude, in denen sich Ihre Squad-Member aufhalten!
Es könnte nämlich kollabieren und ihre Frauen und Männer unter dem Schutt begraben.
Fahr- und Flugzeuge werden zudem nicht völlig zerstört, wenn ihre HP auf Null fällt.
Statt dessen kehren sie zur Basis im nicht mehr länger einsatzfähigen Zustand zurück und werden mit der Zeit automatisch durch Ihr Ingenieur-Team repariert.
Je mehr Fachleute sie eingestellt haben, umso schneller geht es dabei voran.

Top Gun Tactics

A propos Flugzeuge:
Was nützen Infanterie- und Panzerwaffen, wenn die Aliens hoch über unseren Köpfen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit hinweg donnern?
Richtig: gar nichts.
Also müssen wir sie erst mal vom Himmel holen.
Hier überrascht Goldhawk, hat es doch ein (echtes) Spiel im Spiel eingebaut.
Während man sowohl im Original, als auch in Firaxis's Neuauflage ein Mini-Spiel hatte, in welchen man nur eine Handvoll Parameter einstellen konnte, jedoch keinen Einfluss auf z.B. die Flugrichtung nehmen durfte, zeigt sich die UFO-Abfangjagd in Xenonauts erfrischend taktisch:
Wir können pro Einsatz maximal drei Jets auf ein UFO-Signal-Ziel los schicken.
Beim Erreichen des Ziels öffnet sich ein separater Screen, in dem wir Flugrichtungen unserer Jets vorgeben. Dabei nutzen wir optimaler Weise einen unserer Jäger als Köder, während die anderen ausscheren und versuchen, das UFO an seiner Achillesferse zu treffen: am unbewaffneten Heck.
Dabei können wir kurzzeitig den Nachbrenner hinzu schalten, um unsere Geschwindigkeit zu erhöhen und Ausweichsmanöver einleiten, um gegnerischen Beschuss auszuweichen. Das ist gar nicht so leicht, insbesondere dann nicht, wenn sich hinter dem Signal gleich mehrere UFOs verbargen. Gerade im späten Spielverlauf haben grössere Kampfraumer eine eigene Eskorte.
Der Kampf findet grundsätzlich in Echtzeit statt, kann aber zum Glück jederzeit pausiert werden, sodass man in Ruhe neue Befehle geben kann.
Alternativ können wir auch den Ausgang eines Luftkampf berechnen lassen.
Es bietet sich jedoch immer an den Einsatz manuell zu fliegen, wenn der Computer sagt, das würde nix werden.
Dieses Game im Game ist zwar simpel gehalten, macht aber für sich allein schon genug Spaß und wirkt auch naheliegend, sodass man sich fragen muss, warum Firaxis' nichts Vergleichbares gemacht hat.

Kammerjäger des verlorenen Schutzes

Gekämpft wird nicht nur im Gelände, in Städten und in abgetürzten UFOs, sondern auch in Basen. Das können feindliche oder eigene sein.
Dabei markiert das Spiel Einlasspunkte, vorzugsweise in Nähe eines Hangars, wo dann Alien-Truppen erscheinen, die entweder versuchen alle unsere Leute zu eliminieren oder unsere Hauptzentrale in die Luft zu jagen.
Selbstredend, dass wir da nicht tatenlos zusehen.
Es ist also auch nicht egal, wie wir Basen bauen: Hangare (oder heisst es Hangars?) sollten exponiert gebaut werden, falls möglich, sodass wir schon im Vorfeld das Nadelöhr kennen, durch das die Aliens durch müssen.
Je mehr Flak/FlaRAK wir in der Basis gebaut haben, umso grösser die Wahrscheinlichkeit, dass wir statt mit einer Armee, nur noch mit einem kleinen Stosstrupp rechnen müssen, also denen, die nicht von unseren Verteidigungssystemen vorher abgeschossen wurden.
Insbesondere Kämpfe in den allergrössten Alien-Basen gehören zum Spannungs-Highlight des Spiels. Denn die ausserirdischen Bunkerbewohner verteidigen ihre unterirdische Basis genauso verbissen, wie wir die unsere, kennen diese jedoch - im Gegensatz zu uns - und nutzen jede Schutzmöglichkeit, die sich ihnen bietet. Noch spannender wäre es, wenn diese Kämpfe auf Zeit liefen, also mit einem Rundenlimit versehen wären. Aber vielleicht auch zu hart, schwer zu sagen.

