Wir erinnern uns an die Ankündigung von „The Outer Worlds“, Obsidians nächstem Rollenspielepos. Es sorgte für einige Diskussionen, als Obsidian ankündigte, das Spiel sei lediglich in Egoperspektive spielbar. Nicht viel anders war der Aufruhr, als CD Project Red mit „Cyberpunk 2077“ einen ähnlichen Weg ging und ankündigte, das Spiel- abgesehen von etwaigen Zwischensequenzen- ausschließlich in Egoperspektive darstellen zu wollen. Doch auf den Sinn oder gar Unsinn einer Egoperspektive möchte ich an dieser Stelle gar nicht hinaus. Mein Anliegen ist nämlich ein anderes: Egoperspektive, ja gern doch! Aber dann bitte wirklich gut gemacht! Und ich möchte nun erklären, was ich damit meine.
Zeigt mehr Körper!
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Gravitation bitte?
Als ich damals (viel zu jung, ich gebs ja zu) Far Cry 2 spielte, war ich nicht nur von der schicken Grafik und der coolen Action begeistert, mich faszinierte auch die Interaktion meines Charakters: Ließ ich ihn ins Auto steigen, sah ich Hände am Lenkrad und Füße an den Pedalen. Verarztete ich mich, sah ich etliche Gelenke, die korrekt gerückt oder von Kugeln befreit wurden. Kletterte ich Leitern hoch, hielten sich meine Hände an den Seiten fest. Dieses Gefühl, einen Körper zu besitzen, steigerte meine Immersion mit meinem Charakter sehr stark (obwohl er so gesehen namenlos ist und man beim Runterschauen keine Füße sieht).
Seitdem bin ich ein virtueller Fußfanatiker. In jedem Egoshooter, den ich neu anfange, ist es die erste Aktion: Erst mal runtergucken und checken, ob da so was wie ein Körper ist. Und regelmäßig ist da einfach… nur Boden. Keine Beine, keine Füße, auch kein Schatten, nüscht. Und das finde ich allein schon dank Realismus dämlich: Ich bin doch keine Figur, die nur aus zwei Armen mit ner Knarre in der Hand besteht. Wobei Schweben bestimmt etwas Cooles ist.
1. Zugegeben, in einem Spiel wie Quake 3 achtet man weniger auf seine Füße als auf das nächste Power-Up.
An sich ist es vielleicht aber doch etwas komplizierter. Die Frage ist doch zuerst, was ich sein soll. In einem Arenashooter wie Quake oder einem Spiel, das aus einem fixen Match besteht (CoD beispielsweise), bin ich meistens einfach irgendjemand. Ich renne fix durch die Gegend, knalle ein paar Spieler ab, erledige ein bestimmtes Ziel und das wars. Ein namenloser Charakter, ohne Hintergrund, ohne Motiv und nach dem Ableben als Klon an irgendeinem anderen Punkt der Karte wieder existent. Im Zuge der meistens hohen Geschwindigkeit ist ein virtueller Körper, den ich sehe und mit dem agiere, vielleicht sogar hinderlich. Denn es wäre doch taktisch etwas unklug, wenn ich in Quake die Rüstung erst einmal in einer Animation aufwändig anziehen muss, anstatt sie einfach einzusacken und die Rüstungspunkte direkt zu kassieren.
Doch natürlich ist so etwas wie Geschwindigkeit oder Setting nicht der ausschlaggebende Punkt. „Battlefield“ beispielsweise ist ebenso ein Shooter wie Quake (ja, ich weiß, der direkte Vergleich hinkt), versucht sich aber deutlich mehr am Realismus (oder tat das zumindest mal) und bietet insgesamt auch ein etwas „bodenständigeres“ Setting. Und siehe da: Ich schaue runter und ehe einen Körper. Zumindest ab dem dritten Teil. Auch, wenn ich ein namenloser Charakter bin.
Ich fühl mich wohl in deiner Haut
Etwas anders ist es allerdings, wenn ich etwas spiele, das durchaus auf meiner Interaktion oder einer bestimmten Grundeigenschaft des Spiels basiert. Ein Beispiel ist da Faith in „Mirror’s Edge“. Faiths flinke, agile, aber immer noch leicht träge Parkourmoves quer über Häuserdächer machen das gesamte Spiel aus: Ich renne, weiche aus, klettere, überwinde. Das gesamte Konzept würde kaum funktionieren, wenn Faith keinen Körper aufweisen würde.
