Mit Anfang 30 darf man sich schon mal den Luxus gönnen, sein (Spieler-) Leben Revue passieren zu lassen. Und da mich interessiert, wie das Gleichaltrige sehen, werde ich hier mal los, was mir auf den WASD-Tasten brennt: „Es“ ist einfach nicht mehr wie früher. Und ich noch weniger.
Um es vorweg zu nehmen: Ich zocke noch immer gerne – und das seit knapp 20 Jahren. Zwar muss ich nicht mehr jedes neue Spiel bei Release in den Händen haben, aber es gibt noch immer Spiele, auf deren Veröffentlichung ich mich freue (Mount&Blade II: Bannerlord!). Und obwohl (oder vielleicht gerade deswegen?) ich es von früher kenne, kann ich dem Retro-Pixel-Wahn nichts abgewinnen. Ich mag es, wenn ein Spielcharakter detailliert vor sich hinzappelt, in einer schönen, hochauflösenden Umgebung bitteschön. Bestes Beispiel: The Witcher 3. Ein wahres Monstrum an Spiel, wunderschön, spannend, unterhaltsam.
Und genau da liegt das Problem Nummer 1: Obwohl ich immer wieder feststelle, wie (fast) perfekt The Witcher 3 als Gesamtwerk durchdacht ist, flasht es mich nicht so, wie es Spiele früher getan habe. Der Kampf zwischen Hexer und der Wilden Jagd hat sich nicht so in meine Erinnerung gebrannt wie die Landung in der Normandie in Medal of Honor. In den Schlachten von Rome 2 herrscht nie so viel Atmosphäre wie in Rome 1 – obwohl der zweite Teil in meinen Augen viel besser als sein Ruf ist. Ich könnte auf Anhieb mehrere legendäre Online-Exzesse bei Call of Duty 2 aufzählen, während die Nachfolger immer mehr in Vergessenheit geraten. Und auch der Wahnsinn in GTA 2 bleibt weitaus unvergesslicher, als die zu Recht hochgelobten neuen Teil. Diese Liste könnte ich noch seitenweise weiterführen.
Dazu kommt Problem Nummer 2: Mir fehlen immer mehr die Motivation und das Sitzfleisch. Klar, man arbeitet teils bis spätabends, hat Familie, Freunde, andere Hobbys. Aber wenn ich mir überlege, wann ich das letzte Mal stundenlang gezockt und die Zeit aus dem Blick verloren habe, muss ich passen. Ein Phänomen, das ich übrigens im Freundeskreis teile: Als ich vor wenigen Wochen ein „Zock-Date“ mit einem Kumpel hatte, waren Vorfreude und -bereitung groß: Koop-Spiele wurden extra gekauft, Bier kalt gestellt, Familienmitglieder ins Bett geschickt. Am Ende waren es fünf Minuten Resident Evil und eine halbe Stunde Killzone. Und das liegt nicht an den elendig langen Installationen auf der Playstation. Zu LAN-Zeiten waren immer schon mehrere Stunden für die Einrichtung der Netzwerke vor dem eigentlich Spielen eingeplant.
Und auch die Wahl zwischen Couch und PC verliert letzterer mittlerweile immer häufiger – was nicht heißt, dass die Playstation herhalten muss. Die gibt zu 80 Prozent nur noch Netflix wieder. Ich kann mich abends einfach nicht überwinden, ein Spiel zu starten und in dessen Welt einzutauchen. Tue ich das doch, verliere ich nach knapp 30 Minuten Geduld, Nerven oder Interesse.
Doch warum ist das so? Sind die Spiele, ihre Inszenierung oder ihre Geschichten schlechter geworden? Kaum vorstellbar, bei dem Aufwand, der mittlerweile in die Produktion mancher Werke gesteckt wird. Fehlt einfach die Innovation bei neuen Releases? War ein Call of Duty früher einfach krasser, weil man diese Art von Spiel nicht schon zigmal durchgerotzt hatte? Liegt es daran, dass wir einfach überhäuft werden von neuen Spielen? Es gibt gefühlt jedes Jahr ein neues Call of Duty, Far Cry und Total War – zusammen mit den unzähligen Sales häuft sich der berüchtige „Pile of Shame“ in unendliche Weiten auf. Da sitzt man alleine schon für die Auswahl des Spieles zehn Minuten am Rechner und überlegt, auf was man Lust hat.
Oder liegt es tatsächlich an mir? Ich will ja nicht angeben, aber in den ersten Call-of-Duty-Teilen war ich nicht schlecht. Auch in Battlefield 3 konnte ich noch mithalten und hatte meinen Spaß. Mittlerweile spiele ich Battlefield 1 und sterbe öfters als Sean Bean in seinen Filmen. Black Ops 2 war online der Gau schlechthin, den dritten Teil habe ich erst garnicht probiert. In Zeiten, in denen der Multiplayer-Part immer mehr den Singleplayer in seiner Bedeutung verdrängt, ist es schwierig geworden, da noch Spaß genug zu bekommen, damit sich die 60 Euro Neupreis rechtfertigen. Ist das vielleicht das berüchtigte Alter, das die Fähigkeiten einschränkt und die Interessen in eine andere Richtung lenkt? Früher konnte ich ja auch meine Zehen lutschen und Brokkoli nicht ausstehen. Das hat sich jetzt ins Gegenteil gewandelt.
Ich glaube jedenfalls nicht, dass es am Alter liegt. Ein 30-Jähriger hat meines Erachtens noch genauso viel Blödsinn im Kopf wie ein 18-Jähriger – und könnte diesen auch vermöbeln, wenn es um den letzten Brokkoli geht. Realistischer ist da für mich wirklich die Botschaft eines alten, ausgenudelten Sprichworts: „Weniger ist manchmal mehr.“ Wenn ich täglich Pizza esse, hängt sie mir irgendwann zu den Ohren raus – auch wenn ich die Speisekarte durchprobiere. Vielleicht tut mit der Zeit auch am Bildschirm etwas Enthaltsamkeit gut: Lieber weniger Spiele spielen, die dann aber dafür auch richtig. Mein Vorhaben steht jedenfalls: Ich kaufe mir kein neues Spiel für den PC bis Bannerlord rauskommt. Bis dahin hab ich noch einen riesigen Schamhaufen abzuarbeiten. Und natürlich das erste Mount&Blade. Das geht immer.
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