A Legionary's Life – Eines der wohl am meisten unterschätzen Spiele des vorletzten Jahres!

A Legionary's Life stellt ein lineares textbasiertes roguelike Rollenspiel mit rundenbasierten Kämpfen dar, jenes es so in noch keiner anderen Form gab. Allerdings gibt es auch noch Luft nach oben.
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  1. Was ist das?
    Mit diesem Spiel hat eine einzelne Person den Grundstein für ein völlig neues und bis jetzt viel zu sehr unterschätztes und unbekanntes Genere – zumindest im deutschsprachigen Raum – geschaffen. Denn A Legionary's Life stellt ein lineares textbasiertes roguelike Rollenspiel mit rundenbasierten Kämpfen dar, welches es so in noch keiner anderen Form gab. Als Setting wurde der Zweite Punische Krieg gewählt sowie im späteren Spielverlauf der Makedonisch-Römische Kriege.

    Wie funktioniert das?
    Wird das erste Mal ein neues Spiel begonnen, hat man die Möglichkeit seinen Charakter entweder auf körperliche oder geistige Fähigkeiten zu spezialisieren. Alternativ kann die Spielfigur auch ausgeglichen gestaltet werden. Die Werte der einzelnen Attribute legt man allerdings nicht manuell fest, sondern sie werden so lange gewürfelt, bis man zufrieden mit ihnen ist. Eine körperliche oder geistige Spezialisierung heißt aber nicht zwingend, dass man zu Beginn des Spiels besonders gut in diesen Bereichen ist. Vielmehr ist man hierdurch in dem einen Bereich talentierter und in dem anderen untalentierter. Das bedeutet der Charakter levelt entsprechend schneller und er kann im Laufe des Spiels höhere Maximalwerte erreichen in seinem Spezialgebiet. Natürlich gilt das auch umgekehrt. Darauffolgend kann dem frisch rekrutierten römischen Soldaten ein Name gegeben werden. Startet man wiederholt ein neues Spiel, kommt man in ein weiteres Menü in dem Punkte für Attribute, Talente und Ausrüstung investiert werden können (Punkte erhält man für jeden Spielverlauf, abhängig von dessen Erfolg). Bei den ersten Spielverläufen ist der Charakter entsprechend schwach. Später kann hier jedoch der geborene Kriegsheld erstellt werden.

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    Attribute und Fähigkeiten einer fortgeschrittenen Spielfigur.

    Nach der Charaktererstellung startet das Spiel. Hier wird man kurz mit dem Kontext des Zeitgeschehens vertraut gemacht. All dies aus der Perspektive des eigenen Charakters und auf das wesentliche reduziert. Das Spiel schafft es mit wenigen Worten ein perfektes Bild der Situation zu liefern – insbesondere von der Gefühls- und Gedankenwelt des eigenen Charakters. Die Texte sind hervorragend geschrieben. Und ich kann es nur noch einmal betonen, wenige Worte reichen, um die Welt vor den Augen des Spielers zum Leben zu erwecken. Es kommt ganz ohne unnötig ausschweifende Enzyklopädie aus, um eine glaubwürdige Geschichte mit glaubwürdigen Personen zu erzählen. Und das als textbasiertes RPG. Selten habe ich bis jetzt ein Spiel gespielt, was so gut in das Deutsche übersetzt wurde.


    „Er betrachtet seine toten Gefährten. Er steht unter Schock – zum Teil wegen ihres Schicksals, zum Teil wegen deiner Tat. Er schaut dich an und flüstert dir etwas zu, das du aufgrund des Schlachtlärms nicht verstehst."

    Nun findet sich die Spielfigur als römischer Zwangsrekrut im antiken Hispania wieder. Der Krieg läuft zu Ungunsten Roms und der Charakter wurde als einfacher Soldat einer unterlegenen Armee zugeteilt. Das Spiel unterteilt sich in zwei Bereiche: das Heerlager und die Schlachten. Im Heerlager steht dem Charakter eine bestimmte Menge an Zeit zur Verfügung, welche durch Aktionen verbraucht wird. Hier kann die Spielfigur trainieren, um ihre Fertigkeiten und Überlebenschancen in der Schlacht zu verbessern. Alternativ kann die Freizeit der Figur auch für spaßigere Dinge genutzt werden, wie Karten- oder Brettspiele mit den anderen Soldaten zu spielen. Hierbei ist es möglich neue Freunde in der Armee zu finden. Auch ist es möglich zusätzliche Aufgaben anzunehmen um sich bei den Vorgesetzten beliebt zu machen. Im Spiel gibt es mehrmals die Möglichkeit im Rang aufzusteigen. Sobald die Spielfigur es geschafft hat über den Rang eines normalen Legionärs hinauszukommen, kommt unter anderem die Proviantbeschaffung als regelmäßige Aufgabe hinzu. Hierfür muss ein kleines Gebiet nach Nahrung abgesucht werden und es kommt immer wieder zu Zwischenfällen. Zusätzlich kommt es im Heerlager immer wieder zu zufälligen Ereignissen. In jedem meiner Spieldurchgänge – und nach 21 Stunden Spielzeit – entdecke ich immer noch neue Zufallsereignisse und kein einziger Spieldurchlauf war eine Wiederholung von einem vorherigen.

