Nach monatelanger Pause geht es heute um ein Remake, auf welches wir lange gewartet haben. Viel Spaß beim Lesen!
Black Mesa - Mit entrosteter Brechstange
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Mit dem Half-Life-Universum verbinde ich bis heute sehr viel. Teil 1 und sein Add-On Opposing Force haben mir unglaublich viel Spaß gemacht. Teil 2 samt seinen Nachfolgeepisoden hat mich ebenso stark gefesselt und bis heute warte ich auf Teil 3 (der aber wohl niemals erscheinen wird...).
Entsprechend wurde ich hellhörig, als ich das erste Mal von Black Mesa hörte, dem Remake für Teil 1, entwickelt vom Team „Crowbar Collective“. Ich war äußerst interessiert, Half Life 1 in einem neuen, moderneren technischen Gewand zu spielen, ohne gleichzeitig dabei das eine oder andere Ärgernis, welches das Original mit sich brachte, ertragen zu müssen. Nach langer Entwicklungszeit erschien Black Mesa dann endlich im Jahre 2020.
So habe ich das Spiel nun auch genießen dürfen. Ist Black Mesa nun ein gutes Remake? Gar besser als das Original? Das lest ihr im folgenden Test.
Ein ganz normaler Montag. Schon wieder.
Auch Black Mesa beginnt mit der legendären Introsequenz, in welcher mein Avatar alias Gordon Freeman, Teilchenphysiker und Meisteringeneur, per Tram durch den riesigen Forschungskomplex Black Mesa transportiert wird. Danach mache ich mich gleich auf den Weg ins Labor, ziehe meinen HEV-Anzug für Gefahrensituationen an und begebe mich zum Teilchenbeschleuniger. Denn Black Mesa erforscht heute schon die Möglichkeiten und Techniken von morgen. Hier arbeiten nur die Besten der Besten der Besten, Sir!
Aber natürlich, wer hätte es gedacht, geht etwas am Experiment mit dem Beschleuniger fürchterlich schief. Ich reiße ein Tor in das Paralleluniversum Xen auf, zahllose Aliens überfallen die Basis und schlachten deren Personal ab. Ich schnappe mir eine Brechstange und setze mich gegen die Aliens zur Wehr. Erst einmal heißt es: Abhauen! Doch die Lage verkompliziert sich, als das anrückende Militär nicht nur die Aliens, sondern als Cover-Up das gesamte Forschungspersonal gleich mit umnietet. Und schon bald wird klar, dass dem ganzen Schlamassel erst dann ein Ende bereitet werden kann, wenn ich die Alieninvasion selbst stoppe…
So ziemlich alle Plotelemente des Originals, wie diese Sequenz mit drei sehr lärmempfindlichen Monstern, sind auch im Remake enthalten.
Wer das Original kennt, wird Black Mesas Geschichte fast eins zu eins nacherzählen können. Der generelle Handlungsablauf bleibt exakt gleich, diverse Plottwists und weitere Geschehnisse inklusive. Auch die Erzählweise selbst ist dieselbe: Gordon bleibt ein stummer Protagonist, es gibt (bis auf sehr wenige Ausnahmen) keine Cutscenes, alles wird direkt in der Egoperspektive widergegeben.
Es gibt jedoch kleine Unterschiede. Einerseits tauchen aus Teil 2 bekannte Charaktere wie Dr. Vance und Dr. Kleiner nun auch direkt als richtige NPCs auf. Und auch die Vortigaunts, welche in Teil 2 zu treuen Verbündeten geworden sind, bekommen im Remake minimal mehr Screentime. Das sind nette Details, welche auch Half-Life-Veteranen ein „Oha!“ entlocken können.
Generell merkt man jedoch, dass der Release des Originals schon lange her ist. Damals mochte der Plot erzähltechnisch noch krass vom Hocker reißen. Die Charaktere bleiben sehr blass, die Geschichte ist vorhersehbar. Hieran ändert auch das Remake nicht viel. Ich kann aber verstehen, dass man hierbei möglichst die originale Erfahrung nachstellen und somit nicht viel verändern wollte. Insofern passt das Grundkonstrukt des Plots immer noch sehr gut. Erwartet bloß kein erzähltechnisches Meisterwerk.
Jetzt mit noch mehr Explosionen!
