Das Rollenspiel-Definitions-Problem

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  1. Gamestar hat nun also die 100 besten Rollenspiele aller Zeiten prämiert. Abgesehen davon, daß irgendwie Cyberpunk 2077 in der Liste fehlt (oder wird das wirklich nicht so gut, wie gedacht?), mag ich solche Listen eigentlich ganz gern. Ich finde sie unterhaltsam und durchaus auch interessant, welche Spiele in solche Listen auftauchen. Allerdings würde ich solchen Listen jetzt nicht gerade eine große Bedeutung beimessen. Dazu sind die Geschmäcker doch zu unterschiedlich. Schade auch, daß anscheinend nach dem Jahr 2019 kein Rollenspiel erscheinen wird, daß es in diese Liste schafft. Sind ja die besten Rollenspiele aller Zeiten...

    Beinahe noch interessanter als solche Listen, finde ich aber beinahe die Kommentare und Leserbriefe, die solche Listen erzeugen. Oftmals liest man daß man z.B. Diablo 2 garnicht mit einem Baldur's Gate vergleichen kann, daß wäre ja wie Äpfel und Birnen. Abgesehen davon, daß man durchaus Äpfel mit Birnen vergleichen kann - die Frage ist nur, wie sinnvoll das ist (was auch vom jeweiligen Kontext abhängt) - stimmt das natürlich vollkommen. Denn schließlich ist Diablo 2 ja kein Rollenspiel, sondern ein Action-Adventure... Halt! Nein! Stopp! War nur ein Scherz! Bitte nicht böse werden, die Steinigung bitte absagen. Natürlich ist Diablo 2 ein Rollenspiel und kein Action-Adventure, das ist doch klar, weil... nun, weil warum eigentlich? Warum soll jetzt Diablo 2 ein Rollenspiel sein und kein Action-Adventure? Schließlich ist der Begriff Action-Adventure jetzt keine Beleidigung für ein Spiel, finde ich. Das erste Zelda auf dem NES z.B. ist auch ein Action-Adventure und eines der Spiele, daß ich sogar heute immer mal wieder gern spiele. Also was macht ein Rollenspiel zum Rollenspiel? Schwierige Frage...

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    Komplexes Regelwerk und taktisch anspruchsvolle Kämpfe. Es wird wohl kaum jemand geben, der Icewind Dale nicht als Rollenspiel bezeichnen würde...

    Nimmt man den Begriff Rollenspiel wörtlich, dann bedeutet Rollenspiel wohl, daß man ein Spiel spielt, bei dem man irgendeine Rolle übernimmt. Bezogen auf Computer- bzw. Video-Spiele bedeutet das, daß selbst eine Super Mario Bros. ein Rollenspiel wäre, weil man da die Rolle eines Klempners übernimmt. Diese Definition ist natürlich alles andere als hilfreich. Super Mario ist natürlich ein Jump’n’Run, und diese Genre-Bezeichnung macht zudem jede Menge Sinn, was an dieser Stelle jetzt nicht großartig diskutiert werden soll. Sie hilft uns aber bei unserem eigentlichen Problem mit dem Rollenpiel nicht weiter. Etwas eindeutiger wird es wohl, wenn man bedenkt, daß der Begriff Rollenspiel wohl gar nicht aus dem Bereich der PC-Spiele stammt, sondern ursprünglich aus dem Pen&Paper-Bereich stammt. In diesem Fall könnte man ein PC-Spiel als Rollenspiel bezeichnen, daß die Umsetzung eines Pep&Papers wäre, oder zumindest in der Tradition eines Pen&Paper stehen würde, was zumindest nicht ausschließen würde, daß man die Rolle eines Klempners übernehmen kann. Diablo II wäre übrigens als Pen&Paper wohl ziemlich schlecht und eintönig.

    Wenn man so über diese Art der Definition nachdenkt, würde es schwierig werden, Spiele wie Morrowind oder Fallout 3 als Rollenspiel zu bezeichnen. Wäre da nicht die Bezeichnung Action-Adventure besser? Ich meine, die Echtzeit-Kämpfe sind ja einigermaßen actionreich und man erlebt jede Menge Abenteuer. Aber warum werden jetzt schon wieder Steine gewetzt und die ersten Verkaufsstände errichten, die Steine und falsche Bärte verkaufen (kleine Anspielung auf „Das Leben des Brians“, falls das nicht ganz klar war)? Warum hat sich eingebürgert bei Morrowind, Oblivion und die Fallout 3 von einem Rollenspiel zu reden? Weil es ein Erfahrungspunkte-System gibt und der eigene Charakter im Level aufsteigen kann? Weil ich dadurch die Möglichkeit habe den Charakter meiner Spielweise anzupassen? Oder ist es die offene Spielwelt, die es erlaubt (fast) alles zu machen, worauf ich Lust habe? Nun offene Spielwelten, also Open-Worlds, wird es wohl nicht sein, zumindest nicht als alleiniges Merkmal. Offene Spielwelten gab es wohl schon bei diversen Flugsimulatoren der 80iger Jahre, ich konnte damals hinfliegen, wo ich wollte, was zugegebener Maßen meistens ziemlich langweilig war. Und eine wirklich offene Spielwelt hatte ein Bard’s Tale bzw. ein Dungeon Master auch nicht.

