Die ewige Hexenjagd

Von Yeager · 22. Juli 2016 · Aktualisiert am 25. Juli 2016 ·
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  1. Die ewige Hexenjagd


    Spielen wir doch mal einen Taucher, der sich auf einen Tauchgang begibt.
    Zu einem Thema, das immer mehr Themen wie ineinander verschachtelte Babuschka-Puppen aufmacht, je tiefer wir gelangen. Die alle miteinander zusammen hängen. Doch in Wirklichkeit gibt es nur ein einziges Thema - tief unten, auf dem Meeresgrund. Wir tauchen ab:

    Vor Jahrhunderten reichte es aus folgendem Profil zu entsprechen:

    • weiblich
    • rothaarig
    • zu hübsch / hässlich
    • zu introvertiert / extrovertiert

    Im Zweifelsfall reichte auch schon rothaarig. Manchmal sogar nur weiblich.
    Und schon starb Frau einen brutalen Tod auf dem Scheiterhaufen.

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    Die Beklagte?
    Eine Frau, die zur falschen Zeit am falschen Ort war, die falsche Haarfarbe hatte, zu hübsch oder zu hässlich war und / oder zu viel oder zu wenig sprach.
    Oder einfach nur eine Frau. Irgdendeine, freie Auswahl.

    Die Jäger?

    Gutbürgerliche, zu(!)tiefst(!) gläubige Christen. Heute würden wir sie „besorgte Bürger“ nennen. Überwiegend männlich. Aber Frauen waren auch dabei, insbesondere wenn zum Profil der Betroffenen "zu hübsch" zählte. Also nicht irgendwelche Randgruppierungen, keine radikalisierten Minderheiten - sondern die breite Masse.

    Der Vorwurf?
    "Hexerei!"

    Begründet durch?
    "Öhm ... wird sich schon was finden! Sie ist halt anders als wir!"

    Das Urteil?
    "Schuldig! Tod durch das Feuer!"



    Berufsbild: Hexe. Anforderungen: Keine.



    Danach mussten Juden den Kopf hin halten - immer wieder mal sogar - dann generell Andersgläubige, dann Templer, dann Landstreicher, dann Latein-Selbst-Beibringer, dann Protestanten, dann Astronomen, dann Ausländer, dann wieder mal Juden, dann Indianer, dann Schwarze, dann Synthi & Roma, dann wieder Ausländer, wieder Juden (eigentlich kontinuierlich), dann Menschen mit einer Behinderung, … , dann wieder mal Frauen (eigentlich kontinuierlich), dann Zu-Viele-Kinder-Bekommer, dann Kommunisten, dann Sozialisten, dann Sozialdemokraten, dann Schwule, dann Hippies, dann Tätowierte, dann Atheisten, dann Agnostiker, dann Pazifisten, dann Polizisten, dann Hausbesetzer, dann Punks, dann No-Future-Generationsler, dann Atomgegner, dann Drogenabhängige, dann Ökos, dann Metaller, dann Popper, dann BRAVO-Leser, dann Nicht-Markenklamotten-Tragende, dann Pen & Paper Spieler, dann Nicht-Raucher, dann Streber, dann Bodybuilder, dann VHS-Video-Gucker, dann Türken, dann HIV+ Diagnostizierte, dann Jogger, dann SM-ler, dann Goths, dann TV-Junkies, dann Glücksrad-Gucker, dann Videospieler, dann PC-Spieler, dann Atari-Spieler, dann Amiga-Spieler, dann Computerspieler, dann Ossis, dann Emos, dann Wessis, dann Messis, dann Handy-Besitzer, dann Soldaten, dann Ballermann-Urlauber, dann Markenklamotten-Tragende, dann wieder Schwarze (eigentlich kontinuierlich), dann Hartz IV-er, dann Arschgeweih-Tätowierte, dann Linke, dann Konsolenspieler, dann wieder Computerspieler, dann Sohnemann-Kevin-Oder Soeren-Nenner, dann Killerspiel-Spieler, dann ADHS-ler, dann Piratenpartei-Sympathisanten, dann Bauer-Sucht-Frau-Oder-Deutschland-Sucht-Den-Superstar-Oder-Germany's-Next-Top-Model-Oder-Ich-bin-ein-Star-Holt-mich-hier-raus-Gucker, dann Normalos, dann Apple-Jünger, dann Raucher, dann Zu-Wenige-Kinder-Bekommer, dann Geo-Cacher, dann Nicht-Streber, dann Christen, dann Nicht-Christen, dann Nicht-Tätowierte, dann Star Citizen Backer, dann wieder Ausländer, dann Muslime, dann Flüchtlinge – und ganz aktuell: Pokémon Go Spieler.

    Was kommt als Nächstes – Postboten, Singles, Joghurt-Nicht-Zu-Ende-Esser?
    Ist ja alles möglich, denn wir sind nicht wählerisch, wenn es um einen Prügelknaben oder Sündenbock geht. Alles und jeder eigenet sich dafür, wie die Geschichte zeigt.

    Mit Sicherheit habe ich noch einige vergessen, einige Hundert oder Tausend sogar.
    Nein, sie wurden nicht alle umgebracht. „Nur“ einige Millionen, meist Juden.
    Hauptsächlich durch uns Deutsche. Durch die, die vor uns da waren und davor.

    Aber sie alle, die sie da oben gelistet sind, wurden zu Hexen bei einer Hexenjagd erklärt. Sie wurden alle in einen Topf geworfen, ausgegrenzt, man hat mit dem Finger auf sie gezeigt und über sie gespottet.



    Immer. Dasselbe. Schema.



    Und wie sieht es mit den 5 Fragen aus?

    Die Beklagte(n)?
    Irgendwer, freie Auswahl.

    Die Jäger?
    Die Masse.
    Leute, die sich in Rage steigern, die pauschalisieren, sich für etwas Besseres halten, sich selbst stark und einzig "richtig" fühlen. Die sich selbst fanatisieren, also ZU (!) TIEF(st) (!) glauben. Und dann auch noch an das Falsche, nämlich dass Sie etwas Besseres wären.

    Der Vorwurf?
    "Hexerei!"
    Im weitesten Sinne, also: "Die sind anders als WIR! Also wollen sie uns was Böses oder sind nicht gut für uns! Es droht der Untergang des Abendlandes!"

    Begründet durch?
    "Öhm, ... na, die sind halt anders! Wird sich schon was finden."

    Das Urteil?
    Stigmatisierung, Ausgrenzung, bis hin zur Vernichtung.

    Der Scheiterhaufen steht bereit.
    Egal, ob in echt, im Internet-Kommentar - oder "nur" im Kopf des Einzelnen.
    Er steht immer bereit - und das Feuer brennt schon!
    Genauer: Es hörte nie auf zu brennen.

    Na, sehen wir Analogien?
    Es ist immer dasselbe Schema.


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    Unterwegs mit 800.000 Apokalypsen/h




    Mein Gott, wie viele Male das Abendland schon untergegangen ist!
    Da stinkt die Fallout-Apokalypse aber so was von ab dagegen! Und wenn Vernichtung wirklich in allen Fällen statt gefunden hätte („statt gefunden“ – welch verharmlosende Begriffe … ), würde niemand mehr diesen Text hier lesen können. Und ich hätte ihn auch nicht schreiben können.
    Weil es niemanden mehr gäbe.

    Weil jeder von uns selbst einer solchen Gruppe an gejagten Hexen angehört oder mal angehört hat - oder noch angehören wird. Wie gesagt, bei Prügelknaben ist man nicht wählerisch. Bei 7 Mrd. Menschen über das Jahr verteilt, entspräche das 800.000 Apokalypsen pro Stunde! Ein Fallout-Friday hätte da 20 Mio. Endzeiten zu behandeln. Da sehe ich schwarz für den Feierabend der GameStar-Redakteure. Nein, da kann Fallout einpacken - und jedes andere Endzeit-Game auch.

    Kurz:
    Es ist Schwachsinn.

    Aber der Tauchgang geht weiter in die Tiefe.



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    Computerspieler - die Hexe im Lifetime-Abo




    Wenn es eine Gruppierung von Menschen gibt, die sich mit Hexenjagd auskennt – und nicht aus dem nahen Osten kommt – dann sind wir das, Computerspieler.
    Die Killerspiel-Debatte – schon vergessen?

    Was haben wir geflucht, was haben wir mit den Zähnen geknirscht, als wir mitkriegen mussten, dass selbst renommierte, investigative Nachrichtenformate sich keinerlei Mühe bei den Recherchen machten. Einfach uns alle über einen Kamm scherten. Wir erhielten alle die Stigmatisierung des Amokläufers i.V. - in Vorbereitung.

