Causa Casual

Von TheVG · 15. August 2016 · Aktualisiert am 15. August 2016 ·
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  1. Ich möchte mal kurz – dem Thema entsprechend – etwas über Casualspiele loswerden. Wie oft und gerne zermartern wir uns den Kopf über inhaltsvolle und ausschweifende Spiele – was sie aussagen, was sie bieten und wie sie sich in ihrer Komplexität spielen. Casualspiele hingegen gehen in unserer Diskussionsfreudigkeit ausnahmslos unter. Warum sollte man sich denn auch über solche Spiele unterhalten? Ein paar Klicks, Tippereien oder Tastenanschläge reichen schon aus, um die Mechanik zu erklären, und im Grunde sind etwaige Hintergrundgeschichtchen oftmals zu belächeln.

    Und doch: Casualspiele haben eine Halbwertszeit, von denen so mancher AAA-Titel nur träumen kann. Schaue ich in meine Steam-Bibliothek, schlägt die Gesamtspielzeit von Bejeweled die von Schwergewichten wie Bioshock um Längen. Erstes hat übrigens Stand heute so viel Spielzeit angehäuft wie alle drei Titel des Irrational Games-Franchises zusammen. Wenn euch dieser Umstand noch gar nicht so sehr bewusst gewesen war, dann ist dieser Fakt vielleicht doch eine Betrachtung wert. Vielleicht ist das, weiter gedacht, auch ein Grund dafür, warum wir Älteren auch so gerne in unserer Nostalgie schwelgen.



    Casual“ war schon immer da gewesen. Das begann schon bei Pong und ist heute auf fast jedem Smartphone vorhanden, seien es Puzzlespielchen oder Racing-Games, in denen man mal in der Mittagspause eine schnelle Runde drehen kann. Wikipedia beschreibt sie kurz und knackig sowie richtig als „...elektronische Spiele, die sich durch eine besonders leichte Zugänglichkeit, intuitive Eingabemethoden, das kooperative Gameplay sowie schnelle Erfolgserlebnisse auszeichnen...“. Sie sind schnell zu erlernen, von kurzer Spieldauer und, je nach Programmierung, schwer zu meistern – eigentlich total unspektakulär. Die Diversität solcher Spiele hält sich stark in Grenzen, Konditionierung und Training sind die einzigen sich entwickelnden Stadien, die ein Spieler durchläuft oder erlebt. 20-Stunden-Geschichten wurden erst später in der Evolutionstimeline der Computerspiele zum herausragenden Merkmal herausgearbeitet.

    Erst als öffentlich ausgestelltes Privileg in Form von Spielautomaten platziert, eroberten Spiele auch bald schon die Wohnungen und Häuser der Kunden, Spielekonsolen und Heimcomputer ersetzten unaufhörlich den Zwang, mit Münzen bewaffnet in Bars oder Spielhöllen einfallen zu müssen. Stöbern wir kurz im Archiv der Spiele jener Zeit, würde ich den Anteil der Casualspiele auf locker neunzig Prozent schätzen, Rollenspiele, Adventures oder Wirtschaftssimulationen ausgenommen.

    Es mag schon rückständig klingen, wenn wir mit glänzenden Augen ins Nichts starren und den alten Zeiten huldigen. R-Type, Super Mario oder Street Fighter sind immer noch unsere Allzeitfavoriten, während uns aktuell ein neues Doom oder The Witcher mit Vielfalt zu locken versucht. Natürlich wollen wir solche Spiele haben. Sie sind optisch sehr reizvoll, spielerisch mindestens anständig und filmisch wie selten. Und trotzdem sitzen wir oft genug im Pausenraum, in der Straßenbahn oder im Café, packen das Smartphone aus und zocken eine Runde Steine-verschieben, wenn wir mal nicht „what´s-appen“. The Witcher können wir eben nicht mal schnell auf´s Handy laden und fünfzehn Minuten anspielen – dann wäre ein Ritt von A nach B das Einzige, was wir virtuell unternehmen könnten. Danach stünde das nächste Meeting auf dem Terminplan oder wir wären gedankenverloren auf die Bahngleise gelaufen, so dass uns vor den Himmelspforten ein dickes „Game Over“ über den Köpfen erscheint (ein kleiner Wink an die Smombies...).

