Der Weg zur Kunst

Von Strifes · 26. April 2018 ·
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  1. In welchem Maße können Videospiele Kunst sein? Damit beschäftigen sich die Kritiker der Branche seit Jahren und es treibt den einen oder anderen Studenten dazu, sich darüber selbst in wissenschaftlichen Arbeiten auszulassen. Es gibt keinen einfachen Weg sich dem Thema zu nähern. Ich arbeite mich hier hauptsächlich an den Beispielen Red Dead Redemption und Alan Wake ab und weiß natürlich, dass diese Beispiele steinalt sind.




    Das Problem des Mediums

    Ob es an der Plattform oder am Medium selbst liegt, kann ich nicht sagen, aber das bloße Erzählen intelligenter Geschichten scheint Entwicklern in der Branche immer noch Probleme zu bereiten. Das hat viele Hintergründe. Zum Einen liegt es an der Immersion. Die Entwickler entwerfen meist sehr einfache, verständliche Geschichten um den Spieler nicht unnötig zu verwirren. Der Sog eines Spiels entsteht durch entsprechendes, intuitives Gameplay, durch die Wiederholung bestimmter Muster im Spiel und erst zu guter Letzt durch Storytelling. In Filmen funktioniert das Ganze ohne die ersten beiden Punkte. Es ist, so nehme ich an, relativ schwierig eine Geschichte in Spielen so zu verpacken, dass sie einen Oscar verdient hätte, ohne dass darunter die Immersion leidet. Nehmen wir Spiele wie Alan Wake, dass von Stephen King inspiriert wurde. Der Protagonist wird immer wieder in Abschnitte des Spiels geworfen, wo er gegen den alles verdunkelnden Schatten kämpfen muss. Das einzige, was sich hier ändert, ist der Schwierigkeitsgrad. Nimmt man die filmreifen Zwischensequenzen und schneidet sie zusammen, entsteht nicht viel mehr als ein durchschnittlicher Thriller.



    Red Dead Redemption ist ein Film zum Spielen.

    Rockstar macht es anders. Sie schaffen es die Story und das Gameplay gleichermaßen gewichten zu können. Man bedient sich hierbei aber dagewesener Elemente, sowohl vom Medium Film als auch in der Steuerung. RDR ist eine riesige Zitatenwiese von Westernfilmen. Das soll nicht heißen, dass ich es für eine schlechte Umsetzung halte, sondern dass es sehr auffällig ist. Es stellt sich wiederum die andere Frage, wie man dies bei dem Setting vermeiden möchte. Das ist wohl schlichtweg nicht möglich. Storytelling ist der Weg des Videospiels zur Kunst. Natürlich spielen Faktoren wie Grafik, Gameplay und Sounds zum Gesamtkunstwerk eine Rolle, aber der eigentliche Faktor ist das Erzählen interessanter Geschichten. Das beginnt bei Spielen wie Tetris und hört bei Uncharted wieder auf.



    Jeder definiert Kunst anders

    Computerspielen wird stets vorgeworfen, sie würden an der Handlung kranken, aber das ist nicht richtig. Die meisten Kritiker spielen selbst keine Videospiele und haben auch kein Verständnis für interaktive Immersion. So zum Beispiel der bekannte Filmkritiker Roger Ebert, der sich vor ein paar Jahren mit dem Thema auseinandergesetzt hat. In seinem Artikel greift er jedoch nur Spiele auf, die einen großen Mangel an Erzähltechnik, grafisch anspruchsvollen Mechaniken und musikalischer Umrahmung aufweisen. Eine solche Auseinandersetzung mangelt einfach an entsprechendem Wissen. So wird es eine lange Diskussion bleiben. Jedoch, so bin ich mir sicher, wird am Ende das Videospiel als Kunstform anerkannt werden.

    Man fragt sich jedoch wie Kunst überhaupt definiert wird. Hat hier nicht jeder eine andere Definition und warum ist die Vorstellung einer gemalten Landschaft in langweiligen Ölfarben künstlerisch wertvoller als die texturierte Wüstenlandschaft bei Armadillo City?



