Sind alle Gamer schwachsinnig?

Von chrizzo.de · 2. September 2015 ·
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  1. Seit geraumer Zeit schon beobachte ich mit Grausen die außerordentlich blödsinnigen Kommentare, Streitereien und Beleidigungen, die sich Gamer gegenseitig um die Ohren hauen. Auch Hasstiraden gegenüber Entwicklern, Publishern und Journalisten sind keine Seltenheit. Dabei drängt sich mir immer mal wieder die Frage auf, was eigentlich in diesen Köpfen vorgeht.

    Hi. Ich bin Chrizzo. Ich bin mittlerweile jenseits der 30 und zocke Videospiele seit den späten 80ern. Ich bin mit PC-Spielen großgeworden, den LucasArts-Adventures und "Commander Keen". Ich habe irgendwann auch mal einen Gameboy gehabt, bei Freunden SNES und später PlayStation gezockt. Bis heute spiel ich gern am PC, seit etwa einem Jahr besitze ich allerdings auch eine PlayStation 4. Am liebsten spiel ich nämlich große Single-Player-Triple-A-Blockbuster mit viel Story und Atmosphäre. Mir ging diese ganze Accountbindungskacke auf den Sender: Uplay für Assassin's Creed, Social Club für GTA, Steam für Batman, Games For Windows für... ach ja, die Spiele gehen jetzt ja alle nicht mehr. Darum spiel ich mittlerweile vieles auf der PlayStation 4. Warum erzähl ich das?

    Ein Thema, das von vielen Gamern viel diskutiert wird, ist Remastering und Remaking. Wobei "diskutiert" da eigentlich das falsche Wort ist. Eigentlich werden einfach nur wüste Beleidigungsstürme auslöst, überwiegend gegenüber Publishern und Entwicklern, die es wagen, ihre Spiele für die neue Konsolengeneration neu aufzupolieren! Aber warum genau ist das eigentlich so schlimm? Es gibt sie, die Menschen wie mich, deren erste Spielkonsole die PS4 ist. Das können PC-Umsteiger sein, Kids die gerade zum 8ten Geburtstag ihre erste xbox bekommen haben oder Leute, die gerade einfach das Gaming für sich entdecken. Was ist so schlimm daran, wenn Firmen wie Naughty Dog ihre großartigen Spiele der letzten Generation, deren Spiellogik (also KI, Steuerung etc.) und Assets (also Grafiken, Modelle, Soundeffekte, Sprachaufnahmen etc.) fertig auf den Computern liegen, für die nächste Generation der Spieler neu aufpolieren? Ich zum Beispiel habe nie eine PS3 besessen, ich habe mich riesig gefreut, "The Last Of Us" spielen zu können - ein Meisterwerk! Und ich freu mich auf die "Uncharted"-Neuauflage!

    Ich verstehe, dass man sich als Spieler, der schon länger dabei ist, auch neue Spiele wünscht. Aber als Programmierer weiß ich, wie groß der Unterschied zwischen der Entwicklung eines neuen Programms und der Aufarbeitung eines älteren Programms ist. Ich meine: Die Grafiken sind fertig, die Logik ist fertig, man muss jetzt bei der Optimierung ein Bisschen frickeln, ein paar hübsche neue Shader und Lichteffekte einsetzen, die Texturen (die eh in deutlich höherer Auflösung vorliegen als wir Spieler sie je zu Gesicht bekommen) mal eben neu rendern... das kann ein kleines Team machen, 10, 20 Leute eines großen Studios, zack, fertig. Während die anderen 60 schon am Nachfolger bauen, oder am nächsten großen Hit, kann man mit geringem Arbeitsaufwand ein Spiel für alle zugänglich machen, die das Spiel verpasst haben. Wem tut das weh? Es ist völlig schwachsinnig, sich wegen sowas aufzuregen oder zu streiten, aber Gamer reden sich in Rage.

