Dragon Age 2 entzweit die Spielergemeinde schon jetzt

Von Black Baron · 22. August 2010 · Aktualisiert am 31. Mai 2011 ·
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  1. Der Titel deutet schon sehr klar an worum es mir geht. Dragon Age 2 ist noch ein dreiviertel Jahr vom geplanten Release entfernt und schon jetzt erhitzt es die Gemüter so, als hätten die Leute ein fertiges Spiel in Händen. Dem möchte ich hier auf den Grund gehen.

    Womit fing es an?


    Die erste Ankündigung war schlicht, dass es einen zweiten Teil geben würde. Soweit so gut, die Spielergemeinde war noch zufrieden und glücklich, jeder wähnte sich, dass in absehbarer Zeit wieder ein Rollenspiel wie Dragon Age: Origins erscheinen würde... mit forderndem taktischen Gameplay und epischer Story und langer Spielzeit.

    Die ersten Screenshots

    Dann kamen die ersten Screenshots an die Öffentlichkeit. Die Verblüffung und auch Skepsis war groß, denn diese Screenshots sahen rückständiger aus, als ein Bild aus dem fertigen Vorgänger. BioWare ließ die Bilder jedoch nicht unkommentiert, meinte, dass das dort gesehene freilich noch nicht final sei, sondern die künstlerische Marschrichtung zeigen solle: Minimalistische Grafik mit Betonung der Charaktere, damit die Kämpfe besser hervorstechen. Es kamen sogar analytische Begründungen, wie man sie bei modernen Kunstwerken macht, die nicht durch Einfallsreichtum und Maltechnik hervorstechen, sondern durch wirre Kleckse auf eintönigen Hintergründen. Auf jeden Fall verhielt sich die Spielerschaft teils schon sehr verhalten, war aber gewillt auf erste bewegte Bilder zu warten: Die meisten sind offenkundig auch erfahren genug zu wissen, dass ein Spiel in Bewegung sehr oft sehr viel anders wirkt, als auf einem einzelnen Standbild.

    Erste Details zum Spiel selbst

    Schließlich folgten erste Details zur Story und dem Gameplay. Storymäßig gibt es ein paar Änderungen (nicht unbedingt Neuerungen als solches), es gibt keine Origin-Storys (das verkraften die meisten Spieler noch ganz gut), es gibt nur die Menschen als spielbare Rasse (davon sind einige, die gerne andere Rassen spielten in DA:O schon mehr entäuscht), die Story wird über eine Zeitspanne von 10 Jahren mit Rückblenden erzählt (darüber lässt sich kaum jemand aus, könnte ja auch durchaus gelingen), der Spielercharakter wird eine ähnlich ausgearbeitete Persönlickeit wie Commander Shepard in Mass Effect haben inkl. eigener Stimme (ab hier beginnt das Dilemma und die Entzweiung der Spielerschaft... einige vermuten Schlechtes hinter dieser Ankündigung). Das Gameplay soll actionorientierter werden und die Kämpfe schneller von der Hand gehen. Die dahingehend noch größte Änderung, die damals angekündigt wurde: Man will Vorlaufzeiten von Fähigkeiten, vor allem Zaubern, weglassen, damit "sofort etwas passiert, wenn man einen Knopf drückt". Das betreffe auch die Nahkämpfer, die nun nicht mehr "gemütlich" zum Gegner laufen und dann im Hintergrund in der Runde darauf warten bis "sie dran" sind mit schlagen, sondern sie sollen nun ihre Feinde regelrecht anspringen und anstürmen und sofort zuschlagen. Auch das machte viele stutzig und man fragte sich, wie das in einem taktischen Spiel funktionieren solle, das im Grunde rundenbasiert abläuft.

    Die Antwort folgte auf den Messen

    Nun war das Spiel bereits auf der gamescom spielbar... die meisten Leute bestätigten die bisherige Vermutung das Spiel ginge nun in Richtung Mass Effect: Direktere Steuerung der Charaktere (ein Wechsel zu den Begleitern ist aber afaik dennoch möglich), manche sagen eine Taktikansicht von oben gäbe es nicht mehr, andere behaupten hinter "verschlossenen Türen" im Präsentationsbereich für Fachpresse und Branchenleute gesehen zu haben, dass man über das gesamte Gebiet zoomen könnte. Solange es aber kein Gameplay-Video für alle gibt, bin ich eher geneigt den Leuten glauben zu schenken, die an den Messeständen für normale Besucher das Spiel angespielt haben.

    Die Agonie und das Gemotze einiger Fans ist groß

    Seit einigen Tagen nun ist in vielen Foren die Hölle los: Die Leute schlagen sich dort die Köpfe wegen dieses Spiels ein, auch hier auf GameStar.de, wo aber wenigstens der Ton noch sehr erwachsen ist (dafür bin ich der Community sehr dankbar). Doch warum ist das so?

