Es war ein verlustreicher Kampf. Sowohl mein Gegner, als auch ich, haben bereits einen Turm verloren. Wir beide wissen: dieses Spiel entscheidet sich auf dem dritten Brett. In weiser Voraussicht habe ich meine Legionskommandantin in der Vorrunde mit Hilfe des Blinzeldolches bereits vom zweiten Brett auf das dritte und alles entscheidende Schlachtfeld zu den anderen Helden geschoben. Es ist ein Kampf um jeden einzelnen Lebenspunkt von Dienern und Helden. Es wird geheilt und bewaffnet, es wird Schaden ausgeteilt und es werden weitere Diener an die Front geschickt. Mit den letzten verbliebenen Manapunkten spiele ich Gnadenstoß und Lykan, der mächtige Held meines Widersachers, ist vernichtet. Die Schlacht ist gewonnen. Der zweite und damit entscheidende Turm meines Gegners konnte meiner geballten Macht nicht standhalten. Ein grandioser Sieg!
Und dann passiert: nichts.
Selbst nach inzwischen etlichen Partien Artifact, ist die Leere nach einer gewonnenen Partie immer noch ein wenig überraschend für mich. Denn anders als bei den anderen virtuellen Kartenspielen, gibt es keine Belohnung. Kein freudig strahlender NPC, der mich mit einem Lächeln begrüßt und mit Goldmünzen zuschüttet. Kein sich füllender Erfahrungsbalken, an dessen Ende ein Bonus wartet. Keine täglichen Quests, die mich mit Gegenständen als Gegenleistung für getane Arbeit locken. Stattdessen habe ich die Wahl zwischen: Nächste Partie suchen, Gegnerisches Deck anzeigen und Zurück zum Menü.
Es ist seltsam ungewohnt, nichts für seine Leistung zu bekommen. Ein Belohnungssystem, sei es nun in Form von Gegenständen oder auch dem Leveln, ist inzwischen ein so elementarer Bestandteil beim Game Design, dass es eigentlich nur noch auffällt, wenn dieser Bestandteil fehlt – so wie es jetzt bei Artifact der Fall ist.
Wobei auch Artifact Spielmodi bietet, in denen man Belohnungen erhalten kann. Diese Spielmodi erinnern aber eher an ein Turnier, bei dem um einen Preis gekämpft wird. So verlangt das Spiel nämlich zunächst einmal einen Einsatz in Form von Tickets, die man nach den ersten fünf Frei-Tickets mit echtem Geld kaufen muss. Und auch dann ist eine Belohnung nicht garantiert. Erst ab dem dritten Sieg gibt es zumindest den Einsatz zurück. Wer aber schon vorher zwei mal verliert, geht leer aus: keine Belohnung, Einsatz weg. Ein Spielmodus für lockere, entspannte Partien für zwischendurch sieht anders aus.
Der Standard-Spielmodus, der dann auch passenderweise Casual heißt, ist hingegen völlig frei von Belohnungen. Außer der süßen Gewissheit, seinem Gegner überlegen gewesen zu sein, gibt es nichts zu holen. Und das ist wunderbar!
Wir sind es so gewohnt, dass nach jeder gelungenen – ja selbst nach missglückten – Aktionen im Spiel irgendwas für uns rausspringt, dass ein Fehlen dieser Mechanik eine richtig entspannende Wirkung haben kann. Nichts blinkt, nichts füllt sich, nichts klimpert, keine Boxen die darauf warten geöffnet zu werden. Einfach nur Spiel.
Neben dieser Ruhe und der (ich kann nicht glauben, dass ich nun dieses Wort benutze) Entschleunigung, hat ein Fehlen der Belohnungsmechanik aber noch einen weiteren positiven Effekt: das Spielen des Spiels um des Spielens willen. Wie oft haben wir uns durch stumpfsinnige Aufgaben gequält, nur weil uns dafür neue Items versprochen wurden? Wie oft schon haben wir uns eingeloggt, obwohl wir keine Lust auf das Spiel hatten, aber eben tägliche Quests zu erledigen waren? Die Designer der Spiele sind gut darin es zu verschleiern, aber es reichen einfache Belohnungsanreize und schon haben sie uns am Haken. Und einmal am Haken, fällt es schwer zu merken: wir spielen zu oft für die Belohnung und weniger um das Spiel zu spielen.
Entsprechend kann man die vielen Vorwürfe an Artifact, nämlich keine Möglichkeit anzubieten ohne Echtgeld-Einsatz an neue Karten zu kommen, aus anderer Perspektive auch als Lob verstehen. Valve verzichtet auf eine Belohnung in Form neuer Kartenpacks im Standard-Spielmodus. Wer sie erspielen möchte, muss dafür in den Turniermodus und einen Einsatz leisten oder sie, wie bei Kartenspielen üblich, auf dem Marktplatz tauschen oder kaufen. Wer das nicht möchte, der muss sich an einen neuen Gedanken gewöhnen: ein Spiel zu starten, um es zu spielen – und nicht für die Belohnung.
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