    Passiv kann sich jeder vor ein Kunstwerk stellen und es als Objekt ästhetitisierter Natur betrachten, aber die Kunst verlangt auch dass der Betrachter heineingezogen wird und nicht passiv bleibt. Philosophen wie Hegel, Kant oder der Dramatiker Schiller formulierten im 17. und 18. Jahrhundert den Wunsch des Menschen innerhalb der Kunst auch als Betrachter aktiv zu werden. Das merkt man Schillers "Räubern" an, die zu regelrechten Tumulten in den Theatern der damaligen Zeit führten. Die Leute feierten nicht nur die Geschichte um die Räuber, sondern gingen mit auf die Bühne um das Spektakel mitzugestalten. Schiller nahm dies als positives Zeichen, denn er sah, dass Geschichten "bewegen" können. Videospiele sind ein Ausdruck dieser Definition von Kunst. Sie sind aber, ebenso wie Filme, in erster Linie Unterhaltung. Sie verlangen vom Betrachter nur erlebt und gefühlt zu werden. Es ist völlig gleichgültig, was die Kunstkritik, andere Medien oder große namhafte Autoren über Videospiele schreiben oder ob wir Museen dafür brauchen um uns darüber im Klaren zu werden, ob Videospiele als Kulturgut da hinein gehören.
    Wenn ich in Skyrim auf dem höchsten Punkt in Whiterun stehe und in das Tal hinabblicke, sehe ich nicht nur ein Bild vor mir oder eine einsame wandernde Pixelfigur in der Ferne. Ich kann die Kälte fast schon spüren, vernehme das Geflackere von Feuer in meiner Nähe und höre das Rufen der Drachen in der Ferne. Für mich persönlich ist es ein viel stärkerer Ausdruck von Kunst als die dämliche Badewanne von Joseph Boyce.

Kommentare

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  1. Strifes
    Ja, die moderne Kunst hat den Kunstbegriff stark gedehnt, ist aber kaum in der Lage Comics als etablierte Kunst zuzulassen und tut sich bei Spielen schwer. Da ist eine Menge verkorkstes Elitedenken dabei.
  2. Strifes


    Puh, hallo nervousurgeon, Gamestar ist böse und lässt mich nicht mehr als 4000 Zeichen setzen. Ich werde dir in einem Blog antworten und den hier verlinken, einfach weil ich deiner Mühe gerecht werden will. Schönes Wochenende schonmal
  3. Maxmind82
    Alles kann Kunst sein!

    Wenn ich mich mit meinem sober Rasierhobel rasiere von https://www.soberberlin.com ist das danach auch Kunst :D
  4. Reddok
    Also meiner Meinung nach hat eine Sportsimulation einem "Gemälde" auf dem z.B. nur ein Strich zu sehen ist - bzw einem Foto von einer Badewanne - einiges vorraus. Das Problem ist, wo man die Grenze zieht. Mal ganz grob gesprochen, habe ich den Eindruck, dass man heutzutage nur eine Leinwand nehmen, einen Haufen draufsetzen und das Ganze etwas breitschmieren muss... Dann hängt man es in eine Galerie und sagt sowas wie "Dieses Bild zeigt, wie ich mich während des Arbeitsalltags fühle." Genau so wie mit den Rechten und ihrem "Merkel-Galgen", den sie als Kunst verkaufen...

    Meiner Meinung nach sollte ein gewisses Maß an Aufwand für Kunst nötig sein (was eigentlich bei allen Spielen automatisch der Fall ist - selbst bei Softwareschrott). Entweder geistig, handwerklich oder beides. Ein Bild, dass man in 10 Minuten malen kann, aber keine wirklich erkennbare Aussage hat, ist für mich keine Kunst. Selbst für Fotos muss man meist den perfekten Augenblick erwischen, die richtige Belichtungszeit, etc. Oder aber können in Photoshop (o.ä.)...

    Kleine Anekdote: Ich hab mal während meines Bildbearbeitungs-Unterrichts in meiner IT-Ausbildung einen USB von meinem Vater mitgehabt, zum rumspielen. Hab ein Bild (vom Stick) genommen, irgendeinen PS-Effekt draufgehauen und he! Sieht gar nicht so übel aus! Also hab ich es auf dem Stick abgespeichert, und diesen Abends meinem Vater zurückgegeben. Dieser hat ihn dann gleich mitgenommen, und zwar zum Fotografenverein, wo sie Bilder für einen Wettbewerb rausgesucht haben. Das erste Bild, was sie vom USB geöffnet haben, war natürlich das, was ich abgespeichert hatte. Die Leute waren alle Total begeistert und haben sich direkt für dieses Bild entschieden - mein Vater war natürlich total Perplex und wusste nicht, was los war. Das Bild hat, soweit ich mich erinnere, an 2 Wettbewerben teilgenommen und einmal den 2. und 3. Platz geholt.
  5. Strifes
    Ich bin kein Freund von Scheinkausalitäten, zumal diese leicht in die Irre führen können.
    Ich würde prinzipiell nicht jedes Spiel Kunst nennen. Eine Sportsimulation hat für mich wenig mit Kunst zu tun, auch wenn es eine gewisse Ästhetik in sich trägt. Man muss sich halt einfach die qualitativen Momente innerhalb der Narration und der Spielmechanik ansehen und dann für sich selbst bewerten, ob es Kunst ist oder nicht. Wir brauchen da auch niemand offiziellen, der uns sagt, was es ist. Kunsttheoretiker tun sich noch schwer mit neuen Medien. Es war ja auch ein ziemlicher K(r)ampf Comics als Kunstkategorie anzuerkennen.
  6. Reddok
    Wenn jemand ein besseres Strichmännchen malt und es Kunst nennen darf, sind Spiele (egal welche) auch Kunst. Das ist meine Meinung dazu.
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