    War doch klar!
    Wer Baller- oder Kriegsspiele spielt, MUSS doch früher oder später Amok laufen! Dafür ist diese Kategorie an Spielen doch geschaffen worden! Sie fungiert als groß angelegtes, globales Pro-militaristisches Förderprogramm. Sie bereitet uns auf reale Kriegssituationen vor. Sie motiviert uns. Sie belohnt uns. Wir überleben jeden Konflikt, sind immer Sieger, notfalls per Reload. Wir sind viel zu blöd dafür, um zu kapieren, dass das in Echt nicht ganz so abliefe.

    Insbesondere das mit Reload nicht.
    Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass es im wahren Leben vor uns schwebend einen Quickload-Button gibt. Also bitte, ja? Kennt man doch!
    Morgens zu spät rausgekommen, Scheiße, wieder Bahn verpasst, Chef drohte schon beim letzten Mal mit Abmahnung - kennt doch jeder - da drückt man F9 am Nachttisch und schon ist alles wieder in Butter. Alles easy!

    Ja, wird schon richtig sein, wir sind alle durch viel zu heiße GPUs hirnverbrannte Killer von morgen. Wir sind War-Junkies, Amok-Hipster, Digital-Psychopathen, Killer-Kids!

    Jede Schule? Ein Übungshort für Mörder! Jeder Kindergarten? Ein Boot-Camp für spätere Terroristen! Jeder Media-Markt? Konspirativer Treff von Assassinen! Steam & GoG? Von kanadischen und polnischen Illuminaten betriebene DarkNet-Software zwecks Radikalisierung der Massen! Ist doch so, sieht man doch schon an der Farbe: Steam ist DARK - und GoG hat ... äh ... DUNKLE Schrift! Fängt doch schon mit diesem Teufelsgerät namens Gameboy an. Mario ist ein italienischer Attentäter und Tetris sind russische Dynamitstangen! Die fliegen doch in die Luft und zerstören dabei alles! Da gibt's sogar welche, die um die Ecke gehen, ganz fies, muss Plastiksprengstoff sein!

    Nein? Aber Hitman! Da spielt man doch einen Killer! Dann will man das doch auch in echt sein, ganz klar! Völlig klar wie Kloßbrühe - wie sollte es auch anders sein?

    Duch die Augen von jemandem betrachtet, der sich ...

    1. Von brisanten Schlagzeilen oder blindem Aktionismus ernährt
    2. Den Spiele-Horizont eines Regenwurms auf Tauchstation hat
    3. Nichts weiß, mit niemandem spricht, aber gerne (vorver)urteilt

      Aber vor allem:

    4. Angst vor den wahren Gründen hat

      Und das aus gutem Grund.


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    Wahrheit ist keine Schönheitskönigin




    Ja, wie sollte es denn anders sein?

    Nicht etwa durch katastrophale Erlebnisse in nicht selten gutbürgerlichen Familien, die nach Außen hin den schönen Schein wahren wollen?

    Neeein, natürlich nicht! So etwas gibt es nicht, weil es das nicht geben DARF. Nicht in unserem schönen Land, läuft doch alles super bei uns, wir sind doch Exportweltmeister!

    Nicht etwa durch schwerste, unentdeckte, unbehandelte und unterschätzte Depressionen, die irgendwann in sinnentleerte Agonie münden und bei einer entsprechenden psychischen Disposition jeden Rest an eventuell noch vorhandener Ethik, Moral oder Mitgefühl wegbashen?

    Neeein, sowas gibt es schon deswegen nicht, weil ich das nicht verstehe!

    Nicht etwa durch Radikalisierung zu einem beliebigen Fanatismus als Ausdruck einer tief sitzenden, aber nie bewusst gewordenen Verstörung, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Glaubwürdigkeit einstmals gewesener, stützender, sozialer Strukturen - wie etwa Staat, Politiker, Kirche, Familie, Freunde, Partnerschaft?

    Neeein, das kann nicht sein, weil ich das noch weniger begreife!

    Nicht etwa beseelt von Paps, der doch so stolz war, als Sohnemann ihn das erste Mal zu seinen Saufkumpanen in den Schützenverein begleitete – und partout traf! Schnur gewann! König wurde! Den es regelrecht aufgeilte seinen Nachwuchs mit ner Knarre zu sehen, einer echten! Die er nicht abschloss. Mit der Junior ihm endgültig beweisen wollte, wie männlich er schon war? Am besten am lebenden Subjekt?

    Neeein! Lasst unsere Waffen in Ruhe, wir brauchen die für unsere Männlichkeit!

    Nicht etwa, weil hoffnungslos überforderte, vollkommen unreflektierte Eltern längst ihr Interesse daran verloren haben, überhaupt heraus finden zu wollen, wer dieser eigenartige Jemand ist, den sie Tochter oder Sohn nennen. Der oder die flennend aus der Schule kommt, weil er Opfer von Mobbing wurde. Niemand hat, der zu ihm hält. Kein Verständnis erwarten kann. Es keine starke, schützende Hand gibt, die ihn in den Arm nimmt und wenigstens, Gott verdammt noch mal, so tut, als sei für den Moment ein Stück heile Welt da, ein bisschen Wärme im emotionalen Chaos pubertärer Desorientiertheit, zwischenmenschlicher Verrohung und empathischer Kälte. Weil sie es nicht können. Weil sie es selbst nie lernten. Weil sie nicht mitdenken. Weil sie Empathie für ein neues Parfüm von Calvin Klein halten. Weil sie in der Schule nicht aufgepasst haben. Weil sie damals dieselben Probleme hatten. Weil Politiker es nicht eine Minute überstehen würden, wenn ihnen jemand die Wahrheit über ihre ach so heiß geliebte und angeblich vollkommen intakte bürgerliche Gesellschaft mitteilte. Also ihren Wahlkreis. Über die Dinge, die nicht sonntäglich beim Pfarrer in der Kirche besprochen, ja nicht mal im Beichtstuhl gebeichtet werden. Weil sie selbst dafür zu hässlich sind.
    Nicht etwa deswegen?!

    Neein, das ist Unsinn. Wir hatten es ja auch nicht leicht, sollen sich mal nicht so haben!
    Nein, das ist alles Blödsinn höchst unwahrscheinlicher Art!
    Es ist Geschwafel, üble Nachrede, es ist noch schlimmer, es ist Panikmache, jawoll!
    Viel wahrscheinlicher ist Hitman! Du spielst es - und willst es im realen Leben umsetzen. Es war vorher nicht da, nicht in dir - nein, das glaube ich nicht, will es nicht glauben - Hitman hat es geweckt, Doom hatte es erzeugt, Crysis hatte es dir in den Kopf gesetzt. World of Warcraft hat dich konditioniert, Assassin's Creed dich vorbereitet.
    Sie sind schuld - die Spiele!

    Natürlich.
    Es schläft sich gut damit, nicht wahr?
    Es schläft sich gut, wenn man weiß, dass die Welt auch morgen noch so ist, wie sie für einen schon immer war - nämlich eine Scheibe.



    Stereotypen in Scherben




    Ich bin Computerspieler und liebe Kriegsspiele.
    Ob sie brutal sind, ist mir egal. Auf Tiefe und Taktik kommt es mir an. Ich spiele auch Ballerspiele, auch solche, bei denen wortwörtlich die Fetzen fliegen – und damit sind keine Klamotten gemeint.

    Meine Kindheit war alles andere, als ein fortwährender Kindergeburtstag. Sie endete in einem Kinder- und Jugendheim. Meine besten Freunde waren lernbehinderte Sonderschüler, die allerdings recht lange brauchten, um einen Ärztesohn und späteren Abiturienten als einen der ihren anzusehen, was ich ihnen nie verübelt habe. Faustrecht regierte und Schlägereien waren an der Tagesordnung. Davor war ich ein politischer Flüchtling und habe einen Bürgerkrieg erlebt. Ich bin in drei verschiedenen Ländern auf zwei Kontinenten und in mehreren Städten und Dörfern groß geworden. Die genaue Anzahl habe ich vergessen. Ich habe als Knirps moderne Sklaverei erlebt, nämlich die Apartheid in Südafrika. Dort wurde ich damals als "Master" angesprochen, selbst ältere schwarze Personen machten mir Platz im Bus. Weshalb ich mich für meine weisse Hautfarbe schämte, weil sie das Äquivalent war für "Mega-*********". Ich lebte kurz im Busch, seitdem liebe ich Elektrizität, Beton und Tiere mit mindestens einem, aber höchstens vier Beinen. Ich bin ein paar Dutzend Mal umgezogen und habe fast genauso häufig Freunde und Co gewechselt - oder wurde gewechselt. Meine Karriere verlief bisher nach Bilderbuch-Format. Gemeint ist damit ein realsatirischer Comic für Erwachsene. Mit Depressionen kenne ich mich aus. Ich bin also alles andere, als der Wortschöpfer des Begriffs "Linear".

