Die Leiden des jungen Kane

Von Juetas · 13. November 2017 · Aktualisiert am 15. November 2017 ·
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  1. [​IMG]Everybody was Kung Fu Fighting

    Der als PC-Spiel verpackte, interaktive Film Fahrenheit: Indigo Prophecy kam schon 2015 mit aufgemotzten Texturen in einer Remastered-Version auf den Markt. Viele werden den Mystery-Krimi noch gut in Erinnerung behalten haben, da er, damals wie heute, vor allem mit unkonventionellen Steuerungsmechaniken überrascht. Nachdem diese im Kern gut funktionierten und der Krimi zusätzlich noch eine ansprechende Story bot, wird es wieder mal Zeit für eine Reise in die Vergangenheit, in der angeblich alles besser war.


    Startus Fulminantus

    Bereits der Beginn des Spiels begeistert gleichermaßen den Spieler, wie er die Spielfiguren unter Druck setzt. Einer der Protagonisten wird in ein Verbrechen verwickelt und versucht, so schnell und sauber wie möglich, zu entkommen. Da er bei der Tat scheinbar nicht ganz er selbst war, wirft er, von der Polizei verfolgt, alles was er hat in die Waagschale um herauszufinden, was mit ihm geschehen ist. Die Hinweise führen ihn in eine mystische Welt aus Prophezeiungen, Dämonen und Täuschungen, die ihn und seine direkte Umgebung immer tiefer nach unten zieht. Im Endeffekt steht nicht nur sein Leben, sondern das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel.

    [​IMG]Wenn klettern nur so einfach wär

    Parallel dazu rufen die Ereignisse zwei Polizeibeamte auf den Plan, die wir ebenso steuern dürfen. Kurz nachdem Kane die Flucht gelang untersuchen wir mit den nächsten Charakteren den Ort des Verbrechens. Wir erleben also mit anderen Darstellern die Geschichte aus ihrer Sicht. Dies zeigt, warum Fahrenheit heute noch als Paradebeispiel für Mystery-Krimis auf dem PC herangezogen wird. Selbst wenn mangelnde Alternativen eine Rolle spielen mögen, sind die Geschichte und der sequenzierte Ablauf der Handlung überaus fesselnd.

    Dexterity level over 9000

    Versuchen ist der erste Schritt zu versagen. Und versagen kann in Fahrenheit ein ständiger Begleiter sein. Lässt einen die Feinmotorik altersbedingt einmal zu oft im Stich ist der Lebenspool schnell aufgebraucht und der Ladebildschirm unser einziger Freund. Aufgrund der Kurzlebigkeit der Events ist es aber nicht unbedingt schlimm, diese im Falle des Scheiterns wiederholen zu müssen. Neben der untypischen Steuerung, in der mit der Maus grob die ausführende Tätigkeit nachgeahmt wird, dominieren vor allem Quick Time Events das Geschehen. Schnelles Denken und Handeln sind Pflicht. Die Vorbereitung darauf beschreibt ein plötzlich aufpoppendes „Auf die Plätze“, woraufhin, mit beiden Händen auf der Tastatur, die folgenden Geschicklichkeitssequenzen gemeistert werden müssen.

    [​IMG]Stabile Seitenlage

    Diese belaufen sich in den meisten Fällen auf eine am Bildschirm visualisierte Richtungsabfolge, die wir mit katzenartigen Reflexen auf den Steuerungs- und den Pfeiltasten wiederholen müssen. Die Unterarme kommen dank abwechselndem Hämmern zweier Tasten ebenso wenig zu kurz, und zwar immer dann, wenn die Figur einen notwendigen Kraftakt bewältigen muss. Klarerweise ist das in weiterer Folge repetitiv, es sorgt aber für erhöhte Aufmerksamkeit. Da der Fokus in diesen Momenten auf der korrekten Ausführung der Sequenzen und nicht auf der im gleichen Moment stattfindenden Action liegt, ist intensive Konzentration ein Muss. Diese Methode der Herausforderung zieht sich durch alle Bereiche des Spiels, selbst wenn man in Lukas‘ Wohnung nur kurz auf der Gitarre klimpern möchte.

