Im Alter spielt man nicht

Von TheVG · 18. August 2019 · ·
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  1. Keine Ahnung, ob es überhaupt noch stimmt, aber das Bild vom zockenden Opa will noch niemandem so richtig in den Kopf. Gerade wir Deutschen haben immer noch das Bild vom hart arbeitenden Handwerker in den Genen, unabhängig heutiger Gender-, Emanzipations- und Wandeldebatten. Im Grunde ein altbackenes Denken. Und je älter man wird, um so abgebrühter und begeisterungsresistenter soll man sein, Ruhe ausstrahlen und bitte nicht zu emotional.


    Auch dem allgemeinen Gamer haftet dieses Dilemma an. Als ich noch Kind war, durfte ich ja quasi alles spielen, was ich wollte – Hauptsache die Erwachsenen hatten mal Zeit für sich selbst. Computerspiele waren dabei die beste Ablenkung, je mehr Bedeutung sie für mich hatten. Da ich mit dem Brotkasten aufgewachsen bin, kann ich den Stellenwert von Heimunterhaltungsgeräten gut wiedergeben, denn zu Zeiten von Atarikonsolen, VHS-Kassetten oder den ersten CDs nahm das Entertainment in den eigenen vier Wänden durch seine Neuheit und Innovationskraft viel Platz in meinem Leben ein.

    Filme gucken und spielen, Musik entdecken und sammeln, da fühlten wir uns wie in einem Superstore und holten uns unsere Kurzzeitbefriedigung ab. Irgendwann hat man ein Hobby, das so lange okay zu sein scheint, wie es dem Alter angemessen sein sollte, ist also eine Konvention in den Köpfen der Bürger. Das geht sogar so weit, dass die Glaskugelleser auf den Plan kommen, die bald sagen: „Mit dem Alter wird sich das schon legen.“. Irgendwann treten andere Interessen ins Leben, und man scheint am Mehrheitsprinzip ausmachen zu können, welche das sind. Nun – ich selbst kann nur schwer nachvollziehen, wie Beruf und das klischeebeladene Dauerprojekt Hausbau oder auch das private Kleinunternehmen Autoökonomie ein Leben bestimmen kann. Es will mir nicht wirklich in den Kopf, warum man sich ein Auto kauft, dabei vorrangig den Wiederverkaufswert im Hinterkopf behält und dieses Prinzip als Lebensinhalt betrachtet.

    Ich brauche natürlich auch ein Auto, aber erstens mag ich die Farbe grau nicht (weiß schon gar nicht), und zweitens will ich mich auch vollends in der Karre wohlfühlen und nicht nur das Pragmatische darin sehen. Also fahre ich meine indigoblaue Schüssel, bis sie irgendwann auseinanderfällt oder ich wie bei einem Spielzeug genug davon habe. Games haben noch nicht einmal diesen Stellenwert. Games sind im allgemeinen Bewusstsein eine Lebensabschnittslaune, verortet im Alter von ca. zehn bis höchstens fünfundzwanzig Jahren. Danach sollte man eben Autoschrauber oder wie schon erwähnt Privatunternehmer werden und sich nicht mit brotlosem Zeug auseinandersetzen. Irgendwie irre, wie wir unsere jugendliche Begeisterungsfähigkeit plötzlich ablegen und das Gegenteil leben können bzw. sollen.

    Natürlich ist der Einfluss durch Änderung der Lebensverhältnisse ein wichtiger Faktor. Mitten im Beruf und in der Verantwortung für Haus und Familie muss einem die Realität des Alltags bewusst sein, der Kampf und Lohn und Brot ist das Thema Nummer Eins, das unser späteres Leben bestimmt. Aber sollen wir dann völlig unsere Leichtigkeit verlieren und alles Schöne oder Unterhaltsame aus unseren Köpfen tilgen? Na, sicher nicht. Vielleicht hat sich in der Generation, in der ich groß wurde, eine Werteverschiebung eingestellt, denn passiert es immer häufiger, dass ich mich mit Gleichaltrigen über das Hobby Spiele auslassen kann. Vor zwanzig, dreißig Jahren wäre es noch verpönt gewesen, als Ü40 zuzugeben, dass man gerne Computerspiele spielt.

