In San Francisco ist ein Journalist, der mit der Datenbrille "Google Glass" unterwegs war von einer Frau angegriffen worden.
Sie riss ihm die Brille vom Kopf und warf sie zu Boden.
Das 1500 $ teure Gerät ging dabei kaputt.
Anschliessend entbrannte eine Diskussion bei Twitter und in diversen Online-Medien darüber, ob das nun Sachbeschädigung, Paranoia oder Selbstverteidigung sei.
Denen, die das Verhalten der Frau für paranoid halten, mache ich daher einen Vorschlag:
Machen Sie doch mal eine gut leserliche Kopie Ihres Personalausweises, beidseitig, legen Sie dann noch Kopien von Führerschein, Miet- und Arbeitsvertrag dazu. Notieren Sie sich fein säuberlich, wo Sie im Netz überall in Erscheinung treten, unter welchen Pseudonymen, fassen Sie dabei Ihre politische Orientierung, sexuelle Vorlieben und eine Einkaufsliste aller Dinge, die sie in den letzten 10 Jahren gekauft haben - nebst Händler, wo Sie sie gekauft haben - und zu welchem Preis, zusammen. Tüten Sie in diese Bibliothek noch sämtliche Cookies aller Webseiten, die sie besucht haben ein, inklusive einer langen Liste sämtlicher Suchbegriffe, die Sie bei Google absetzten. Seien Sie bitte abschliessend noch so freundlich und fassen Sie Ihr eigenes Profil wahrheitsgetreu zusammen.
Zum Beispiel so:
"Konservativer Nichtskönner, obrigkeitshörig, recht(s) naiv, geht seiner Frau fremd, trägt als Mann beim Sex gerne Strapse und hat einen Bruder, der im öffentlichen Dienst arbeitet, der schwul ist, welcher aber, aus Gründen der öffentlichen Akzeptanz mit einer Frau verheiratet ist, die in den letzten Monaten zu einer Aufsteigerin bei der CDU wurde. Kindheit wohlbehütet verbracht, erst mit 32 das Elternhaus verlassen, neigt dazu, sich leicht manipulieren zu lassen, anfällig für jede Art von Kommerz. Wahlspruch: "Die Kirche im Dorf lassen", ist bestechlich, neigt zu Pedanterie und schlägt zu Hause seinen Sohn, spricht von sich selbst aber in den höchsten Tönen in der Öffentlichkeit, ist übergewichtig (Tip: anfällig für Diät-Werbung UND anfällig für Werbung über opulentes Essen), sammelt Pornohefte aus den 80er und 90er Jahren, leidet an Rheuma und einer Tick-Störung leicht ausgeprägter Art, ist in therapeutischer Behandlung, die er tarnend als "Hausarztbesuch wegen Erkältung" bezeichnet, nimmt Anti-Depressiva, schmiss sein Studium hin und hatte in der Schule nur mäßige Noten, IQ beträgt 92. Erste Drogenerfahrungen mit 12 Jahren, war drei Jahre lang regelmäßiger Konsument von Kokain, bis ihm das Geld dafür ausging. Würde für Geld beinahe alles tun, hat zweifelhafte Moralvorstellungen, ist empathisch indifferent, sympathisiert mit der NPD und ejakuliert regelmässig auf ausgedruckte Bilder männlicher Action-Filmhelden beim Onanieren, die er beneidet und mit welchen er sich personifiziert. Läuft zu Hause in alten Pantoffeln herum und bügelt seine Ripp-Unterwäsche, konsumiert vorzugsweise seichtes Talk-Fernsehen und ist Mitglied in einer deutschen Burschenschaft. Ausserdem versteckter Alkoholiker."
Dann gehen Sie mit dem Bündel zum nächsten Marktplatz, stellen es fein säuberlich dort auf den Boden ab. Bauen Sie dann anschliessend mit Sperrholz ein kleines Häusschen drum herum, mit verspiegelten Scheiben, so dass jeder, der ein Interesse daran hegt, selbst anonym bleiben kann.
(Hervorragend geeignet auch für Jobs - nie wieder Bewerbungen schreiben, nie wieder lügen, sich verstellen, sich verkaufen müssen. Man weiss längst ALLES über Sie!)
Gehen Sie schliesslich noch zu den anderen Häusschen, die dort rumstehen, lesen sich die dortigen Profile durch und fassen Sie etwaige Analogien kurz zusammen, sodass man gucken kann, ob sich daraus etwas über Ihre Wohnumgebung ableiten lässt. Zum Beispiel: Nie Chancen bei Frauen gehabt, weil die, die da waren, sich "so etwas" nie antäten -> Wertvoller Tip für neu.de! Könnten vermehrt Werbung in Ihrer Region schalten mit dem Slogan: "Wir haben auch Frauen, die JEDEN nehmen!"
Fertig.
Ich gebe zu, es ist etwas aufwändig.
Der Effekt ist aber derselbe.
Völlig unabhängig davon, wie sehr Ihr Profil von dem obigen Beispiel abweicht.
Was brisant ist, für wen und warum - das beurteilen nämlich gerade SIE nicht!
Ich kenne die Frau aus Frisco nicht, habe auch kein Bedürfnis danach, sie kennen zu lernen. Aber ich respektiere ihr Handeln, stufe es als "Notwehr" ein.
Doch mit Google Glass ist es noch einfach, da das Gerät stigmatisierend voyeuristisch wirkt.
Jeder erkennt es, man fühlt sich beobachtet.
Schwieriger wird es, wenn (in naher Zukunft) Augenimplantate diese Arbeit übernehmen.
Wenn Augmented Reality mit Datamining, intelligenten Profil-Datenbanken samt Gesichts- und Mustererkennungs-Software die Zukunft gehört, hatte George Orwell noch derbe untertrieben.
Hätte er mal Google, Facebook & Co. erlebt.
Hätte er mal gleichgeschaltete Politiker und desinteressierte Wähler erlebt.
Hätte er mal erlebt, wie gelassen und persönlich völlig entspannt die Öffentlichkeit zuschaut, wie man sie entmündigt, sie ihrer Freiheit beraubt.
Weil sie sich auf einen Satz beruft, der garantiert auch schon zu Nazi-Zeiten so manches Mal gefallen sein dürfte:
"Kann man halt nix gegen machen, wozu also aufregen?"
Er hätte die Lust zum Schreiben einer Dystopie, wie "1984" verloren.
Wozu auch sowas schreiben?
Die Realität ist manchmal weiter, als die Fiktion.
Galt in meiner Kindheit der Spruch "Ich weiß, wo du wohnst!" noch als bedrohlich, dürften sich Ihre Kinder in der Schule demnächst anhören: "Ich weiß ALLES über dich!".
Mit einem kleinen Unterschied:
"Mein" Satz war oft eine leere Drohung, der nichts folgte.
Ganz anders dürfte es aussehen, wenn man ein Profil von jemandem besitzt, das nahezu alles über denjenigen sagt.
"Alles kann - und wird auch - (vor Gericht) gegen Sie verwendet werden".
Auch dieser Satz erhält dadurch eine völlig neue Dimension.
Überall im Leben, bei allem, was Sie tun und lassen.
Und nun denken wir nochmal über folgende Begriffe nach:
Sachbeschädigung
Aggressives, strafbares Verhalten
Wutbürger
Und Paranoia...
Angriff auf Google Glass
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