Laßt uns mal wieder Sensible World of Soccer spielen!

Von Software-Pirat · 18. Juni 2019 · ·
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  1. Gleich vorne weg: Das Beste Fußball-Spiel der Videogeschichte ist Sensible Soccer bzw. Sensible World of Soccer! Das behaupte ich einfach mal so. Kein FIFA oder Pro Evolution kommt da ran. Und nein, ich laß mit mir darüber auch nicht diskutieren! Und in diesem Punkt bin ich auch gegen nachvollziehbare, logische, begründete, rationale Argumente immun. Aber warum finde ich Sensible Soccer so genial? Antwort: Weil es so unglaublich viel Spaß macht! Na, das ist doch mal was!

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    Der Sport der die Welt bedeutet! Das Titelbild von Sensible World of Soccer. Uns erwartet nicht mehr und nicht weniger, als die gesamte Welt des Profi-Fußballs des Jahres 1996 bzw. 1997. Na, wenn das nichts ist?

    Entwickelt wurde Sensible Soccer von Sensible Software, die schon mit 1987 mit dem genialen Wizball auf dem C64 (und natürlich auch anderen Systemen) auf sich aufmerksam machten. Für den Vertrieb war Renegade Software zuständig. Einem Interview in der Power Play zufolge, waren die damaligen Programmierer riesige Fans von Anco’s Kick Off. Also schauten sie sich Kick Off ganz genau an, überlegten, was man besser machen könnte und entwickelten ein eigenes Spiel. Das Ergebnis nannte sich dann Sensible Soccer, kam im Sommer 1992 für den Amiga auf dem Markt und staubte im Power Play Test (Ausgabe 7/92, wer den Test lesen will, findet ihn auf www.kultpower.de) gleich mal 85 % Spielspaß ab. Es folgten Umsetzungen für den Atari ST, den PC, sowie diverser Konsolen, wie Mega Drive und SNES, wobei diese tatsächlich zum Teil auf spätere Versionen beruhen. Da die erste Version weder gelbe noch rote Karten enthielt, wurde für die Heimcomputer bald eine leicht verbesserte Version mit dem Titel Sensible Soccer 1992/93 nachgereicht. 64 Club- und 32 Nationalmannschaften standen zur Verfügung. Dazu kamen noch 64 eigene Mannschaften bei denen die Entwickler ihre Fantasie freien Lauf ließen. Entsprechend abstrus bis witzig sind dann auch die Mannschafts- bzw. Spielernamen. Wem das zu extrem war, und lieber mit seiner Kreisligamannschaft auflaufen wollte, der konnte dies tun. Die eigenen Mannschaften ließen sich vollständig editieren.

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    Das Hauptmenü wirkt spartanisch, ist aber übersichtlich und erlaubt uns was alles, was das Herz begehrt.

    Kleiner Gag am Rande. Zu den eigenen Mannschaften gehörten auch die beiden Finalteams von 1966, also England und Deutschland. Organisierte man ein Freundschaftsspiel zwischen diesen beiden Mannschaften, fand es im stillvollen Schwarz-Weiß statt. Cool!

    Einen Quantensprung in Sachen Umfang erfuhr die Serie 1994 mit Sensible World of Soccer. Spielerisch blieb zwar alles gleich bzw. es gab nur ganze leichte Verbesserungen, dafür nahm die Anzahl der spielbaren Vereins- und Nationalmannschaften stark zu. So waren alle damaligen Profimannschaften im Spiel enthalten (behauptet zumindest Wikipedia), einschließlich der Wettbewerbe und Nationalmannschaften von allen Kontinenten. Wer schon immer mal mit den Fidschi-Inseln gegen den Oman spielen wollte, konnte dies tun, genauso, wie auch die indische Meisterschaft spielbar war. Insgesamt gab es etwa 1600 Teams und 22000 Spieler. Eine stattliche Anzahl. Selbstverständlich waren auch wieder die eigenen Teams dabei, sowie wieder ein leistungsfähiger Editor.

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    Die Aufstellung vor der Spiel der Stuttgarter Kickers beim FSV Mainz 05. Und wenn finden wir da im Mittelfeld der Mainzer? Richtig, auch ein späterer "Champions League"-Siegertrainer fängt mal unterklassig an.

    Neu war zudem ein Karriere-Modus, der es einem erlaubte, als Spieler-Trainer und Manager zu agieren. Wer jetzt eine Art Sensible Bundesliga Manager dachte, der wurde aber enttäuscht. Die Manager-Funktionen beschränkten sich auf Spielertransfers.