XCom Apocalypse + Jagged Alliance 2 + Alien = Xenonauts

Kommen wir zu einem der wenigen Wehrmutstropfen des Spiels:
seiner Präsentation.
Es sieht aus, wie eine verbesserte Version von XCom Apocalypse, also dem dritten Teil des Originals von 1997. Beziehungsweise wie Jagged Alliance 2, nur eben moderner mit schärferen Sprite-Grafiken.
Kein Vergleich zu den schicken 3D-Modellen von Firaxis mit ihren butterweichen Animationen, dramatischen Cutscenes und markigen Sprüchen.
Tatsächlich gibt es überhaupt keine Sprüche, nicht einmal knappe Befehlsbestätigungen. Zum Glück, ein permanentes "Yes, Sir" würde nur nerven.
Dennoch wünschte ich mir etwas mehr Lebendigkeit, als das ewige Schweigen meiner Recken. Selbst, wenn sie in Panik verfallen tun sie das unter Berücksichtigung der 22 Uhr Lautstärkeregelung.
Lauter Chuck Norris Abkömmlinge, leben schweigsam, feuern schweigsam, sterben schweigsam. Nur bei einem Treffer kann es schonmal geschehen, dass da einer kurz aufstöhnt. Die Aliens sind da weitaus "gesprächiger", sie kreischen immerhin.
Zu sagen Xenonauts sei hässlich, wäre nicht nur unfair, sondern entspräche auch nicht der Wahrheit.
Die Grafik ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr detailliert und liebevoll gezeichnet, die Modelle der Figuren und Waffen wirken weder überzeichnet, noch langweilig.
Die Waffen- und Panzersounds hören sich zudem sehr stimmig und gut an.
Selbst der Stille der Soldaten kann man etwas abgewinnen:
Den grossartigen Soundtrack!
ALIEN lässt herzlich grüssen.
Selten habe ich so stimmungsvolle Hintergrundstücke gehört, sie wechseln von angenehm chilliger, aber nie lächerlicher Musik zu grotesken, fremdartig anmutigen Pseudo-Songs, die man sich problemlos als Untermalung von Ridley Scott's Meisterwerk vorstellen kann.
Das Interface ist aufgeräumt, übersichtlich und funktional, um nicht zu sagen:
pragmatisch. Alles wirkt, als ob es auf das Nötigste reduziert wäre.
Keine Verzierungen, kein Schnick-Schnack, alles, wo es hingehört.
Ich finde nichts Schlechtes daran.
Wer das Original von 1994 oder Jagged Alliance 2 oder die ersten zwei Fallout-Teile  gespielt und gemocht hat, wird keinerlei Probleme mit der Grafik, dem "Look & Feel" von Xenonauts haben.
Wer allerdings selbst ein hypothetisches PacMan-Remake formvollendet und veredelt per CryEngine erwartet - und davon auch den Spielspaß abhängig macht - sollte die Finger von Xenonauts lassen.

Gefährliche Gegner + kluge(?) Taktik = pure Spannung!

