Der Unfug mit dem Rundfunk

Von Tsabotavoc · 22. November 2017 · Aktualisiert am 22. November 2017 ·
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  1. Die deutsche Gesetzgebung hat seit jeher ein gestörtes Verhältnis zu jedem Medium das sie nicht versteht und nicht kontrollieren kann. Sei es die BbjM die sich europaweit einen Ruf als Betonkopfclub erarbeitet hat oder jetzt, aktuell ins Kreuzfeuer geraten, die Landesmedienanstalten von Nordrhein Westfalen...



    Worum gehts?

    Die Debatte schwelt nun schon seit geraumer Zeit und Ziel der Landesmedienanstalten sei es das Medienrecht zu modernisieren und auf das aktuelle Angebot des Onlinestreamings auszuweiten. Bis vor kurzem betraf dies vor allem große, finanzstarke Streams doch die Klauen werden nun auch in Richtung der mittelgroßen und kleinen Streams ausgestreckt. Streamer die mit 100 Stunden Stream im Monat insgesamt 1000 Euro brutto einnehmen...



    Wozu dient eine Rundfunklizenz?

    "Sinn und Zweck der Rundfunkregulierung ist die Aufrechterhaltung einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie die Sicherung der Meinungsvielfalt. Das gilt auf allen Verbreitungswegen wie Satellit, Kabel oder Terrestrik und dem Internet. Denn Anbieter, die ein Millionenpublikum erreichen, sind theoretisch in der Lage, Menschen zu beeinflussen. Es besteht die Gefahr gezielter Fehlinformation oder einseitiger Berichterstattung. Um dem daraus erwachsenden Missbrauchspotenzial zu begegnen, wird der Rundfunk vornehmlich durch die Landesmedienanstalten reguliert."

    Diesen Text gibt es wahrscheinlich so oder in ähnlicher Form auch in Nordkorea.

    Quelle: wbs-law.de - Beratung der Sendelizenzen

    Weiters sind natürlich alle Kriterien des Jugendschutzes zu erfüllen.

    Als Kostenpunkt für die Lizenz muss man zwischen 1000 und 10.000 Euro rechnen. Je nach Gusto der Landesmedienanstalt. Diese Kosten fallen dann alle vier bis zehn Jahre neu an. Denn dann läuft die Lizenz ab.

    Damit ist dann ja wohl sichergestellt das unsere Jugend nicht beeinflusst wird richtig und damit ist es dann doch die Sache wert?



    Ein Blick zu RTL

    Wann immer man das Tiefste vom Tiefen sucht: Bei RTL ist man gut bedient. Um 14 Uhr beim Blaulichtreport kriegt das Kind von heute alles was es für eine gesunde Kindheit braucht. Inklusive Frauen die sich kleine Sahnetörtchen auf die Brüste sprühen lassen und sexueller Belästigung.

    Ich störe mich nicht daran. Ich glaube nicht daran das ein Kind durch sowas nachhaltig geschädigt wird. Es zeigt aber wie scheinheilig mit dem Thema Jugendschutz in Deutschland, generell Europa, umgegangen wird und vor welchen Karren man das Thema spannt.

    Für den Schutz ihrer Kinder sind in letzter Konsequenz, so war es immer, die Eltern verantwortlich.

    Aber betrachten wir doch den noch wesentlich relevanteren ersten Punkt:

    "Es besteht die Gefahr gezielter Fehlinformation oder einseitiger Berichterstattung."

    Es gibt den Modebegriff "Scripted Reality" oder wie Trump es nennen würde: Alternative Fakten. Fehlinformationen und Lügen sind also ein großes NoGo? Warum hat RTL dann eine Rundfunklizenz?

    Wenn die Landesmedienanstalten also ihren selbst auferlegten Aufsichtspflichten nicht nachkommen: Wozu gibt es sie dann eigentlich?

    Mit dem Vorwurf ihre Zuschauer gezielt zu täuschen konfrontiert geht RTL im Übrigen sehr locker um.

    Zitat: "Die Zuschauer seien mündig genug, um den Unterschied zwischen Inszenierung und Realität zu erkennen."

    Das sehe ich genauso! Stellt aber die Frage wozu es eine Rundfunklizenz braucht.

    Die privaten Sender Deutschlands verstoßen jeden Tag am laufenden Band gegen die Auflagen die eine Rundfunklizenz mit sich bringt. Damit gibt es aber auch kein Problem denn: Es geht ja nicht um die Sache. Es geht ums Geld.



    Was hat das was du da schreibst nun mit den Streamern zu tun?

    Eine ausgezeichnete Frage! Was hat eine Rundfunklizenz nun mit einem Streamer zu tun?



    In der klassischen Hierarchie des Rundfunks nimmt ein Streamer die Rolle des Produzenten ein. Er produziert ein Programm welches vom Fernsehsender, in dem Fall Twitch, ausgestrahlt wird. Niemand käme auf die Idee beim ZDF den Nachrichtensprecher um eine Rundfunklizenz zu bitten.

    Warum macht man es dann bei Streamern die das Programm für Twitch produzieren?



    Weil mans kann!

    Über die Interessen der Landesmedienanstalten kann man nur spekulieren. Ehrliches Interesse wird hier auf Lobbyisten und Geltungssucht treffen. Das klassische Fernsehen wie es unsere Eltern kannten ist im Sterben begriffen.

    Streams nehmen den großen Privaten die Marktanteile weg. Das ist keine Illusion meinerseits sondern belegter Fakt. Von 2015 bis 2017 sind die Zuschauerzahlen bei den großen Privatsendern Deutschlands während der Primetime um fast 20% zurückgegangen.