    Mittlerweile muss man die Debatte anders führen, denn haben Spiele heute ein wenig mehr Akzeptanz inne als noch zu meiner Jugendzeit in den 80ern. Mit den Smartphones wurden Spiele in den Alltag integriert, durch den Casualstatus sogar mit den Fernsehabenden auf der Couch gleichgesetzt worden. Übergreifend werden sie mit dem Attribut der Ablenkung vom harten Alltag gerechtfertigt. Schielt man nämlich mal (natürlich rein unabsichtlich) auf anderer Leute Handy, stellt man fest, dass selbst rüstige Rentner gerne mal Drei-gewinnt-Spiele spielen oder sich gerade ein mittelalterliches Dörfchen aufbauen. Öffentlich darüber reden tun wir allerdings nicht, das setzt man dann doch ein wenig mit der privaten Pornosammlung gleich – viele haben sie, geben es aber ungern zu. Bei Vollpreistiteln versucht man eher, mit Schlagworten oder Zitaten nach Gleichgesinnten Ausschau zu halten. Es ist ein Schritt in die Normalität, aber immer noch ein Thema für unter die Ladentheke.

    Inwiefern unser aller Hobby mit Unsinnigkeit und als wenig wertschöpfend erachtet wird, sollten gerade die Verächter mal nachfragen, was denn ihr Interesse für die Allgemeinheit bietet. Die Märklin-Eisenbahn, der Oldtimer in der Garage, der Gartenfreak, dem ständig was Neues einfällt. Auch das kostet Unmengen an Geld und hat im Nachhinein nur einen Zweck, nämlich den der persönlichen Befriedigung. Und wir daddeln eben dafür. Genau das Gleiche. Warum also diese pathologische Feindseligkeit gegenüber dem Gaming? Ich kann mir das nur mit der Diskrepanz der Weltbilder erklären, in der konservative gegen progressive Kräfte antreten; doch ist diese kein spielerischer Wettbewerb, sondern bitterer Ernst.

    Bei einer Sache muss man den Kritikern jedoch recht geben: Entwickler produzieren ihre Spiele viel zu selten gewaltfrei und wirken – wenn überhaupt – recht bemüht in ihrer Erzählweise. Die Metaebene kommt viel zu selten zum Tragen, das Image von Games sind oft von ihren heroischen Figuren geprägt, wie sie grimmig dreinschauend in kriegerischen Posen dastehen, mit überdesignten Waffen im Anschlag. Das mag nur ein erster Eindruck sein, aber bestätigt auch im Spiel die Fokussierung auf Optik, Mechanik und Coolnessfaktor. Ein Glück, dass sich über die Jahre eine Indieszene herausgebildet hat, die eher auf Wirkung und Inhalt Wert legt. Ähnliches ist momentan übrigens im Kino zu beobachten.

    Ich grinse schon in mich hinein, weil... nun ja, vielleicht habt Ihr es auch bemerkt... weil ich schon ein wenig konservativ klingen mag. Ich denke, ich habe einen differenzierten Einblick in Spiele gewonnen und war auch nur in bestimmten Entwicklungsstadien uneingeschränkt begeisterungsfähig. Irgendwann ist der Punkt gekommen, da konsumiert man nicht mehr jeden Mist, ohne darüber nachzudenken, dazu kommt vielleicht noch meine kritische Grundhaltung, die sich über die Jahre entwickelt hat. Aber sitze ich immer noch gerne an meine Maschine und zocke. Vielleicht sitze ich noch im stolzen Rentenalter daran und darf mich selbst als Exot bezeichnen – vielleicht ist das Thema aber auch endgültig vom Tisch und wir sitzen alle als zockende Opas und Omas an unseren Kisten.

    Und freuen uns wie kleine Kinder...
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Kommentare

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  1. Freshjive
    Ich denke zocken ist generell keine Frage des Alters... ich bin nun 41, habe 3 Kinder, bin voll im Beruf etc pp... trotzdem spiele ich wesentlich lieber am Fernseher (sehr großer OLED mit Freesync - Luxus muss sein) mit dem PC als z.B. passiv irgendeine Serie zu gucken o.ä. und fahre auch noch 1x jährlich mit 8-10 Freunden in ein LAN-Haus zum zocken, die im gleichen Alter sind.

    Es ist halt mein Hobby, dass mir seit mehr als 30 Jahren Spaß macht und ich habe überhaupt keine Hemmungen, dass auch nach außen zu tragen. Ich kenne die Kommentare ala "Spielst du da noch deine Kinderspiele?" oder "Wächst man da nicht irgendwann raus?" etc... Ich kann da bisher völlig frei sagen "NEIN!" :-) Ich freue mich immernoch wie ein Schneekönig über neue, interessante Spiele und vermute es wird wohl auch noch länger so bleiben.