    Damit bin ich doch der Kandidat schlechthin für einen Amok-Lauf!
    Warum habe ich es also nie getan? Nicht mal gewollt.
    Aber Moment, es wird noch besser:

    Ich war eine Zeitlang Soldat.
    Mit grünem Barett und goldenem Abzeichen. Wer das kennt, weiß, dass es sich nicht gerade um die Sanitäts- oder Musiktruppe handelt. Ich schoss mit Waffen. Nicht auf dem Bildschirm, sondern in echt. Mit vielen unterschiedlichen Waffen, nicht nur deutschen und auch nicht nur leichten. Ich wurde dafür ausgebildet zu überleben – und dafür Sorge zu tragen, dass mein „Gegenüber“ genau das eben nicht schafft.

    Nun fassen wir mal zusammen:
    Ex-Soldat und Kriegskillerspiel-Spieler und nicht in stabilen, sondern sogar rassistischen Verhältnissen groß geworden. Heimkind, Flüchtling, Gewalthintergrund. Das ist doch eine brisante Mischung, ich bin doch von A bis Z nur noch so durch-konditioniert, dürfte es doch kaum erwarten können los zu legen. Oder?
    Ich bin doch nicht viel mehr, als der da:



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    Doch ich habe nie getötet und werde das hoffentlich auch niemals tun müssen. Im Leben käme mir nicht der Gedanke eine Waffe auf ein lebendes Wesen zu richten. Ich habe gesehen, was sie anrichten können. Und ich bin ein Mensch. Ein fühlendes, denkendes Wesen – wie mein Gegenüber. Den ich nicht kenne, der mir persönlich nichts getan hat. Wie käme ich also dazu ihn töten zu wollen?

    Weil es mein „Job“ ist? Wer sagt das? Irgendein Politiker mit wie üblich unlauteren Absichten, der niemals, in 1000 Jahren nicht, sich selbst in die Situation begeben würde? Weil er viel zu feige dafür ist. Wenn er das möchte, wenn er Krieg spielen und Menschen töten möchte, dann soll er es tun. Nur wird er es nicht tun, weil er zwar feige, aber kein Idiot ist. Und ich auch nicht.
    Kein Computerspiel dieser Welt könnte mich dahin bringen.
    Und auch kein Militär
    , weshalb ich es verließ und diese Entscheidung nie bereute.



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    Ist das nicht eigenartig, dass ausgerechnet jene, die ihre Söhne und mittlerweile auch Töchter ohne mit der Wimper zu zucken in den Krieg schicken dieselben sind, die die Vermutung aufstellen, dass jeder, der Computerspiele spielt ein Killer werden muss - und gleichzeitig auch diejenigen sind, die unter Garantie nie selbst etwas spielten?

    Ich weiß nicht, laut kausaler Logik müsste es also wenn, dann eher umgkehrt sein:
    Jeder, der nicht spielt, ist ein Sicherheitsproblem!
    Und die Folge daraus im üblichen BLÖD-Jargon:

    » Nicht-Spieler endlich verbieten! «

    Es ist mir vollkommen egal, ob ich ein Einzelfall bin oder nicht. Denn schon ein einziger Fall, bei dem die pauschalisierte These nicht zutrifft, dass Computerspieler Killer wären, es nur noch nicht wüssten, schon ein einziger Fall, wo es nicht so ist, lässt sie in sich kollabieren. Und ich bin ein solcher Fall.



    Mit einem Steinbruch im Glashaus




    Also sollten wir uns mit Stigmatisierungen, Ausgrenzungen, Pauschalisierungen auskennen. Und zwar betrachtet durch die Augen von Opfern. Folgerichtig sollte man dann doch meinen, dass wir dann wüssten, wie das so ist.
    Und wie falsch es ist.

    Aber was passiert statt dessen?
    Wir machen es selbst.

    Wir sprechen von Darwin-Awards, machen uns lustig, verteufeln, wünschen Pokemon Go Spielern sogar den Tod:
    „Minenfeld – ha ha, naja, kein Verlust, natürliche Auslese“.
    Es ist widerwärtig.

    Ob es mir gefällt, dass offenbar gleich mehrere Generationen zombieartig kopflos durch die Gegend latschen, auch in Gebiete, wo ein Handyspiel echt nix verloren hat, sich und andere z.B. im Straßenverkehr in Lebensgefahr bringen? Soll das ein Witz sein? Wie kann man so etwas gut finden? Oder wenn einer der Monstersammler auf ein kopulierendes Pärchen trifft und die dann anzeigt, weil sie ihn bei – was stören? - bei einem Sammelspiel via GPS von eigenartig aussehenden Monstern und etwas augmentierter Realität, wobei er die echte, die "gevölgelte" Realität als Anmaßung empfindet? Also ein technokratischer Post-Moderner mit der Mentalität eines brüskierten Viktorianers und der Rechthaberei eines peußischen Generals?
    Nein, dafür habe ich kein Verständnis.

    Nur ist das KEIN Grund jemanden den Tod zu wünschen.
    Nein, auch nicht im Spaß. Erstens. Und zweitens dürften das extreme Ausnahmen sein, die genau wegen dieses Brisanz-Charakters in die Schlagzeilen geraten.

    Aber das Thema geht weiter, in die Tiefe:
    Denn ich behaupte, dass das eigentliche Problem kein Spiel ist.
    Wieder mal nicht.



    Er ist nicht tot, Jim. Sein Handy ist nur kaputt.




    Vor 20 Jahren begann jedes „Ich packe meinen Koffer“-Spiel mit „Zahnbürste“. Heute dürfte der zuerst genannte Begriff „Handy“ sein. Handys haben sich nicht nur extrem weit verbreitet, sondern sind aus dem Leben vieler, nicht nur junger, Menschen, überhaupt nicht mehr weg zu denken. Sie haben nicht nur einen massiven Suchtcharakter, sondern auch maximal substituierende Funktionen angenommen. Hä? Heißt: Sie ersetzen nahezu ALLES!

    Habe mal einen Chat von zwei mitgekriegt, die saßen sich im Restaurant gegenüber – und wussten das. Als ich nachfragte, ob das ein Scherz sei, meinten sie bierernst, nein, sei keiner. Das sei doch normal. In dem Moment kam ich mir wie aus der Zeit gefallen vor. Bin ich der Einzige, der darauf nichts mehr zu entgegnen weiß?
    Ich hoffe nicht, befürchte aber, dass die beiden im Wortsinne Recht damit hatten:
    Es ist normal – geworden.



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    Ich kann mich hinstellen, wohin ich will, es ist überall dasselbe Bild: Ich sehe eine Person. Es vergehen keine 60 Sekunden. Diese Person holt ihr Handy hervor und blickt drauf, steckt es dann wieder ein. Das Ganze wiederholt sich. Oder diese Person starrte schon die ganze Zeit aufs Display.

    Kennenlernen, Dates – ein vielschichtiger Prozess mit viel Spannungspotential – könnte man meinen. Ist nicht. Wie ist es?
    Rechts-Wisch: Joa, ma gucken, Links-Wisch: Nee.

    Punkt. Das war's.
    Das war's? Also ein ganzer Mensch, mit all seinen Macken, mit allem, was ihn ausmacht, wird binnen eines Wimpernschlags bewertet? Auf inhaltsleeren Profilen, weil sich niemand die Mühe macht noch irgend etwas zu sich selbst zu sagen, weil es keiner liest. Der häufigste Inhalt:

    "1,80 m"

    Cool.
    Körpergrößenwunsch. Oder Angabe eigener Grösse. Oder beides.
    Eine Zahl. So viele, prosaische Worte, ein "m" - das ist sage und schreibe 1 ganzer Buchstabe, wenn man noch mindestens 10 von 2 Augen zudrückt, gehen das Komma und das Leerzeichen auch noch als interpretationsfähige Inhalte durch!
    Aus denen man problemlos das ganze Wesen herleiten kann. Oder wenigstens feststellen kann, ob die Person nicht so Scheiße ist, dass man selbst auf einen One-Night-Stand keinen Bock hätte.

    Das nenn ich mal echte Romantik!
    Das nenn ich mal Klartext, da müsste doch die Reaktion auf ein "Hallo" Folgende sein: "Redest du immer sooo viel?" Und zwar ohne Ironie!
    Sorry, aber da waren selbst die oberflächlichsten Abcheckversuche in Discos der 80er Jahre tiefgründiger – und die waren der allerletzte Müll.

    Und im nächsten Profil steht dann sowas wie: "Was ist mit euch Scheiss-Männern los, wir wollen nicht alle nur ONS - wie wär's vlt. erst mal mit nem Gespräch?!?"
    Das sind so Momente, wo ich nicht weiß, ob ich lachen, weinen oder kotzen soll.

    Aber selbst wenn. Was will man mit jemandem, der dauernd auf sein Handy guckt, um for Compliments zu fischen oder nichts zu verpassen, alles mit zu nehmen? Damit man selbst, unabhängig vom Geschlecht, nur noch ein Eintrag ist - unter Vielen? Damit selbst vor, während und nach der Liebesnacht Whooosch-Links-Whoosh-Rechts passiert? Ist das die moderne, aufgeschlossene, lockere Gesellschaft, die wir immer wollten? Naja, locker ist sie ja. Zumindest ihre Schrauben.