    Zu Sensible World of Soccer kamen bald ein paar Vollpreis-Updates. Das erste war Sensible World of Soccer 95/96, zudem es noch eine spezielle EM-Edition gab, genannt European Championship Edition. Dann gab es noch eine 96/97-Variante, die auch gleichzeitig die letzte war. Es gab dann zwar mehrere Versuche das Spiel in 3D umzusetzen, die aber nicht wirklich erfolgreich waren. 2006 erschien dann noch ein weiterer Ableger mit dem Titel Sensible Soccer 2006, zudem ich auch leider nichts schreiben kann, da ich das Spiel nie gespielt habe. Es war aber wohl auch nicht besonders erfolgreich. Das Original wird übrigens immer noch gespielt und es genießt einen gewissen Kultstatus. Bis heute gibt es Meisterschaften. Wer Interesse hat, der sollte mal die Seite www.sensiblesoccer.de aufsuchen.

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    Mit der richtigen Taktik zum Erfolg! Rosenborg Trondheim spielt im klassischen 4-4-2.

    Kennen gelernt habe ich Sensible Soccer übrigens damals natürlich durch den Testbericht in der Power Play. Die erste Version, die in meinen Besitz gelangte, war die European Champions, eine spezielle EM-Edition der 1992/93-Ausgabe. Gekauft habe ich sie mir damals als Teil der Spielesammlung World Cup Year 1994, die neben Sensible Soccer auch Goal!, eine Art inoffizielles Kick Off 3, programmiert von Dino Dini, dem Kick Off-Entwickler (über das offizielle Kick Off 3 legen wir mal den Mantel des Schweigens) das 3D-Fußballspiel Striker (war auch gut), sowie der Manager Championship Manager 93 (nicht schlecht für Fans von Statistiken und Tabellen, mir hat der Bundesliga Manager aber besser gefallen). Später erwarb ich zudem auch die CD32-Version der European Champions (für 5 DM übrigens), in der Hoffnung, daß die auch auf dem neuen CD-Laufwerk für meinen Amiga 1200 laufen würde, was sie übrigens nicht tat. Schade.

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    Tor für Schweden! Während die Deutschen mißmutig warten, daß es weiter geht, jubeln die Schweden noch!

    Das nächste Spiel war European Championship Edition von Sensible World of Soccer, die ich mir damals kaufte, eine Investition die sich richtig lohnte. Kaum ein Spiel spielte ich häufiger und länger als dieses Meisterwerk. Glücklicherweise gab es einige Fans, die zudem eine Festplatten-Installer programmierten, den ursprünglich unterstütze keine Version von Sensible Soccer eine Festplatte. Einmal installiert auf der Festplatte war das Spiel sogar noch besser. Die Ladezeiten waren kürzer, der einmalige Diskettenwechsel entfiel, und man brauchte auch keine Save-Disk. Wer jetzt nicht weiß, was eine Save-Disk ist… Damals wurden Spielstände auf Disketten gespeichert, und manchmal mußte man eine extra hierfür formatieren. Wer jetzt nicht weiß, was eine Diskette ist… Wikipedia hilft da sicher weiter.

    Ganz später erwarb ich dann noch die PC-Version von Sensible World of Soccer 96/97 auf CD-Rom, die ich aber so gut wie nie spielte. Irgendwie war Sensible Soccer für mich immer ein Amiga-Spiel.

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    Tor für Deutschland! Der Ball zappelt im Netz und die Deutschen jubeln! Wurde aber auch Zeit! Endstand übrigens 3:1 für Schweden.

    So, was aber macht Sensible Soccer bzw. Sensible World of Soccer so genial? Realismus ist es zumindest nicht, auch die Grafik war schon damals nicht besonderes. Ähnlich, wie in Kick Off spielte man das Spiel in der Draufsicht, man schaute also von oben auf das Spielfeld, wenn auch leicht versetzt. Allerdings war der Spielgeschehen deutlich weiter heraus gezoomt. Das war gut für die Übersicht, reduzierte die Spieler allerdings zu einer Handvoll Pixel. Immerhin wurde darauf ein Markenzeichen der Serie, wenn nicht sogar der Spiele von Sensible Software. Deutlich größer waren die Soldaten in Cannon Fodder auch nicht, genauso wenig, wie die Golfspieler in Sensible Golf. Zum Steuern reichte ein Joystick mit einem Feuerknopf. Mit dem Joystick werden die Spieler gesteuert, mit dem Feuerknopf geschossen (lang drücken, den Ball anschneiden nicht vergessen!), gepaßt (kurz antippen), geköpft (wenn Ball in der Luft) oder gegrätscht (wenn Ball beim Gegner). Das reicht schon für traumhafte Kombinationen und scharfen Schüssen. Nun, ganz so einfach ist es nun auch nicht, weil das Spielgeschehen ist ganz schön flott und da, ähnlich wie in Kick Off, der Ball nicht am Fuß klebt, sondern die Spieler sich in jedes Mal vorlegen, auch nicht gerade anspruchslos. Vor allem Neulinge verlieren schnell mal den Ball, oder laufen am selbigen vorbei. Etwas einfacher ist es, wenn man nicht unbedingt mit den Top-Mannschaften spielt, sondern Duelle von unterklassigen Mannschaften spielt. Dann sinkt das Spieltempo ein wenig und das Spiel wird etwas einfacher zu beherrschen. Mit ein bißchen Übung wird es aber schnell besser. Profis zirkeln schon mal eine Ecke direkt ins Tor oder lupfen aus vierzig Meter den Ball über die Abwehr und Torwart ins Netz.