Denn Xenonauts offenbart umso mehr innere Werte, wenn man es als das akzeptiert, was es ist: ein Spiel - und kein Film.
Ein Spiel, das Spaß durch Spannung machen will und dies auch schafft.
Nie fühlt man sich seiner Sache ganz sicher. Man ist gut beraten damit jede, wirklich JEDE Runde zu speichern.
(Dummerweise gibt es bislang keine QuickSave-Option)
Hinter jeder Ecke könnte ein Gegner sein, es wäre nicht ratsam voraus zu eilen, um dann vor diesem ohne Zeiteinheiten zu stehen.
Andererseits: können wir uns sicher sein, dass unser Recke in der Runde der Gegner Reaktionsfeuer gibt, wenn wir ihm genügend Aktionspunkte dafür übrig lassen?
Immerhin hat er ein Sniper-Gewehr, das taugt dafür nicht so gut, wie eine schnell und leicht bedienbare Pistole.
Geht man hingegen zu langsam vor, rottet man sich gar in Grüppchen zusammen, bestraft das die gelungene KI mit einer Granate.
Die Aliens sind durchaus auf Zack.
Sie gehen in Deckung, geben sich gegenseitig Feuerunterstützung, versuchen Flankenmanöver, schicken Köder bzw. Scouts vor, während ihre Sniper und Heavy Gunner in Sicht- und Schussweite zurückbleiben, feuerbereit versteht sich.
Wer so irre ist alleine in ein abgestürztes UFO zu sprinten, sieht sich einer gut organisierten Defensive der Ausserirdischen gegenüber, bevor er eine Runde später das Zeitliche segnet.
Genauso kann campen vor dem UFO tödlich sein, weil Telepathen-Aliens die Kontrolle über unseren Rocketeer übernommen haben, der dann gleich mal eine Rakete aus nächster Nähe in die eigene Gruppe feuert und damit alle, einschliesslich sich selbst einäschert.
Ausserdem lohnt es sich mit einem der eigenen Soldaten mal umzudrehen:
Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich zusammen zuckte, als ich in einer Mission zwei meiner Leute zur Sicherung eines (vermeintlich) sicheren Gebiets abkommandierte - und nur durch ein Versehen, einen unbeabsichtlichen Rechtsklick (dabei dreht sich der Soldat in die jeweilige Richtung) erkannte, dass sich ein Alien in meinen Rücken geschlichen hatte und mich in der nächsten Runde alle gemacht hätte. Damit habe ich nicht gerechnet, Respekt @ Goldhawk!
Kurz: es gibt in Xenonauts nicht die eine richtige Taktik.
Jede Situation muss für sich gesehen werden, manchmal muss man langsam und bedächtig vorgehen, manchmal schnell und hart.
Es sind diese Unabwägbarkeiten, die ein mäßiges von einem guten Spiel unterscheiden. Xenonauts lässt keinen Zweifel daran, dass offenbar ein gehöriger Teil der fünfjährigen Entwicklungszeit in die Programmierung der KI investiert wurde.
Was sich ausgezahlt hat, denn jeder Einsatz ist spannend und könnte für den einen oder anderen unserer Soldaten zum letzten werden.

Luftschläge lassen uns Luft holen

Doch auch die spannendsten Einsätze können mit der Zeit ermüdend wirken.
Das Original und Firaxis' Neuauflage hatten darauf keine Antwort, ausser, den jeweiligen Einsatz zu ignorieren und dafür zu riskieren die ganze Kampagne zu verlieren.
Auch hier hat man sich bei Goldhawk Gedanken gemacht und eine, wie ich finde, sehr gute Lösung gefunden.
Alternativ zu einem Einsatz unserer Soldaten können wir nämlich einen Air Strike auf das Wrack des abgeschossenen UFOs ordern. Dieser hat nichts mit unserem fliegenden Fuhrpark zu tun, es spielt also keine Rolle, ob gerade alle Flieger im Einsatz sind, aufgetankt und aufmunitioniert werden oder so stark beschädigt wurden, dass sie nicht einmal mehr auf die Rollbahn kämen, ohne vorher auseinander zu fallen.
Ich verstehe es als Anfrage an die Luftwaffe des jew. Landes.
Das Schöne daran:
Wir bekommen auch dafür Belohnung, Credits nämlich.
Nachteile:
Unsere Soldaten bekommen keine Erfahrung und wir können keine Artefakte einsammeln. Luftschläge können zudem nur geordert werden, wenn das UFO über dem Festland abgestürzt ist, das gleiche gilt für normale Einsätze. UFOs, die über dem Meer abgeschossen wurden sind für alles Weitere verloren, da sie bei ihrem Gewicht schnell sinken. Daraus ergibt sich wieder eine taktische Timingfrage:
Fliegen wir jetzt los - oder warten wir noch ein Weilchen, damit wir bei Ankunft und Luftkampf über dem Festland sind?
Warten wir hingegen zu lange, kann das UFO ausser Sichtweite kommen, die Bevölkerung des entsprechenden Landes wurde jedoch terrorisiert und wird das nicht vergessen. Risiko.
Der globale Strategie-Part kann in Sachen Spannung also ebenfalls überzeugen.
Wie auch die Kampagne als solche, die mit über 50 Stunden (!) geradezu anachronistisch wirkt in einer Zeit, in der viele Spiele nicht einmal 10% dessen vorzuweisen haben. Vom Wiederspielwert allein schon der anderen Schwierigkeitsgrade nicht zu reden. Ausserdem gibt es für Hartgesottene noch den (bereits aus Firaxis' Xcom bekannten) Ironman-Mode, bei welchem man mit den Konsequenzen des eigenen Tuns leben muss.

Do you speak english?