    Liegt es am Charaktersystem? Könnte schon eher sein. Erfahrungspunkte gibt es ja auch im Pen&Paper. Allerdings machen Erfahrungspunkte nicht automatisch ein Video-Spiel zum Rollenspiel. In Zelda II – The Adventure of Link (wieder ein NES-Spiel) konnte man auch Erfahrungspunkte sammeln und im Level aufsteigen. Trotzdem fällt es eher in die Kategorie Action-Adventure, auch weil es in den Kampfsequenzen sich wie ein Jump’n’Run spielt. Ansonsten könnte man ja auch den „Be a Legend“-Modus aus Pro Evolution Soccer als Rollenspiel bezeichnen.

    Zelda II.png The Legend of Zelda II - The Adventure of Link beinhaltet einige typische Eigenschaften von Rollenspielen, wie Erfahrungspunkte und Levelaufstiege. Trotzdem ist es ein Action-Adventure.

    Seit einiger Zeit werden ja viele Firmen damit, daß man in ihren Spielen vor vielen Entscheidungen gestellt wird, welche dann mehr oder weniger Konsequenzen für den Story-Verlauf hat. The Witcher (und seine Nachfolger) ist da ein gutes Beispiel, daß uns laufend vor solchen Entscheidungen stellt, auch wenn der Ausgang der eigentlichen Hauptstory mehr oder weniger fest vorgegeben ist. Ich habe auch schon viele Stimmen gelesen, daß dies für ein gutes Rollenspiel dazu gehört. Letzteres mag sein und soll jeder für sich betrachten. Es gehört aber definitiv nicht zu den Grundvorrausetzungen, was ein Spiel zu einem Rollenspiel macht. Ich meine, niemand würde ein Bard’s Tale nicht als Rollenspiel bezeichnen, viel zu entscheiden im Hinsicht auf die Story gibt es aber nicht.

    Irgendwann habe ich mal für mich die Definition festgelegt, daß ein Rollenspiel dann ein Rollenspiel ist, wenn der Erfolg davon abhängt, wie ich meinen Charakter im Laufe des Spieles entwickle, mit diversen Attributen, Perks und so. Und ein Spiel ist dann ein Action-Adventure, wenn es von meinen Fähigkeiten am Joypad, Joystick, Maus und Tastatur abhängt. Das klappt aber auch nicht so ganz uneingeschränkt. Bei einem Baldur’s Gate ist dies eindeutig, bei den Bethesda-Rollenspielen wird es schon schwieriger. Das direkte Kampfsystem fordert von mir, z.B. in Oblivion, daß ich mich schon einigermaßen clever blocke und zuschlage. Anderseits kann man aber auch nicht verneinen, daß meine im Spiel erlernten Fähigkeiten, keinen Einfluß auf den Ausgang des Kampfes haben. Dasselbe läßt sich auch über Diablo sagen. Man könnte sagen, solche Spiele liegen irgendwie zwischen Rollenspiele und Action-Adventure, Action-Rollenspiele sozusagen.

    Während ich diese Zeilen schreibe, kommt es mir in den Sinn, daß es vielleicht ganz sinnvoll ist, Spiele einfach so zu kategorisieren, wie ich gerade Lust darauf habe. Schließlich ist es ja für den Spielspaß unabhängig, ob ich ein Rollenspiel oder ein Action-Adventure spiele, oder?

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    Bethesda-Rollenspiele, hier Fallout New Vegas, haben ein sehr direktes Kampfsystem, das dem Spieler auch etwas Geschick abverlangt, ähnlich wie in einem Action-Adventure. Trotzdem gelten sie allgemein als Rollenspiele.

    Vielleicht liegt es auch daran, daß mir gerne Spiele, aber auch Musik und Filme, in Schubladen, also Kategorien, stecken. Das muß erstmals gar nicht mal so schlecht sein. Schließlich hilft dieses Schubladendenken eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten. Ich habe meine ganzen Amiga-Spiele auch nach Genres in einer großen Diskettenbox sortiert. Ganz vorne waren z.B. die Sportspiele, vor allem Fußball-Spiele. Und ganz hinten fanden sich die Workbench und Programme wie Deluxe Paint. Das klappte ganz gut, zumindest solange die Box nicht zu voll wurde. Aber irgendwann traten natürlich auch diverse Schwierigkeiten auf, die auch damit zusammenhingen, daß die Grenzen zwischen den Genres eben nicht klar definiert ist, sondern ziemlich fließend. Wobei streng genommen auch nicht ganz klar ist, ob ein Genre sich über das Thema eines Spieles oder über die Mechanik definiert. Sportspiele zum Beispiel stellen ein gutes Beispiel dar. Der Begriff Sportspiel bezeichnet eher das Thema des Spieles und sagt eher weniger bzw. gar nichts über die Spielmechanik aus. Niemand wird wahrscheinlich ein Problem damit haben, Spiele wie FIFA, Top Spin oder der Konami-Klassiker Ski or Die als Sportspiele zu bezeichnen. Aber was ist mit dem Football Manager? Es geht natürlich um das Thema Sport, aber auch um Zahlen und Geldbeträge. Spielerisch fällt es eher in die Kategorie Wirtschaftssimulation. Also was nun? In welche Schublade stecken wir den Football Manager nun? Im Falle meiner Diskettenbox war das relativ einfach. Ich steckte den Bundesliga Manager Hattrick zu den Wirtschaftssimulationen. Da war auch viel mehr Platz als bei den ganzen Sportspielen, die mit Sensible Soccer, Kick Off 1 & 2, Goal!, Tie Break und was weiß ich noch alles, schon leicht überfüllt war. Das war für mich praktisch, basierte aber keinesfalls auf irgendwelche Regeln.

