Ich möchte mal kurz – dem Thema entsprechend – etwas über Casualspiele loswerden. Wie oft und gerne zermartern wir uns den Kopf über inhaltsvolle und ausschweifende Spiele – was sie aussagen, was sie bieten und wie sie sich in ihrer Komplexität spielen. Casualspiele hingegen gehen in unserer Diskussionsfreudigkeit ausnahmslos unter. Warum sollte man sich denn auch über solche Spiele unterhalten? Ein paar Klicks, Tippereien oder Tastenanschläge reichen schon aus, um die Mechanik zu erklären, und im Grunde sind etwaige Hintergrundgeschichtchen oftmals zu belächeln.
Und doch: Casualspiele haben eine Halbwertszeit, von denen so mancher AAA-Titel nur träumen kann. Schaue ich in meine Steam-Bibliothek, schlägt die Gesamtspielzeit von Bejeweled die von Schwergewichten wie Bioshock um Längen. Erstes hat übrigens Stand heute so viel Spielzeit angehäuft wie alle drei Titel des Irrational Games-Franchises zusammen. Wenn euch dieser Umstand noch gar nicht so sehr bewusst gewesen war, dann ist dieser Fakt vielleicht doch eine Betrachtung wert. Vielleicht ist das, weiter gedacht, auch ein Grund dafür, warum wir Älteren auch so gerne in unserer Nostalgie schwelgen.
„Casual“ war schon immer da gewesen. Das begann schon bei Pong und ist heute auf fast jedem Smartphone vorhanden, seien es Puzzlespielchen oder Racing-Games, in denen man mal in der Mittagspause eine schnelle Runde drehen kann. Wikipedia beschreibt sie kurz und knackig sowie richtig als „...elektronische Spiele, die sich durch eine besonders leichte Zugänglichkeit, intuitive Eingabemethoden, das kooperative Gameplay sowie schnelle Erfolgserlebnisse auszeichnen...“. Sie sind schnell zu erlernen, von kurzer Spieldauer und, je nach Programmierung, schwer zu meistern – eigentlich total unspektakulär. Die Diversität solcher Spiele hält sich stark in Grenzen, Konditionierung und Training sind die einzigen sich entwickelnden Stadien, die ein Spieler durchläuft oder erlebt. 20-Stunden-Geschichten wurden erst später in der Evolutionstimeline der Computerspiele zum herausragenden Merkmal herausgearbeitet.
Erst als öffentlich ausgestelltes Privileg in Form von Spielautomaten platziert, eroberten Spiele auch bald schon die Wohnungen und Häuser der Kunden, Spielekonsolen und Heimcomputer ersetzten unaufhörlich den Zwang, mit Münzen bewaffnet in Bars oder Spielhöllen einfallen zu müssen. Stöbern wir kurz im Archiv der Spiele jener Zeit, würde ich den Anteil der Casualspiele auf locker neunzig Prozent schätzen, Rollenspiele, Adventures oder Wirtschaftssimulationen ausgenommen.
Es mag schon rückständig klingen, wenn wir mit glänzenden Augen ins Nichts starren und den alten Zeiten huldigen. R-Type, Super Mario oder Street Fighter sind immer noch unsere Allzeitfavoriten, während uns aktuell ein neues Doom oder The Witcher mit Vielfalt zu locken versucht. Natürlich wollen wir solche Spiele haben. Sie sind optisch sehr reizvoll, spielerisch mindestens anständig und filmisch wie selten. Und trotzdem sitzen wir oft genug im Pausenraum, in der Straßenbahn oder im Café, packen das Smartphone aus und zocken eine Runde Steine-verschieben, wenn wir mal nicht „what´s-appen“. The Witcher können wir eben nicht mal schnell auf´s Handy laden und fünfzehn Minuten anspielen – dann wäre ein Ritt von A nach B das Einzige, was wir virtuell unternehmen könnten. Danach stünde das nächste Meeting auf dem Terminplan oder wir wären gedankenverloren auf die Bahngleise gelaufen, so dass uns vor den Himmelspforten ein dickes „Game Over“ über den Köpfen erscheint (ein kleiner Wink an die Smombies...).
Casualgames sind ebenfalls eine feste Alternative für diejenigen, die im Privatleben keinen Streit mit ihren Liebsten riskieren wollen. Wenn die Freundin schon wieder mit verschränkten Armen hinter dir steht, weil du mal wieder deine täglichen fünf Stunden an World of Warcraft gesessen warst, wird es wohl spätestens Zeit, über einen Wechsel zu einem Casual nachzudenken und WoW mindestens ruhen zu lassen. Wenn du jedoch so bekloppt bist, dieses auch noch fünf Stunden täglich durchzuzocken, könnte man das als ernsthaftes Problem interpretieren... dies aber nur am Rande.
