Die kleine Beihilfe zum Glück

Von MissDean · 27. Juni 2020 · ·
Über die Schmach der Talentfreiheit​
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  1. Ich bin fest davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die wahres Talent zum Zocken haben – Strategen, Assassinen, Feldherren, Architekten, Planer, Sniper und noch viele, viele mehr.
    Bei mir ist das eindeutig nicht der Fall. Aber ich zocke trotzdem gerne, stoße nur leider immer wieder an meine Grenzen. Und wie sehr wünschte ich mir dann die „kleine Beihilfe zum Glück“, wie mein Mann sie nennt. Cheaten – oh nein, das böse Wort. Dabei bin ich gar nicht mal ein Cheat-Typ – insofern es einen solchen überhaupt gibt. Meistens spiele ich Games, die nicht besonders viel Talent erfordern oder in denen man den Endbossen mit einer vernünftig geskillten Party entgegentritt. Denn – ja, haltet euch fest – eines kann ich: Ferelden und inzwischen auch ganz Thedas von allem Bösen befreien, egal auf welchem Schwierigkeitsgrad - HA!

    Aber dann gibt es da diese Savegame-Leichen in meiner Bibliothek. Spiele, die ich großartig finde, die mich mitgerissen haben und die ich doch nicht beendet habe. Und es sind nicht die Endbosse, die mich verzweifeln lassen. Nein, es ist meine mangelnde Geschicklichkeit. So hänge ich bei Ori and the Blind Forest seit unzähligen Versuchen an der gleichen Stelle fest und komme einfach nicht weiter – dabei bin ich so verliebt in dieses Spiel. Wenn selbst die niedrigste Schwierigkeitsstufe offensichtlich zu hart ist, hilft wirklich nur noch Glück. Und wenn einen das Glück auch noch verlässt, bedarf es einer kleinen Beihilfe. Schön wäre es!
    Vor einem ähnlichen Problem stehe ich bei Darksiders, Bastion, Assassin’s Creed II, Enclave, Hand of Fate 2, LEGO Star Wars…und…Shadows: Awakening.

    Ich will mir gar nicht vorstellen, wie viele von euch gerade vor Lachen von ihren Stühlen gekippt sind – zu fehlendem Talent kommt bei mir definitiv noch fehlende Geschicklichkeit dazu. Bei einigen von diesen Spielen ärgert es mich allerdings mehr als bei anderen. In Oris Fall bin ich ganz offensichtlich nicht fähig im richtigen Moment zu springen und gleichzeitig noch alle anderen Knöpfe zu drücken. Glück muss der Spieler haben, da hilft auch keine Beihilfe der Welt. Nun stelle ich mich bei Jump and Runs aber auch darauf ein, dass so etwas passieren kann. Mich frustriert weniger meine Hüpfunfähigkeit, als dass ich die Story einfach so, so gerne weiterspielen würde.

    Aber Hack and Slash?? HACK AND SLASH! Ich spiele Hack and Slash seit ich überhaupt zocke. Für mich gibt es kaum etwas Schöneres als durch Wüsten – denn es gibt immer Wüsten – zu laufen und Pixel-Monsterchen zu erschlagen. Und jetzt bewegte ich mich so durch die Heretic Kingdoms und erfreute mich an dieser wunderbaren Spielmechanik und der durchaus spannenden Story und stehe nun vor einem verschlossenen Weg. Eine Kugel muss her, als Gewicht, aber alle meine Charaktere sind zu langsam, um rechtzeitig die Hebel zu erreichen. Und der schnellste hat einfach zu kurze Beine. Tja, 50, 60 Versuche und irgendwann ist auch meine schier unendliche Geduld aufgebraucht. Eine Kugel, ein Tor. Jetzt wünschte ich mir zum einen eine Open World, sodass ich einfach woanders weiterspielen könnte und zum andern die frühen 2000-er Jahre zurück, als die kleine Beihilfe zum Glück so aussah, dass man sich einfach per Consolenbefehl genug Holz, Stein oder Nahrung herbeizauberte. Bis heute kann ich alle Befehle für AoEII auswendig – Marco – Polo.
    Zu mehr haben es meine nicht vorhandenen Talente allerdings auch nicht gebracht. Ich beneide jeden, der Mods entwicken kann, für den jeder Quellcode wie ein offenes Buch daliegt und relevante Werte sich nicht nur wie böhmische Dörfer vor einem erstrecken. Consolenbefehle, zu mehr hat es meine Beihilfe-Karriere nicht gebracht.

    Vielleicht sollte ich einfach mal wieder Pixel-Männchen statt Pixel-Monsterchen erschießen und mit einem Cobra quer durch die Landschaft rasen.
    Back to the 2000ers.