    Funktioniert hat dieses Schubladendenken aber irgendwie schon. Wenn ich Lust auf ein Adventure hatte, dann schaute ich auch in dem Fach für Adventure nach und mußte mich nicht erst durch die ganzen Flugsimulatoren durchkämpfen, bis ich z.B. Zak McKracken fand.

    So zurück zu den Rollenspielen. Zu klären bleibt weiterhin die Frage, was das Genre der Rollenspiele definiert und wahrscheinlich werden wir da nie eine eindeutige Lösung finden. Es ist ja noch nicht mal klar, nach was sich ein Genre definiert. Jump’n’Runs definierten sich ganz klar nach der Spielmechanik, Sportspiele wohl aber nach der Thematik. Und Rollenspiele? Nach beidem?

    Übrigens sind die Genre-Grenzen auch in anderen Bereichen, wie z.B. der Musik nicht klar. Der Übergang zwischen Blues, Rock und Hard Rock ist keineswegs gekennzeichnet. Und wenn dann noch Elemente aus Jazz, Pop und Folk hinzukommen, wird es richtig kompliziert. Klar, man kann solche Misch-Genres definieren, wie Jazz-Rock, oder Blues-Rock. Genauso kann man auch Rollenspiele unterteilen, in Action-Rollenspiele, Taktik-Rollenspiele und was ich noch alles. Leider habe ich nicht so viele Schubladen zur Verfügung, bzw. will sie auch gar nicht haben. Das könnte schnell zu unübersichtlich werden, und wenn man das gnadenlos durchziehen würde, hätte man am Ende wohl für jedes Spiel eine eigene Schublade bzw. Kategorie (außer für die jährlich wiederkehrenden Vollpreis-Updates äh… neue Versionen von FIFA natürlich). So nebenbei, ich habe übrigens meine CDs alphabetisch geordnet.

    Clever hat es damals übrigens die Video Games gemacht, die Schwesterzeitschrift der legendären PowerPlay. Statt einfach eine Genre-Bezeichnung zu schreiben, gab es im Wertungskasten drei Symbole, die mehr oder weniger den Anteil der verschiedenen Stilrichtungen, also solche Sachen, wie Geschicklichkeit, Sport, Action, etc… repräsentierten. Im Nachhinein finde ich diese Idee eigentlich ganz gut, denn wer z.B. mehr Action mag, kann so schnell erkennen, ob ein Spiel für ihn etwas taugt, oder nicht. Leider hielten sie das System nicht bis zum Ende durch. Ab irgendeiner Ausgabe stand im Wertungskasten dann nur noch eine Genrebezeichnung, wie z.B. Beat-em Up für Super Street Fighter II.

    Vielleicht wäre es besser, wenn wir Spiele einfach in anderen Kategorien klassifizieren würden, die deutlich einfacher festzulegen sind. Die Anleitung für Monkey Island 2 hatte hier z.B. einen interessanten Vorschlag gemacht, wenn auch nur indirekt. Im Abschnitt zur Installationen, machte der Autor damals das Beispiel, was man eintippen mußte, wenn man das Spiel z.B. in den Order Spiele, Unterordner Besonders Gute installieren wöllte. Das wäre doch mal was, Spiele einfach nach ihrer Qualität zur kategorisieren. Das wäre auch äußerst eindeutig und würde zu überhaupt keine Diskussionen führen... ganz bestimmt, da bin ich mir hundertprozentig sicher, oder? Auf jeden Fall freue ich mich auch schon darauf, wenn GameStar die 100 besten Spiele aller Zeiten präsentiert. Aber hoppla, das gab es ja schon.

    Über den Autor

    Software-Pirat
    Irgendwann bekam der Software-Pirat mal einen NES zu Weihnachten geschenkt, obwohl er sich bislang für Video-Spiele nicht interessierte. Aber von da an ging es los. Später kam noch ein Amiga 500 ins Kinderzimmer, dann einen Amiga 1200. Ein PC gab es erst später. Seitdem gehören PC-Spiele zum Hobby des Software-Piraten.

Kommentare

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  1. Daishi888
    Du weckst Erinnerungen... ; ))

    Ich finde wie Steam es macht ganz gut, mit den Tags...

    War schön zu lesen.
      Black?Rock Shooter gefällt das.
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