    Glücklicherweise sieht man in diesem Moment meist eine Handywerbung der Form "Handys bringen Menschen zusammen" - sodass die Wahl leicht fällt: Lachen.



    Mammi, was ist Empathie? Ist das eine Krankheit?




    Vor einer Woche stand ich an einer Ampel, neben mir vier Mädchen im gefühlten Alter von 10 Jahren. Alle mit Handy, es hat auch längst Teddybären und Puppen ersetzt. Sie kicherten, weil eine von ihnen mit ihrem Freund per WhatsApp Schluss machen wollte. Warum? Weil es GEHT! Weil sie es lustig fand, zu sehen, was er dann schreibt, welche Smileys er dann benutzt.

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    Eine von ihnen sagte dann zu ihr: „Aber dann hast du keinen Freund mehr!“, woraufhin diese entgegnete: „Na und? Meine Kontaktliste ist lang, schreib ich halt den nächsten an. Die warten doch nur!“

    Ein Mensch mit Gefühlen – nur noch ein Datenbankeintrag in einer Liste, mit dem man nach Belieben spielen kann. Und wenn der "Teddybär" kaputt ist, wenn er langweilig wird? Na, dann wirft man ihn einfach weg. /DELETE - Y|N? - Y.
    Bedeutungslos. Wertlos. Schöne neue Welt.

    Vielleicht ist das am Ende sogar fair. Früher wurden Hunde ausgesetzt, wenn sie keinen "Spaß" mehr machten - heute werden wir ausgesetzt, wenn wir es nicht mehr tun.

    Sind Handys etwas Böses? Gehören sie verboten, wie die Killerspiele?
    Klares Nein. Nein, sie können tatsächlich Menschen zusammen bringen. Sie dienen uns in vielen, sehr vielen Situationen. Ich möchte meins nicht missen, obwohl ich es verhältnismässig selten benutze. Doch unreflektierter Gebrauch davon erzeugt Probleme. Pokemon Go macht diese mit seiner viralen Art nur deutlich. Aber sie existierten schon vorher!

    Das omnipräsente Gimmick des Handys thront über Allem, auch über der Menschlichkeit. Weil Empathie eine Fähigkeit ist, die vorrangig, vielleicht sogar nur beim direkten Kontakt zwischenmenschlicher Art entsteht. Einem Kontakt, der in Handy-Zeiten zunehmend mehr als Nice to have empfunden wird. Oder sogar eher als Last. Das ist doch sooo 90er!
    Mit der Folge, dass immer weniger empathisch sind. Wir erinnern uns an die Eltern des Amok-Kids - so schließt sich der Kreis.



    Back to the Roots - zur Not mit Gewalt




    Öko-Eltern wollen das nicht für ihre Kids. Also zwingen sie diese förmlich mit Holzspielzeug zu spielen. Gleich zwei Läden dieser Art machten bei mir in der Umgebung auf. Wie viel Phantasie braucht man, um sich auszumalen, dass deren Kids eher frustriert sein werden, wenn es in ihrer Klasse heißt: „Was? Du hast Doom noch nicht gezockt? Du hast noch gar kein Game gezockt – du spielst mit Holzeisenbahnen? Mega-LOL!“



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    Kann also auch keine Lösung sein, ist nicht viel mehr als Retro-Aktionismus. Unterscheidet sich kaum von generalistischen Pornoverboten im Internet oder sonstigen Zeit-Zurück-Dreh-Versuchen pseudo-rechtschaffener, konservativer Art. Die nicht einsehen will, dass sie keine Antworten hat, nicht mal haben kann – weil sie das Problem nicht versteht.

    Weil das Problem sehr vielschichtig ist, sich nicht reduzieren lässt auf die „böse“ Technologie, die „heutige Jugend“ oder „früher war alles besser“. Weil das nicht nur Vereinfachungen sind, sondern auch noch falsche Vereinfachungen:

    Technologie ist weder gut, noch böse. Handys, Computerspiele und Internet – und alles, was sich direkt oder indirekt daraus ergibt, ist nicht nur eine Sache der Jugend, sondern generationsübergreifende Massendynamik. Und früher war auch nicht alles besser. Das war es noch nie. Kann es gar nicht gewesen sein. Sonst wäre früher heute. Niemand wirft etwas weg, was gut oder gar perfekt ist. Also hat es ein „Gut“ oder „Perfekt“ nie gegeben. Es hat nur ein „anders“ gegeben. Und die Schlussfolgerung, dass das Heutige besser wäre ist genauso falsch. Es ist ebenfalls nur anders.

    Wenn es aber nicht mehr hinterfragt wird, wenn es jeden Bezug verliert und zu einem Phänomen wird, das sich aus sich heraus selbst trägt und alles andere verdrängt, dann gibt es ein Problem.

    Ich wurde einmal in der Bahn von einer Frau angesprochen und gefragt, ob ich krank sei. Ich verneinte und fragte nach, wie sie darauf komme. Sie meinte: „Na, weil Sie gucken aus dem Fenster! Haben Sie kein Handy?!“

    Spricht Bände, finde ich.
    Wir haben Handys relativ schnell und zunehmend intuiver werdend in unser Leben integriert. Nun müssen wir nur noch lernen, unser Leben in unser Leben mit den Handys zu integrieren. Glaube, das wird nicht ganz so fix oder intuitiv.
    DAS ist das eigentliche Problem!
    Nicht irgendwelche gelben Einhörner.



    Pokémon Go Spieler sind nicht nur die "anderen"




    Pokémon Go ist nur deswegen so erfolgreich, weil Handys für die meisten Leute so unverzichtbar wurden wie ihre Genitalien. Wenn nicht noch mehr.
    Und selbst das war noch nicht alles, es geht noch mehr in die Tiefe:

    Denn wenn wir uns mal losgelöst vom Handy betrachten, was da abgeht, finden wir was genau vor?

    • Sammelwahn | Muss ich haben!

    • Grinding | Muss ich tun!

    • Exklusivität | Habe nur ich!

    Na, klingelt's?

    Das sind WIR – ganz normale Computerspieler!
    Diese Prinzipien finden sich in zig immobilen Spielvarianten wieder. Nein, wir laufen damit nicht durch die Gegend. Aber nur, weil es nicht GEHT. Ginge es – müsste man es, ich bin mir sicher, dass Viele von uns das täten.

    Hypothetisches Beispiel:

    „Also, wenn ich da oben die Treppe hoch laufe, liegt ein neues Schwert für meinen Tank @ WoW bereit. Aber da auf der Insel ist ein besseres. Ist halt Wasser dazwischen und ich sehe kein Schiff. Ok, wie verpacke ich mein Handy, dass es nicht nass wird? Ich MUSS das haben!“

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    WoW ist hierbei nur EIN Beispiel – ich könnte zig verschiedene Spiele nennen, die von solchen Mechanismen Gebrauch machen könnten. Doch sie tun es nicht – und nur deshalb tun wir es auch nicht. Und deswegen denken wir, wir seien etwas Besseres?

    Nochmals: Ein Handy hat heutzutage fast jeder.
    Also ist von der grundlegenden Problematik, auch fast jeder betroffen.
    Das sind die Dinge, die wir nicht hören wollen, ergo erwarte ich allerspätestens jetzt die ersten Dislikes zu diesem Blog.

    Aber ich setze noch einen drauf, damit sich die Dislikes wenigstens gelohnt haben, lehne mich noch weiter aus dem Fenster raus. Denn wir sind immer noch nicht am Meeresgrund angekommen, es geht noch weiter in die Tiefe, viel weiter:​



    Warum ekeln wir uns vor Spinnen?​




    Warum ekeln wir uns vor Spinnen, aber nicht vor Ameisen?
    Spinnen halten uns Fliegen vom Leib, während Ameisen nur unseren Zucker klauen.
    Ist doch unlogisch!



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    Warum finden wir Wolfs- oder Katzenartige knuddelig, aber nicht Schlangen?
    Räuber sind sie alle drei. Alle drei können uns gefährlich werden.
    Ist doch unlogisch!

    Warum können wir Schwarze oder Asiaten oft nicht unterscheiden?
    Warum kommt es uns so vor, als würden sie alle gleich aussehen?
    Warum geschieht das nicht auch mit anderen, nämlich anderen Europäern?
    Ist doch unlogisch!

    Und was hat das mit diesem Blog zu tun?

    Diese Dinge sind so, weil ich behaupte, dass tief in uns ein Programm läuft.
    Das wahnsinnig alt ist. Das aus der Anfangszeit unserer Spezies kommt und vermutlich von den Spezies zuvor geerbt, modifiziert und via Gene immer weiter getragen wurde:

    Die Automatische Freund-Feind-Erkennung anhand von groben Ähnlichkeiten.

