Why so serious?! - toxische Umstände im Gaming

Von Roadwarrior · 19. Juli 2022 · ·
Ein Blick auf die toxische Seite im Gaming...im Miteinander hat sich viel getan - leider nicht zum Besseren hin.
  1. Nur so zum Spaß...gibt's das denn noch?

    rRELvp.jpg
    TOXISCHE VERHALTENSWEISEN BEHERRSCHEN INZWISCHEN DAS GAMING

    Es mag daran liegen, dass ich besonders "belastete" Spiele zu spielen pflege, wenn ich mir die Zeit für mein Hobby nehme. Spiele wie Call of Duty, FIFA oder ähnliche Games haben bekanntermaßen eine sogenannte "toxische" Community. Das zeigt sich in manchen Spielen in der Kommunikation untereinander oder - wenn die nicht wirklich möglich ist - in der Art zu spielen.

    Das Beispiel "FIFA" ist sehr gut geeignet, weil sich sogar der Hersteller daran beteiligt die Umstände in eine toxische Richtung zu schieben. Durch offensichtliches "PayToWin" und künstlich aufgebauten Leistungs- und Konkurrenzdruck werden die Spieler mehr oder weniger derart unter Feuer gesetzt, dass das Ganze schon mehr einem Beruf als einer Freizeitbeschäftigung gleicht. Klar, wenn man Geld ausgibt will man auch Erfolg haben. Wenn der ausbleibt ist die Grundlage für Ungeduld, Wut und eine gereizte Grundstimmung schon geschaffen.

    FIFA...das Paradebeispiel

    83f9401c8a7f431d8097cf6ac882a09fffd30aab.jpg
    FIFA 22 - Unfairness ist hier Dauerthema...gefördert durch den Hersteller

    Das Ganze anhand des Spiels "FIFA" zu beleuchten ist besonders interessant. EA nimmt den Spielern die Möglichkeit miteinander zu kommunizieren, einen Chat gibt es nicht wirklich. Trotzdem schaffen die Zocker es, sich gegenseitig zur Weißglut zu treiben. Unsportlichkeit, Zeitspiel, das Ausnutzen von Glitches bzw. von Schwächen im Programm sind nicht die Ausnahme sondern die absolute Regel.

    Ein Spiel bis zum Ende spielen zu können in dem der Gegner schon 3 oder mehr Tore zurückliegt ist im Grunde eine Seltenheit. EA zwingt die Spieler auch dazu, abseits von "Ultimate Team" das beste Team zu nutzen. Dieses Jahr ist das PSG. Es geht zu keinem Zeitpunkt um einen sportlichen, fairen Wettbewerb...es geht um Demütigung des Gegners, um das Aneinanderreihen von zig Tricks...und eigentlich rechnet man schon damit, dass man das Spiel höchstens bis zur Halbzeit zockt, weil dann eine der beiden Seiten den Abbruch wählt.

    Irgendwie bezeichnend und auch ein wenig lustig, dass grade in einem Sportspiel Unsportlichkeit und unfaire Verhaltensweisen so verbreitet sind...

    Es geht noch schlimmer...

    Schlimmer im Sinne von "böser" wird es dann, wenn man die Spieler in der direkten Kommunikation von der Leine lässt. Wie oft ich schon außerhalb des Spiels (etwa auf Playstation) angeschrieben wurde, nur um irgendwelche Beleidigungen abzukriegen...es ist faszinierend.
    Ich bin mit meinen nunmehr 47 Jahren und als Psychiatrie-Pfleger diese Dinge betreffend sehr belastbar, ich habe dann eher Mitleid mit den Leuten als das ich ihnen böse wäre. Aber ich bin ziemlich sicher, dass es nicht allen Leuten so geht.

    Zu verlieren scheint heute keine Option mehr zu sein. Zumindest nicht mit Anstand und unter Anerkennung der Leistung der Gegner. Das Mindeste ist es, die Mütter der Gegenseite ins horizontale Gewerbe einzuordnen und ähnlich schlaue Bemerkungen zu machen.

    Ich mache mir oft Gedanken woher sowas kommen mag. Was bringt einen Menschen dazu, sich über die Leistung in einem Videospiel zu definieren? Ich habe sehr erfolgreich FIFA gespielt, Battlefield oder auch MMOs wie WoW oder Warhammer online. Ich Spielen wie "Joint Ops" habe ich sogar die ESPL gewonnen seinerzeit. Trotzdem wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich darüber zu definieren. Ich lege Wert darauf, dass meine reale Arbeit mit Kindern als hochwertig und hilfreich eingeschätzt wird - von virtuellem "Ruhm" bin ich nicht abhängig.

    Krieg im Kriegsspiel...

    Call-of-Duty-Mobile-pcgh.jpg
    Call of Duty - was man online zu sehen und zu hören kriegt spottet jeder Beschreibung

    Nun gibt es ja mehr als genug Streamer, die es vorleben: Beleidigungen, Beschimpfungen, Geringschätzung des Gegners bis hin zu dem Punkt, wo gegnerische Spieler "entmenschlicht" werden. Inzwischen dürfte der Einfluss von Content-Creatorn auf YouTube, Twitter und diversen anderen Plattformen klar sein: sie sind ein Vorbild für eine ganze Armee von (jungen) Leuten, sich an diesen Role-Models zu orientieren ist hipp und vor Allem sehr, sehr einfach. Sie sind verfügbar, sie sind rund um die Uhr verfügbar und sie haben mit dem was sie tun nicht selten auch (kommerziellen) Erfolg. Wenn ein Monte oder Elotrix mal einen Gegner beschimpfen, wird im schlimmsten Falle eine Meme daraus - echte Konsequenzen erfolgen so gut wie nie für diese Jungs.