    Casualgames sind ebenfalls eine feste Alternative für diejenigen, die im Privatleben keinen Streit mit ihren Liebsten riskieren wollen. Wenn die Freundin schon wieder mit verschränkten Armen hinter dir steht, weil du mal wieder deine täglichen fünf Stunden an World of Warcraft gesessen warst, wird es wohl spätestens Zeit, über einen Wechsel zu einem Casual nachzudenken und WoW mindestens ruhen zu lassen. Wenn du jedoch so bekloppt bist, dieses auch noch fünf Stunden täglich durchzuzocken, könnte man das als ernsthaftes Problem interpretieren... dies aber nur am Rande.




    Um nochmal auf den Erfahrungshorizont zurückzukommen: Casuals sind wie schon erwähnt keiner Komplexität ausgesetzt. Die Steuerung verlangt kein halbes Studium wie etwa ein Flugsimulator, das Spielen selbst pendelt sich fast immer im Minutenbereich ein. Ein Ründchen hier, ein Level dort. Casuals sind darüber hinaus damals wie heute nicht dem Händetätscheln großer Spiele unterlegen. Drei Leben oder eine Zeitleiste geben den Rahmen vor, in dem sich der Spieler bewegen darf. Stellt euch mal einen 12-Stunden-Shooter mit drei Leben vor, ohne Speicherfunktion - Megaman wäre ein Dreck dagegen gewesen. Die fatalistische Art von Casuals ist indes leicht zu akzeptieren. Man kann schlechte Runden schlagen, ärgert sich höchstens kurz darüber, probiert es anschließend wieder von Neuem. Es sei denn, man hat einen schwarzen Tag erwischt, dann sollte man auch nichts erzwingen (und wir wären wieder bei den Abhängigkeiten).

    Falscher Anspruch kann Casuals einen unfreiwillig komischen Touch mitgeben. Dies passiert, wenn man etwa versucht, Story in Wimmelbild- oder 3-gewinnt-Spiele einzuflechten. Nicht selten wird versucht, Spannung und roten Faden in das simple Gameplay einzufügen. Würde sich das Gesamtbild nicht zu ernst nehmen, könnte man dem Ganzen ja noch einen charmanten Beigeschmack abgewinnen, doch wirken die Geschichtchen drangeklatscht, klischeebeladen und manchmal sogar peinlich. Mit einem gedeckelten Szenario obendrauf könnte man gut leben, jedoch weniger, wenn Helden und naive Dialoge eher nerven denn unterhalten. Das klingt zusammengefasst und überspitzt etwa so:


    Hallo, du Spieler, stell dir mal vor! Ich bin der Erzähler, der dich jetzt zum Helden macht. Dein Name ist [füge exotisch klingenden Namen ein], du bist ein Nachfahre von [füge exotisch klingenden Namen ein], dem Herrscher von [füge... ja, ihr wisst schon]-Land, und musst es [beschützen/ausbauen/irgendwie voranbringen]. Um dies zu erreichen, musst du nun dieses Level absolvieren, damit dann ein Artefakt aufploppt, welches [etwas total Bescheuertes bewirkt]. Hach, ist das spannend, nicht wahr? Ganz ehrlich, es ist spannend und aufregend!!“

    Hätte man sich die Mühe nicht hätte sparen können?




    In Sachen Geschlechterdebatte sind Casuals weitaus offener gehalten als bei „professionellen“ Spielen. Das liegt schlicht daran, dass es keine besondere Zielgruppe gibt, denen die Kleinspiele angepasst wurden. Neutralität bedeutet Offenhaltung entgegen des Spielers. Bejeweled etwa enthält eigentlich gar nichts an bestimmtem Setting, andere Spiele wie Luxor beginnen schon beim Hintergrundgeplänkel mit Einschränkungen bezüglich der Interessen seiner Spieler. Dass viele Spieler diese Szenarien ignorieren, hilft den Entwicklern trotz der Mühe auch weiter. Man scheint das zu tun, was für einen Gesamteindruck verlangt wird, wichtig ist ein Mittelalter-Gedöns für das Gameplay jedenfalls gar nicht.