    Wir besitzen Neugier, welche in Kombination mit unserer Intelligenz, ausgeprägtem Sozial- („Wir sind eine Familie“) und Manipulationsverhalten („Ich bringe die anderen dazu“) und unserer Fähigkeit der Werkzeugherstellung und -nutzung uns an die Spitze der Nahrungskette katapultierte. Das war aber nicht immer so.



    Es war einmal vor sehr langer Zeit in genau dieser Galaxis...​




    Es hat eine Zeit gegeben, in der hätte unsere Neugier uns töten können. Heute auch noch, keine Frage. Aber damals war es viel unmittelbarer, umfassender und alltäglicher. In einer Zeit ohne Feuerwehr, Polizei, Medikamenten, Erste-Hilfe-Koffern, Leitplanken, Fluchtwegen, Notärzten, Helmen oder sonstigen Sicherheitsmaßnahmen. Also in einer lebensgefährlichen Zeit für uns, bei der das Schicksal unserer gesamten Spezies permanent auf der Kippe stand. Einer Zeit vor über einer Million Jahren, in der jeder Tag das endgültige Aus für unsere Vorläufer – und damit für uns - hätte sein können.

    Wir konnten uns nicht verstecken oder einbuddeln, wie die Mäuse, von denen wir abstammen, weil wir dafür zu groß sind und weil wir sonst verhungert wären. Wir konnten nicht gegen unsere Raubtierfeinde bestehen, weil die für uns zu groß, zu schnell und zu stark waren. Also abwarten und Däumchen drehen ging nicht, mit dem Kopf durch die Wand aber auch nicht. Aber wir hatten ja unsere Neugier und die Fähigkeit zu lernen. Dadurch erkannten wir Zusammenhänge:

    „Ach, wenn man zwei Stöckchen aneinander reibt, gibt es Feuer!? Na, das ist ja mal geil, das kann ich nutzen!“

    Doch Neugier trifft keine Vorauswahl. Sie vor-verurteilt nicht. Deswegen funktioniert sie überhaupt. Also wären Situationen wie die Nachfolgende auch denkbar:

    „Hm, das ist aber ein interessantes Wesen, was sich da so schlängelt. Ich fasse es mal an, mal gucken, was passiert ...“

    Die berühmten letzten Worte.



    [​IMG]


    Es musste also via Mami Natur irgendwas her, was uns Einhalt gebietet. Was uns schützt. Das durfte nichts sein, was unserem zaghaften, sich noch in den Kinderschuhen befindenden Verstand unterstellt ist. Dafür war der viel zu langsam, viel zu fehlerhaft, viel zu unerfahren.
    Kurz: Untauglich zur Absicherung des eigenen Überlebens.

    Nein, es musste etwas sein, das sehr schnell funktioniert. Also möglichst simpel ist. Etwas, das universell funktioniert. Also auf alles und jeden angewendet werden kann. Etwas, das völlig am Verstand vorbei geht, unterschwellig wirkt. Also nicht von uns in Frage gestellt werden kann, jedenfalls nicht sofort. Etwas mit hohem Motivationsfaktor. Das also starke Gefühle erzeugt, das uns zu einer sofortigen Handlung bewegt. Wie ein Instinkt.
    Ein automatisches Ur-Programm:

    BEGIN

    001 - Vergleiche grobe, äußere Form des Subjektes mit grober, eigener Form.
    002 - Ist es ähnlich wie ich? Wenn JA: Gehe zu 003. Wenn NEIN: Gehe zu 004.
    003 - Ist ähnlich. Vorläufige Entwarnung. Gefahr droht nicht. Gehe zu 005.
    004 - ES NICHT ÄHNLICH! WARNUNG! GEFAHR DROHT! Weiter bei 006.
    005 - Untersuche, interagiere oder ignoriere Subjekt. Gehe zu END.
    006 - MISSTRAUEN, FLUCHT, MEIDEN, BEKÄMPFEN! Gehe zu END.

    END


    Ja, heutige Programme würde man anders schreiben. Aber es ist ein altes Programm, also kann man es ruhig im Pseudo-Code des Ur-BASIC notieren. Und ja, das Programm ist natürlich nicht exakt so in dieser Notation vorliegend, denn wir sind keine digitalen Maschinen. Aber es ist dennoch tief in uns drin, funktioniert als grundlegende, neuronale Verknüpfung, generiert durch Gene, verfestigt über negative Erfahrungen, ausgelebt und in Folge auch unbewusst ausgebaut über einen tendenziösen Verstand, weiter vererbt über unzählige Generationen.

    Deswegen ekeln wir uns vor Spinnen, aber nicht vor Ameisen. Ameisen sehen nämlich von oben betrachtet quasi-humanoid aus: Ein paar Beine, zugegeben, mehr als wir Arme und Beine haben, aber ähnlich angeordnet. Ein Torso, ein Kopf. Also grob: Ein Körper, Gliedmaßen, Kopf. Zwei (!) Augen. Facetten zwar, aber das Programm arbeitet ja nur grob, interpretiert sie als zwei. Ähnlich zu uns?
    Ja. Vorläufige Entwarnung.

    Aber bei einer Spinne sieht es anders aus: Sie hat keinen Kopf. Kopf und Torso sind eins bei ihr. Beine wachsen also aus ihrem Kopf heraus. Und dort sind zig Augen. Ähnlich zu uns? Nein! WARNUNG!

    Nun mag vielleicht jemand sagen: „Moment, Heuschrecken oder gar Gottesanbeterinnen haben aber auch Beine, Körper, Kopf, zwei Augen – und trotzdem ekele ich mich!“
    Mal die Proportionen angeschaut? Die langen, filigranen, umgekehrt geknickten Beine? Der disproportional-winzige Kopf? Wirklich ähnlich? Eher nicht so, oder?

    Und was ist mit Fischen? Kein Kopf, keine Beine, alles in einem Körper! Trotzdem kein Ekel. Antwort: Schaut mal genauer hin! Der Kopf ist sehr wohl da, er ist vorne. Also „oben“, wie bei uns. Auch zwei Augen, wie bei uns. Der Körper ist da. Wie bei uns. Die Gliedmaßen sind da – Flossen nämlich – wie bei uns. Hat die Qualle nicht. Vor der ekeln wir uns in Folge.

    Wie ist das mit Hunden und Katzen? Hunde haben eine Sonderrolle als domestizierte Ex-Wölfe. Aber selbst vorher: Quasi-Humanoide Form, Katzen dito. Aber eine Schlange ist nicht humanoid. Ihr fehlen die Gliedmaßen. Keine Ähnlichkeit, Warnung!

    Daran kann man auch erkennen, dass dieses Programm uns nicht das Denken abnehmen kann. Denn Raubkatzen und Wölfe können uns sehr wohl gefährlich werden, obwohl sie uns grob ähnlich sehen. Und es gibt gar nicht mal so wenige Menschen, die Schlangen als Haustiere halten und zu ihnen eine ähnliche Beziehung haben, wie Hundehalter zu Hunden. Aber das Programm sollte ja nicht alles erklären können, es sollte nur schnell und einfach sein, für den Notfall. Den Rest sollte unser Kopf und unser Herz machen.

    Und wie ist das mit Asiaten und Schwarzen? Warum wirken andere Phänotypen für uns homogen, obwohl sie es gar nicht sind? Übrigens: Umgekehrt genauso, für einen Asiaten sehen wir Europäer alle gleich aus.
    Antwort:

    http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/1014567/

    In dem Artikel sieht man auch, dass Vieles für meine These des Vorhandenseins eines solchen evolutionären Programms spricht.

    Eine grobe Ähnlichkeit wurde festgestellt, aber auch Merkmale, die abweichen.
    Quasi ein Unentschieden. Das Programm stuft den Asiaten oder Schwarzen als „anders“, aber nicht per se fremdartig ein. Es läuft praktisch auf einen Error, auf einen unbedachten Sonderfall also, stürzt aber nicht ab. Selbst, wenn es sie als ähnlich einstuft, verhindern die Abweichungen zunächst eine Gleichsetzung mit sich selbst. Der Angehörige eines anderen Phänotyps verharrt also in einer Art Schwebezustand des Programms. In unterbewussten Registern der Quarantäne unseres inneren RAMs sozusagen - aus Sicherheitsgründen.

    Und dort wird er „homogenisiert“. Dadurch entsteht das Gefühl von Gleichartigkeit. Nicht zu dem Europäer, sondern zu allen anderen, die so ähnlich aussehen wie er. Das kann wiederum zur Stigmatisierung und Abgrenzung führen. Und das führt wiederum bei einem empathisch unterentwickelten, fehlerhaft arbeitendem Verstand zu etwas, um das es bei diesem Blog eigentlich geht:



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    Rassismus



    Willkommen auf dem Meeresgrund!