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    Über den Autor

    MissDean
    Weiblich, Jahrgang 1988, studierte Geisteswissenschaftlerin
    -
    Heldin von Fereldin
    -
    Champion von Kirkwall
    -
    Inquisitorin

Kommentare

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  1. ModuGames
    Das Problem mit der fehlenden Geschicklichkeit kenne ich, nur dass ich, im Gegensatz zu dir, Ferelden bisher maximal auf „normal“ vom Bösen befreit habe. Und außerdem bin ich der letzte, der darüber lacht, wenn jemand bei LEGO Star Wars nicht weiterkommt... es gab da dieses unsägliche Level auf Hoth, wo man mit den Schneegleitern Bomben manövrieren musste... Argh!

    Hast du dir zu den betreffenden Spielen vielleicht mal Walkthroughs angeschaut? Das hat mir teilweise sehr geholfen, denn manche Leute nutzen Spielmechaniken auf Arten, die man sich selbst nie hätte vorstellen können. Macht vieles einfacher :)
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  2. MadCat
    Kommt mir bekannt vor. Es muss jede/jeder für sich entscheiden, ob Cheats der richtige Weg sind. Das Thema sorgt in den News-Kommentaren stets für heiße Diskussionen, aber warum? Kann man nicht einfach die Leute spielen lassen, wie sie's möchten? Im Singleplayer versteht sich. Multiplayer-Cheats sind ein anderes Thema.

    Doom Eternal nutzt sogar Cheats als Belohnungen für gefundene Secrets. Wenn man die Level eh schon kennt, macht es z.B. einfach Spaß, sich mit unendlich Munition so richtig auszutoben. Abseits davon, erforderten manche der Sprung-Sequenzen ein dermaßen präzises Timing über längere Distanzen, dass ich wirklich kapituliert habe. Das war mir einfach zu viel bzw. auf Dauer zu frustig und ich habe einen Trainer benutzt (unendlich viele Dashes am Stück). Wie @MissDean fehlt es mir in solchen Passagen einfach an Geschick.

    Ich kann in DCS recht problemlos die komplexe Boardsystem eine Kampfflugzeugs verstehen und bedienen. Selbst Trägerlandungen sind nach etwas Übung kein so großes Problem mehr, aber Sprung-Passagen aus der Ego-Perspektive? Geh mir weg. :ugly:

    Wenn das nach zig Versuchen nicht klappt, muss ich auch ehrlich sagen, dass mir meine Freizeit für solche frustrierenden Abschnitte zu schade ist. Vor allem wenn mir das restliche Spiel sehr gut gefällt und ich es weiterspielen will, mir aber eine (für mich) ungünstige Entwickler-Entscheidung oder mein Ungeschick zu sehr im Weg steht. Oft wär's einfach schade, vor solchen Spielen zu kapitulieren und abzubrechen.
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  3. Sir Hurl
    In den 70ern und 80ern gab es noch in Imbissbuden und an jeder Ecke Spielautomaten. Kinder und Jugendliche steckten sehr viel Geld in die Automaten und wenn sie ein Level nicht schafften, probierten sie es so lange, bis es klappte. Heute hat man es besser, denn man verliert kein Geld (nach dem einmaligen Kauf des Spiels). Man kann so oft probieren, bis man graue Haare bekommt. Ich würde nicht unbedingt davon ausgehen, dass es sich beim Feststecken in einem Level um Talentfreiheit dreht.... sondern eher um Ungeduld. Ungeduld ist eine Seuche in unserer heutigen Gesellschaft. Alles muss sofort passieren und zu schnell verliert man das Interesse an irgendwas.
    Man muss sich nur in Geduld üben und einfach nur aus seinen Fehlern lernen.... dann klappt es auch mit dem Endgegner.
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  4. Kalnasir
    Das ist ein sehr schöner Artikel. Ich möchte meinem Vorredner beipflichten: Talentfreiheit muss hier nicht zwangsläufig der Grund sein.
    Celeste geht hier - dem Vernehmen nach - anscheinend den Königsweg und lässt die Spieler das Moveset der titelgebenden Figur anpassen, indem man z.B. das Sprunglimit erhöht, indem man aus einem Doppel- einen Vierfachsprung macht, etc...
    Vom Stuhl gefallen bin ich übrigens nicht, im Gegenteil: Ich war eher gefesselt, denn einiges davon kommt mir doch bekannt vor. Und ich bin fasziniert, wie viele unterschiedliche Skillsets das Medium "Videospiel" von seinen Nutzern verlangen kann.
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