    [​IMG]Irre viel Spaß

    Meine Nerven kitzen

    Die gesamte Anekdote spitzt sich natürlich immer weiter zu und ist durchtränkt von nervenkitzelnden Szenarien, seien es Abstecher in eine psychiatrische Klinik oder Nachforschungen in engen Kellerräumen, Klaustrophobie inklusive. Insgesamt drei verschiedenen Enden sind erspielbar, auf die in Wirklichkeit leider nur sehr wenig Einfluss genommen werden kann. Die meisten Aktionen haben keine direkten Konsequenzen zur Folge. Schade, denn die Story böte genug Möglichkeiten für diverseste Variationen. Dennoch ist Fahrenheit heute immer noch für einen Durchlauf gut. Das HD-Remake beinhaltet lediglich ein kleines grafisches Update, wirkt aber so, als ob hochauflösendere Texturen über die alten Polygone gelegt worden wären. Kürzlich war es im Steam Sale für unter zwei Euro zu erstehen, wo bedenkenlos zugegriffen werden kann. Der Standard-Preis von zehn Euro wirkt für ein erneutes durchspielen doch ein wenig überteuert, selbst wenn es sich hier um ein absolutes Kleinod der PC-Spiele-Vergangenheit handelt. Spieler ohne Fahrenheit-Erfahrung aber mit nun gewecktem Interesse können dessen ungeachtet trotzdem zugreifen.

    Die Zeit wäre ohnehin Reif für einen Nachfolger auf dem PC. Mit Beyond: Two Souls wurde dieser Weg ja in ähnlicher Form weiterverfolgt, jedoch nur auf der PS4. Und auch Detroit: Become Human wird als nächstes Projekt 2018 nur für die PS4 erscheinen. Dabei gäbe es sicherlich genug PC-Publikum für Spiele im Stile von Fahrenheit oder Heavy Rain. Selbst wenn inzwischen auf PS Now zurückgegriffen werden kann ist dies für Nicht-Konsoleros maximal ein Workaround. Mit ein paar gedrehten Schrauben und grafischen Überarbeitungen könnte durchaus ein neuer Hit in dieser Nische entstehen. Ideen gäbe es unzählige.

    Über den Autor

    Juetas
    Computerspieler aus Leidenschaft bei Tag. Schläfer bei Nacht. Versucht mit Worten umzugehen und damit Meinungen zu PC Spielen zu formulieren. Über einen Besuch auf meinem Blog (https://taschtestet.wordpress.com/) freu ich mich natürlich. Aber nur wenn ihr lieb seid. Ach, egal, kommt einfach.

Kommentare

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  1. Juetas
    Da hast du Recht. Ich hab wohl zu sehr versucht, nicht den geringsten Spoiler einzubauen, weil das Spiel halt einfach von der Geschichte und den QTE lebt. Danke aber für die Ergänzung, die anderen Spiele kann ich auch nur aufgrund von Videos beurteilen, weshalb ich immer auf eine adaptierte, aktuelle Version gehofft habe. Es gäbe so viel Potential und Ideen, vor allem weils halt ne Nische ist, die aber durchaus einige ansprechen könnte. Die Hoffnung stirbt wie immer zuletzt :D
  2. Reddok
    Fahrenheit... Hab ich bestimmt 5 mal durchgespielt.
    Meiner Meinung nach zählt der Anfang zu den besten Anfängen in der Geschichte der Videospiele. Die Fluchtszene nach der stabilen Seitenlage(die mir nie aufgefallen ist), war auch ziemlich cool.

    Was du nicht erwähnt hast: Man kann bestimmte Dinge nicht schaffen, aber das Spiel geht trotzdem weiter. Wie z.B. die Erinnerungen an die Lagerhaus-Explosion. Wenn Man es schafft, bekommt man positive Stimmungspunkte, wenn nicht, negative. Soweit ich weiß kann auch Lucas' Bruder auch sterben, ohne dass man mit einem GAME OVER konfrontiert wird.

    Und ja, die Konsequenzen waren ein bisschen gering. Aber das richtig geile war ja, dass man selber die Beweise bekommt, die man liegen gelassen, bzw. für die man gesorgt hat. Man macht sich also sein eigenes Adventure - wenn auch in recht kleinen Maßstäben. Für mich kommen die Neuerungen im Gameplaybereich aus späteren Quantic Dream-Spielen da nicht ran - fairer weise muss ich aber auch sagen, dass ich sie wegen Playstation nie gespielt habe. Allerdings haben diese ein besseres Gesamtbild abgegeben.
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