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    Spielansicht im Heerlager.

    In den besagten Zufallsereignissen spielen die Fähigkeiten und Talente des Charakters – mental wie körperlich – immer wieder eine Rolle. Sie machen den Erfolg bestimmter Entscheidungen und Aktion wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher. Allerdings garantieren sie keinen Erfolg oder einen Misserfolg. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, auch der beste Scharfschütze verfehlt mal sein Ziel. Kein Mensch kann alles, entsprechend ist es wichtig die Stärken und Schwächen des eigenen Charakters zu kennen und nach diesen zu spielen. Stirbt der Charakter endet das Spiel, Punkte werden vergeben und es muss von vorne begonnen werden. Allerdings ist das Spiel niemals unfair. Der Charakter wird ohne, dass man eine übermütige Entscheidung trifft, niemals in eine Situation gezwungen, in der er zwangläufig scheitern und sterben wird. Für Heldentaten winken allerdings Beförderungen und Punkte. Dies löst beim Spielen einen permanenten Nervenkitzel und das stetige abwägen von Risiko und Gewinn aus.

    Läuft die Zeit im Heerlager ab, kommt es zur Schlacht. Die Schlachten laufen linear ab, allerdings kann man hier durch seine Entscheidungen und das Besiegen vieler Gegner Einfluss auf den genauen Ablauf nehmen. Bei vielen dieser Entscheidungen kommt es erneut auf die Fähigkeiten der Spielfigur an. Auch können die Schlachten bei verschiedenen Spielverläufen aus verschiedenen Perspektiven erlebt werden. Da der Charakter im Spiel zwar befördert werden kann – aber, wenn man von ein paar wenigen Situationen absieht – niemals muss, ist es möglich schon sehr früh befördert zu werden und auf einige Schlachten wesentlich mehr Einfluss zu nehmen als in der Rolle eines einfacheren Legionärs. Natürlich muss die Spielfigur in verschiedenen Schlachten – aber nicht nur dort – gegen verschiedene Gegner, die in ihrer Anzahl variieren, antreten.

    Auf das Kampfsystem möchte ich in an dieser Stelle nicht ausschweifend eingehen. Durch das Spiel selbst wird man sehr gut in das System eingeführt. Hier im Detail zu erklären, wie exakt es funktioniert würde mehr Verwirrung stiften als nützen. Generell gilt, dass die Einführungstexte des Spiels sehr gut ausgearbeitet sind und wenn man einmal nicht weiterweiß, verfügt das Spiel über extrem hilfreiche Tooltipps. Bis jetzt brauchte ich keinen einzigen Guide und musste auch nichts nachgooglen. Dies liegt aber nicht nur an den Tooltipps, sondern daran, dass alle im Spiel enthaltenden System gut ausgebarbeitet sind und nicht künstlich verkompliziert wurden. Allerdings soll das nicht heißen, dass diese oberflächlich sind, sie sind auf das Wiederspielen ausgelegt und laden gezielt zum Experimentieren und Ausprobieren ein. Wichtig zum Kampfsystem zu erwähnen ist jedoch, dass insbesondere die Fähigkeiten des Charakters (und seines Gegners) entscheidend sind. Gerade zu Beginn des Spiels hat die Spielfigur herzlich wenig militärische Ausbildung genossen und hat entsprechend wenig Chance einem Kampf gegen einen voll ausgebildeten Soldaten zu bestehen. Aber wie erwähnt, man wird durch das Spiel niemals in solche Situationen gezwungen – man trifft eine bewusste Entscheidung. Zudem gibt es oft die Option schlichtweg defensiv zu spielen, mit der Intention die Schlacht einfach nur zu überleben.

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    Das Kampfinterface.

