Was taugt denn noch: Sam & Max?

Von TheVG · 3. Mai 2015 ·
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  1. Hinweis: Der folgende Blog enthält Story- und Rätselspoiler. Wer das Spiel nicht kennt und kein Freund von Vorsagerei ist, sollte diesen Text also lieber meiden.



    Was als Comicreihe für eine Studentenzeitung begann, wurde dem Zeichner, Animator und späteren Game Designer Steve Purcell ein Herzensprojekt unter den Fittichen der damalig unerreichten Adventureschmiede von LucasArts. Purcell, der vorher schon an bahnbrechenden Werken wie „Monkey Island“ und „Zak McKracken“ mitgewirkt hatte, durfte nach der zahlreichen Versoftung der George Lucas-Markenschlachtschiffe „Star Wars“ und „Indiana Jones“ seine eigene Designidee in Bits und Bytes wandeln und die bis dato schon stattliche Spielebibliothek um ein weiteres Adventure-Highlight ergänzen.



    Die Veröffentlichung von „Sam & Max: Hit the road“ liegt nun schon 21 Jahre zurück, und trotzdem hat das Spiel immer noch seine Fans, seien es Retrofanatiker oder beeindruckte Neuentdecker, die dank GOG.com und „ScummVM“ selbst auf aktuellen System ohne Probleme dem Treiben des Hund/Hase-Gespanns folgen können.



    In diesem Zuge habe ich noch einmal meine Gehirnzellen angestrengt (was aufgrund meines wahrscheinlich siebten Durchlaufs nur mein Erinnerungsvermögen strapaziert), den absurden Witz bewerten und Euch einen kleinen nostalgischen Umriss um das Yeti-Abenteuer zeichnen.



    Taugt denn „Sam & Max“ heute immer noch zum abendfüllenden Adventurespiel?



    Police Brutality



    Die Welle einstiger, kultiger Polizeiserien ist Mitte der 90er längst verflogen gewesen, da erschienen Sam und Max auf dem Bildschirm und parodieren das Genre nach Strich und Faden. Die beiden Partner pfeifen auf Vermenschlichung, Großstadtambiente und die Abwägung ihrer ermittlerischen Möglichkeiten und machen aus der Not eines Kojak eine überzeugte Tugend. Also suchen sie sich nur die Fälle aus, die schon im ersten Satz so grotesk klingen, dass sie Mike Stone und Steve Heller („Die Straßen von San Francisco“) höchstens mit einem Vogel bedenken würden.



    Das Spiel konfrontiert sie sodann auch mit einem wahren Sonderfall: Eine Kirmes vermisst ihre Hauptattraktion: einen Yeti im Eisblock. Der überdauerte tiefgefroren im hiesigen Kuriositätenkabinett, doch ist der Eisblock geschmolzen und der Yeti von dannen, zusammen mit der Giraffenhalsdame Trixie, die – wie sich später herausstellt - in einem Anflug von Liebeskummer ihrer haarigen Liebe zur Flucht verhalf.



    So lieblich die Story sich auch anhören mag, so rigoros gehen aber auch unsere Hauptfiguren zu Werke. Politisch völlig unkorrekt gelangen die beiden überhaupt an ihren Auftrag (ich sag nur: Benutze Max mit Straßenkater) und bedenken jede noch so groteske, im Spiel auftauchende Figur mit spitzfindigen Sprüchen (eine Kirmesattraktion mit einem Wasserhahn als Kopf ist für Sam ein „armer Tropf“).



    Doch auch einstecken müssen die beiden zur Genüge. Ein Besuch beim britischstämmigen (!) Countrystar Conroy Bumpus plus Handlanger wird Ersträtslern wahrscheinlich mehrmals zum sch(m)erzhaften Verhängnis werden, und auch sich selbst gegenüber sind sie nie um die ein oder andere Fiesheit verlegen. Aber – und das ist das Sympathische dabei – sind eben diese Fiesheiten höchstens in Absurditäten gekleidet. Die Story kann zuweilen sehr sarkastisch werden, etwa wenn das Antlitz von Mt. Rushmore durch Bungeespringer regelrechten Nasenausfluss assoziiert oder das Geschäftsgebaren der Rasthofkette „Snuckeys“ schon sehr an reale Fast-Food-Großkonzerne erinnert – trotzdem bleibt „Sam & Max“ immer auf seine schrullige Art liebenswürdig, ohne sich zynisch nennen zu wollen.



    Das Eck versteckt



    Wer mindestens ein wenig für Aventurespiele übrig hat und vielleicht nur die aktuellen Titel kennt, muss sich nicht scheuen, „Sam & Max“ anzutesten. Die Spielmechanik ist dieselbe ähnlich heutiger deutscher Toptitel wie „Book of unwritten tales“, auch wenn solch kleine Komfortfunktionen wie die Hotspots fehlen. Hier ist Suchen angesagt, und bei der etwas klobigen Grafik mag das an manchen Stellen frustrieren, zumal ein paar Rätselketten übereinstimmend mit der Story sicherlich absurd erscheinen. Selbst die Dialoge sind nicht immer hilfreich, etwa wenn ein riesiges Wollknäuel einen wichtigen Gegenstand in sich birgt, und man sich wohl erst die Gehirnwindungen verknoten muss, um die Lösung zu erraten – da hilft auch das Schwätzchen mit dem Museumsleiter nicht weiter, der eigentlich keine Dialogzeile auslässt, seine Geschichte ausschweifend darzubringen.