Das Spiel gibt es derzeit nur auf Englisch.
Allerdings kommt es mit Mod-Unterstützung (auch Level-Editor) und einer enthusiastischen Community daher. Ergo könnte es vielleicht irgendwann lokalisiert werden und sei es durch Fan-Mods.
Doch auch, wenn man des Englischen nicht mächtig ist, stellt dies kein allzu großes Problem dar. Man muss die Forschungstexte oder andere nicht zwingend lesen, Vieles ergibt sich von selbst oder durch Ausprobieren. Ausserdem ist mir kein besseres Medium bekannt, um zumindest rudimentär Sprachen zu lernen, als Computerspiele, aber das ist nur meine Meinung, kann jeder sehen, wie er möchte.
Das Game wird bei Steam vertrieben, kann aber auch ohne Steam starten afaik. Positiv zu erwähnen ist, dass neben Windows auch Mac und Linux unterstützt werden (sollen). Angeblich gibt es dabei aber noch Probleme. Es läuft auch auf älteren Rechnern, da es nur 1 GB RAM, eine 512 MB RAM GraKa und eine Intel CPU mit 2 GHz benötigt. Mit 3 GB fällt die Festplattenbelegung ebenfalls angenehm überschaubar aus. 

Nur noch eine Runde...

Man kennt es.
"Nur noch eine Runde" - aus denen dann gefühlte 235 wurden.
"Nur noch zehn Minuten" - aus denen dann drei Stunden wurden.
Xenonauts bewirkt genau das:
es macht abhängig.
Ich weiß selbst noch nicht so genau, ob das nun eher als Warnung oder als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist.
Wahrscheinlich als beides zugleich ;-)
In diesem Sinne spiele ich jetzt nur noch eine Runde.
Wirklich.
Ehrlich.
Garantiert!
...

FAZIT:

Xenonauts spielt sich wie das Original oder wie Jagged Alliance 2.
Mit einigen wenigen und überwiegend positiven Änderungen.
Es hatte eine lange Entwicklungszeit, die sich gelohnt hat.
Wenn man auf anspruchsvolle Spiele mit taktischem Tiefgang steht.
Erwartet man hingegen leichte Kost, profanes Alien-Ballern im Vorübergehen in wunderschöner 3D-Optik, wird man schwer enttäuscht sein.
Ist man jedoch bereit die etwas spärliche Präsentation in Kauf zu nehmen und lässt sich auf die inneren Werte des Spiels ein, so erwartet einen eine umfangreiche und spannende Kampagne, die dem Original in nichts nach steht und in Sachen Spieltiefe und Freiheit auch den Firaxis Hit alt aussehen lässt.
Für 22,99 € bei Steam bietet Xenonauts zudem ein erstaunlich gutes Preis-/Leistungsverhältnis.

Klare Empfehlung von meiner Seite für alle Taktiker, Fans rundenbasierter Spiele, UFO-Veteranen und Menschen, die spannende Games mögen und denen eine zeitgemäße Optik zweitrangig ist.


Wertung
Pro und Kontra
  • Schnörkellose UFO-Hommage
  • Sinnvolle Neuerungen
  • Basis-Bau
  • Basis-Kämpfe
  • Learning-by-Doing-Soldaten
  • "Klassen"-System flexibel
  • Eigene Klassen mit benutzerdefinierter Ausrüstung
  • Rundenbasiert
  • Starke Panzer
  • Abfangjagd
  • Luftschlag-System
  • Sinnvolle Verdienstorden
  • Viele Forschungsgebiete
  • Gute KI
  • Hart aber fair
  • Spannend
  • Motivierend
  • Sehr lange Kampagne
  • Übersichtliches Interface
  • Liebevolle 2D-Grafik
  • Stimmiger Soundtrack
  • Mod-Support
  • Level-Editor
  • Versch. Schwierigkeitsgrade
  • Ironman-Modus
  • Erstklassiges Preis-/Leistungsverhältnis
  • Präsentation nicht mehr ganz zeitgemäß
  • Unendliche Munition
  • Unendliches Lager
  • Keine Zusammenfassung der Ausgaben/Einnahmen
  • Stumme Soldaten
  • Keine späteren Alternativen f. Panzerwaffen
  • Keine echten Klassen
  • Kein Schnellspeichern/-Laden
  • Nur auf Englisch
  • Kein Tutorial, wenig Tips

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(7)
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