    Schon unsere Sprache mit ihren Begrifflichkeiten zeigt, wie unser Verstand arbeitet: Er braucht für alles, wirklich alles, ein Label. Einen Begriff. Selbst für Konzepte, von denen er nicht weiß, was das ist oder ob es sie überhaupt gibt, „Gott“ zum Beispiel.

    Jeder Begriff wiederum wird mit anderen Begriffen oder Attributen verknüpft, es entstehen Assoziationen:

    Farbe Rot → Feuer, Blut, Liebe, Krieg, Zorn, Energie, Leben, Kraft, Macht.

    Die Assoziationen generieren ihrerseits welche, falls sie nicht schon längst vorhanden waren:

    Feuer → Warm, Heiss, Brennen, Zerstörung, Erneuerung, Sauerstoff, Löscher, Feuerwehr, Ich will Feuerwehrmann werden!, Benjamin Blümchen.

    Es entstehen also ganze Ketten und Netze von ineinander greifenden und einander auslösenden und sich selbst bestätigenden Assoziationen. Welche sich rekursiv wieder auf die Sprache auswirken: Wir sehen Rot! = Wir sind zornig.
    Also sehen wir auch Feuer, den Löscher und Benjamin Blümchen. Nur mit abnehmender Wahrscheinlichkeit, je nachdem wie dicht und stark die Assoziation am Begriff gebunden ist. Und dieses Netz wiederum prägt unser Denken.
    Genauer: Es IST unser Denken.

    Was wiederum unsere Urteile fällt. Auch Vor-Urteile.
    Vor-Urteile deswegen, weil es sich des Vorhandenseins dieser Prägungen und Verkettungen weder bewusst wird, noch sich imstande sieht jene zu hinterfragen oder gar zu durchbrechen. Schon deswegen nicht, weil es sich ihnen nicht bewusst wird eben.

    Deswegen können vor-vorurteilende Menschen es nicht nachvollziehen, wenn ihnen jemand sagt, sie würden Vorurteile haben. In ihrem Denken sehen sie keinen Unterschied zwischen beiden. Es fehlt die Reflektion. Sie sehen nur ihr Netz an Assoziationen. Und das wird nicht hinterfragt.

    Deswegen ist seit 9/11 die Assoziation da: Islam = Turban = Terrorist.
    Damit wird jeder Turbanträger zum Terroristen. Sie werden an Flughäfen rausgenommen, verprügelt. Wegen des Turbans. Eines Symbols.
    Ohne Hinterfragung. Dafür aber mit maximaler Pauschalisierung, denn die Assoziation sitzt fest: Hat ein Pole geklaut, klauen alle. Hat ein Türke in einer Gruppe einen Einzelnen angegriffen, machen das alle. Ist ein Deutscher Nazi, sind alle Deutschen Nazis.

    Bei einem Menschen mit ausgeprägter Empathie und ausgeprägtem Verstand WIRD es das nicht, es wird nämlich differenziert. Ist zumindest möglich. Dieser wird verächtlich als „Gutmensch“ bezeichnet. Aber es ist anders gemeint: Es ist so gemeint, als sei er schwach oder würde alles gut finden. Das ist nicht der Fall, nur kann er mehr sehen und verstehen, als jemand der ihn so nennt.

    Denn der, der ihn so nennt, hat längst sein Denken an der Haustür abgegeben, lässt zu, dass er allein von einem uralten, evolutionären Notfall-Programm geleitet wird, fühlt sich frei – und nichts könnte falscher sein, als das. Zudem verfügt er über zu wenig oder keine Empathie und hat einen Verstand, der nicht stark genug ist, als dass er zur Selbstreflektion imstande wäre oder sie oder die sich daraus ergebenden Folgen verkraften könnte.

    Nein, bei so jemandem ist es dann nicht möglich. Für ihn sind die Vor-Urteile Gesetz. Nach und nach schafft er sich Kategorien des Denkens, in dem es für alles einen Platz gibt, wo nichts hinterfragt wird. Ein Denken, das sich nicht darüber im Klaren wird, dass es im wahrsten Sinne des Wortes auf unterstem Niveau fährt, also selbst bei Tempo 180 auf der Autobahn immer noch den ersten Gang eingelegt hat – angetrieben ausschließlich von einem simplen, einem zu simplen Programm – das nur für den Notfall gedacht war, das nunmehr Basis allen Denkens und damit missbraucht wird. So jemanden nennen wir einen Rassisten.

    In gewisser Weise ist also jeder Rassist geistig schwerst behindert – und verdient damit Mitleid. Denn sich zu 100% unreflektiert leiten zu lassen von einem evolutionären Notfall-Programm hieße, übertragen auf ein anderes Programm nicht weniger starker Art, nämlich unseren Fortpflanzungstrieb:

    2016 – 7 Mrd. Menschen
    2017 – 20 Mrd. Menschen
    2018 – 60 Mrd. Menschen.
    2019 – 250 Mrd. Menschen.

    Aus. Finito. Ende-Gelände.
    Innerhalb eines halben Jahrzehnts würden wir die Menschheit damit erledigen.
    Und nicht nur die.

    Soviel zur Sinnhaftigkeit von evolutionären Programmen, wenn man ihnen allein das Feld überlässt. Deswegen gibt es die Anti-Baby-Pille und Kondome. Wir haben gelernt unseren Trieb auszuleben, ohne auch seine Folgen mit zu tragen. War es verkehrt? Ich bin zutiefst davon überzeugt, angesichts der selbsterklärenden Zahlen da oben, dass es das nicht war. Genauso sollte es auch mit diesem Programm sein.
    Doch so ist es leider nicht.

    Dieser kategorisierende Pseudo-Verstand, diese „WIR gegen DIE“-Denke, diese „Ich bin etwas Besseres“-Haltung, dieses Getrieben-Sein von einem mickrigen, anachronistischen Programm, das nicht mehr richtig in unsere Zeit passt –
    genau das ist Rassismus.

    Ob er sich gegen Juden, Schwarze, Muslime, Ausländer, Fans eines anderen Fußballvereins – oder eben Pokemon Go Spieler richtet, ist dann nur noch eine Frage des Details. Denn die Prinzipien dessen, was dabei im Wesen des so denkenden Menschen geschieht, sind stets dieselben:



    Pauschalisierung.
    Alle sind so!

    Stigmatisierung.
    Du bist auch einer von ihnen!

    Abgrenzung.
    Ich nicht! Ich bin keiner von denen! Ich bin anders.

    Hybris.
    Ich bin nicht nur anders, ich bin etwas Besseres!

    Pseudo-Elitenbildung.
    Nicht nur ich, WIR sind etwas Besseres!

    „Mut“ durch Masse.
    Wir gegen die!

    Aufweichung von Grenzen.
    Wir wünschen dir den Tod!

    Verlust der Empathie.
    Mir egal, wie die sich fühlen!

    Gewaltbereitschaft.
    Komm nur her!

    Vernichtung.
    Du bist fällig! Wir kriegen euch alle!



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    Es. Ist. Immer. Dasselbe. Schema.​





    Fallout hat Recht, Krieg ist immer gleich.
    Weil viele Menschen immer gleich blieben.
    Zu viele.

    Wir verbrennen immer noch unschuldige, rothaarige Frauen.
    Spielte nie eine Rolle, ob sie rothaarig sind. Oder ob es Frauen sind.
    Haben nie damit aufgehört.
    Selbst nach Hunderten oder gar Tausenden von Jahren brauchen immer noch viele Menschen einen Scheiterhaufen. Irgendwer hat da gefälligst immer zu stehen und zu brennen, wo kommen wir denn sonst da hin? Was wären wir ohne das?

    Dann wären wir ja plötzlich Individuen!
    Mein Gott, wie sollten wir denn DAMIT klar kommen?
    Keine riesige Masse mehr, hinter der wir uns verstecken könnten!
    Keine Besserwissereien mehr, an denen wir uns aufgeilen könnten!
    Kein Gefühl mehr Homo Superior zu sein, etwas Besseres!

    Schlimmer noch:
    Wir müssten anfangen die anderen verstehen zu lernen.
    Wir müssen mit ihnen am Ende sogar noch reden.
    Ihnen sogar zuhören!
    Feststellen, dass sie nicht alle gleich sind.
    Feststellen, dass sie genauso einzigartig sind, wie wir selbst, jeder Einzelne von uns.

    Und am allerschlimmsten:
    Vielleicht würden wir einige von ihnen sogar mögen!

    Was machen wir, wenn wir unser Ur-Programm hinterfragen?
    Was machen wir denn ohne ein Feindbild?
    Da ist dann ja kein Halt mehr, dann fallen wir, dann ....


    … wären wir endlich Menschen.​




    Und damit mehr, viel mehr, als nur ein uraltes, primitives, fehlerhaftes Programm.
    Das nie gepatcht wurde.











    Zeit zum Auftauchen.
    Zurück an die Oberfläche.



