Es gibt Dinge, die will man, die muss man einfach teilen. Der Film "Colonia Dignidad" ist für mich eines dieser Dinge. Schon als ich das erste Mal von dem Film las und erfuhr, worum es ging, wollte ich ihn sehen. Als ich dann gestern im Kino war, wurde ich auch nicht enttäuscht.
Von den Straßen Chiles in eine deutsche Siedlung
Der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl) engagiert sich 1973 in Chile für Präsident Allende, der bei einem Militärputsch von Pinochet gestürzt wird. Daniels Freundin Lena (Emma Watson), die als Stewardess arbeitet und die Heldin des Films ist, besucht ihren Freund in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile, als der General Pinochet die Macht an sich reißt und Allende-Anhänger auf die Straßen scheucht, um sie entweder erschießen zu lassen oder sie zu deportieren. Daniel wird in einen gelben Kleinbus mit rotem Kreuz gezwungen und Lena bleibt hilflos zurück.
Wen der politische Einschlag jetzt abschrecken sollte: Der Film an sich ist nicht sonderlich politisch ausgerichtet, es werden kurz und knapp die politischen Umstände in Chile erklärt, damit der Zuschauer eine solide Grundlage hat, um die Handlung zu verstehen und die Auswirkungen und Bedeutung verschiedener Storyelemente und das Verhalten der Personen nachvollziehen zu können.
Alleine auf den Straßen Chiles beginnt Lena damit, herauszufinden, was mit ihrem Freund passiert sein könnte. Sie bekommt schließlich den Hinweis, dass Daniel in die deutsche "Glaubensgemeinschaft" "Colonia Dignidad", die "Kolonie der Würde", gebracht wurde. Da Lena keine Unterstützung in Chile findet, beschließt sie kurzerhand selbst in die Sekte einzutreten, um nach Daniel zu suchen.
Währenddessen wird Daniel in der Sekte so sehr mit Elektroschocks gefoltert, dass die Ärzte nicht ausschließen können, dass er bleibende Schäden davonträgt. Als das Martyrium endlich endet, ist er stark mitgenommen.
Doch Lena geht es bei ihrem Eintritt nicht besser, auch wenn sie nicht körperlichen Schaden erleiden muss, merkt sie schnell, dass innerhalb der Mauern irgendetwas seltsam, beunruhigend ist. Die Leute sprechen nicht viel miteinander, sehen sie komisch an. Als sie den ominösen Anführer der Gemeinde, Paul Schäfer, kennenlernt, bekommt man einen ersten Eindruck, wie perfide dieser seine Macht auslebt.
In der Sekte werden Männer, Frauen und Kinder strikt voneinander getrennt. Unterdrückung, Gewalt, Missbrauch, Strafe und die angebliche religiöse Reinheit, die man durch eine Vielzahl an Entbehrungen erlangen soll, unter Schäfers Herrschaft aber nicht wirklich kann, bestimmen das Leben der Mitglieder unter der Hand von Schäfer, der sich nach außen als mildtätigen Anführer gibt, im Inneren aber eine Diktatur des Schreckens praktiziert, Menschen nicht nur ihre Würde, sondern auch ihre Autonomität und mehr nimmt.
Der Film ist zu Ende, aber das mulmige Gefühl bleibt
Umso schlimmer ist es zu wissen, dass das alles wirklich so passiert ist (wenn man jetzt mal verschiedene Zuspitzungen weglässt, um die filmische Dramaturgie zu fördern). Aber die Colonia gab/gibt es wirklich in Chile. Militärputsche und Deportation von Regimegegnern sind keine Phantasiegeschichten. Ehemalige Mitglieder der Sekte berichteten von den Dingen, die sie durchleben mussten.
Ich muss sagen, der Film hat mich regelrecht fertig gemacht. Nicht, weil ich die Umstände schrecklich finde (was ich durchaus tue), sondern weil Regisseur und Drehbuchautor Florian Gallenberger den Zuschauer gekonnt in die Zuspitzung der Ereignisse treibt. Man fiebert dermaßen mit Lena und Daniel mit, fürchtet um die beiden, hofft so sehr, dass sie es schaffen zu entkommen, dass man mit einer Anspannung der Handlung folgt, die ihresgleichen sucht. Dabei schaukelt sich die Spannung immer weiter auf, bis man bei einem Punkt ankommt, bei dem man sich sicher ist, dass man langsam nicht mehr kann. Man hält es kaum noch aus. Ich kann mich an keinen Film erinnern, bei dem mir so bange war. Ja, ich habe mit Matt Damon im Marsianer mitgefiebert und auch sonst habe ich manchmal um Charaktere gebangt, aber Colonia Dignidad war intensiver. Auch als die Credits über den Bildschrim rollten, war ich noch von dieser gerade noch angenehmen Aufgekratztheit erfüllt, die es schwer macht, alles zu begreifen. Und auch nach dem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, ist mir immer noch mulmig zumute. Ich hab das Ganze immer noch nicht vollkommen verarbeiten können.
Ich glaube, so etwas können nur wenige Filme.
Bei mir hat er wunderbar funktioniert, und auch wenn er euch vielleicht nicht so mitreißen sollte wie mich, will ich diesen Film trotzdem empfehlen, weil er es wirklich wert ist.
Kommentare
Kommentare sortieren nach