Demokratie am Bruchpunkt - Warum Artikel 13 gefährlich ist

Von Tsabotavoc · 24. März 2019 · ·
Artikel 13 ist demokratiegefährdend. Man kann für oder gegen Artikel 13 sein aber der Umgang der Politiker mit den Gegnern der Urheberrechtsreform ist jenseits aller Kritik.
  1. Auch wenn Artikel 13 im Titel vorkommt: Mit meinem Artikel hat er nichts zu tun. Man kann für oder gegen eine Urheberrechtsreform sein. Das ist einerlei. Gefühlt geht es in der ganzen Diskussion auch kaum mehr um den Kern der Sache: Nämlich das Urheberrecht zu reformieren. In der ganzen Sache schwingt so viel Frust von jungen Menschen mit die sich in dieser Welt von den Menschen die sie vertreten unverstanden und allein gelassen fühlen. Und das, meiner Meinung nach, vollkommen zurecht.

    Ich bin nun in einem Alter in dem man schon einige demokratische Entscheidungsprozesse hinter sich gebracht hat. Da lernt man, dass in einer Demokratie nicht immer das passiert was man selber gerne möchte sondern auch Dinge passieren die andere wollen. Das ist für sich gesehen nichts Schlimmes. Auch unpopuläre Entscheidungen haben ihre Berechtigung. Wer wäre schon für Steuererhöhungen oder das Anheben von Beiträgen für die Sozialversicherung?

    Was aber in den letzten Jahren passiert ist demokratiezersetzend. Ich verweise hier auf das Nichtrauchervolksbegehren in Österreich. Es hatte 880.000 Stimmen. Bei 6,5 Millionen Stimmberechtigten wohlgemerkt. Ein Volksbegehren bei uns ist eine absolut optionale Sache: Wer es unterstützt kann, muss aber nicht, hingehen und kann seine Stimme dafür abgeben. Kurz: Für Etwas, dass man nach der Arbeit tun muss, Etwas für das man extra aufs Amt gehen muss ist das eine beachtliche Menge an Fürstimmen.

    "Es ändert nichts daran, dass das Regierungsabkommen, das wir abgeschlossen haben, gilt" - Sebastian Kurz, Bundeskanzler Österreichs und Parteivorsitzender der ÖVP

    Ohne Worte. Das siebterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Österreichs wurde einfach komplett ignoriert. Was genau soll das für ein Signal an die Bevölkerung schicken?

    Artikel 13 zeigt mir, dass wir es nicht mit einem lokalen Problem zu tun haben. Die Demokratien Europas stecken in einer massiven Krise.

    "Jetzt kommen wieder sekündlich Mails zum Thema #uploadfilter & #Artikel13 rein. Mal ganz davon abgesehen, dass diese inhaltlich nicht richtig sind, stammen ALLE von #Gmail Konten. Mensch #google, ich weiß doch das ihr sauer seid, aber habt ihr diese #fake Aktion wirklich nötig?" - Sven Schulze, Mitglied der CDU und Euroapaabgeordneter für Sachsen-Anhalt

    Zur besseren Lesbarkeit habe ich mir erlaubt den Smiley zu entfernen den Herr Schulze in seinem Pamphlet benutzte. Die Demonstrationen in ganz Europa waren deutlich erfolgreicher als erwartet. So erfolgreich, dass die ursprünglich geplanten Routen umverlegt werden mussten. Die Reaktion lies nicht lange auf sich warten:

    "Nun wird offensichtlich versucht, auch mit gekauften Demonstranten die Verabschiedung des Urheberrechts zu verhindern. Bis zu 450 Euro werden von einer sogenannten NGO für die Demoteilnahme geboten. Das Geld scheint zumindest teilweise von großen amerikanischen Internetkonzernen zu stammen. Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie bedroht." - Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU im Europaparlament

    Ich kann nicht für die 50.000 Menschen in München oder die 10.000 bis 30.000 in Berlin sprechen aber in Wien haben Demonstranten keine 450 Euro erhalten. In der heutigen Politwelt brauchen Menschen wie Caspary oder Schulze auch keine Beweise um ihre Aussagen zu unterfüttern. Ein "Habe ich gehört" oder "Wurde mir gesagt" ist vollkommen ausreichend damit man jeden Dreck verbalisieren kann der einem so in den Sinn kommt.

    Die Menschen in Wien waren hauptsächlich sehr junge Menschen. Menschen die teils das erste Mal in ihrem Leben demokratisch für Etwas einstehen das ihnen wichtig ist. Auch sie werden lernen das in einer Demokratie nicht immer alles nach dem eigenen Kopf geht und das es unpopuläre Entscheidungen geben muss zum Wohle aller.

    Aber was sie darüber hinaus noch lernen ist, dass Politiker der konservativen Parteien auf sie, verzeiht mein Englisch, einen fetten Haufen setzen.