    Und Remastering ist ja nicht das einzige Streitthema. Das nächste, größte und nervigste Thema sind die Konsolen selbst. PC Master Race? Pony Fanboys? Seid ihr noch ganz richtig? Es liegt in der Natur des Menschen, sein Verhalten zu hinterfragen und Bestätigung zu suchen, ganz klar. Wer etwas gekauft hat, vor allem etwas so teures wie einen Gaming-PC oder eine Konsole, der möchte sich natürlich sicher fühlen, er möchte das richtige getan haben. Das Problem ist: Bei der Wahl eines Spielzeugs gibt es kein "richtig" oder "falsch", weil jedes Gerät Vor- und Nachteile hat. Der PC zum Beispiel glänzt durch technische Überlegenheit, geißelt die Spieler aber mit nervigen Registrierungs- und Accountbindungsmechanismen. Konsolen erlauben Weiterverkauf von Spielen, dafür sind die Spiele im Neupreis etwas teurer, weil die Konsolenhersteller eine Abgabe fordern - damit verdienen sie ihr Geld. Außerdem gibt es da noch Exklusivtitel: Wer gern Strategiespiele spielt, wird um einen PC nicht herumkommen. Single-Player-Exklusivtitel sind vor allem auf der PlayStation weit vorne. Aber die gigantische Fangemeinde von "Halo" oder den großartigen "Gears Of War"-Spielen schwört selbstverständlich auf die xbox! Und jetzt? Muss man sich deswegen anscheißen wie im Kindergarten? Muss man sich deswegen hassen, provozieren und anpöbeln? Was bringt euch das eigentlich? Statt anderen zu erzählen, wie scheiße ihr das findet, was die haben, spielt doch lieber mit dem, was ihr selbst habt! Ich hätte garkeine Lust, meine Zeit damit zu vergeuden, "Halo"-Spielern zu sagen, dass ich ihr "Halo" blöd finde und ihnen echt was entgeht, weil sie "The Last Of Us" nicht spielen können. In der Zeit könnte ich einfach nochmal "The Last Of Us" durchspielen. (Naja, oder "The Order: 1886", das ist kürzer.)

    Und dann sind da noch die Vorbesteller. Oh, die Vorbesteller, die blöden, blöden Vorbesteller! Also, versteht mich nicht falsch, mir gehen DLCs auch richtig krass auf den Sack. Ich mag das ganze Konzept nicht, ich hab meine Spiele gern altmodisch auf einem Datenträger, so dass ich auch ohne Internet spielen kann. Und diese albernen Vorbesteller-DLCs mit Kostümchen und Missiönchen können die sich von mir aus gern sonstwo hinstecken. Aber warum fetzt man sich darum, wer jetzt was davon bekommt? Und wieso geschieht es den blöden Vorbestellern dann immer Recht wenn irgendwas schief geht? Was haben die euch denn getan? Bei mir kommt es immer ein Bisschen darauf an, um welches Spiel es geht. Bei manchen Spielen bestell ich mir Collector's Editions vor, nicht wegen der blöden Ingame-Goodies, sondern wegen schönen Sammelfiguren - ich hab 'ne ganze Vitrine voll mit sowas. Und jetzt? Bin ich deswegen jetzt ein schlechter Mensch der die Gaming-Industrie zerstört? Immerhin bezahl ich für das Spiel, statt es zu klauen oder auf die Verramschung beim Steam-Sale zu warten.

    Das erste PC-Spiel, das ich mir selbst gekauft hab, hat knapp 100 Mark gekostet. Super-Nintendo-Spiele haben damals sogar circa 120 bis 140 Mark gekostet. Diese Spiele sind damals von kleinen Teams entwickelt worden, irgendwas zwischen 5 und 30 Personen. Heute sind die Ansprüche größer: Ein Orchester soll den Soundtrack einspielen, Voice-Acting wird gefordert, in allen Sprachen, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch, Japanisch... und kein Ende. Allerfeinste Grafiken und Charaktermodelle, professionelle Autoren sollen die Stories schreiben - und die Preise haben sich auch durch die Einführung des Euros kaum verändert: Neue PC-Spiele kosten 45 bis 50 Euro, Konsolenspiele 60-70. Aber der Gamer regt sich auf! Zu teuer! Die beuten uns aus! DLCs sind Abzocke! Der Gamer wartet auf den Steam-Sale und kauft das Spiel für 5 Euro. Dem Gamer ist scheißegal ob die Programmierer bezahlt werden, unter was für Bedingungen sie arbeiten müssen, hauptsache, er kann sein scheiß Geld behalten. Der Gamer sollte sich mal an die eigene Nase packen, statt Vorbesteller anzupöbeln, deren Geld letzten Endes die Produktion der teuren Blockbuster überhaupt erst möglich macht. Ich meine, letzten Endes ist es ja jedermanns eigene Entscheidung, wieviel Geld er für etwas ausgeben möchte. Warum muss man sich da so angiften?

