Angriff auf Google Glass

Von Yeager · 14. April 2014 · Aktualisiert am 14. April 2014 ·
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  1. In San Francisco ist ein Journalist, der mit der Datenbrille "Google Glass" unterwegs war von einer Frau angegriffen worden.
    Sie riss ihm die Brille vom Kopf und warf sie zu Boden.
    Das 1500 $ teure Gerät ging dabei kaputt.
    Anschliessend entbrannte eine Diskussion bei Twitter und in diversen Online-Medien darüber, ob das nun Sachbeschädigung, Paranoia oder Selbstverteidigung sei.
    Denen, die das Verhalten der Frau für paranoid halten, mache ich daher einen Vorschlag:

    Machen Sie doch mal eine gut leserliche Kopie Ihres Personalausweises, beidseitig, legen Sie dann noch Kopien von Führerschein, Miet- und Arbeitsvertrag dazu. Notieren Sie sich fein säuberlich, wo Sie im Netz überall in Erscheinung treten, unter welchen Pseudonymen, fassen Sie dabei Ihre politische Orientierung, sexuelle Vorlieben und eine Einkaufsliste aller Dinge, die sie in den letzten 10 Jahren gekauft haben - nebst Händler, wo Sie sie gekauft haben - und zu welchem Preis, zusammen. Tüten Sie in diese Bibliothek noch sämtliche Cookies aller Webseiten, die sie besucht haben ein, inklusive einer langen Liste sämtlicher Suchbegriffe, die Sie bei Google absetzten. Seien Sie bitte abschliessend noch so freundlich und fassen Sie Ihr eigenes Profil wahrheitsgetreu zusammen.
    Zum Beispiel so:

    "Konservativer Nichtskönner, obrigkeitshörig, recht(s) naiv, geht seiner Frau fremd, trägt als Mann beim Sex gerne Strapse und hat einen Bruder, der im öffentlichen Dienst arbeitet, der schwul ist, welcher aber, aus Gründen der öffentlichen Akzeptanz mit einer Frau verheiratet ist, die in den letzten Monaten zu einer Aufsteigerin bei der CDU wurde. Kindheit wohlbehütet verbracht, erst mit 32 das Elternhaus verlassen, neigt dazu, sich leicht manipulieren zu lassen, anfällig für jede Art von Kommerz. Wahlspruch: "Die Kirche im Dorf lassen", ist bestechlich, neigt zu Pedanterie und schlägt zu Hause seinen Sohn, spricht von sich selbst aber in den höchsten Tönen in der Öffentlichkeit, ist übergewichtig (Tip: anfällig für Diät-Werbung UND anfällig für Werbung über opulentes Essen), sammelt Pornohefte aus den 80er und 90er Jahren, leidet an Rheuma und einer Tick-Störung leicht ausgeprägter Art, ist in therapeutischer Behandlung, die er tarnend als "Hausarztbesuch wegen Erkältung" bezeichnet, nimmt Anti-Depressiva, schmiss sein Studium hin und hatte in der Schule nur mäßige Noten, IQ beträgt 92. Erste Drogenerfahrungen mit 12 Jahren, war drei Jahre lang regelmäßiger Konsument von Kokain, bis ihm das Geld dafür ausging. Würde für Geld beinahe alles tun, hat zweifelhafte Moralvorstellungen, ist empathisch indifferent, sympathisiert mit der NPD und ejakuliert regelmässig auf ausgedruckte Bilder männlicher Action-Filmhelden beim Onanieren, die er beneidet und mit welchen er sich personifiziert. Läuft zu Hause in alten Pantoffeln herum und bügelt seine Ripp-Unterwäsche, konsumiert vorzugsweise seichtes Talk-Fernsehen und ist Mitglied in einer deutschen Burschenschaft. Ausserdem versteckter Alkoholiker."

