Von Qualität und anderen Unannehmlichkeiten

Von kneggerito · 15. Juli 2014 · Aktualisiert am 15. Juli 2014 ·
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  1. Was mit Goat Simulator, einem Produkt eines einmonatigen Game Jams, seinen durchaus kreativen und publikumswirksamen Anfang nahm, zeigt mit neueren „Games“ wie dem Grass- und Rock-Simulator einen Trend auf, welcher zwar zu erwarten war, inzwischen jedoch auf eine viel größere Problematik hindeutet: Das Überschwemmen des Indiemarktes mit Titeln, welche qualitativ kaum mehr einen Anspruch haben. Waren Bugs und Glitches im Goat Simulator durchaus Stilmittel, zeugen sie doch von einer Bereitschaft seitens der Spieler, qualitativ minderwertige Produkte dennoch zu kaufen. Doch was bedeutet diese Entwicklung für kleine Entwicklerstudios?

    Ich erinnere mich zurück an Prä-Breitbandinternet-Zeiten: Entwickler und Publisher versuchten bis zum Releasetermin ein möglichst fehlerfreies Produkt fertigzustellen; und zwar aus einem ganz pragmatischen Grund: Das Nachliefern größerer Patches war nur schwer umzusetzen. Einzige Verbreitungsmöglichkeit war damals das Liefern auf CDs der Videospielmagazine. Dies erforderte nicht nur ein wasserdichtes Qualtitätsmanagement, sondern auch eine besondere Sorgfalt beim Entwickeln. Titel, welche durch schlechte Performance oder gar Unspielbarkeit von sich reden machten, stellten ein finanzielles Fiasko dar.

    Was hat sich geändert? Inzwischen stellen sog. Day-One-Patches, also „Nachbesserungen“ welche am Releasetag zur Verfügung stehen, eher die Regel als die Ausnahme dar. Die Gründe hierfür sind sowohl beim Publisher, dem Entwickler, als auch beim Kunden selbst zu suchen.

    Von Seiten des Publisher bieten Day-One-Patches die Möglichkeit, das Produkt zum festgelegten Datum, auf welches die Werbemaßnahmen und Preorder-Käufe ausgerichtet sind, ein zu halten, selbst wenn das Produkt noch unter teilweise schwerwiegenden qualitativen Mängeln leidet. Resultat: Keine Verschiebungen, „zufriedene“ Kunden.

    Für den Entwickler bietet sich im Umkehrschluss die Option, weiter am Produkt zu arbeiten und die Zeit zwischen Gold-Meldung und Release effektiv zu nutzen und dennoch die vertraglich fixierten Lieferzeiten einzuhalten.

    Doch leidet unter dieser Praktik häufig der zahlende Kunde, wie bei dem von OP Productions rotzfrech auf den Markt geschmissenem ehemals „The War Z“, heute, nicht minder frech durch Namensänderung zu „Infestation: Survivor Stories“ getarntem Pre-Alpha-Vollpreistitel, erkennbar.

    Nun verkauft sich ein derartiges Produkt dennoch. Und auch ich muss gestehen, dass der Hype um kaufbare Alpha- oder Betaversionen bei mir seine Wirkung zeigt. Dass dies kein Einzelphänomen ist haben Entwickler und Publisher bereits seit längerem erkannt. So schnellen die Verkäufe für noch nicht fertiggestellte Titel wie DayZ Standalone oder Star Citizen seit Ende letzten Jahres nach oben; was nicht per se als schlecht bezeichnet werden kann, gibt es doch dem Entwickler uU die Möglichkeit ein Produkt schon finanziert zu haben, bevor es als Retailversion in den Läden steht.

    Und genau hier verändert sich der Markt; und scheinbar auch die Ansprüche der Kunden. Was auf den ersten Blick wie eine sinnvolle Entwicklung erscheint, da Spieler nun besser über den Entwicklungsstand ihrer heiß erwarteten Titel informiert sind und durch ihr Feedback teilweise sogar partizipativ Einfluss auf die Entwicklung von Titel nehmen können (Backer bei Kickstarter, Voter bei Steam Greenlight), führt im Endeffekt zu einer Überschwemmung des Marktes mit Titeln von kleinen Entwicklern, was einen enormen Konkurrenzdruck erzeugt, wie aus Rabattaktionen für kaum zwei Monate alte Titel (siehe Steam Summersale) zu erkennen. Man sollte meinen, dass Konkurrenz keinem Markt schadet, allerdings sieht es hier doch etwas anders aus: Qualitativ minderwertige Produkte oder offensichtliche Versuche einzelner, Backer und Supporter mit vielen leeren Versprechungen um ihr Geld zu erleichtern (Earth 2066, Mythic: The story of Gods and Men), schaden der Branche an sich. So haftet mittlerweile ein gewisser Trash-Faktor der Indieszene an, welcher alles andere als seriös und professionell wirkt. Titel wie der Grass- oder Rock-Simulator mögen diese Entwicklung satirisch überzeichnen, doch zeugt dies nur von der Brisanz der Situation.

    Wie kann dieser Problematik begegnet werden? Einerseits ziehe ich hier klar die anbietenden Plattformen in die Verantwortung. Durch hohe Anforderungen an Qualität und maximale Transparenz müssen Steam und Co die User vor offensichtlichem Betrug schützen. Doch wäre es zu einfach die gesamte Verantwortung hier abzuwälzen. Auch die Entwickler selbst sollten durch entsprechende PR-Maßnahmen ihr Image als seriöse Anbieter untermauern.

    Nicht zuletzt allerdings appelliere ich aber auch an Baker und Voter: Hohe Qualitätsansprüche sind durch selektiven Kauf und kritisches Feedback durchaus zu äussern, schließlich bietet ein gutes, ausgereiftes Produkt schlussendlich das bessere Spielerlebnis; abgesehen von Goat Simulator. Der ist schon ganz gut so.



    erschienen auf Vencrit.com

Kommentare

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  1. Ranger_the_75th
    Gefällt mir echt gut, bringt ein wichtiges Problem der Spieleentwicklung auf den Punkt: Die Seriösität von kleinen Entwicklerstudios.
      1 Person gefällt das.
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