    So manch ein Gamer führt in der leidigen Vorbestellerdiskussion dann an, er würde auf Reviews warten, er sei ja schlau, viel schlauer als der dumme Vorbesteller. Und es sind dann ironischerweise die gleichen Gamer, die im nächsten Atemzug die Journalisten mit ihrem Gepöbel belästigen: Wie könnt ihr es wagen, das Spiel so gut/schlecht zu bewerten? Meine Meinung ist eine ganz andere! Ihr seid gekauft, korrupt, bestochen. Nun, ja, vielleicht ist das manchmal so. Weiß ich nicht. Bin kein Journalist. Vielleicht sind diese doofen Journalisten aber auch einfach nur Menschen. Vielleicht sind sie einfach nicht unfehlbar. Vielleicht fallen ihnen manche Bugs nicht auf. Vielleicht gefällt ihnen auch einfach ein Spiel, das dir nicht gefällt. Vielleicht ist ihnen egal, dass der Vorgänger anders war, vielleicht finden sie die Unterschiede gut. Und wenn diese Journalisten alle so blöde, gekaufte Betrügerschweine sind, warum willst du überhaupt auf ihre Reviews warten, bevor du ein Spiel kaufst? Warum sind die Vorbesteller so doof, ein Spiel zu kaufen, ohne darauf zu warten, was die vermeintlich korrupten Spielemagazinbetreiber ihnen indoktrinieren? Die Argumentation hinkt, merkste selber, ne?

    Und dann ist da noch die Länge der Spiele. Auch so ein Thema, bei dem ich den ganzen Hass nicht nachvollziehen kann. Ich hatte, wie Eingangs gesagt, einen Gameboy. Mein zweites Spiel (das erste war "Tetris") war "Super Mario Land". Das Spiel hat vier Welten, jede Welt hat drei Level. Für jeden Level gab es ein Zeitlimit, das lag glaub ich bei 400 Sekunden, also so circa sechseinhalb Minuten. Man startet das Spiel mit zwei Extra-Leben (das heißt man hat drei Versuche). Das kann man jetzt ausrechnen: 3x4=12, 12x6,5=78 - macht also 78 Minuten. Für die zwei Extraleben kann man jetzt noch 13 Minuten drauflegen. (Ich vernachlässige jetzt mal, dass man im Spiel weitere Leben finden kann, das spielt für meine Rechnung keine große Rolle.) Ich habe mit "Super Mario Land" etliche Stunden meines Lebens zugebracht und es bis heute nicht ein einziges Mal durchgespielt, es war mir damals als Kind viel zu schwer. Worauf ich hinauswill: Viele Spiele aus der goldenen Zeit sind eigentlich verdammt kurz. Sie haben uns nur lange beschäftigt, weil wir sie immer wieder und wieder und wieder und wieder und wieder gespielt haben. Wie "Monopoly", das man einmal kauft und immer wieder mal rauskramt.

    Und dann kommt auf der PlayStation 4 ein Spiel wie "The Order: 1886" heraus und alle rasten aus! Die Entwickler sind scheiße, weil das Spiel ist kurz, abzocke, nur 8 Stunden, ein Speedrunner machts in 5! Die Journalisten sind auch alle scheiße weils ihnen auch noch gefällt, das Scheißspiel. Und alle die es gekauft haben sind sowieso scheiße, weil sie diesen Betrug unterstützen, allen voran natürlich die doofen Vorbesteller, haha, Vorbesteller, ihr Trottel! Nun, ich habs nicht vorbestellt. Ich habs aber gekauft. Und durchgespielt. Fünfmal bis jetzt. Und es war jedes Mal geil. Steampunk-Shooter meets Arthus-Saga, Werwölfe und Nikola Tesla? Ich bin dabei! Und jetzt? Bin ich jetzt ein Idiot, weil ich Spaß an einem Spiel hab und es wieder und wieder und wieder erleben möchte? Wurde ich jetzt abgezockt, wurde mir was weggenommen? Ich hab mit "The Order: 1886" viel mehr Zeit verbracht als mit diesem beschissenen "Watch_Dogs", das zwar ewig lang, aber vor allem auch langweilig ist. Meine Meinung. Muss man nicht teilen. Geschmäcker sind wie Arschlöcher: Jeder hat eins. Und das ist auch absolut kein Grund, sich anzukacken und rumzupöbeln, lasst die Leute doch spielen, was sie wollen. Ich quatsch euch ja auch nicht damit voll wie sterbenslangweilig ich MOBAs und sowieso generell diese ganzen E-Sports-Sachen finde. Und Online-Kartenspiele, was fürn Quatsch! Aber wenns euch Spaß macht, ich gönns euch, von Herzen, ehrlich, ist doch euer Ding! Müssen wir uns deswegen anpupen?