    Interessant finde ich den Aspekt, dass es zu einem Generation-übergreifendem Hobby wächst... ich spiele z.B. sehr gerne mit dem Freund einer meiner Töchter (12) Rocket League und finde es toll, dass das Alter dabei keinerlei Rolle spielt.

    Ich war auch letztens mal in New York und konnte im Central Park einem 75-jährigen Rentner-Paar beim Rollerbladen zugucken. Also macht euch keinen Kopf - das Alter spielt im Grunde genommen keinerlei Rolle bei einem Hobby - Hauptsache ihr habt Spaß dran...
  2. Ligo
    Toller Artikel, ich hab zwar noch ein par Jahre bis die 4 vorne steht aber du sprichst mir echt aus der Seele, hab ganz ähnliche Gedanken letztens nach dem Besuch der Gamescom gehabt. Es ist schön zu wissen das man nicht der Einzige ist der so denkt.
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    1. TheVG
      :D Da müssten aber schon einige in unserem Alter rumlaufen.
  3. Avarion
    Jetzt mit 46 merke ich das die Zahl der Spiele die mich begeistern können kräftig abgenommen hat. Man kennt schon zu viel, hat zu viel schon genauso oder in "besser" gesehen. Obendrein geht der Mainstream (der ist, wie alle wissen, immer schlecht *g*) natürlich in eine andere Richtung als einem selbst lieb wäre.

    Aber ich spiele immer noch gerne, auch wenn ich jetzt tatsächlich mal Abende habe wo ich den Rechner freiwillig auslasse. Verstört mich immer wieder.
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  4. Bätmähn
    Es gab übrigens schon vor 10 Jahren eine Studie dazu:
    Droguel, Leyla: Computerspiele und 50+: Akzeptanz und Potentiale von Computerspielen bei Personen ab 50 Jahren. München 2008.
    "Personen ab 50 Jahren haben bislang nur einen marginalen Anteil an den Computerspielenden. [...] Gleichzeitig zählen sie jedoch zu den intensivsten Mediennutzenden, verfügen über überdurchschnittlich viel Freizeit und haben, wie die steigende Zahl der Onliner in dieser Altersgruppe zeigt, ein zunehmendes Interesse sich mit interaktiven Technologien auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund geht die vorliegende Studie der Frage nach, ob die Potentiale von Computer- und Videospielen auch für Personen ab 50 Jahre erschlossen werden können. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung wurden sowohl die Akzeptanz als auch die Einsatzmöglichkeiten von Computer- und Videospielen aus Sicht der Personengruppe untersucht."

    Wahrscheinlich wird sich da in den letzten Jahren auch nochmal einiges geändert haben, aber was ich daraus mitgenommen habe ist in etwa: 1. Je älter die Personengruppe ist, desto wahrscheinlicher, dass sie weniger spielt sie. Also nicht zeitlich wenig, sondern überhaupt. Erklärt sie dadurch, dass eben der Bezug zum Medium fehlt. Wenn man mit 90 niemanden hat - und da niemand in dem Alter ein Digital Native ist - der einem das Medium näher bringt, fängt der natürlich nicht an zu spielen. 2008 waren es wohl 12% der Ü50-Generation, die sich als Spieler bezeichnete und ab 70 nimmt der Anteil rapide ab.
    2. Die Spielekultur ändert sich. Anstatt Hektik, Stress und Action, liegen immer häufiger Rätsel- oder Denkspiele im Vordergrund. Also auch mal ein Spiel für auf die Schnelle anstatt einem 150 Stunden Epos.

    Ansonsten glaube ich nicht, dass Spielen im Alter noch verpönt ist, wobei es allerdings sicherlich eine Unterscheidung zwischen PC/Konsolen und Daddeln am Handy (in der Wahrnehmung) geben kann.
  5. Tikal69
    Ich sage schon jetzt meinen Kindern, dass ich im Seniorenheim später auf jeden Fall einen WLAN Anschluss und Platz für meinen PC brauche.
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  6. SoC175
    Wie alt ist der Autor? Ich bin auch mit Spielen groß geworden und dachte das geht immer so weiter. Inzwischen zocke ich so gut wie gar nichts mehr, der Pile of Shame wird zwar gelegentlich noch vergrößert, aber eigentlich bereits in dem Bewusstsein das es sowieso noch nicht Mals je installiert wird.

    Schlicht Nostalgie nach einfacheren Zeiten lässt mich dann vielleicht endlich ein Witcher 3 GotY für 9,99 erstehen, weil ich dieses Genre früher geliebt habe. Wohl wissend, das ich mein für etlichen Jahren ebenfalls für 9,99 als GotY erstandene Witcher 2 noch nie auch nur installiert habe.

