Euphorie muss erlaubt sein. So lautet eingangs die These in der neuesten Heftausgabe der GameStar. Sie muss, das ist auch meine Meinung. Doch bringt mich diese Aussage zu einer anderen Überlegung, die auf ein neues Gestalt annahm, als ich unlängst einen Beitrag in der Wochenzeitung "Die Zeit" zum Spiel "This War of Mine" las. Mir einem obligatorisch negativen Tenor gegenüber Games an sich fuhr der Autor ein bekanntes Standardrepertoire an Wort und Meinung auf, zielte jedoch im Grunde auf die Aussage ab, dass dieses Spiel als eine Ausnahme anzusehen sei, da es die Schattenseiten des Kriegs darstelle.
Und? Tut es doch, wird mancher sagen und das will ich auch gar nicht bestreiten. Ich möchte behaupten, dass es solche Spiele braucht, aber ich habe ein Problem mit dem Meinungstrend zum alternativlosen Realismus. Zur Schonungslosigkeit in all ihren Grauschattierungen.
Obgleich es schön ist, nicht an jeder Ecke einem wandelndem Klischee die Hand zu küssen, will ich mich gleichzeitig unterhalten lassen. Nicht immer, aber oft. Ich will einen Platz zum Träumen, einen Ort der Faszination, neben der Gewalt und der Ungerechtigkeit. In einem anderen Sinne als Herr Klinge verwende ich seine Euphorie auf das Spielerlebnis. Muss ich mich schlecht fühlen, weil ich bei wehenden Kriegsfahnen in einem fernen Phantasiereich an epische Schlachten und gestürzte Tyrannen, an Gerechtigkeit und ergreifende Lieder am Lagerfeuer denke, statt an modernde Leichen und verhungernde Witwen? Reicht es nicht manchmal, dass ich mir darum Gedanken mache, wenn ich die Tagesschau sehe?
Versteht das nicht falsch. Ich will keinesfalls, dass es weniger mahnende Spiele geben sollte. Ich zweifle nur an dem Hang, alles zu verteufeln, das nicht derart kritisch ist. In meinen Augen ist - wenn auch durch Ausblendung erkaufte - Unterhaltung ebenso wertvoll, wie es der mahnende Zeigefinger oder die Lehre der Vergangenheit ist.
Unterhaltung und Geschichten haben ihre eigene Berechtigung
Völlig außer Acht lassen die meisten dabei den Wert der einfachen, üblichen Erzählung. Sie vermittelt trotz alledem moralische Werte, ein Gefühl, dass Gerechtigkeit möglich ist, dass jedem einmal Gutes widerfahren wird und nicht zuletzt hält sie den Funken des Erstaunens am Leben, den man über die Kindheit verlieren mag. J. R. R. Tolkien sprach in diesem Zusammenhang vom Zustand der Verzauberung. Dieser ist es, der für mich erstrebenswert erscheint, gleichberechtigt neben der Darstellung der Realität und nicht davon abhängig.
Ganz besonders in der Literaturkritik ist diese Denken, dieses Einteilen in Wertigkeit längst zum Grundsatz geworden. Für den Nobelpreis muss man über Angst und Verzweiflung schreiben, über Vertreibung und den Kampf für Freiheit. Um die Kritiker zu besänftigen braucht es komplizierte Erzählformen und überhobene Sprache. Der Unterhaltungsfaktor scheint keine Rolle zu spielen. Und Massentauglichkeit wertet automatisch das Werk ab. Um zu einem Ende zu kommen, führe ich dieses Thema allerdings lieber nicht mehr weiter aus, denn damit ließen sich Bücher füllen.
Ich hoffe, dass es in der Spielebranche nicht soweit kommt, dass man sich für Unterhaltung schämen muss. Doch ein Trend ist erkennbar. Der bringt durchaus auch gute Aspekte mit sich, nur sollte er nicht über das Ziel hinausschießen, sodass eines Tages ein Märchen am Grad seiner Wirklichkeitstreue gemessen wird. Ich will mir die Abenteuer der Phantasie nicht verbieten lassen.
Denn Unterhaltung muss erlaubt sein.
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