    Und so kommt es, dass diese Spiele eher Menschen mit Spieltrieb ansprechen denn irgendeine besondere Zielgruppe. Das würde jeder Shooter oder jedes Rollenspiel gerne von sich behaupten, doch ist das naturgemäß nicht zu machen. Große Spiele brauchen eine glaubwürdige Welt, ein übergeordnetes Ziel mit Glaubhaftigkeit. Casuals hingegen können immer und überall funktionieren. Und denke ich wieder an die Spielzeit, die Bioshock gerne hätte, kann man getrost die Redewendung „Kleinvieh macht auch Mist“ wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Im Grunde sind sie die schweigenden Helden in der Spielebranche, über die niemand spricht, die jedoch jeder hat, nutzt und ihnen im Stillen zum Erfolg verhilft.

Kommentare

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  1. TheVG
    Ja, schon, es gibt dieses Übergewicht, aber es pendelt sich in der Mitte ein und nicht beim Verhältnis 2:1 oder Ähnlichem. Ich kenne das aus dem familiären Umfeld gut genug, um zu bemerken, dass Frauen gerne mal etwas Schnelles zocken, aber das kann man eher wie Fernsehen interpretieren. Nicht selten kommt dann als Erklärung nach Fragen wie "Ach, warum zockst du das jetzt? Ich dachte, du magst Zocken nicht." etwas wie "Zum Abschalten und/oder Berieseln lassen.". Zumindest bei der älteren Generation ist noch diese Art des Spielens verankert. Jüngere sind da schon eher empfänglich für große Titel mit Story und allem Pipapo. Und ich will auch nicht alle mit einschließen, das sind eher tendenzielle Beobachtungen. Dass also - ich schmeiß jetzt mal eine Zahl in den Raum - 30% mehr Frauen Casualspiele spielen, heißt ja eher nur eine Korrektur in der Vergleichsstatistik und keine revolutionäre Emanzipation mit einem Anteil von 70% weiblichen Spielern im gesamten Medium.
  2. Ritter des Herbstes
    Leerzeichen entfernen hilft... Aber klar, mangelnde Komplexität..

    Zur Quelle. Vier Jahre und wirbeld Genretypen ("Denkspieler", Fantasyspieler")und Zeittypen ("Intensivspieler", Gelegenheitsspieler" wild durcheinander und bezeichnet die "klassische" Spielergruppe also „jung, männlich, ballerbereit“.
    Schwierig.

  3. Scario
    Der Link funktioniert bei mir nicht. Ich denke ich würde eh dabei bleiben den 100ten von Artikeln zu glauben die seit Jahren Frauen ab 40 als Hauptzielgruppe für Casualspiele nennen.

    Und ich kann zumindest sagen dass Casualspiele mich nicht bedienen. Für mich persönlich zu wenig Innovation und Komplexität sowohl vom Gameplay als auch von der Optik. (gib mal Casualgames auf google ein und schau nach Bildern - könnten rein optisch alle dasselbe Spiel sein).
  4. TheVG
    Kurz gesagt: Ja, der Blog ist nicht so ganz ernst gemeint (auch die Smombie-Sache). Es ist auch keine Lobhudelei, sondern eher sowas wie eine Gedächtnisstütze, wie oft man eigentlich an solchen Spielchen sitzt, ohne es großartig zu merken.

    Was die Spielzeit angeht, da könntest du den Suchtfaktor mit einschließen. Es geht nicht darum, dass die 144 Stunden per se viel sind, wenn man den Aufwand eines "großen" Spiels als Grundlage nimmt. Die über 100 Stunden kommen ja nicht in kurzer Zeit zusammen. Ich zocke das Bejeweled immer wieder mal, wenn ich mal nicht nachdenken möchte, und wenn man AAA-Titel spielt (abgesehen von MP-Spielen), dann kommst du in der Relation bestimmt nicht an die Menge an investierter Zeit, selbst wenn du vielleicht Half-Life fünfmal hintereinander durchgedaddelt hättest.

