Laßt uns mal wieder „Nuclear War“ spielen!

Von Software-Pirat · 17. Januar 2019 · ·
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  1. Ronnie Raygun und der friedliebende Ghanji mögen sich nicht besonders. Also inszeniert der nette Herr Ghanji einen heimtückischen Propaganda-Angriff auf die größte Stadt von Ron Rayguns Nation. Daraufhin verlassen fünf Millionen Bürger das Land und ziehen in das Reich von Ghanji. Das erzürnt Ron Raygun derart, daß er gleich eine Interkontinentalrakete mit einem 100 Megatonnen-Sprengkopf scharf machen läßt und sie abfeuert. Ergebnis: 25 Millionen Tote.

    Nein, für zartbesaitete Spieler ist „Nuclear War“ sicher nichts. Wer es schon kritisch sieht, daß man bei „Hitman“ oder „Assassin’s Creed“ z.B. einen Auftragskiller spielt, der sollte die Finger von „Nuclear War“ lassen, denn hier werden die Toten in Millionen gemessen. Das Spiel erschien 1989 für Amiga, MS-DOS und dem Atari ST. Es war gewissermaßen eine Parodie auf das nukleare Wettrüsten im Kalten Krieg. Im Spiel selbst spielt man als Herrscher eine Nation, die im Kampf gegen vier andere Nationen und ihrer Anführer steht. Wer als letztes übrigbleibt, der hat gewonnen… also irgendwie… wenn man „überleben“ mit „gewinnen“ gleichsetzt.

    Für diesen Block entschied ich mich wieder einmal für die Amiga-Version, hauptsächlich aus nostalgischen Gründen (bin mit dem Amiga aufgewachsen), denn spielerisch gibt es keinen Unterschied zur PC-Version (und wohl auch nicht zur Atari-Version). Zudem habe ich bereits einen voll funktionsfähigen Amiga 1200 per Emulator auf der Festplatte meines PC installiert. Warum sich also per DOS-Box künstlich mit konventionellen und erweiterten Speichern herumärgern? Wobei es übrigens für die DOS-Box ein paar gute Frontends gibt, die solche Probleme elegant für einen lösen.

    Die Amiga-Version kam auf zwei Disketten und, obwohl sich der Diskettenwechsel in Grenzen hielt, unterstütze sie auch ein zweites Laufwerk. Zudem ließ sie sich auch auf Festplatte installieren. Allerdings sucht man auf beiden Disketten vergebens ein Icon für ein Installationsprogramm. Das Spiel verlangt hier etwas mehr Arbeit. Zuerst sollte man sich selbst, in dem Laufwerk seiner Wahl, einen Ordner erstellen, wie z.B. den Ordner „Nuclear“. Dann soll man ein Shell-Fenster öffnen und dort den Befehl „copy df0: dh1:Nuclear all“ eingeben, was nichts anderes bedeutet, daß man den Inhalt der Diskette im internen Diskettenlaufwerk „df0:“ auf die zweite Festplattenpartition „dh1:“ und dort in den Ordner „Nuclear“ kopiert. Das Selbe macht man mit der zweiten Diskette.

    Nuclear War (1989)(New World Computing)[cr PNA](Disk 1 of 2)_003.png
    Zum Abschluß der Installation bitte nicht vergessen die "Assign"-Anweisungen in die User-Startup zu schreiben. Sonst sucht das Spiel die benötigten Dateien im Diskettenlaufwerk. Die erste Diskette (Key-Disk) braucht man aus Kopierschutzgründen trotzdem.

    Wer jetzt glaubt, daß war es, der wird eine böse Überraschung erleben. Denn das Spiel ist so programmiert, daß es seine Spieldateien auf einer Diskette in einem Floppy-Laufwerk sucht. Also, muß man dem Betriebssystem sagen, daß der Inhalt der Disketten sich jetzt auf der Festplatte befindet. Das geht beim Amiga mit dem „Assign“-Befehl, dem man am Besten in die Startup-Sequence (für Leute die mit MS-DOS aufgewachsen sind, die Startup-Sequence ist eine Art Autoexe.bat) schreiben sollte. Also, wieder ein Shell-Fenster öffnen und „ed S:Startup-Sequence“ bzw. im Falle des Amiga 1200 „ed S:User-Startup“ eintippen. Ed wäre übrigens der Befehl für den Editor. Dort trägt man dann die beiden Zeilen „assign „Nuclear War 1“: dh1:Nuclear“ und „assign „Nuclear War 2“: dh1:Nuclear“ ein, startet den Rechnen neu, damit die beiden „Assign“-Befehle ausgeführt werden, und schon kann man spielen. Übrigens, das mit dem „Assign“ ist übrigens keine Seltenheit. Viele Microprose-Spiele verlangten das auch, „Civilization“ zum Beispiel. Aber zurück zu „Nuclear War“. Aus Kopierschutzgründen verlangt das Spiel aber trotzdem, daß man die erste Diskette eingelegt hat. Nicht unbedingt Sinn einer Festplatteninstallation.