Auch spieltechnisch macht Black Mesa fast nichts anders als das Original. In Egoperspektive bewege ich mich durch sehr linear gehaltene Level. Das sind Büroabteilungen, Wartungsschächte, mal die Oberfläche, Forschungskomplexe und am Ende sogar Xen selbst. An so manchen Stellen sind die Level stark überarbeitet worden. Viele Abschnitte (zum Beispiel das Draisinen-Level) wurden deutlich entschlackt. Andere Abschnitte, beispielsweise Xen (dazu später mehr) wurden hingegen deutlich ausgebaut. Somit sind einige „Designflaws“ des Originals angegangen worden.
Diesen Dammabschnitt kennt man auch aus dem Original. Es hat jedoch einige umfangreiche Überarbeitungen gegeben.
Auch die Gegner kennt man bereits. Anfangs die kleinen, nervigen Headcrabs, welche Menschen befallen und zu Zombies verwandeln. Schon bald bekomme ich es jedoch mit Aliens zu tun. Und das Militär erst, welches mir mit Fußsoldaten und sogar Hubschraubern auf die Pelle rücken will! Als Neuerung hat man in Black Mesa ordentlich an der Gegner-KI geschraubt. Sowohl Aliens als auch Soldaten verhalten sich deutlich klüger als in der Vorlage. Gerade letztere flankieren öfter, schmeißen Granaten und suchen häufig Deckung. Hin und wieder rennen sie jedoch blöd zwischen zwei Punkten hin und her oder stürmen doof vor. Da wäre also noch mehr drin gewesen.
Um der Bedrohung Herr zu werden, setze ich mich mit einem stetig wachsenden Arsenal aller möglichen Waffen zur Wehr. Das beginnt mit der ikonischen Brechstange und geht mit einer Pistole und einer Schrotflinte bis hin zu hyperfuturistischen Waffen und sogar Alienausrüstung weiter. Die allermeisten Waffen besitzen dabei alternative Feuermodi. So kann ich mit der Schrotflinte beispielsweise zwei Patronen auf einmal verschießen, aber das Durchladen dauert länger. Die Funktionsweise der Waffen, ja selbst ihre Alternativfeuermodi sind fast vollständig vom Original übernommen. Es gibt hierbei nur ganz wenige Anpassungen (zum Beispiel kann ich nun mit dem Revolver anvisieren).
Viele Gegner sind auch im KI-Verhalten stark überarbeitet worden. Diesen Grunts ist mit viel Vorsicht zu begegnen.
Auch wenn man das alles vom Original kennt, spielt es sich trotzdem angenehm frisch und anders. Das Gunplay und auch Balancing der Waffen ist gründlich überarbeitet worden, sodass sich die Schießprügel im Remake nicht nur wuchtiger, sondern generell befriedigender spielen.
Man merkt dennoch schnell, dass der Schwierigkeitsgrad im Vergleich zum Original an vielen Stellen angezogen hat. Gegner reagieren deutlich schneller und sind präziser, als man es von der Vorlage kennt. Zum Glück gibt es häufig Medipacks oder Anzugenergie in Batteriepacks, welche als eine Art Schild funktioniert. An speziellen Stationen kann ich ebenso Gesundheit und Energie aufladen. Gesundheitsregeneration gibt es auch in Black Mesa nicht.
Generell gilt auch hier: Umschauen lohnt sich. Häufig gibt es abseits der Hauptgänge noch kleine Verstecke oder Alternativpfade, deren Erkunden mit zusätzlichen Ressourcen belohnt. So komme ich schnell an wertvolle Munition oder Gesundheit. Somit finde ich abseits der häufig intensiven Gefechte den einen oder anderen ruhigen Moment.
Zuletzt gibt es wieder eine Menge kleinerer Rätsel, welche ich zum Vorankommen lösen muss. Diese sind in der Regel sehr einfach gehalten, häufig muss ich einfach nur einen Schalter betätigen oder ein Kabel an einem Stecker anbringen. Diese Rätsel finde ich mittlerweile etwas stupide. Ja, ich verstehe, dass man auch hier möglichst den „Geist“ der Vorlage einfangen wollte, aber in meinen Augen sind sie so nichts Halbes und nichts Ganzes. Entweder hätte man sie hier auslassen oder noch deutlich ausbauen sollen.