    Wenn du die Zielgruppen erwähnst, müsste dir eigentlich mal ein Blick auf die Handys irgendwelcher Passanten reichen, um da keine bestimmten Leute herausfiltern zu können. Es fällt nur auf, dass - wie du schon erwähnst und zitierst - weibliche Spieler hier deutlich zahlreicher zuschlagen als bei "echten" Games. Wenn du folgenden Link liest, dann müsste dir unter "Spielertypologie" auffallen, dass sich die Geschlechter die Waage halten und das Alter eine untergeordnete Rolle spielt. Da werden lediglich im Kontext die Vergleiche verschoben und keine großen Tendenzen sichtbar. Casuals sind also diesbezüglich viel offener und bedienen, grob ausgedrückt, jede Nase, die sich mit dem Wind dreht.

    Link:

    http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug11/sp/website/allgemein/zielgruppe.html
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  5. Scario
    Also, ich bin mir nicht sicher was du mit dem Blog aussagen willst aber ich schätze mal dass es eine Lobrede für Casualspiele sein soll?

    Dennoch verwirrend. In dem einen Absatz machst du lautstark darauf aufmerksam das du Bejeweled viel länger gespielt hast als ein AAA-Game, und später bezeichnest du dann Casual Games als gute Alternative um nicht mit dem Liebsten in Streit zu geraten aufgrund der kurzen Spieldauer. O_o

    Das die Leute anfangen würden vor die Gleise zu laufen wenn sie immersivere Spiele auf Smartphones spielen (weil sie ja so gedankenverloren sind) gehört schon so zu den dümmeren Sachen die ich seit ner Weile gehört/gelesen habe. Aber ich denke mal du hast es lustig gemeint. (Stichwort: Bücher)

    Dann behauptest du einfach mal dass Casual Spiele nicht versuchen eine Zielgruppe anzusprechen? Wenn du schon Wikipedia zitierst:

    "[...]Dies entspricht auch dem Spielebedürfnis der Zielgruppe (ab 40 Jahre alt, mehrheitlich weiblich) nach kurzweiliger Unterhaltung ohne langwierige Lernphase. Sowohl die Bedürfnisse als auch die Demographie dieser Zielgruppe unterscheiden sich damit deutlich von „traditionellen“ Computerspielern (mehrheitlich männlich, unter 30 Jahre alt), die ein tiefes Eintauchen (Immersion) in möglichst realistische Spielewelten suchen."

    Jedes Spiel, jeder Film, jedes Buch, jedes Projekt wird immer eine bestimmte Demographie mehr ansprechen als eine andere, und dir sollte doch auch aufgefallen sein dass der optische Stil von Casual Games meist recht gleich ist. Quietschbunt, keine Gewaltdarstellung, süße niedliche Tierchen/Charaktere, etc.











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  6. Ritter des Herbstes
    Über den Blog zu diskutieren dürte ganz interessant werden, das was du schreibst und was du meinst sind zwei verschiedene Dinge; Denn, ganz ehrlich, die Unterteilung "Casual"/"professionell" bzw. "AAA" ist sowas von 2006.
    Oder auch: " Hey, 2016 hat angerufen, wir sind seit nem halben Jahrzehnt in der Mitte der Gesellschaft."
    Was du btw eigentlich meinst sind nicht "Casual" Titel, sondern Passionsspiele.

    Der Kollege "darkelveon" hat selbiges in seinem Blog zum letzten Tombraider ganz schön verdeutlicht: Eindeutige AAA Titel, die einem normalen Spieler das Gefühl geben, die Zielgruppe seien Lernbehinderte.
    Daher finde ich die, mit Verlaub, teils stark von oben herab formulierten Äußerungen nach dem Motto
    arg problematisch. Denn, jetzt mal ehrlich- die hohe Komplexität, in Assassins Creed den Xten Watchpoint zu erklimmen, sehe ich nicht.

    Daher für mich ein eher enttäuschendes Statement, das zeigt, dass manch ein selbsternannter Coregamer immer noch diese etwas peinliche und wie ich finde sehr unreflektierte Arroganz lebt, aus der so viele Probleme, sei es Toxität, Sexismus oder die Shitstormmentalität, entstehen.
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