    Gerade im Zuge dieser Absurditäten, Fiesheiten und schrulligen Charaktere ergeben sich Rätseleien, die, wenn man sie denn endlich erraten hat, ein ums andere Mal für breites Grinsen sorgen dürften. Zuerst ist es hilfreich zu wissen, dass jeder Auftritt von Conroy Bumpus als eine Art Belohnung für den Spieler anzusehen ist. Hat sich auf der USA-Karte ein neuer Ort ergeben, kann man davon ausgehen, dass der Countrywicht beim Betreten des Abschnittes schon vor uns dort herumlungert und die Story vorantreibt. Gleichzeitig treibt er das Ermittlergespann in die ein oder andere Aufgabenstellung, etwa beim Gator Golf, wo Max in einem Schaukasten landet und von seinem Partner via Golfpartie befreit werden muss.



    Richtig grotesk kann es am geheimnisvollen Strudel werden. Hier ist die Welt völlig verdreht, anders, auf den Kopf gestellt, und selbst hier entstehen Situationen, die man nicht für möglich gehalten hätte. Wenn man nicht durch eine Tür passt, muss man es eben passend machen, und wenn etwas zugänglich erscheint, ist man dazu geneigt, den Monitor auf den Kopf zu stellen. Aber ist selbst dies noch irgendwie nachvollziehbar aufgebaut worden – es kann dagegen an manchen Stellen vorkommen, dass man nach Räumen und Ecken Ausschau halten muss, die einem so nicht ersichtlich sind; daher der Frustanteil in einem sonst sehr gut designten Spiel. Das ist dann ausgerechnet noch der Ort, an dem alle Fäden der Story zusammenlaufen – ein kleines Poolbecken, in dem die Yetitraditionen zelebriert werden, wurde so ungünstig gesetzt, dass ich mich unsinnigerweise ratlos durch die Wallachei klickte, um zu erkennen, dass der nächste Step eigentlich nur im Hintergrund der aktuellen Aufgaben zu erreichen war, also die Mühe von zwei Stunden Sucherei für nichts und wieder nichts wert gewesen war. Gerade zum Ende hin kommen solche Designschnitzer gerne mal vor, was dann weniger an der Grafik selbst oder dem Überblick liegt, sondern eben am Ausbleiben von Hotspots sowie der pixeligen Bilder.



    Ist das noch witzig?



    Wenn ich mir die Humorlandschaft von heute mal anschaue, bin ich regelmäßig enttäuscht. Viele Spiele, Filme und Serien folgten ein wenig dem Gesetz der Sitcomsendungen, die ich eher als bemüht empfinde. Ich selbst bin mit einem ganz anderen Witz aufgewachsen, da war die Rede von einer „Flasche Pommes Frites“ oder sinnierte man über das Auftauchen von Kokosnüssen im angelsächsischen Raum während des Mittelalters. Das heißt weiterführend, dass ich eher absurden Humor mag, Monty Python sind meine Götter. „Sam & Max“ haben, wie schon erwähnt, einen auch sehr ausgeprägten Sinn für scheinbar sinnlose Sprüche, und das alles verpackt in Bugs Bunny-artiger Überdrehtheit. Wie gut das heute noch funktioniert, kann ich ehrlich gesagt schlecht beurteilen – meinen Erfahrungen zufolge ist es eher die Minderheit der Kids, die sich für diese Art von Humor erwärmen können.



    Es ist selbstredend für die Auslegung des Spiels, dass hier und da eine Referenz an alte Polizeiserien stattfinden muss, dafür halten sich die Macher aber auch erstaunlicherweise zurück, direkte Vergleiche anzustellen. Ich habe keine sehr offensichtliche Parodie auf Kojak ausmachen können, und dass das Duo vielleicht noch an „Starsky und Hutch“ erinnern mag, liegt höchstens an der Anzahl der Protagonisten. „Sam & Max“ ist eine eher leichte Anlehnung an eben diese Zeit, was wiederum viel Freiraum für anderen Unsinn lässt.



    Klappt´s noch?



    Was hatte ich mich damals schlappgelacht, als ich zum ersten Mal „Sam & Max“ mit einem Kumpel zusammen durchgezockt hatte. Die Witze waren seiner Zeit sehr orginell gewesen (und sind sie auch heute noch), die Szenen gut den Situationen angepasst und immer wieder einen Grinser wert, selbst wenn man mal nichts tun, anfassen oder angucken wollte. Selbst heute noch wirken die Szenen grotesk überdreht, erstaunlich zeitlos in seiner Comicpracht (wenn auch mittlerweile pixelig angestaubt) und vor allem fordernd im Rätseldesign. Die Annehmlichkeiten eines aktuellen Titels vermissend wird das Spiel gerade heute dem ein oder anderen die Grenzen aufzeigen, wobei die ein oder andere Rätselspinnerei sicherlich nicht immer vor reiner Logik strotzt. Die schon erwähnten Designschnitzer sorgen Gott sei Dank selten für wahren Frust, also lässt sich schlussendlich resümieren, dass „Sam & Max“ immer noch in die Riege der Allzeitbesten gehört.