    Sowohl Schlachten als auch das Verhalten im Lager und währen Zufallsereignissen nehmen Einfluss auf die Moral und Tugend des Charakters. Moral ist ein wichtiger Wert, der Einfluss auf alle Aktionen nimmt. Ist sie niedrig hat die Spielfigur schlechtere Chancen bei allen Aktionen, ist sie hoch ist das Gegenteil der Fall. Hier gilt es eine Balance zu finden, da dieser Wert ständig steigen und fallen kann. Durch verschiedene Entscheidungen kann Einfluss auf die Tugend der Spielfigur genommen werden. Ein Charakter mit hoher Tugend hat andere Optionen und geht mit Situationen anders um als ein Charakter mit niedriger Tugend. Dieser Wert erhöht den Wiederspielbarkeit deutlich. Während des Spiels gibt es vor dem finalen Ende zweimal die Möglichkeit aus der Armee lebendig auszuscheiden und in den Ruhestand zu gehen. Spielt man bis zum finalen Ende und setzt sich nicht vorher zur Ruhe oder stirbt, dauert ein Spieldurchgang ca. drei Stunden, speichern (um später weiterzuspielen) ist möglich.

    Immer noch Verbesserungspotenzial
    Trotz des großen Lobes bisher gibt es zwei Aspekte, die ich an dieser Stelle kritisieren möchte. Wobei auch gesagt werden muss, dass es sich um Jammern auf extrem hohem Niveau handelt. Denn das Spiel wurde von einer einzelnen Person entwickelt, ist bugfrei und bietet mehr Spieltiefe als so manch ein AAA Titel. Und das für 7 € auf Steam und GoG. Einerseits stört mich die übertrieben minimalistische Grafik, wenn denn überhaupt Grafik zum Einsatz kommt. Das Interface ist zwar sehr schön, aber die Karte, auf der die angesprochene Proviantsuche stattfindet, kann bestenfalls als zweckmäßig bezeichnet werden. Generell hätten die Kämpfe in einem wundervollen Pixellook animiert werden können, anstatt sie schlichtweg gar nicht zu animieren. Wie gesagt es handelt sich um Jammern auf extrem hohem Niveau, aber hier wäre es dem Entwickler zur raten sich Unterstützung zu suchen. Zudem hält sich das Spiel peinlich genau an die historischen Vorgänge, das macht das Spiel zwar unglaublich glaubwürdig, allerdings limitiert es auch in bestimmten Bereichen. So ist die Rüstungs- und Waffenauswahl des eigenen Charakters sehr eingeschränkt da Legionäre über standardisierte Ausrüstung verfügten. Hier hätte ein bisschen mehr Freiraum der Spieltiefe und der Experimentierfreude gutgetan.

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    Das Ausrüstungsmenü. Leider ist die Spielfigur auf einen Waffentype beschränkt.

    Fazit
    Abschließend bleibt zu sagen: ich möchte mehr davon! Warum kein Addon, in dem man die Geschichte aus Sicht eines karthagischen Soldaten erlebt? Oder warum nicht so ein Spiel mit Setting römischen Bürgerkrieg oder Cäsars Gallienfeldzüge? Das Spiel kombiniert verschiedene Mechaniken, wie Fähigkeiten, Rang, Tugend und Zufallsereignisse, um jeden Spieldurchgang einzigartig zu machen. Durch die Punkte am Ende eines jeden Spieldurchganges erhält man in jedem neuen Spieldurchgang neue Möglichkeiten. Das permanente Abwägen zwischen Gewinn und Verlust, Ruhm und Tod schafft eine permanente Spannung. Und durch das historische Setting und der Tatsache, dass man „einfach nur“ ein zwangsrekrutierter Soldat ist, fühlen sich tatsächliche (erfolgreiche) Heldentaten auch so an. Die zweckmäßige Grafik wird durch den hervorragenden Schreibstyle ohne weiteres weggemacht. Der Entwickler schreibt auf seiner Website, dass er schon an einem neuen Spiel sitzt. Ich freue mich drauf und kann nur empfehlen A Legionary's Life bis dahin einmal auszuprobieren!

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    Das Ende eines erfolgreichen Spiels.

    Und an der Stelle noch einmal mein ausdrücklicher Respekt an den Entwickler Alessandro Roberti und flori2412 für die großartige Übersetzung ins Deutsche!

    Über den Autor

    UnrechtUndUnordnung
    Hi GameStar-Community, ich bin Henning aka UnrechtUndUnordnung und mache mir gerne viel zu viele Gedanken über Videospiele. Angefangen bei den Sims und Pokémon, über Anno, Stronghold, Total War, TES, Gothic, und Minecraft, bis hin zu zahlreichen Paradox- und Indie-Titeln habe ich in 14 Jahren allerlei gespielt.
    Im übrigen Leben bin ich seit mehreren Jahren politisch aktiv und habe Sozialwissenschaften studiert. Und es gibt noch einen Gaming-YT-Kanal der auf den Namen Unrecht&Unordnung hört.

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