    Einen nicht unwesentlichen Anteil haben sich Video on Demand Anbieter eingesackt. Einen weiteren... Twitch.

    Einen Kampf gegen Twitch zu führen ist aussichtslos. Der Anwaltsapparat der Twitch zur Verfügung steht würde das deutsche Recht in Fetzen reißen und den Staat mit Klagen eindecken die uns alle bis ins Jahr 2050 beschäftigt halten. Das heißt nicht das ich das gut finde.

    Für RTL und Co. ist das aber auch gar nicht erforderlich. Die deutsche Streamingszene ist ein einfaches Ziel und der willfährige Recke, die Landesmedienanstalten die ihnen bereits jetzt jeden Unsinn durchgehen lassen, wird das schon richten.

    Immerhin ist RTL, die am meisten unter den neuen Medien zu leiden haben weil sie nichts als Mist produzieren, auch "Kunde" bei den Landesmedienanstalten Nordrhein Westfalen und dort mit Sicherheit bestens vernetzt.



    Der Aluhut lässt grüßen?

    Möglicherweise. Was bleibt ist eine Demontage eines Mediums das bisher jeder in Deutschland nutzen konnte um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Das ist in einer Demokratie immer eine bedauerliche Entwicklung denn eine Demokratie muss auch abweichende Meinungen aushalten können.

    Meine Abneigung gegenüber der Un-Unterhaltung und der Fehlinformation die im deutschen Privatfernsehen an der Tagesordnung ist sollte auch klar geworden sein.

    Man kann zur Regulierung von Twitch stehen wie man will: Menschen die Existenzgrundlage zu entziehen sollte jedoch niemals das Ziel eines westlichen Staates sein. Gesetze haben die Angewohnheit sich langsam zu ändern... wenn es dabei um eine Sache geht die dem Staat Einnahmen kostet.

    Oder sehr schnell. Beim Bundestrojaner hats ja auch geklappt...

Kommentare

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  1. Yeager
    Kein Problem.
    Downvotes störten mich noch nie. Solche aus Versehen erst recht nicht :D.
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  2. Takamisakari
    Ich denke, dass hier einige Grundvoraussetzungen verdreht werden. Im Endeffekt, und das kann man dem obigen Absatz auch wunderbar entnehmen, geht es um die innerländische Ausstrahlung, die reguliert ist, nicht aber um den Produktionsort (der theoretisch auch sehr vielfältig sein kann). Wenn man Twitch als Sender ansieht (was man auf Grund der veralteten Gesetze tun kann), dann ist dieser in den USA beheimatet. Zwar können wir Twitch "empfangen", aber das ist auch bspw. mit dem Fernsehsender CNN möglich. Haben CNN und diverse andere ausländische Sender eine deutsche Rundfunklizenz? Ich glaube kaum!


    Der Nachrichtensprecher ist ja letztendlich nur eine Marionette und nicht der Produzent.

    Deswegen geht man bei Twitch auf die Streamer selbst zu, da nicht Twitch die "Sendungen" produziert. Allerdings kann man es dennoch so auslegen, dass man Twitch als Produzent ansieht, denn sie lassen den "Schaustellern" freie Hand in der Programmgestaltung. Diese Sichtweise wird vor allem dann unterstrichen, wenn man von Twitch - und nicht von bestimmten Streamern - verlangt, unangemessene Inhalte zu unterbinden bzw. zu streichen.

    Im Endeffekt lässt sich das Konstrukt nicht mit der aktuellen Gesetzgebung vereinbaren. Das wiederum sollte es einem ins Visier geratenen Streamer eigentlich auch relativ leicht machen, in einem möglichen Gerichtsverfahren (wenn man es darauf ankommen lässt) als Sieger hervorzugehen.
  3. Ritter des Herbstes
    Ich würde ja sagen "Spar dir doch die Polemik", aber dann bliebe offengestanden nicht mehr genug Material für einen Blogeintrag über.^^

    Meine Lesart des ganzen Komplex ist ne sehr nüchterne: Die LMA NRW wartet nur drauf, dass mal jemand klagt und der ganze Fall in Karlsruhe geklärt wird, damit die Gesetzgebung mal den Arsch hochbekommt.
    Da wird keiner damit gerechnet haben, dass Medienanwälte scheinbar die Einzigen Vertretter ihres Berufsstand sind, die nicht gerne vor Gericht ziehen.
    Alternativ könnte man aber auch mal laut darüber nachdenken, dass die Großen vielleicht deswegen nicht klagen, weil sie sich ja die Lizenz leisten können. Hmmmm.

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  4. Tsabotavoc
    Sorry Yeager ich hab mich verklickselt und irgendwie kann man das nicht retour machen? :(

    Zu der Youtubersache: Youtuber sind davon nicht betroffen weil sie VOD produzieren und in der Regel keine Liveshow betreiben. Was die großen Twitcher betrifft die befanden sich eh im Rechtsstreit oder versuchten den Weg der Diskussion. Beides scheiterte. Auf diesen Wegen wird man wohl kaum etwas erreichen fürchte ich.
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  5. Yeager
    Mich stört dabei vorrangig Eines:
    Dass mWn bisher kein (großer) YTer klagte.
    Eventuell könnte sich die Klage nämlich ausweiten und auch die von dir beschriebenen Probleme mit den Rundfunkgebühren VS Niveaulosigkeit beinhalten. Ich schaue aus denselben Gründen, wie du sie nanntest seit über 10 Jahren nicht mehr fern, darf aber weiterhin für TV-Schwachsinn zahlen.
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