    Und es ist nicht mal die mangelnde Zeit. Leider Single ohne Kinder und mit guter Work-Life-Balance könnte ich durchaus mehr spielen, nur fehlt einfach das letzte Quenchten Motivation.

    Da sitze ich lieber 4h auf der Couch und clicke mich gelangweilt durch Netflix, Prime Video oder schlicht Youtube ohne auch da richtig irgendwas zu gucken, wundere mich das es schon wieder 1 Uhr nachts ist und ich besser ins Bett gehen sollte.

    Spiele packen mich einfach nicht mehr so wie früher als ich ganze Wochenenden durchgezockt habe. Heute gehe ich lieber 1h spazieren als 1h zu zocken.

    Traurig aber wahr, ich bin dieser Lebensphase wohl einfach entwachsen.

    Analog dazu: Als Quizduell noch relativ neu war, waren Computerspiele meine beste Kategorie. 96% richtige Antworten, ich kannte und wusste einfach alles. Die Macher des Initialen Fragenkatalogs waren offenbar meine Generation.

    Dann haben die User mehr und mehr eigene Fragen eingefüttert, die abgefragten Spiele und Spieleserien wurden moderner und ich kannte weniger und weniger
    1. TheVG
      Zu deiner ersten Frage: der Autor ist 42 ;-)

      Zum Rest: Na ja, ich sehe meine Interessenverschiebung als Ergänzung. Ich sitze ja auch nicht mehr ständig an der Kiste und zocke jeden Kram, der nur annähernd interessant sein könnte. Kinder würden mich wohl auch vor die Wahl stellen (habe selbst auch keine), aber wenn ich Lust habe, dann daddle ich gerne mal was. Kein Problem, alles machbar. Ich suche mir eben nur die guten Sachen raus, auch beim TV-Gucken oder sonstigen Hobbys oder Interessen.
  7. Yeager
    Guter Blog :)

    Letzteres, definitiv.
    Was einfach daran liegt, dass Spiele ihren Stellenwert änderten, ihre Wirkung änderten und auch sich selbst änderten. Dieses "das legt sich im Alter" ging aber immer von gleichbleibenden Verhältnissen aus, die ausblieben. Siehe:

    Stellenwert:
    1984 Elite auf der Atari-Konsole zu zocken, jaja, der Kleine will ja auch Astronaut werden, lass ihn mal. Ein paar Pixel, ein paar schräge Synthi-Töne - Kinder halt. Heute: Games haben Hollywood überholt. Games sind durch omnipräsente Handys selbst omnipräsent geworden.

    Wirkung:
    In "Adventure" und selbst den frühen Ultimas musste man vor allem Eines haben: jede Menge Kopfkino. Es waren nur Pixel, die man verschob. Ernste Themen gab es praktisch gar nicht, der Tiefgang in der Mechanik oder Meta-Größen wie etwa Taktik hielt sich sehr in Grenzen. Heute: Alles ist da. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Es ist nicht vorhersehbar geworden, was als Nächstes kommt und welche Wirkung es entfalten wird. Es gibt nicht mehr das "(stereo)typische Spiel".

    Sie selbst:
    Wenn man mich 1985 gefragt hätte, was ein Computerspiel ist, hätte ich gesagt: "Naja, ein kurzweiliges, programmiertes Konzept, das im Computer läuft und einfachen Regeln folgt." Wenn mich das heute fragte, würde ich sagen: "Tja.... Ich weiß es nicht. Eine Menge. Vieles. Nichts. Eine Form der Narrative. Manchmal eine öde. Eine Möglichkeit brillianter Gedanken Form zu geben, wie so viele Jahrhunderte lang Schach es tat, nur mit neuen Möglichkeiten. Eine Suchtspirale. Ein Spiegel der Gesellschaft, die sich nicht mehr mit sich selbst im Gesamten beschäftigen will, weil sie sich zu sehr mit sich selbst im Einzelnen beschäftigt. Ich weiß es nicht."

    Daher glaube ich, dass die Zunahme immer älterer Spieler noch mal für viele Überraschungen sorgen wird. Im Gegenteil, die heutige altersbedingte Borniertheit hat sich eher verdreht: Wenn mir jemand ü40 sagt, er zockt nicht, ist er mir gleich von grundauf suspekt :D
      EgoremiX, TheVG und naknak77 gefällt das.
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