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    Yeager




    Nachtrag:

    Einige Stunden, nachdem ich diesen Blog schrieb gab es leider wieder einen Amoklauf. Diesmal in München. De Maiziere warf erneut die Killerspiel-Debatte an. So bestätigt sich das "ewige" im Titel meines Blogs. Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich läge daneben. Mit den Amokläufen, mit der Hexenjagd.
    Mit allem.

    Ich glaube, ich spreche für fast alle, wenn ich sage, dass kein Computerspieler solch eine Tat billigt. Den Menschen, die dabei jemanden verloren haben, gehört unser aufrichtiges Beileid. Niemand hat das "verdient".
    Aus keinem Grund.

    Über den Autor

    Yeager
    Chuck Yeager durchbrach als erster Mensch die Schallmauer.
    <br/>Ich stolperte über seinen Namen als damals noch kleiner Junge beim Gucken von "Der Stoff aus dem die Helden sind".
    <br/>Sein Name gefiel mir, wurde zum Nick und blieb es.

Kommentare

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  1. Bakefish
    An dieser Stelle mal eine Frage: Woher nimmst du dir das Recht einfach zu behaupten, dass ein Krimineller keiner Hilfe bedarf? Kennst du die Motive hinter der Tat? Die Hintergründe, was beim Täter viellleicht passiert ist, dass er kriminell wurde? Nein, kennst du nicht. Und trotzdem kommt so eine Aussage. Gilt übrigens auch wieder für Deutsche. Wenn die kriminell sind/ werden und dabei vorher auch arbeitssuchend waren oder vielleicht schon Hartz IV beziehen, heißt das nach deinem Argument ja auch, dass sie die Hilfe nicht brauchen. Womit man sie dann auch rausschmeißen sollte. Wo ist da die Logik?

    Ach so. Und weil einige Richter deiner Behauptung nach nicht nach diesem Artikel handeln, legitimiert das also, Flüchtlinge anders zu behandeln als Deutsche? Nach dem Motto "Wenn die schon falsch urteilen, darf ich das jetzt auch!" Ehrlich, was soll das?
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  2. Yeager
    Volle Zustimmung - bis auf das "Unterdrücken":
    Es geht nicht ums Unterdrücken, sondern um Reflektion, Bewusstmachung und Hinterfragung. Also: MUSS ich mich an einer Hexenjagd beteiligen? MUSS ich mit der Masse mitlaufen? MUSS Pauschalisierung sein und MUSS sie die Realität darstellen?
    Wenn wir alle diese Fragen WIRKLICH mit "Ja" beantworten, haben wir keinen Grund uns über eine neue Killerspieldebatte zu ärgern. Wir hätten nicht mal Grund uns über Verbote zu ärgern. Denn sie wären nur noch die kausale Folge daraus.

    Ja, da kann was dran sein.
    Möglicherweise trifft Beides zu.
    Ekel: Grösse (zu klein, zu gross). Misstrauen: Andersartig.

    Hmm, glaub nicht, dass das exakt so zutrifft, wegen des Gefühl für das eigene Selbst. Dann müsste er sich selbst ja dann als "formlos", un-unterscheidbar sehen. Tun wir ja auch nicht, wenn wir aus dem Urlaub zurück kommen. Ausserdem widerspricht es den wissenschaftlichen Erkenntnissen (s. Link im Artikel) nicht. Denn die Gewöhnung an einen Phänotyp hängt von der Umgebung ab. Die Mehrzahl sind Asiaten in Asien, nicht Europäer. Im Südafrika der Apartheid gab es gefühlt 70:30 Schwarze - Weisse. 30% sind nicht wenig. Dennoch sahen Schwarze für die meisten von ihnen nach ihren eigenen Aussagen alle gleich aus.

    Ja, das stimmt.
    Aber auch dieses Verhalten, diese Konditionierung hat Gründe. Sicher, auch durch dasselbe, durchs Weitergeben. Doch irgendwo her muss es kommen, zufällig ist es sicher nicht. Zumal Ekel das Eine ist - aber die Erkennung von Analogien bzw. deren Ausbleiben das Andere. Sie können einander bedingen, doch eine einzige davon reicht schon.
  3. Guuge82
    Bezüglich Ekel bin ich mir sicher, dass nichts davon vorprogramiert ist. Den grössten Teil davon lernen wir von unseren Eltern und Mitmenschen. Ich habe Kinder in Afrika gesehen, welche mit einer Schlange gespielt haben, weil sie wussten, dass sie für sie nicht gefährlich werden kann. Sie lernten vor gefährlichen Tieren Abstand zu halten aber die ungefährlichen Schlangen lösten bei ihnen keinen Ekel aus. Genauso mit Spinnen und anderen Kriechtieren. Wir lernen von unseren Eltern, dass das etwas ekliges ist. Mein Sohn futtert eine Fliege wenn er sie kriegt... ohne mit der Wimper zu zucken. Sieht er eine Nacktschnecke geht er ganz aus dem Häuschen hin und spielt mit ihr. Ich bin sicher, wenn wir sie ihm nicht wegnehmen würden, würde er sie in den Mund stecken. Er hat halt "noch" nicht gelernt, dass das etwas ekliges ist.
    Viele hier essen keine Insekten, weil sie sich davor ekeln. In anderen Ländern gehört das zur Grundnahrung und hat mit Ekel nichts zu tun.
    Kurzum: Sachen wie Ekel sind ganz klar antrainiert. Es ist auch Aufgabe der Eltern, ihren Kindern beizubringen was gefährlich ist. Was eklig ist, bekommen sie ganz automatisch durch unser Verhalten. Obwohl Ekel wie erwähnt sehr subjektiv ist.
    Nur Sachen wie z.B. dass der bittere Geschmack für Unverträglichkeit steht und wir es wieder ausspucken ist vorprogrammiert.
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  4. Sangez
    Sehr schöner (wenn auch langer) und vor allem tiefgründiger Blog :)
    Schwere Kost für einen Dienstagmorgen xD. Hatte nicht damit gerechnet, dass es so ausarten würde als ich angefangen habe ihn zu lesen, hat mich aber bis zum Ende halten können.

    Fand es interessant deine Gedankensprünge bzw. Aneinanderkettungen von Themen zu verfolgen. Bei vielem konnte ich dir auch zustimmen, bei manchem bin ich aber anderer Meinung. Nehmen wir z.B. mal das Thema der Andersartigkeit:
    1. Ekel for Spinnen und dergleichen.... ich finde deine Theorie sehr interessant, jedoch gibt es ein paar Punkte, die dem wiedersprechen....z.B. die Schlange HAT einen Kopf, vllt nicht so getrennt vom restlichen Körper wie bei einer Ameise, aber zumindest doch genauso wie bei einem Fisch. Ich denke der Ekel hängt eher mit der Größe zusammen. Kleine Spinnen sind bei weitem nicht so eckelhaft wie Große. Ich würde sogar soweit gehen und behaupte: wären Ameisen so groß wie viele Spinnen, würde man sich vor denen genauso eckeln, wie vor Spinnen. Das gleiche gilt für andere Insekten. Stell dir mal eine Fliege so groß wie ein Vogel vor....da graut es mir vor xD.

    Das für viele von uns Asiaten oder auch Schwarze gleich aussehen, liegt meiner Meinung eher daran, dass sie hier eine Ausnahme sind. Wir sehen relativ wenig und selten Schwarze/Asiaten. Ein Weißer in Japan oder Amerika wird da keine Probleme haben sie zu unterscheiden. Ich würde darauf wetten, wenn ein Europäer von Kindauf ein Einsiedlerleben fern der Zivilisation gelebt hat und jetzt z.B nach Deutschland kommt, könnte uns bestimmt auch nicht unterscheiden. Für ihn sehen wir alle gleich aus, obwohl er selber Europäer ist.
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  5. Guuge82
    Ich finde einfach das Ganze ist zu verallgemeinert. Schlussendlich liegen doch fast allen unseren Handlungen die gleichen "Mechaniken" zugrunde. So betrachtet fliegen wir auf Grund einiger grundlegenden menschlichen Wesenszüge zum Mond aber begehen auch auf Grund einiger anderer Wesenszüge Hexenjagden und ähnliches. Hierbei geht es um Grundbedürfnisse und Wesenszüge, welche bis zu den menschlichen Ursprüngen zurückreichen. Und so sehr wir es mit Gesetzen und Strukturen wie Staaten und Gemeinschaften zu unterdrücken versuchen, diese Wesenszüge sind Teil der Menschheit.
    Viele dieser Hexenjagden gründen auf Neid. Ein Wesenszug dem fast jeder immer weider unterliegt. Man würde sich selbst belügen, wenn man etwas Anderes behauptet. Man kann es versuchen zu unterdrücken aber sobald man genügend andere findet, welche den gleichen Neid oder Hass teilen, gibt es keinen Grund mehr diese Gefühle zu unterdrücken.
    Es hat auch nichts mit Herausreden zu tun, wenn man akzeptiert, dass es das nunmal gab, gibt und immer geben wird. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Evt könnte ein tiefgreifendes globales Ereignis, wie z.B. der Kontakt zu ausserirdischer Intelligenz, das Denken vieler insoweit ändern, dass wir uns zumindest als Menschliche Gemeinschaft sehen und auch so handeln. Aber bis auf weiteres wird es einfach so sein wie es ist. Es gibt viele schlechte Menschen auf dieser Welt und leider sind die häufig die lautesten. Und die Sensations-Presse leistet ihren Beitrag, indem sie über diese Hexenjagden auf Titelseiten berichtet und die meisten wirklich guten Taten Randnotizen bleiben.
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  6. Yeager
    Kann ich nur bestätigen.