Alles in allem macht das Gameplay auch in Black Mesa wieder richtig Spaß. Es spielt sich für heutige Verhältnisse recht oldschoolig, wirkt mit den Neuerungen und Anpassungen des Remakes aber niemals altbacken. Damit kommen sowohl Veteranen als auch Neueinsteigende voll auf ihre Kosten.
Moment. Das war doch anders.
An einer Stelle hat Black Mesa jedoch eine ganze Menge Änderungen vorgenommen. Und zwar bei den Xen-Abschnitten. Diese wurden beim Originalspiel massiv kritisiert – das unausgegorene Leveldesign, die schwammige Steuerung und nervige Platformingelemente haben den Spaß im letzten Viertel des Spiels stark sinken lassen.
Black Mesa hat die Xen-Abschnitte daher noch einmal vollständig überarbeitet. Und das kann sich sehen lassen! Zuerst fällt auf, dass Xen optisch deutlich aufgebohrt wurde. Ich bewege mich nicht mehr nur über irgendwelche langweiligen Plattformen in einem endlosen Void, ich bekomme wunderschöne kristallene Höhlen, finstere Festungen und sogar einen Urwald zu sehen.
Nervige Platformerbereiche sind fast passé und auch die Steuerung ist deutlich besser. Stattdessen setzt das Spiel deutlich mehr auf Environmental Storytelling, so wie es auch die Abschnitte auf der Erde tun. Die Überarbeitung geht so weit, dass es nun sogar neue Gegner oder gleich ganz neue Spielelemente wie eine Verfolgungsjagd gibt.
Insgesamt macht Xen nun ein ganzes Drittel der Spielzeit aus. Prinzipiell ist das nicht schlecht, weil ich damit die ganzen Neuheiten und einfach die „Andersartigkeit“ der Welt voll und ganz auskosten kann. Man merkt, dass Crowbar Collective hier noch einmal etwas ganz Neues bieten wollten.
Das Ganze wird jedoch gegen Ende des Spiels ein wenig getrübt. Dann gibts nämlich doch noch einige Platformingelemente. An sich ist das nicht schlimm, weil das generelle Movement und die Steuerung auf Xen gut hierfür geeignet sind. Das Problem ist, dass jene Abschnitte massiv in die Länge gezogen werden, es nimmt einfach kein Ende. Ich habe mir schon bald nur noch gewünscht, dass es endlich vorbei ist. In meinen Augen hätte man die ganze letzte Stunde Spielzeit vor dem finalen Bosskampf einfach streichen können. Schade – ein wenig hat es wieder das Trauma des Originals hervorgeholt.
Auch Black Mesa setzt wieder viel auf Environmental Storytelling. Gerade in den Xen-Abschnitten macht sich das bemerkbar.
Retrofuturismus
Als Half-Life damals, 1999, erschien, atmete es diesen unbeschreiblichen 90er-Jahre-Flair. Natürlich nicht nur grafisch, auch generell stiltechnisch. Computerbildschirme sind große, klobige Röhrenmonitore, Autos sehen aus wie Bauklötze, das Militär wird als Haufen grobschlächtiger Draufgänger dargestellt – nicht zu vergessen, der Soundtrack!
Das Remake fängt diesen Stil auf und setzt ihn genau so wieder um, nur mit einem moderneren grafischen Gewand. Es ist schwierig zu beschreiben, doch auch Black Mesa „atmet“ den Flair des Endes des letzten Jahrtausends, setzt ihn vielleicht sogar noch eine Spur atmosphärischer um als sein Original. Durchgängig wurde ich beim Spielen an jene Zeitperiode erinnert, es fühlte sich fast schon retrofuturistisch an. Supercool gemacht!
Neu erstrahlt?
Black Mesa läuft auf der von Valve entwickelten Source Engine. Diese ermöglicht nicht nur deutlich verbesserte Texturenschärfe, sondern auch schickere Beleuchtung und Animationsqualität. Somit sieht Black Mesa viel, viel besser aus als das Original. Es ist unglaublich cool, all jene Momente des Originals nun noch einmal in knackiger, detaillierter, einfach schöner zu sehen. Dabei haben sich Crowbar Collective superviel Mühe gegeben, den Look und Style des Originals möglichst beizubehalten. Die Büroabschnitte wirken schrullig, die Forschungskomplexe schnittig und topmodern – und Xen erst! Das Remake schafft es, trotz deutlich modernerer Grafik den grafischen Charme des Originals exzellent einzufangen.