    Dann gehen Sie mit dem Bündel zum nächsten Marktplatz, stellen es fein säuberlich dort auf den Boden ab. Bauen Sie dann anschliessend mit Sperrholz ein kleines Häusschen drum herum, mit verspiegelten Scheiben, so dass jeder, der ein Interesse daran hegt, selbst anonym bleiben kann.
    (Hervorragend geeignet auch für Jobs - nie wieder Bewerbungen schreiben, nie wieder lügen, sich verstellen, sich verkaufen müssen. Man weiss längst ALLES über Sie!)
    Gehen Sie schliesslich noch zu den anderen Häusschen, die dort rumstehen, lesen sich die dortigen Profile durch und fassen Sie etwaige Analogien kurz zusammen, sodass man gucken kann, ob sich daraus etwas über Ihre Wohnumgebung ableiten lässt. Zum Beispiel: Nie Chancen bei Frauen gehabt, weil die, die da waren, sich "so etwas" nie antäten -> Wertvoller Tip für neu.de! Könnten vermehrt Werbung in Ihrer Region schalten mit dem Slogan: "Wir haben auch Frauen, die JEDEN nehmen!"

    Fertig.

    Ich gebe zu, es ist etwas aufwändig.
    Der Effekt ist aber derselbe.

    Völlig unabhängig davon, wie sehr Ihr Profil von dem obigen Beispiel abweicht.
    Was brisant ist, für wen und warum - das beurteilen nämlich gerade SIE nicht!

    Ich kenne die Frau aus Frisco nicht, habe auch kein Bedürfnis danach, sie kennen zu lernen. Aber ich respektiere ihr Handeln, stufe es als "Notwehr" ein.
    Doch mit Google Glass ist es noch einfach, da das Gerät stigmatisierend voyeuristisch wirkt.
    Jeder erkennt es, man fühlt sich beobachtet.
    Schwieriger wird es, wenn (in naher Zukunft) Augenimplantate diese Arbeit übernehmen.

    Wenn Augmented Reality mit Datamining, intelligenten Profil-Datenbanken samt Gesichts- und Mustererkennungs-Software die Zukunft gehört, hatte George Orwell noch derbe untertrieben.
    Hätte er mal Google, Facebook & Co. erlebt.
    Hätte er mal gleichgeschaltete Politiker und desinteressierte Wähler erlebt.
    Hätte er mal erlebt, wie gelassen und persönlich völlig entspannt die Öffentlichkeit zuschaut, wie man sie entmündigt, sie ihrer Freiheit beraubt.
    Weil sie sich auf einen Satz beruft, der garantiert auch schon zu Nazi-Zeiten so manches Mal gefallen sein dürfte:
    "Kann man halt nix gegen machen, wozu also aufregen?"

    Er hätte die Lust zum Schreiben einer Dystopie, wie "1984" verloren.

    Wozu auch sowas schreiben?
    Die Realität ist manchmal weiter, als die Fiktion.
    Galt in meiner Kindheit der Spruch "Ich weiß, wo du wohnst!" noch als bedrohlich, dürften sich Ihre Kinder in der Schule demnächst anhören: "Ich weiß ALLES über dich!".
    Mit einem kleinen Unterschied:
    "Mein" Satz war oft eine leere Drohung, der nichts folgte.
    Ganz anders dürfte es aussehen, wenn man ein Profil von jemandem besitzt, das nahezu alles über denjenigen sagt.
    "Alles kann - und wird auch - (vor Gericht) gegen Sie verwendet werden".
    Auch dieser Satz erhält dadurch eine völlig neue Dimension.
    Überall im Leben, bei allem, was Sie tun und lassen.

    Und nun denken wir nochmal über folgende Begriffe nach:

    Sachbeschädigung
    Aggressives, strafbares Verhalten
    Wutbürger

    Und Paranoia...

    Über den Autor

    Yeager
    Chuck Yeager durchbrach als erster Mensch die Schallmauer.
    <br/>Ich stolperte über seinen Namen als damals noch kleiner Junge beim Gucken von "Der Stoff aus dem die Helden sind".
    <br/>Sein Name gefiel mir, wurde zum Nick und blieb es.