    Die Sätze ... :

    "Nein, sie wurden nicht alle umgebracht. „Nur“ einige Millionen, meist Juden. Hauptsächlich durch uns Deutsche. Durch die, die vor uns da waren und davor. Aber sie alle, die sie da oben gelistet sind, wurden zu Hexen bei einer Hexenjagd erklärt. Sie wurden alle in einen Topf geworfen, ausgegrenzt, man hat mit dem Finger auf sie gezeigt und über sie gespottet."

    ... sollten zeigen, dass es mir nicht um eine Gleichsetzung vom erlittenen Schicksal geht: Arschgeweihträger(innen) erhielten Spott, aber Millionen von Juden wurden getötet. Nein, es sollte keine Gleichsetzung auf einer moralischen Waage sein, das wäre absurd.
    Aber der zweite Satz sollte die Analogien zeigen, die Zusammenhänge. Was sich stets wiederholt - und auch zu Extremen führen kann.
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  7. jan_w
    Ich sehe jetzt in dem Blogpost nicht wirklich eine "Gleichsetzung". Es ist letztlich immer eine Frage, *was* ich genau betrachte. Man kann all diese Themen wunderbar differenzieren und für sich betrachten, aber man kann eben auch einen Schritt zurück treten und nach Parallelen, nach Ähnlichkeiten in Denk- und Handlungsmustern Ausschau halten.

    Ich glaube nicht, dass die eine Betrachtungsweise "richtig" und die andere "falsch" wäre. Ich finde, es ist immer gut, wenn man "beides" kann: differenzieren *und* Zusammenhänge erkennen.
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  8. Yeager
    Findest du?

    Ich legte ein paar Mal dar, dass die Prinzipien des Denkens dieselben sind - in allen Fällen. Ich stellte gegen Schluss sogar eine Hypothese auf, die das erklären könnte. Jedes Mobbing ist auch eine solche Hexenjagd, verläuft nach der selben Art und Weise. Und kann auch extrem enden. Der extremste Fall ist ein Holocaust. Aber nur allzu häufig reden sich Menschen raus, dass das ja alles nicht so schlimm sei, die paar Hass-Thesen, die paar Zündeleien.
    Doch, ist es.
    Es geht in dieselbe Richtung, nutzt dieselben Mechanismen.
    Es ist also derselbe Sport, dasselbe Stadion, dasselbe Regelwerk.
    Nur die Trikots sehen anders aus.
    Um bei deinem Pulp Fiction Bild zu bleiben.
    Übrigens: Diese Relativierungsversuche sind sehr viel älter, als Pulp Fiction. Ich hörte in den frühen 80ern immer wieder von anderen Weissen in Südafrika, dass Apartheid nicht dasselbe wie Sklaverei sei. Das könne man doch nicht vergleichen. Das sei doch nicht so schlimm. Nicht derselbe "Sport"?
    Doch.

    Den Teil mit der Gesellschaftskritik:
    Hast du den wirklich gelesen? Auch die nachfolgenden Teile? Auch den Teil, wo ich schrieb, dass Handyverbote klar falsch sind. Dass Handys sehr wohl auch Menschen zusammen bringen können. Dass sie nützlich und mittlerweile kaum verzichtbar sind. Dass das Problem vielschichtig ist, sich nicht reduzieren lässt auf die üblichen Vereinfachungsversuche? Dass Retro-Maßnahmen entsprechend nicht die Lösung sein könnten? Und was das "irgendwie heil durchkommen angeht":

    Ich schrieb, dass wir Handys intuitiv in unser Leben integrierten, nun aber vor der Herausforderung stehen, auch unser Leben in unser (Handy-)Leben zu integrieren. Die Dinge, auf die du also selbst verweist, waren von Anfang an schon drin. Der Technologiekonsum, wenn er unreflektiert statt findet, kostet uns Empathie. Die wiederum einer der wenigen Türstopper ist, die eine Hexenjagd blockieren. Deren Fehlen Vieles auslösen kann, über Bande sogar Amokläufe. Und die nötig ist, um sich nicht allein von einem Ur-Programm leiten zu lassen. Die Dinge mögen komplex sein, aber sie greifen ineinander, haben viel miteinander zu tun.

    Ja, ich hätte sogar weitaus mehr als einen Blog daraus machen können: Einen über Hexenjagden, einen über Killerspiele, einen über Amokläufe, einen über Pokemon Go, einen über Handys, einen über Retro-Aktionismus, einen über "Früher war alles besser - NICHT", einen über Rassismus und einen über meine Evolutionsprogramm-Hypothese.

    Oder einfach diesen.
    Weil die Dinge alle miteinander zusammenhängen.
    Viel enger, als uns bewusst oder lieb wäre.

    Aber du hast trotzdem Recht, vielleicht habe ich mich übernommen, nicht die richtigen Worte gefunden. Mea culpa. Aber: Ich bin nur ein Mensch, weisst du? :)
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  9. Guuge82
    Grundsätzlich finde ich die Hetze gegen die sogenannten Killerspiele typisches Politiker-Blabla. Sie wollen doch nur irgendwie schnell zeigen, dass sie etwas gegen die steigende Gewalt tun wollen. Da nimmt man einfach das billigste Argument aus der Schublade und präsentiert es neu. Schliesslich ist die ganze Diskussion schon zig mal geführt worden. Wäre da wirklich auch nur das kleinste Bisschen Wahrheit dran, hätte wir heute wohl weniger Überbeevölkerungsprobleme, weil wir Millionen an Amokläufern und Terroristen hätten. Da hätte uns die erste Generation Doom oder spätestens die Generation Counterstrike schon ausrotten müssen.

    Das Ganze aber gleich mit der Hexenjagdt und der Judenverfolgung gleichzusetzen finde ich allerdings schon recht weit ausgeholt. Es besteht schon irgendwie ein kleiner Unterschied ob ich Millionen von Menschen anhand ihrer Religion geziehlt verfolge, einsperre und auf bestialische Weise ermorde oder ob ich die Schuld für die scheinbar steigende Gewaltbereitschaft den bösen Killerspielen in die Schuhe schieben will.
    Um es mit den Worten aus Pulp Fiction zu sagen: "Es spielt nicht im gleichen Stadion. Es ist verdammtnochmal nicht das gleiche Spiel, es ist nicht die selbe Liga, es ist nichtmal derselbe verdammte Sport."

    Was ich auch nicht ganz verstehe ist, dass du einerseits gegen die "Hexenjagdt" als grosser Überbegriff bist. Aber gegen Ende deines Beitrags schimpfst du sehr direkt gegen die heutige Medien-Generation, welche nur noch übers Handy kommuniziert und das Handy zu einem festen Bestandteils ihres Lebens wurde. Wenn du schon die Judenverfolgung und die Killerspielhetze gleichsetzt, dann ist das was du da von dir gibst ebenfalls Hetze gegen diese Generation.

    Dazu sage ich nur, die Welt verändert sich... immer schneller, vor allem wegen den Medien und der Technologie. 10 Jahre Altersunterschied können heute schon darüber entscheiden ob du etwas nachvollziehen kannst oder nicht. Ich sehe die Technologien sehr wohl auch als Gefahr für die Gesellschaft aber ich sehe sie auch als unvermeidliche Konsequenz einer sich zu schnell entwickelnden Gesellschaft an. Seien wir mal ehrlich, die Mündigkeit der Menschheit entwickelt sich bei weitem nicht schnell genug um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Aber der Zug ist schon ins Rollen gebracht und unaufhaltsam. Wir können nur versuchen da irgendwie wieder heil herauszukommen und zu hoffen, dass die Menschheit die technologische Entwicklung langfristig irgendwie übersteht. Nach dem Motto "Augen zu und durch! Wird schon schiefgehen"

    Aber den Zusammenhang zwischen der "Hexenjagdt" und dem Technologiekonsum sehe ich nicht. Evt hättest du da lieber 2 Blogs draus gemacht. Oder du hättest ihn "Frontalangriff auf die Menschheit" nennen sollen. Du steigerst dich da teilweise ein bisschen zu fest hinein.
  10. Yeager
    Nichts zu danken.
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