    Dafür läuft das Spiel anstandslos und einigermaßen flott von der Festplatte, obwohl es von den Disketten auch keine Zumutung ist. Zudem gibt es von Festplatte die Option, daß Spiel ohne, das allerdings sehr witzige Intro, zu starten.

    Nuclear War (1989)(New World Computing)[cr PNA](Disk 1 of 2)_004.png
    Ein Bild aus dem Intro. Der Ritt auf der Bombe ist übrigens geklaut, und zwar aus dem Film "Doktor Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben". Übrigens, den Film unbedingt mal anschauen.

    Nach dem Start landet man im Hauptmenü, wo man seine vier Kontrahenten auswählt. Zu Auswahl stehen zehn so bekannten Persönlichkeiten, wie Ronnie Raygun, Ghanji, Gorbachef oder auch Col. Khadaffy. Wer nicht gerade erst in diesem Jahrhundert geboren wurde, wird wohl keine Schwierigkeit haben, diese netten Herren (und die eine Dame) ihren historischen Vorbildern zuzuordnen. Dabei haben alle unterschiedliche Herrscher unterschiedliche charakterliche Eigenschaften und Eigenheiten. So ist der gute Ghanji friedliebend, möchte die Welt mit seiner Musik beglücken und verzichtet komplett auf Nuklearwaffen, was ihn aber nicht weniger gefährlicher macht, seiner Propaganda sei Dank. Das genaue Gegenteil ist die einzige Frau in der Runde, P.M. Satcher. Die werte Dame hat überhaupt keine Hemmungen ein zünftiges Blutbad anzurichten und wirft mit Sprengköpfen nur so um sich. Wer sich nicht entscheiden kann, der klickt gleich auf „Nuclear War“. Das Spiel wählt dann zufällig vier Kontrahenten um die Weltherrschaft aus.

    Nuclear War (1989)(New World Computing)[cr PNA](Disk 1 of 2)_006.png
    Na, welcher von diesen Herren und der Dame wollen unsere Gegner sein? Alle Gegner haben unterschiedliche Eigenschaften und handeln entsprechend auch. Unterschätzt übrigens den netten Herrn Ghanji nicht!

    Das Spiel selbst ist relativ simpel. Jeder der Möchtegern-Weltherrscher besitzt zu Beginn einen Kontinent mit fünf mehr oder weniger großen Städten. Dann wird rundenweise jeweils eine Aktion durchgeführt. Zur Auswahl steht ein Propaganda-Angriff auf einen Gegner, oder man kann neue Waffen bauen. Wem das alles zu friedlich ist, der kann auch einen Bomber bzw. eine Interkontinentalrakete (kurz: ICBM) für den Abschuß vorbereiten und dann in der nächsten Runde auf ein Ziel seiner Wahl abfeuern, sofern eine entsprechende Rakete bzw. Bomber überhaupt verfügbar ist. Ansonsten muß gebaut werden. Alternative gibt es auch die Möglichkeit ein Abwehrsystem zu errichten um seine Städte zu schützen. Zur Auswahl steht dabei ein Netz aus Laserwaffen, was für eine Runde zuverlässig gegen ICBMs schützt, sowie eine MegaCannon, die auch Bomber routiniert vom Himmel holt, aber auch in diesem Fall nur für die Runde, in der sie eingesetzt wird.

    Zudem gibt es ein Diplomatie-Menü, was aber nur äußerst oberflächlich ist. Anhand der Grimassen der Kontrahenten und einer zweistelligen Zahl, kann man einschätzen, wie gut es mit der Beziehung steht. Bei 0 braucht man sich überhaupt keine Gedanken darüber zu machen, man ist absolut verhasst, während 99 für so etwas, wie „dicke Kumpels“ steht, was allerdings Frau Satcher nicht davon abhält, eine nette Atomrakete zu schicken. Wer will, kann versuchen die Beziehungen etwas zu verbessern, was je nach Gegner mehr oder weniger Erfolg bringt.