Kommentare

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  1. Cd-Labs: Radon Project
    Bin heute nochmals auf deinen Blog gestoßen und mehr als "richtig" kann ich dazu kaum sagen!
      1 Person gefällt das.
  2. Gra
    Das gibt was Ex Grünes Feines von mir ;)
    Ja mir macht das ganze auch Angst, noch mehr Angst macht mir das die Menschen sich noch Freiwillig alldem aussetzen.
    Da kommt mir neben 1984 noch Person of Interest in den Sinn.
    Sehr viele sind sich wahrscheinlich gar nicht bewusst was sich mit den Daten alles anstellen läst, man gebe nur mal Linux Server + Virtualisierung bei google im Browser ein... selbst wenn man alle Coockies Löscht und jeden Verlauf Löscht wird man schockiert feststellen das Google immer noch Massenhafte Inserate über Virtualisierte Linux-Server von Hostern Anzeigt.
    Das wird noch schlimmer.
    Schon sehr bald könnten Behörden anhand der Fischen (Sind Profile und Daten über eine Person in der Schweiz) nur anhand jenes Profiles Verhaftet und Interniert werden z.B. weil sie nicht mit der Aktuellen Politischen Meinung gleichziehen.
    Dann werden wir zudem noch mit Speziell angepassten Medien Gleichgeschaltet und Manipuliert das wir nur noch Dumpfe Lemminge sind die zu allem Ja und Ahmen sagen.

    Danach kommt ja noch VR, da Entwickeln wir uns auch immer mehr in richtung Matrix und Surrogates - Mein zweites Ich, Hand aufs Herz wer fühlt sich nicht zunehmend Isoliert? Man Spricht mit dem kollegen und Plötzlich zückt er sein Smartphone und Zockt Ingres (Googles erfolgreichste Datenkrake überhaupt) oder das neue Quiz und man erreicht die Kollegen nur noch indem man ihnen via Whats App eine Message Schreibt...
    Wir Isolieren uns und schon bald sind wir bei Surrogates - Mein zweites Ich und Matrix.

    Mir Schauert es ab diesen Dystopischen Zukunftsaussichten muss ich ehrlich sagen :/

    Edit:
    Dazu müsste ich noch folgendes Sagen.
    Ich wuchs eher Unkonventionell mit dem Thema PC auf, zum einen Stand da jahrelang ein DOS-Rechner der dann durch ein betagtes Modell ersetzt wurde als ich Acht Jahre alt war (durch ein Win 3.1) System.
    Das Rüstete ich dann soweit auf das ich Baldurs Gate zocken konnte, danach blieb es lange nahezu fast unberührt bis ich mir einen Laptop mit XP hohlte.
    Irgendwann ersetzte ich diesen Laptop durch einen neuen, ebenfalls mit XP und der alte bekamm ein Unbefriedigendes OpenSuSe draufgeschmissen.
    Aber der lebte nicht mehr lange, dann kamm Mass Effect 1 und ich wollte nach JAhren Spieleabstinez wieder Zocken da liess ich mir von einem Kollegen Mac Book Pro Aufschwatzen... Habe es gekauft und Win XP und als endlich ein passendes Bootcamp dafür erschienen ist Win 7 darauf Pararellisiert.
    Naja wie es mit Mac Books halt war sie waren zu Release nicht mehr Zeitgemäss also Kaufte ich mir für BF3 einen eigenen PC.
    Das Unkonventionelle daran ist das ich erst seit 2008 über Internet verfüge.
    Vorher gabts Internet nur am Schulcompaq oder den Urzeit Mac OS Systemen.
    Seit 2008 musste ich also eine Menge an Technik Aufarbeiten und nun bin ich in der IT tätig.
    Die Entwicklung der Social Medias beobachte ich schon lange mit besorgnis, meinen FB Account habe ich gelöscht und naja viel habe ich darauf nie gemacht leider schon zuviel.
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  3. Tsabotavoc
    Ich erkenne die Vorteile die Google Glas bietet. Kurioserweise nicht die scheiß Brille selbst sondern entsprechend modifizierte Geräte. Ein Beispiel? Wenn ich ein Gerät serviciere und dabei im Gesichtsfeld die Teile markiert bekäme die als nächstes zu prüfen sind wäre das gerade bei einigen ausgefallenen Geräten ne tolle Sache.