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    Eckball für den HSV im Stadtderby gegen den St. Pauli, direkt vor der gegnerischen Fankurve. Man beachte, die fehlenden Zäune, die Photographen und die Security. Das Aussehen der Stadion richtet sich nach den damaligen englischen Stadien.

    Grafisch ist Sensible World of Soccer, wie schon erwähnt, kein Highlight. Die Grafik ist zwar ganz nett anzuschauen, aber mehr als zweckmäßig ist sie nun nicht. Das paßt aber definitiv zum kultigen Pixellook und den Retro-Charmes des Spieles. Und vor allem ist sie schön übersichtlich, was bei einem Fußballspiel nun nicht gerade unwichtig ist. Auch der Sound geht in Ordnung. Die Fangesänge klingen ganz gut, die Effekte passen zum Fußball. Ein gewisses Highlight bei Sensible World of Soccer ist der Titeltrack Goal-scoring Superstar Hero, der von Richard Joseph und Jon Hare speziell für das Spiel komponiert, und von Jacky Read eingesungen wurde. Streng genommen trifft der Song zwar überhaupt nicht meinen Geschmack, aber wann hat man auf dem Amiga schon mal echten Gesang gehört? Gab’s nicht wirklich so oft. Die Musik in den Menüs ist dafür maximal ganz nett.

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    Endstand im legendären Fußball-Klassiker zwischen den Farör Inseln und Vietnam 1:1. Was für ein Spiel!

    Moderne Fußballspiele, wie Pro Evolution Soccer und FIFA stellen die Spiele im Form einer TV-Übertragung dar und geben dem Spieler jede Menge Möglichkeiten zur Hand. Sensible Soccer verzichtet, wohl auch zwangsweise auch den damals vorhanden technischen Beschränkungen darauf, darauf. Die Steuerung ist simpel, leicht zu lernen, aber trotzdem anspruchsvoll. Große taktische Option braucht es neben der Aufstellung nicht. Wer will kann immerhin den ein oder anderen Spieler auswechseln und im Spiel die Formation ändern. Es zählt aber grundsätzlich das Können des Spielers am Joystick bzw. Joypad. Zudem gibt es keinen nervenden, dumm daher schwätzenden Kommentator und die Menüs sind zwar längst nicht so eindrucksvoll designt, aber deutlich übersichtlicher. Die Jungs von Konami sollten für ihr nächsten Pro Evolution Soccer sich mal bei Sensible Soccer anschauen, wie man ein übersichtliches Aufstellungsmenü designt, finde ich (wobei ich zugeben muß, daß das letzte Pro Evolution Soccer, was ich gespielt habe, die 2011-Ausgabe ist).

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    Die Statistik offenbart, daß die Farör Inseln mehr Ballbesitz hatten, Vietnam dafür aber mehr Abschlüsse. Und es gab genau einen Eckball.

    Und das Spiel macht jede Menge Spaß, insbesondere natürlich zu zweit. So einfach das Gebolze ist, so viel Laune macht es. Zudem ist es unglaublich einfach, sich eigene Turniere oder Ligen zusammen zu stellen. Mit einem Haufen Freunde macht es dann gleich noch mehr Spaß. Dazu kommt der kultige Pixellook, die Kicker-Sprites sehen einfach witzig aus. Auch die Animationen, wie z.B. der wild gestikulierende Trainer, sind eigentlich einfach gehalten, passen aber voll zum Spiel. Abseits des Platzes beschränkt sich Sensible Soccer und seine World-Ableger, aber gerade mal auf das Nötigste. Die Menüs sehen zweckmäßig aus, nicht mehr nicht weniger. Wer gerade Weltmeister wurde, muß sich den Pokal selber vorstellen, und We are the Champions von seiner Stereoanlage abspielen. Aber wie heißt es so schön? Die Wahrheit liegt auf dem Platz, der übrigens je nach Jahreszeit unterschiedlich aussieht.

