Die Walking Dead sollen nach Hause laufen

Von methusalem0815 · 27. März 2018 · Aktualisiert am 28. März 2018 ·
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  1. Sie sind zu Millionen dahingemetzelt worden, sie wurden erschossen, erschlagen, überfahren, durch Stromschläge getötet, zertreten, verbrannt, zerhäckselt und in die Luft gesprengt – nicht nur im Fernsehen haben die laufenden Toten mal schlurfend, mal rennend Einzug gehalten, sie sind auch zu einer Lieblings-Zielscheibe schießfreudiger Videospieler geworden. Das muss aufhören! Denn die Hirngourmets sind nicht nur hässlich, sie sind vor allem auch banal, langweilig und vorhersehbar wie Kopfschmerzen nach einem Zombiebiss.

    Zweimal musste ich lesen, als der Test zu Far Cry 5 veröffentlicht wurde: Neben durchgedrehten Geschwistern, Hillbillies und Zucht-Wölfen sind es hirntote Drogenopfer, die dem Spieler das virtuelle Leben schwer machen sollen (Quelle: Gamestar, „Kult geht anders“, 26.03.18). Noch mal hingeschaut, da steht tatsächlich „Zombies“. „Zombies“ wie in 7 Days to die, Minecraft, Dying Light, Red Dead Redemption: Undead Nightmare und – Überraschung – Plants vs. Zombies. Sie sind überall, ob als wiederkehrende Nazis in Call of Duty, dumpfe Gefolgsleute in Total War: Warhammer oder als Draugr in Skyrim. Um es einfach zu sagen: „They Are Billions“.



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    "He Günther, wusstest du, dass Jörn ein Zom-Bi ist?" "Heee, das hab ich dir im Vertrauen gesagt. Voll unghul!"



    Doch warum? Worin liegt der Reiz in den untoten Massen? Klar kann es spannend sein, sich vor einem Haufen von Zombies zu verstecken, wegzurennen und die eigentlich recht wehrlosen Gesellen mit Waffengewalt zu überzeugen, doch wieder in die Horizontale zurückzukehren. In Spielen wie Left 4 Dead knistert es förmlich, wenn eine Gruppe von Spielern durch den Level schleicht, nur um einen Moment später die Horde im Nacken sitzen zu haben. Natürlich mag es die Nerven kitzeln, seine Siedlung bis auf den letzten Mann gegen Tausende von hungrigen Zombies zu verteidigen, Welle für Welle, gegen neue Gegnertypen, mit neuen Waffen. Und – apropos Waffen – klar macht es Spaß, die ohnehin schon toten Hirnfresser niederzuschießen, sie mit dem Schwert zu erschlagen oder mit dem Rasenmäher ihre Reihen zu lichten. Schwarzhumoriges Experimentieren am nicht-mehr-lebenden Objekt, Dead Rising lässt grüßen.

    Doch die Toten haben sich jetzt langsam oft genug erhoben. Es gibt keinen Gegnertyp im Spiele-Universum, der mit solch einer Einfachheit so erfolgreich ist. Laufen, grunzen, schlagen, beißen, mehr kann der Durchschnitts-Zombie nicht, mehr will er nicht. Ein paar seiner Kollegen sind zwar besonders stark, können spucken, springen oder giftigen Unrat hinterlassen – mehr ist da aber nicht. Sie funktionieren alle nach demselben Prinzip, ihre Taktik ist genauso hirntot wie sie selbst und ein tiefgründiges Gespräch zwischen zwei Zombies scheitert schon an ihrem Vokabular. Und vielleicht der frustrierendste Nebeneffekt: In welchem Spiel wurde je die Zombie-Apokalypse abgewehrt, wurde je ein Happy End für die Menschheit erreicht? Es mag sie geben, aber sie sind in der Unterzahl. Wie der Spieler im Angesicht der Zombiehorde halt. Irgendwie frustierend, oder?

    Dabei gibt es so viel mehr zu bekämpfen: Dämonen aus unzähligen Mythologen, Fabelwesen, Märchengestalten, Außerirdische und, ja, Menschen. Natürlich ist es moralisch einfacher, einen schon Toten erneut umzubringen, aber dass menschliche Gegner auf dem Bildschirm auftauchen, gehört mittlerweile zur Spielekultur wie Retro-Pixel und Early Access. Ein Mann oder eine Frau (oder etwas Ähnliches) kann aber definitiv mehr als nur laufen, grunzen, schlagen und beißen, ist vielfältiger, intelligenter, interessanter, gefährlicher und hübscher. Selbst ein Dämon mit Schwingen ist innovativer, obwohl seine Artgenossen schon 1973 Sindbad das Film-Leben schwer gemacht haben.

    Daher meine Forderung: Lasst die Toten ruhen, keine Macht den Zombies. Gebt den Gegnern lieber Hirnschmalz zum Denken, als es an sie zu verfüttern. Und falls ein Kompromiss vonnöten ist und um den Bogen zu spannen: Ist die künstliche Intelligenz mal doch zu hoch, kann man sie einfach runterschrauben. Und wenn dann, so wie in Far Cry 5, der „mentale Totalausfall“ dazwischenkommt, kann man sie immer noch Zombies nennen...

Kommentare

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  1. Reddok
    Hey hey hey. Lass meine Untoten in ruhe.
    Spaß beiseite. Etwas mehr Variation würde selbst ich als Untotenfreund gut finden. Allerdings sind Zombies seit Urzeiten Kultfiguren, vermutlich länger als wir denken, und dass auch nicht ohne Grund - den ich jetzt nicht nennen werde, weil ich keine Ahnung habe.

    Du solltest dir vielleicht mal Virmintide 2 ansehen. Da werden keine Zombies benutzt, aber im Prinzip passiert genau das gleiche wie in L4D. Na ja mit dem Unterschied, dass Feinde auch blocken können. Die Ratten hätten sich auch mit den Untoten zusammenschließen (keine Ahnung ob das Lore-friendly wäre) können, aber sie haben stattdessen die Chaoskrieger genommen. Mal so nebenbei, ich denke ein Vampir/in als zusätzlicher Held wäre ziemlich witzig.

    Das man mit Zombies auch kreativ sein kann, zeigen auch die Serien iZombie und Santa Clarita Diet.

    Na ja, wenigstens gehört das hier nicht zu Belerads Blog-Amoklauf :)
      2 Person(en) gefällt das.
  2. methusalem0815
    Vermintide hab ich in der Tat auf der Festplatte. Und die Skaven- und Chaosgegner sind durchaus erfrischend!
  3. tgjadm
    Der Archetyp Zombie/Untoter wird auch meiner Meinung nach viel zu wenig ausgereizt. Als Paradebeispiel für löbliche Fleischsäcke fallen mir nicht sonderlich viele ein.

    Da wären eventuell die Stalker aus Dead Space, deren Verhalten eher einem Raptorenrudel entspricht. Sie schreien, sie knurren, sie lugen hinter Ecken hervor, nur um dich abzulenken, während ein anderes Rudelmitglied dich flankiert.

    Oder die Volatiles aus Dying Light, die mehr HP haben als der Spieler, mehr Schaden machen als der Spieler und durch ihren mutierten Muskelbau auch schneller sind als ein ungeübter Spieler (ich erinnere an das Parkoursystem in Dying Light).
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