Gerade die Xen-Abschnitte sind an manchen Stellen atemberaubend schön gestaltet worden.
Doch auch die Source Engine ist mittlerweile hoffnungslos veraltet. Das war 2020, als das Spiel released wurde, schon nicht anders. Somit ist die Grafik bei allen Verbesserungen dennoch nicht topaktuell. Die wirklichen Probleme liegen meiner Meinung nach jedoch an anderer Stelle.
Da sind einmal die nervigen Ladezeiten. Wie vom Half-Life-Universum bekannt, verzichtet auch Black Mesa auf klassische Level und serviert mir kleinere Levelabschnitte, welche durch kurze Ladesequenzen voneinander getrennt sind. Nur zu doof, dass diese Abschnitte jeweils immer sehr klein sind. Gefühlt treffe ich alle paar Minuten auf einen solchen Ladeabschnitt, der immer mitten ins Spiel „grätscht“.
Weiterhin ist das Spiel ziemlich verbuggt. Das fing mit einigen nervigen Abstürzen an, ging mit Glitches weiter und an manchen Stellen hat das Spiel einfach Levelabschnitte nicht geladen. Viele dieser Probleme mussten auch andere Spielende erleben, manche dieser Bugs sind seit Jahren bekannt. Dass Crowbar Collective diese Probleme nach über zwei Jahren immer noch nicht behoben haben, ist ziemlich ärgerlich und wird auch entsprechenden Punktabzug geben.
Fazit
Ich habe das originale Half-Life samt Add-Ons mehrfach durchgespielt. Als ich das Remake begann, erwartete ich nicht viel mehr als ein Half-Life, nur mit besserer Grafik. Und nun ja, so gesehen ist Black Mesa das auch. Doch es bietet gleichzeitig so viel mehr. Die Steuerung ist viel flüssiger und angenehmer, das Gunplay deutlich fetziger, die Level wurden sinnvoll überarbeitet und und und. Man hat viele gute Elemente übernommen und gleichzeitig einige Problemstellen des Originals sinvoll überarbeitet. Black Mesa spielt sich damit immer noch recht oldschoolig, aber gleichzeitig modern. Die neuen Abschnitte, beispielsweise die Xen-Bereiche, tun ihr Übriges dazu bei.
Insgesamt bin ich also mit Black Mesa, von technischen Problemchen und etwas Eintönigkeit am Ende einmal abgesehen, rundum zufrieden. Durch die Anpassungen und Verbesserungen gebe ich dem Remake sogar eine bessere Bewertung als seinem Original in Form von 86 Punkten. Letztendlich ist Black Mesa in meinen Augen für jeden Fan von Singleplayer-Shootern einen Blick wert – egal, ob ihr das Original kennt oder nicht!
Endwertung: 86/100 Punkten
Positive Aspekte:
+ Fängt Atmosphäre und Flair des Originals grandios ein
+ Kleine, aber feine Ergänzungen bei Ploterzählung und genereller Hintergrundgeschichte
+ Sinnvolle Überarbeitung aller Waffen und Gegner
+ Gutes Environmental Storytelling
+ Detailliert und liebevoll überarbeitetes Leveldesign
+ Xen (größtenteils!
+ Lange Spielzeit
Negative Aspekte:
- Auch mit aktueller Version verbuggt
- Story für heutige Verhältnisse recht ausgelutscht und vorhersehbar
- Einige Xen-Abschnitte ziehen sich dann doch in die Länge
Weitere Aspekte:
Spielzeit: ca. 15 bis 20 Stunden für einen Durchlauf
Bugs: Recht viele, teilweise war ein Neustart des Spiels erforderlich
Schwierigkeitsgrad: Angenehm sowohl für Einsteigende als auch FortgeschritteneÜber den Autor
Moinsen, ich bin der Bakefish und Community-Moderator. Abgesehen davon fleißiger Rezensent und Typ mit privatem Leben, über das ich garantiert nix in dieser Angabe schreiben werde.
Diese Angabe ist sowieso sinnlos und auch optional. Insofern hätte ich den oberen Absatz nicht schreiben müssen. Und das hier auch nicht. Lest ihr das immer noch? Hört auf damit und lest meine Blogbeiträge!11elf!
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