    Hat man eine ICBM vorgeheizt, kann man sie in der nächsten Runde einsetzen. Dazu wählt man einfach eine Stadt als Ziel aus, einen entsprechenden Sprengkopf und schon wird der rote Knopf gedrückt. Aufpassen muß man nur, daß die entsprechende Rakete auch den Sprengkopf tragen kann. Insgesamt gibt es vier Sprengköpfe, die kleinen mit 10 Megatonnen (MT), eine etwas größere Variante mit 20 MT, die große mit 50 MT und zum Schluß die Ultima Ratio mit 100 MT. Wieviel Schaden, also wie viele Millionen sterben, bestimmt ein wenig der Zufall. Im Idealfall erwischt es ein Waffenlager, was selbst bei einem kleinen Sprengkopf das Ende einer größeren Stadt bedeutet. Im schlimmsten Fall erweist sich die Waffe als Fehlzünder, was vor allem bei 100 MT etwas ärgerlich ist.

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    Jetzt geht es an Eingemachte. Wir machen eine Deathbringen-ICBM startklar. Maximale Zuladung 50 Megatonnen!

    Alternativ zu den Raketen stehen die Bomber zu Verfügung. Bomber haben den Vorteil, daß sie mehrmals eingesetzt werden können, wenn ihre maximale Zuladung nicht beim ersten Angriff erreicht wird. So kann der Bomber in der nächsten Runde gleich ein weiteres Mal eingesetzt werden. So kann der NP-1 (NP steht für „Nuclear Postman“) bis zu fünf Mal eingesetzt werden, wenn man ihn nur mit den kleinen 10 MT-Sprengköpfen lädt. Will man es gleich richtig knallen lassen, und lädt ihn gleich mit 50 MT, kann er nur einmal eingesetzt werden und muß dann neu produziert werden. Was übrigens nachproduziert wird, bestimmt auch der Zufall. Das kann manchmal ziemlich nervig werden, wenn man einen 100 MT-Sprengkopf hat, aber leider keine passende Rakete dazu, und das Volk unbedingt der Meinung ist, man braucht mehr Abwehrsysteme. Wieviel produziert wird, hängt aber von der Anzahl der noch existierenden Städte ab.

    Hat man seinen Zug gemacht, schaltet das Spiel auf die Weltkarte um, und zeigt die Aktionen der Gegner und deren Auswirkungen. Dabei können allerlei zufällige Ereignisse passieren, die mal mehr oder weniger gut für das betroffene Land sind. Eine nukleare Kernschmelze ist z.B. schlecht und führt zu einem starken Bevölkerungsrückgang. Dagegen ist eine Bevölkerungsexplosion positiv und führt zu einem starken Anstieg, genauso übrigens, wenn Außerirdische landen und sich ansiedeln. Im Gegenzug kann aber auch eine ganze Stadt durch ein Erdbeben zerstört werden, oder verrückte Space Kadetten bauen sie zu einem Raumschiff um und schicken sie in den Weltraum. Außerdem kann ein riesiges 16-Tonnen-Gewicht aus dem Weltall auf eine Stadt fallen und sie komplett zerstören, woher auch immer das Gewicht kommt.

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    Was zwischen den Zügen passiert, sehen wir auf der Weltkarte. Col. Khadaffys Bomber hat gerade eine Stadt von Infidel Castro
    den Erdboden gleichgemacht. Unser Land ist übrigens die Insel in der Mitte.


    Gewonnen hat zum Schluß die Nation, die als einzige noch mindestens eine intakte Stadt hat. Und der jeweilige Herrscher freut sich dann überglücklich in der Abschlußsequenz. Das ist schwerer als es klingt, den nach Vernichtung der letzten Stadt, verschießt eine sterbende Nation nochmals ihr restliches Arsenal wahllos auf die Gegner. Das führt dazu, daß „Nuclear War“ eines der Spiele ist, wo zum Schluß keiner gewinnt. Die Erde explodiert dann schon in einem heftigen Feuerball.

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    Da freut sich der Ghanji! Er hat gewonnen!

    Macht „Nuclear War“ heute noch Spaß? Aber ja doch! Das Spiel lebt von seinem derben, schwarzen Humor. Spielerisch ist es aber eher simpel und man hat schnell das Meiste gesehen. Zudem braucht man reichlich Glück, um es zu gewinnen. Wenn alle vier Gegner auf die Idee kommen, ausgerechnet den Spieler anzugreifen, hat man fast keine Chance mehr, insbesondere wenn die Raketen sich als Blindgänger erweisen. Außerdem nervt es ein wenig, daß man keine Möglichkeiten hat auf die Waffenproduktion Einfluß zu nehmen. Was nützen einen die dicksten Sprengköpfe, wenn man keine passende Trägerrakete hat? Zudem handeln die Gegner nicht immer logisch, was aber jetzt nicht so unrealistisch sein mag. Schließlich handelt auch nicht jeder große Herrscher (und solche, die sich für groß halten) der echten Welt logisch und nachvollziehbar. Schade aber, daß es keinen Mehrspielermodus besitzt. Für eine schnelle Partie zwischendurch kramt man es aber immer gern mal wieder heraus.