    Okay, ernsthaft betrachtet sind FIFA und Pro Evolution Soccer schon die besseren Spiele. Sie sind realistischer, grafisch aufwendiger, vermitteln mehr Atmosphäre. Sie sind aber auch komplizierter zu erlernen und benötigen etwas mehr Einarbeitung. Sensible Soccer ist einfach, simpel und doch fordernd und unterhaltsam. Es gehört einfach zu jeden Retro- bzw. Amiga-Fußball-Abend mit Kumpels dazu. Das ist es ein Riesenspaß, insbesondere mit Pizza und Bier (was aber ein anderes Thema ist).

    So nebenbei: Auf www.sensiblesoccer.de gibt es sogar eine Version mit Datensatz der Saison 2016/17. Die Freude darüber hält sich bei mir allerdings in Grenzen, nachdem ich beim ersten Test vergeblich meine Lieblingsmannschaft, den VfB Stuttgart, gesucht habe. Gefunden habe ich ihn dann doch, und zwar in der zweiten Liga. Nein Danke, daß brauche ich nicht… Zumindest nicht im virtuellen Leben. Da ist mir der Datensatz von 1996/97 mit dem legendären Magischen Dreieck (und dem Tragischen Dreieck übrigens auch) viel lieber. Und zudem findet sich in der 2. Liga sogar die Stuttgarter Kickers. Wenn das nicht spannende Lokalderbys verspricht…

    Ach so…. Bitte kein Remake… Okay?

    Über den Autor

    Software-Pirat
    Irgendwann bekam der Software-Pirat mal einen NES zu Weihnachten geschenkt, obwohl er sich bislang für Video-Spiele nicht interessierte. Aber von da an ging es los. Später kam noch ein Amiga 500 ins Kinderzimmer, dann einen Amiga 1200. Ein PC gab es erst später. Seitdem gehören PC-Spiele zum Hobby des Software-Piraten.
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Kommentare

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  1. AlBundyFan
    meiner meinung nach ist der "nachfolger" das beste fußballspiel nämlich "sensible world of soccer"
    denn erst durch die dort vorhanden spielmodi (vor allem die trainerkarriere) wird das spiel erst abgerundet.

    während des spiels gibt es kaum einen unterschied. aber der managementteil macht das spiel erst so richtig toll.

    p.s. ich bin irre enttäuscht, daß der offizielle nachfolger "sociable soccer" seit jahren nicht mehr weiterentwickelt wird - er hatte so viel potential.
  2. MrBurns
    Ah, Sensible Soccer :bet:
    An die Schussmechanik kommt bis heute kein einziges PES oder Fifa ran. Wie präzise man die Bälle anschneiden und lupfen konnte (und beides in Kombination), und wie direkt und unmittelbar die Schüsse auf den Tastendruck folgten... dieses Spielgefühl sucht man seitdem einfach vergeblich.
    Ich erinner mich noch daran, wie absurd teuer Ronaldo (der aus Brasilien) in Sensible World of Soccer (das Jahr weiß ich nicht mehr genau) war. Unfassbare 30 Millionen DM! Das waren noch Zeiten :topmodel:
    Unvergessen auch der Kommentar bei Eckbällen: "Große Männer an die Front!" :hammer:
  3. Cataton
    Ich habe das Spiel damals auf dem Amiga so sehr geliebt. Ich habe noch alle Vereine und Spielernamen händisch eingetragen nur damit ich mit den Original Teams spielen konnte. :frieden: Würde ich heute nicht mehr machen.
  4. JohnnyDrama
    Das beste Fusaball Spiel aller Zeiten ist PES 6. Danach ginge es nur noch bergab.
  5. Crimok
    Mir gefällt deine Art zu schreiben. Da bekommt man sogar als "nicht Fußball Fan" Lust das Spiel zu spielen. Bisher habe ich nur World Cup auf dem Gameboy, Super Soccer auf dem SNES, irgendeinen PS1 Fifa Teil und irgendein XBox Fußballspiel, in dem man ein Schiedsrichter nach einer gelben Karte nerven könnte um danach eine rote zu bekommen. Mit all diesen Spielen hatte ich aber richtig Spaß gehabt. Ich finde Super Soccer kann man heute auch noch richtig gut spielen.

    Ich suche für American Football übrigens nach einer Alternative zu den EA NFL Spielen.
      msw112 gefällt das.
    1. msw112
      Wenn es realistisch sein soll: Axis Football
      Hat so seine Macken, aber ist IMHO das nächstbeste zu EA.
      Wenn es Arcade sein darf: Mutant Football League
      Crimok gefällt das.
    2. Crimok
      @msf112 Danke für die Vorschläge!
    3. Software-Pirat
      @Crimok
      Danke, so was liest man gerne!
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