    Das ultimative Beispiel - der Drachenlord

    Drachenlord_Schanze-pc-games1.jpg
    Der "Drachenlord" Rainer Winkler - durch das "Drachengame" Zuhause und Lebensgrundlage verloren

    Wohin solche Strömungen führen können erkennt man am Besten am Beispiel von Rainer Winkler. Der "Drachenlord" hat - nicht ohne einen deutlichen Eigenanteil - durch die Abfolge diverser Ereignisse sein Zuhause verloren, zeitweise war Polizeischutz nötig. Eine ganze Horde von verantwortungslosen Idioten haben Winkler (der offensichtlich psychisch nicht gesund ist) virtuell und auch real vor sich hergetrieben. Hunderte Menschen waren an seinem (inzwischen ehemaligen) Wohnort, um ihn dort massiv zu provozieren und dann online bloßzustellen.

    Angefangen hat das Ganze zu Zeiten, in denen der "Drachenlord" vor sehr überschaubaren Zuschauermengen Gaming-Streams produziert hat. Am Ende wurde es eine Menschenjagd, die im Grunde bis zum heutigen Tage anhält.

    Warum nur?!

    Manchmal habe ich den Eindruck, dass es gar nicht mehr darum geht sich in einem fairen Wettbewerb "sportlich" mit Anderen zu messen. Sehr oft sieht es so aus als sei es viel wichtiger den Anderen den Spaß zu verderben als einfach nur selbst welchen zu haben. Es mag sein, dass ich das kritischer sehe als andere, weil ich so "alt" geworden bin als Zocker. Wir hatten auch unsere Anfälle in der Beta von Counterstrike oder in Star Craft Matches - aber nie gingen wir so weit unsere Gegner auf persönlicher Ebene und voller Hass anzugreifen. Abwertung, Beleidung und Diskreditierung der Gegner scheint für einen Teil der Spieler fester Bestandteil ihres Hobbies zu sein - anders ist das breite Aufkommen solcher Verhaltensweisen für mich nicht mehr zu erklären.

    Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich ganz froh bin inzwischen derart alt zu sein. Für mich haben der Wettbewerb und virtuelle Erfolge nur noch wenig bis gar keine Bedeutung mehr. Sich einem derartigen Druck aus allen Richtungen auszusetzen halte ich jedenfalls weder für gesund noch für entspannend - und irgendwie habe ich genau diesen Anspruch an meine Hobbies, die mich abseits meiner belastenden Arbeit erden und ablenken sollen von den Gegebenheiten des Alltags.

    Ich freu' mich über jedes faire Spiel und jeden guten "Kampf"...egal ob ich ihn verliere oder gewinne. Es ist schön sich vor und nach dem Spiel in die Augen schauen zu können - auch wenn es nur virtuell ist. Gerade den Jüngeren wünsche ich, dass sie auch noch solche Erfahrungen machen dürfen. Auf diese Weise habe ich ein paar meiner besten und längsten Mitspieler kennengelernt. Zu einigen davon pflege ich heute noch Kontakt - seit Zeiten eines "Half Life Multiplayer". Nur wirkliche Zocker-Opas wie ich kennen diese Games noch direkt seit Release (1998).

    Seid nett zueinander. Das ist viel besser als die Alternative.

    Über den Autor

    Roadwarrior
    1975 auf die Welt losgelassen bekam ich 1982 von meinen Eltern zu Weihnachten ein Atari 2600 überreicht - seitdem nahm die Spirale ihren Lauf. Ich bin seit inzwischen etwa 40 Jahren "ingame". Durch verschiedene Berufe, Beziehungen, eine Ehe, Wohnorte und Weltanschauungen hindurch waren in meinem Leben in den letzten 25 Jahren nur 3 Sachen konstant: Motorräder. Heavy Metal. Gaming.

Kommentare

Um einen Kommentar zu schreiben, melde dich einfach an und werde Mitglied!
  1. Kalnasir
    "Sehr oft sieht es so aus als sei es viel wichtiger den Anderen den Spaß zu verderben als einfach nur selbst welchen zu haben." halte ich für eine sehr treffende Beobachtung. Mir geht's da ähnlich wie dir. "Spielen macht Spaß" scheint nicht mehr die Devise zu sein. "Gewinnen macht Spaß" schon eher, mit der Tendenz in Richtung "Mit möglichst großem Abstand gewinnen macht Spaß". Vielleicht ist das ein Symptom unserer heutigen Leistungsgesellschaft, vielleicht weiß die Jugend auch einfach nur nicht wohin mit sich. Ich will von mir selbst nicht behaupten, mit zwölf oder vierzehn eine ausgereifte Persönlichkeit gewesen zu sein. Ich habe einfach Hoffnung, dass all jene die "die Mütter der Gegenseite ins horizontale Gewerbe ein[...]ordnen" (sehr schöne Formulierung! :P) in ein paar Jahren nicht mehr so drauf sind.
Top