    Aber genau so was kann Google Glass eben nicht. Das Einzige was es kann ist die Privatsphäre von anderen Menschen zu unterminieren und bei flächendeckender Umsetzung eine Rundumüberwachung zu ermöglichen.

    Das Geilste daran ist aber dass die Leute noch dazu dafür zahlen!

    Das wäre ca. so wie wenn die Leute hinter der Mauer in der guten alten DDR ne Rechnung bekommen hätten dafür das ihre Wohnung verwanzt wurde.

    Die Frau hat meine volle Unterstützung. Sie hätte ihm eigentlich das Gesicht zu Brei schlagen sollen aber das wäre wohl undamenhaft gewesen.

    € Wenn mich jemand in der UBahn zB mit dem Smartphone filmt würd ich glaub ich durchdrehen. Von daher weiß ich nicht was passiert wenn mir so ein Arschloch mit Scheißbrille über den Weg läuft. Und ich habe diesen Hass auf Google Glass nicht weil ich keine Ahnung habe was man mit modernen Medien kann - ich bin mit dem Zeug immerhin aufgewachsen und habs als Hobby - sondern eben weil ich es weiß.
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  4. Rem Tilak
    Vielen Dank für den tollen Blog-Eintrag.
    Hoffentlich regt er auch noch andere Menschen zum Nachdenken an.

    Das Verhalten der Frau kann ich nachvollziehen. Ich hätte wahrscheinlich nicht so drastisch gehandelt, aber womöglich so ähnlich. Von der blöden Google-Brille halte ich absolut nichts.
      8 Person(en) gefällt das.
  5. fridalein
    Großartig!

    Ich bin ein wahrhaftiger Optimist und keinesfalls konservativ eingestellt, jedoch denke ich manchmal, dass der Punkt (die Stöcke und Steine, von denen Einstein einst sprach) nicht mehr so weit entfernt ist...

    Weißt du, solche Blogs werden die Welt nicht verändern. Aber wenn viele es lesen und darüber nachdenken, ändern sie sich selbst vielleicht ein bisschen...
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  6. Bakefish
    Das einzig Coole, das ich mir an Google Glass vorstelle, ist: Stellt euch mal vor, die sähe aus wie die Brille, die Tony Stark in Iron Man 3 trägt... so mit Hologrammen und so...
    Mal abgesehen davon, dass diese Brille NICHT so aussehen wird, weiß ich echt nicht, was an ihr so toll sein soll.
    Ich bin weder auf Facebook nch Twitter noch GooglePlus noch irgendeinem anderen "sozialem Netzwerk" angemeldet, neben meiner E-Mail-Adresse ist GameStar die einzige Seite, zu der ich mich als Mtglied zählen kann. Und ich mache mir schon Sorgen, ob ich nicht zu viel von mir preisgebe, wenn ich schreibe, dass ich gerne Ego-Shooter spiele.
    Bringt aber auch wohl nix mehr... Google kennt meine wahre Identität wahrscheinlich sowieso schon.
    1984 ist schon längst eingetreten, wie du gesagt hast. Oder zumindest in den letzten Schritten zur Vorbereitung. Orwell hat es alles vorausgesehen.
    Dein Blog hat es sehr schön beschrieben. Bitte schreibe noch mehr von diesem Thema, das machst du nämlich unglaublich gut!
    Gruß Bakefish
      8 Person(en) gefällt das.
  7. Vercetti III
    Hä? Was?
    Ich kann grad nicht lesen, da ich gerade Facebook erzähle, was ich heute alles gemacht hab. Oh, ein sprechendes Kamel will meine Kreditkartennummer? Das klingt fair.
    Der Blogeintrag ist aber bestimmt gelungen. Hab mal kurz drüber geschaut. Irgendwas mit Google Glass: Diese Brillen sind doch sooooowas von toll, findet ihr nicht?
      10 Person(en) gefällt das.
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