    "Die wachsenden Wolfsbestände werden immer mehr zur Bedrohung für unsere Haus- und Nutztiere. Das muss sich ändern!" - Axel Voss, CDU-Mitglied und Europaabgeordneter für die Region Mittelrhein

    Zuerst sorgen wir mit viel Geld und Mühe das der Wolf wieder heimisch wird und dann schießen wir ihn über den Haufen sobald die Bemühungen erste Früchte zeigen? Das meine lieben Leser und Leserinnen ist eine Äußerung von einem Politiker, einem von 751, der mit über das Schicksal von über 500 Millionen Menschen bestimmen darf. Einem derer die federführend sind beim neuen Urheberrecht. Ich versuche sachlich zu bleiben aber noch nie waren so viele Menschen dem Urteil von wenigen, absoluten Volltrotteln ausgeliefert. Axel Voss nehme ich aus jeglicher Schuld denn wer ernsthaft statt ein paar hundert Meter Zaun das Abknallen von vom Aussterben bedrohten Tieren fordert kann nur schwachsinnig sein.

    Aber welche Ausrede haben all seine Kollegen? Sie zeichnen ein trauriges Bild von der Demokratie. Nicht nur der EU, die seit jeher in der Kritik steht nicht demokratisch genug zu sein, sondern auch von den Ländern aus denen sie kommen und die sie vertreten. Die demokratischen Prozesse die uns zur Verfügung stehen sind mit ein Grund warum wir frei von Bürgerkriegen sind und eine soziale Stabilität in unseren Ländern haben wie es sie jahrhundertelang nicht gab. Das ist deswegen so weil wir für das was uns wichtig ist auch ohne Karabiner eintreten können. Diese Prozesse bringen aber auch nur dann etwas wenn ein Kurz, ein Voss, ein Schulze, bereit ist sich darauf einzulassen und darauf zu reagieren. Und zwar in einer angemessenen Form zu reagieren die eines Politikers würdig ist.

    Es geht schon längst nicht mehr darum ob ich ein Bild ins Internet hochladen kann, die Lokale nach Zigarettenrauch riechen oder ein Wolf über den Haufen geschossen werden darf oder nicht. Es geht auch nicht darum alles zu verhindern denn wie ich schon sagte macht auch Unpopuläres durchaus Sinn. Aber das Mindest was sich das europäische Volk erwarten darf ist, dass die Politiker sie nicht am laufenden Band ignorieren, verhöhnen und verarschen.

    "Zu einem zügellosen, aufrührerischen Volke kann ein wohlmeinender Mann sprechen und es leicht wieder auf den rechten Weg führen. Zu einem schlechten Fürsten kann niemand reden. Gegen ihn gibt es kein Mittel als das Eisen." - Niccolo Machiavelli

    EDIT: Zum Abschluss möchte ich noch darauf hin weisen, dass man mit einer Partei konform oder nicht konform gehen kann. Man kann für oder gegen ihr Programm sein. Bei den Wahlen die uns ins Haus stehen geht es aber meiner Meinung nach um mehr als Altersvorsorge und Arbeitsplätze. Obgleich das alles wichtige Themen sind geht es darum: Ja oder Nein zur Demokratie. Eine Partei die demokratische Prozesse bejaht und als oberstes Gut ansieht wird auch immer am Ende das Richtige tun. Weil sie sich auf eine Diskussion einlässt mit den Wählern. Bei den nächsten Wahlen gilt es klug zu sein. Wollen wir wirklich Parteien die ihre Länder nach bester Manier von Autokraten beherrschen unterstützen? Eine ÖVP tut mir mehr Gutes als sie mir Böses tut. Ich gehöre zu den Gewinnern des von ihr gezeichneten Weltbilds. Aber demokratisch agieren tut sie nicht. Und darum sollten undemokratische Parteien von uns auch nicht unterstützt werden.

    Über den Autor

    Tsabotavoc
    Mein erster Computer war ein C64, mein erstes Spiel Wizards of Wor. Ich war dabei als Ragnaros noch echt bedrohlich war und man in Echtzeitstrategiespielen maximal 6 Einheiten gleichzeitig kontrollieren konnte. Ja ich bin langsam echt alt!

Kommentare

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  1. Software-Pirat
    Ich gebe dir Recht mit dem was du schreibst. Was mich vor allem stört, ist eine gewisse Respektlosigkeit der Politiker (einiger, nicht alle) gegenüber den Demonstranten, sei es jetzt wegen Artikel 13, dem "Friday for Future" oder wegen dem Diesel. Von einem Vertreter des Volkes hab ich zu erwarten, daß er solche Demonstrationen auch Ernst nimmt und die Demonstranten auch mit dem verdienten Respekt behandelt. Die Regierung kann ja durchaus auch anders handeln, wenn sie es für nötig erachtet. Denn das Politiker, insbesondere jene, die in der Regierung tätig sind, auch einen Blick fürs große Ganze haben sollten, ist auch ein Punkt, den ich verlange.
    Hinzu kommt, daß die "Sozialen Medien" es unheimlich einfach machen, seine Meinung zu veröffentlichen, ohne vorher darüber nachzudenken, was man da eigentlich behauptet. Und Politiker sind dagegen anscheinend auch nicht gefeilt.
    Das die Demonstranten mit 450€ bezahlt werden, halte ich für ein Gerücht, die der Kollege im Europaparlament wohl exklusiv hat. Ansonsten, wo kann man sich da einschreiben?
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