    Technisch gesehen ist die Grafik, dank buntem Comic-Look, immer noch nett anzuschauen. Der Sound selbst ist allerdings etwas mager, aber ausreichend. Mehr hätte aber doch schon sein dürfen, und zwar auch bereits damals im Jahr 1989. Zumindest gilt das für die Amiga-Version, den in Sachen Soundfähigkeiten war der Amiga auch damals schon sehr leistungsfähig.

    Wäre „Nuclear War“ ein Kandidat für ein Remake? Ich antworte mal mit jain. Das aktuelle Weltgeschehen, und insbesondere die Anführer der Großmächte, schreien geradezu danach und wollen wohl unbedingt auch ihren Platz in einer Neuauflage haben (wer Namensvorschläge hat, ruhig in den Kommentarbereich posten). Spielerisch gesehen bietet das Spiel aber zu wenig um ein Remake zu rechtfertigen, zumindest für einen Preis der höher als fünf Euro betragen würde. Und ein Mehrspielermodus müßte es dann auch haben. Für mehr müßten einfach mehr Optionen und Möglichkeiten ins Spiel eingebaut werden. Dann könnte man aber nicht mehr von einem „Remake“ sprechen.

    Fazit: „Nuclear War“ macht seines derben, schwarzen Humors immer mal wieder Laune für eine Partie zwischendurch. Für mehr bietet es aber spielerisch zu wenig. Trotzdem ist es ein gelungenes Stück „Software-Satire“, aber ganz nüchtern betrachtet leider kein besonders gutes Spiel. Trotzdem, das Spiel darf man gern mal anschauen. Das gilt übrigens auch für das witzig geschriebene Handbuch.

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    Doch meisten enden das Spiel mit der kompletten Vernichtung, und unsere Erdkugel verwandelt sich in einen Feuerball.

    Über den Autor

    Software-Pirat
    Irgendwann bekam der Software-Pirat mal einen NES zu Weihnachten geschenkt, obwohl er sich bislang für Video-Spiele nicht interessierte. Aber von da an ging es los. Später kam noch ein Amiga 500 ins Kinderzimmer, dann einen Amiga 1200. Ein PC gab es erst später. Seitdem gehören PC-Spiele zum Hobby des Software-Piraten.

Kommentare

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  1. Urobe
    Das ist ja ein tiefer Griff in die Nostalgiekiste. Ein Freund hatte das auf seinem Amiga und wir haben zusammen immer wieder versucht zu "gewinnen" was uns auch ein paar Mal gelang. Es ist ein ziemlich lustiges Spiel wenn man mit dem schwarzen Humor umgehen kann. Danke für den Tripp in die frühen Neunziger.
  2. Macro82
    es gibt da im Vergleich noch ernstere Spiele mit dem Thema die zeigen wie sinnlos ein „Nuclear War“ sein kann

    https://www.youtube.com/watch?v=6vDEHv8Qjog


    davon gibt übrigens auch eine weit bessre amiga Umsetzung
    https://www.youtube.com/watch?v=H-5WSYPQe6s

    den Vorgänger gab es übrigens damals schon auf dem C64:
    https://www.youtube.com/watch?v=xQaDP8EUk9o

    die heutige Umsetzung nennt sich Defcon .sozusagen existiert da ein Nachfolger der es in die moderne geschafft hat.

    https://www.youtube.com/watch?v=GjvgzWvnyVM

    Ich würde mal sagen das die spiele durchaus einen berechtigen guten pädagogischen Zweck damals hatten .

    den sie zeigen wie sinnlos krieg im allgemeinen sein kann.

    BTW das war einer meiner ersten Spiele die ich damals auf dem m c64 usw hatte .
      -GradX- gefällt das.
    1. -GradX-
      Theater Europe habe ich damals auf dem C64 gespielt.
      Konnte man das Spiel überhaupt gewinnen? Sobald die erste Atomrakete abgeschossen wurde, war das Spiel ohnehin vorbei.

      Danke für den Nostalgietrip! :)
      Macro82 gefällt das.
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