Kommentare

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  1. Cd-Labs: Radon Project
    Schön mal wieder was von dir zu hören, klingt vielversprechend...
    ...hach, wär schön genügend Zeit zu haben um alles durchzuspielen, was derartig klingt! :D
      2 Person(en) gefällt das.
  2. ximrm
    Zum Thema Wortwitz:
    Mir ist aufgefallen und ich hoffe ich bin nicht der einzige, dass heutzutage, vor allem in Filmen(Spiele haben deutlich mehr Hürden bei der Synchro- und Lokalistation, daher gehe ich nicht all zu sehr auf dieses Thema ein)
    die Lokalisation ARG zu wünschen übrig lässt. Es scheint mir als würde heutzutage alles nur noch durch den Google Übersetzer oder etwas schlimmeres durchgejagt wird. Wenndie dafür zuständigen wenigstens dict.cc nutzen würden...
    Natürlich kann man viele Wortspiele aus dem Englischen nicht direkt übersetzen aber man kann Alternativen finden und das wird heutzutage nicht mehr gemacht.
    Man nehme einfach mal alte Simpsons Folgen oder ältere filme generell. Zum Beispiel konnte man bei der "Nackten Kanone" nicht alles direkt ins Deutsche übersetzen, dennoch haben es die Leute geschafft einen Großteil des Witzes einzufangen und Deutsche Alternativen gefunden um dem Film dennoch Witz zu verleihen.(Auch wenn ein großteil Slapstick ist)
    Die Monty Python Filme sind ein gutes Beispiel dafür. Ich hätte wirklich Bedenken mir einen M.P. Film/sketch mit der heutigen "Übersetzungstechnologie" anzusehen/hören.

    Und was soll dieser Schmarrn irgendwelche Soap, Reality-TV-"Stars" , C- Promis oder unsere Top-Schauspieler-Riege bestehend aus fünf Menschen, die vor allem Animationsfilme synchronisieren. Seien wir mal ehrlich, es gibt weitaus bessere Sprecher als Til Schweiger,Bully und den Schweighöfer. Wahrscheinlich werden die aufgrund ihrer großen Erfahrung der unzähligen deutschen ROMANTIC-COMEDY Filme gebucht, um die PR voranzutreiben anstatt erfahrene und talentierte Profis da ran zu lassen.

    Zudem leben die aktuellen Komödien aus den USA hauptsächlich von Wortwitz und nur noch selten von Slapstick(darunter fällt alles bei dem nicht gesprochen wird. Es ist nicht nur eine Sache aus den 30er Jahren)

    Natürlich ist das meißte im Original besser, alleine die Akzente und Dialekte können eine gehörige Portion Humor hineinbringen. Darauf wird fast Komplett verzichtet. Selbst ein durchschnittlicher Comedy-Film ist im Original meist ein ganzes Stück erträglicher und vor allem solche Filme sehe ich mir nur im Original an, falls ich Lust auf diese Art der Unterhaltung verspüre. Leider gibt es nur wenige Ausnahmen in dene es ab und zu sogar ganz gut klappt wie zB. bei South Park.

    Spiele, vor allem kleinere aber selbst Triple-A Titel haben ein schwereres Kreuz zu tragen. Da wird zB. der Text and Privatpersonen die nichtmal den Kontext kennen ge-out-sourced.
      3 Person(en) gefällt das.
  3. SebastianD
    Sam&Max würde ich immer wieder spielen. Aber wie sieht es bei der heutigen Jugend aus? Das sehe ich eher schwarz.
    Der Umsatz wäre zu gering da man zu wenig verkaufen wird.
      1 Person gefällt das.
  4. Icicle
    IMO steckt in Sam & Max der beste Wortwitz aller Lucasarts Adventures.
    Die Kommentare von Sam (deutsche Fassung) sind manchmal so emotionslos distanziert vorgelesen, das man schmunzeln MUSS :D
    Der Sprecher tat dies garantiert nicht absichtlich, passt aber PERFEKT auf den Charakter.
      4 Person(en) gefällt das.
  5. ximrm
    Schöner Artikel zu einem wirklichen feinen Spiel.
    Ich schweife mal kurz ab:Ich selbst lasse die alten LucasArts Adventureklassiker mittels ScummVM auf meinem Handy laufen. Die überwiegen bei weiten das was man heute nals Adventures serviert bekommt. Die neuen sind nicht schlecht, jedoch kommen die nicht an die alten Klasiker heran.Vor allem nicht auf dem Mobilsektor.(Broken Sword mal ausgenommen)
      2 Person(en) gefällt das.
  6. outofcontrol84
    Gelungener Artikel!
    Sam & Max ist einer dieser P&C-Klassiker den man unbedingt erlebt haben muss!
      8 Person(en) gefällt das.
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