    Ich könnte ewig so weitermachen. Online-Zwang bei "Diablo 3" damals: Warum sich streiten? Wer keinen Online-Zwang will solls halt nicht kaufen, isn Online-Spiel, macht alleine doch sowieso keinen Spaß. Minitransaktionen... nein, okay, das gönn ich euch, die kommen aus der Hölle und müssen verboten werden. Aber der Hass auf "Call Of Duty"/"Battlefield"/"Assassin's Creed"-Serienausschlachtung - warum? Spielt die Scheiße doch einfach nicht! Ich spiels auch nicht, ich hab nach "Assassin's Creed: Brotherhood" so die Hucke vollgehabt, dass ich keinen Teil mehr angerührt hab. Und diese Multiplayer-Ballerei ging mir schon immer am Arsch vorbei. Aber wems Spaß macht, bitte! Wer jedes Jahr ein neues FIFA braucht, gönn dir! Was geht mich das an? Warum soll ich Leute dafür beleidigen? Und warum sind Leute, denen "Bloodborne" zu schwer ist und die lieber was leichteres spielen wollen schlechtere Menschen?

    Wie gesagt, ich könnte ewig so weitermachen. Aber ich bin müde. Dieser Text ist sowieso viel zu lang, vermutlich lesen ihn nur maximal drei Leute, einer davon der arme Admin, der ihn prüfen muss. Aber vielleicht hab ich ja Glück. Vielleicht liest ja eine dieser Hasskappen den Artikel und merkt mal, was fürne Scheiße er (oder sie) den ganzen Tag lang von sich gibt. Ich würde mich freuen. Ich denke nämlich, Gamer sollten viel mehr zusammenhalten. Am Ende haben wir ein gemeinsames Hobby. Und wir alle profitieren gleichermaßen vom großen wirtschaftlich lukrativen Konsolenmarkt für den große Triple-A-Titel geschraubt werden wie von der viel schnelleren technischen Entwicklung am PC. Wir profitieren von kurzen und langen Spielen, von Indie-Einflüssen und den großen Publishern die gigantische Projekte stemmen. Denn nix von alldem würde ohne das andere so existieren, wie es nunmal ist. Also warum nicht gemeinsam das Hobby genießen? Warum immer so viel Hass? Sind wir Gamer alle schwachsinnig? Ich denke nicht, dass wir das sind. Aber ich denke, wir müssen uns mehr Mühe geben, das zu beweisen.

    Über den Autor

    chrizzo.de
    Wenn Chrizzo nicht gerade Rap-Songs aufnimmt, sich mit verteilter Künstlicher Intelligenz beschäftigt oder Spiele auf der Global Game Jam bastelt, dann spielt Chrizzo gern storylastige Single-Player-Videospiele auf PC und Playstation. Chrizzo diskutiert auch gern. Und Chrizzo hat wahnsinnig gern Recht, das ist ein Hobby von ihm.

Kommentare

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  1. Lorenzo Virzi
    Danke danke danke. Dun immst mir die Wörter aus dem Mund. Jedesmal wenn ich z.B auf FB Kommentare unter einen GS Post gelesen habe, konnte ich mich vor Kopfschütteln nicht merh retten Auch hier in der Community. Was ist den nur los mit mit euch. Seine Meinung zu äusern ist ja wunderbar und ist auch gewollt aber was sollen die Beleidigungen.

    Ach und warum seit ihr den überhaupt alle hier wenns euch nicht passt was die Redaktion macht, alle korrupt und so. Geht doch einfach. Ich weis es auch nicht. Vielleicht langeweile oder vielleicht das Alter und die dazugehörige Unreiefe, ich weis es nicht.

    Ich Danke dir nochmal Chrizzo für deine klugen Worte und deine Meinung.
      4 Person(en) gefällt das.
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