Um nochmal auf den Erfahrungshorizont zurückzukommen: Casuals sind wie schon erwähnt keiner Komplexität ausgesetzt. Die Steuerung verlangt kein halbes Studium wie etwa ein Flugsimulator, das Spielen selbst pendelt sich fast immer im Minutenbereich ein. Ein Ründchen hier, ein Level dort. Casuals sind darüber hinaus damals wie heute nicht dem Händetätscheln großer Spiele unterlegen. Drei Leben oder eine Zeitleiste geben den Rahmen vor, in dem sich der Spieler bewegen darf. Stellt euch mal einen 12-Stunden-Shooter mit drei Leben vor, ohne Speicherfunktion - Megaman wäre ein Dreck dagegen gewesen. Die fatalistische Art von Casuals ist indes leicht zu akzeptieren. Man kann schlechte Runden schlagen, ärgert sich höchstens kurz darüber, probiert es anschließend wieder von Neuem. Es sei denn, man hat einen schwarzen Tag erwischt, dann sollte man auch nichts erzwingen (und wir wären wieder bei den Abhängigkeiten).
Falscher Anspruch kann Casuals einen unfreiwillig komischen Touch mitgeben. Dies passiert, wenn man etwa versucht, Story in Wimmelbild- oder 3-gewinnt-Spiele einzuflechten. Nicht selten wird versucht, Spannung und roten Faden in das simple Gameplay einzufügen. Würde sich das Gesamtbild nicht zu ernst nehmen, könnte man dem Ganzen ja noch einen charmanten Beigeschmack abgewinnen, doch wirken die Geschichtchen drangeklatscht, klischeebeladen und manchmal sogar peinlich. Mit einem gedeckelten Szenario obendrauf könnte man gut leben, jedoch weniger, wenn Helden und naive Dialoge eher nerven denn unterhalten. Das klingt zusammengefasst und überspitzt etwa so:
„Hallo, du Spieler, stell dir mal vor! Ich bin der Erzähler, der dich jetzt zum Helden macht. Dein Name ist [füge exotisch klingenden Namen ein], du bist ein Nachfahre von [füge exotisch klingenden Namen ein], dem Herrscher von [füge... ja, ihr wisst schon]-Land, und musst es [beschützen/ausbauen/irgendwie voranbringen]. Um dies zu erreichen, musst du nun dieses Level absolvieren, damit dann ein Artefakt aufploppt, welches [etwas total Bescheuertes bewirkt]. Hach, ist das spannend, nicht wahr? Ganz ehrlich, es ist spannend und aufregend!!“
Hätte man sich die Mühe nicht hätte sparen können?
In Sachen Geschlechterdebatte sind Casuals weitaus offener gehalten als bei „professionellen“ Spielen. Das liegt schlicht daran, dass es keine besondere Zielgruppe gibt, denen die Kleinspiele angepasst wurden. Neutralität bedeutet Offenhaltung entgegen des Spielers. Bejeweled etwa enthält eigentlich gar nichts an bestimmtem Setting, andere Spiele wie Luxor beginnen schon beim Hintergrundgeplänkel mit Einschränkungen bezüglich der Interessen seiner Spieler. Dass viele Spieler diese Szenarien ignorieren, hilft den Entwicklern trotz der Mühe auch weiter. Man scheint das zu tun, was für einen Gesamteindruck verlangt wird, wichtig ist ein Mittelalter-Gedöns für das Gameplay jedenfalls gar nicht.
Und so kommt es, dass diese Spiele eher Menschen mit Spieltrieb ansprechen denn irgendeine besondere Zielgruppe. Das würde jeder Shooter oder jedes Rollenspiel gerne von sich behaupten, doch ist das naturgemäß nicht zu machen. Große Spiele brauchen eine glaubwürdige Welt, ein übergeordnetes Ziel mit Glaubhaftigkeit. Casuals hingegen können immer und überall funktionieren. Und denke ich wieder an die Spielzeit, die Bioshock gerne hätte, kann man getrost die Redewendung „Kleinvieh macht auch Mist“ wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Im Grunde sind sie die schweigenden Helden in der Spielebranche, über die niemand spricht, die jedoch jeder hat, nutzt und ihnen im Stillen zum Erfolg verhilft.
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