Oder ein anderes Beispiel: Sareth in „Dark Messiah of Might and Magic“. In dem Spiel schnetzele, trete, haue und verzaubere ich, was das Zeug hält. Das Spiel lebt von seinem dynamischen, intensiven Kämpfen in der Egoperspektive. Wie wäre das, wenn man auf einmal die vielen Animationen und den Körper streichen würde? Das Spiel würde einige Dynamik einbüßen.
Doch das Spiel des dunklen Messias zeigt noch mehr, denn mein Spielstil zeigt sich auch in meinem Look: Als Krieger sehe ich einen dicken Brustpanzer und ein schweres Kettenhemd an mir. Bin ich der Magier, trage ich eine edle Robe. Und als Dieb umfließt mich ein dunkles, schnittiges Räuberoutfit.
Spiele wie "Dark Messiah of Might and Magic" (2, links) oder "Mirror's Edge" (3, rechts) profitieren deutlich vom Körpergefühl.
Natürlich wäre das jetzt auch nicht anders, wenn ich ein beliebiges Rollenspiel in 3rd-Person spielen würde. Doch in der Egoperspektive fühle ich mich „mehr im Spiel“. Ich identifiziere mich noch mehr mit meinem Charakter, fühle in seiner Haut.
Und wo kann ich mich noch besser mit meinem Charakter identifizieren als in einem Rollenspiel? Dieses Genre ist doch geradezu dafür prädestiniert. Natürlich, es kommt dabei auch auf das Spiel an. Ein „Dragon Age“ beispielsweise wäre bei dem Konzept nur schwierig in der Egoperspektive umzusetzen. Doch was ist mit anderen Rollenspielen wie beispielsweise „Elder Scrolls“ oder „Fallout“? Den Großteil dieser Spiele kann ich auch in Egoperspektive absolvieren. Doch so etwas wie ein wirkliches Körpergefühl ist in diesen Spielen, wenn überhaupt, nur sporadisch vorhanden. Die Animationen in Egoperspektive sind rar und meistens hölzern; und so etwas wie einen Körper vermisse ich ebenso. In Spielen wie „Borderlands“ ist das leider auch nicht viel anders.
In meinen Augen, im Sinn
Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Wenn ich ein beliebiges Spiel in Egoperspektive und mit realistischem Körpergefühl erleben möchte, muss das erst einmal realisiert werden. Die Animationen müssen flüssig und authentisch wirken. Mein Kopf darf nicht hin und her schütteln, als wollte ich frische Beute mit meinen Zähnen zerfetzen. Und gleichzeitig ist die Frage, ob es wirklich für jede Interaktion eine Animation geben soll, und wenn ich einfach nur irgendeinen winzigen Gegenstand vom Boden aufhebe.
Dennoch halte ich eine gut umgesetzte Egoperspektive in Egoshootern und Rollenspielen mit entsprechendem Setting für etwas unglaublich Wichtiges. Denn meine Handlungen, meine Entscheidungen können sich auch in meinem eigenen Look wiederspiegeln. Ich brauche nur herunterzuschauen und sehe sofort, welchen Stil ich gewählt habe und in welche Richtung es für mich gehen kann.
Natürlich soll solch eine gut umgesetzte Perspektive nicht das Hauptaugenmerk eines solchen Spiels ausmachen. Doch ich denke mal, dass ein entsprechendes Spiel durch solch eine Designentscheidung noch mehr Tiefe, noch mehr Liebe zum Detail finden könnte. Und gerade so etwas kennt man von Obsidian und CD Project Red doch. Die Gameplayvideos von „Cyberpunk 2077“ deuten bereits an, dass man sich bei den werten Entwicklern in Polen vielleicht schon ähnliche Gedanken gemacht hat.
Also, Obsidian: Nur her mit eurer Egoperspektive! Aber bitte auch ordentlich umgesetzt!
Seht ihr das ganze Thema anders? Habt ihr vielleicht schon ähnliche Beobachtungen gemacht? Stimmt ihr mir zu? Habt ihr Kritik und Anregungen? Dann ab damit in die Kommentare! Aber denkt dran: Freundlich bleiben. ;-)
Screenshots:
1. https://www.raspberrypi.org/app/uploads/2014/03/quake3.jpg
2. https://images-eu.ssl-images-amazon.com/images/G/02/uk-videgames/stores/ubisoft/messiah/messiah4.jpg
3. https://static.giantbomb.com/uploads/original/0/2287/844700-medgp3119.jpgDaDuckScrooge, Stirrling, naru1305 und einer weiteren Person gefällt das.
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