    - Grafik:
    Die Grafik hat bereits einige Leute abgestoßen - mich eingeschlossen, wobei ich gewillt bin zu glauben, dass die fertige Version in vielen Dingen mehr dem Vorgänger gleichen wird und nicht so nackt ausfällt wie die ersten Bilder glauben machten. Doch viele stören sich sehr stark daran, dass BioWare scheinbar mehr auf Stil geht, als auf Atmosphäre. Auch glauben einige, dass BioWare damit dem Umstand gerecht werden will, dass das Spiel 1. auch für die Konsolen entwickelt wird - im Gegensatz zu Teil 1, bei dem diese Entscheidung erst während des langjährigen Entwicklungszeitraums gefällt wurde. Die aktuellen Konsolen sind in den Augen vieler PC-Spieler technisch veraltet und ziehen Multiplattformentwicklungen technisch auf deren Niveau herab. Das ist ein Umstand, der zwar nicht von der Hand zu weisen ist, aber mit Sicherheit kein Grund für den neuen Grafikstil von Dragon Age 2 ist. Auf der aktuellen Konsolengeneration hab ich selber schon etliche Spiele mit aufwändigerer Grafik und dabei noch flüssiger Performance gesehen. Aktuelle PC-Spiele, die die Hardware auch wirklich nutzen, stecken die Konsolen zwar mittlerweile locker in die Tasche, aber die Konsolen können immer noch tolle Sachen auf den Monitor/TV zaubern, so ists nun auch nicht.

    - Story:
    Das war so ziemlich der erste handfeste Streitgrund für viele, auch ein Grund die Nase zu rümpfen: Keine Originstorys mehr, ein quasi vorgefertigter Held mit vorbestimmter Herkunft, eingeschränkt in seiner Rasse (mal wieder der Alleskönner Mensch). Einige beinharte CRPG-Fans kritisierten bereits an Dragon Age: Origins, dass die Individualisierung des Charakters nur marginal sei, wurden aber dadurch versöhnt, dass sich DA:O trotzdem wie ein CRPG anfühlte und die Origin-Storys mal eine interessante Neuerung seien. Viele hatten sich erhofft, dass sich das in Teil 2 fortsetze und waren enttäuscht, als die Ankündigungen anderes versprachen. Einige meinten auch, wenn allein die Vertonung des Spielerchars der Grund für diese Entscheidung wäre, würden sie das lieber opfern, um wieder unter verschiedenen Rassen wählen zu können. Auch hier stellt sich aber erneut die Frage: Ist das wirklich der Grund für die Entscheidung seitens Bioware, die Vertonung des PCs?
    Andere mutmaßen, dass der Erfolg von Mass Effect daran Schuld sei, BioWare wolle das "Commander Shepard"-Prinzip auf Dragon Age übertragen. Das halte ich selber durchaus für plausibel und kann mir vorstellen, dass BioWare sehr angetan von der Resonanz bezüglich Mass Effect 2 war, bei dem viele die intensive Inszenierung lobten. Dem steht nun entgegen, dass Dragon Age: Origins zwar keine ganz so kinoreife Inszenierung hatte, aber durchaus viele nette Ingame-Sequenzen, die mehr waren als nur mit Händen wedelnde Charaktere. Die Frage stellt sich also immer noch nach dem warum, zumindest bei den Kritikern.
    Ich persönlich bin soweit zu glauben, dass das erneut eher eine "Design-Entscheidung" ist, in die vielleicht das Mass-Effect-Konzept mit einfließt, aber eher in Hinsicht auf "Erfahrung mit dem Erfolg von Mass Effect". Ansonsten bin ich davon überzeugt, dass man die Geschichte explizit auf einen Menschen getrimmt hat und ich schätze auch, dass das spätestens beim Abspann deutlich werden dürfte. Außerdem hängt es ja auch davon ab, auf welche Rassen der Spieler in Teil 2 überhaupt stoßen wird... ich könnt mir vorstellen, dass man mehr Qunari sehen wird, als Elfen und Zwerge... vielleicht auch die eine oder andere neue Rasse sogar.

    - Gameplay:
    Das ist momentan das ganz heiße Eisen: Alle Welt zerreißt sich darüber das Maul, die Stimmen der Buh-Rufer überwiegen momentan, da viele der weniger engstirnigen Spieler es momentan vorziehen still zu bleiben. Alle Welt urteilt über das Spiel, als hätten sie es bereits auf ihrer Festplatte installiert und gespielt (oder ins Laufwerk ihrer Konsole geschoben... sorry, dieser Seitenhieb muss sein). Daran erkennt man die hohe Erwartungshaltung vieler, die nun glauben BioWare verrate sich selbst, in dem sie Dragon Age 2 das nehme, was ein wahres Rollenspiel ausmache.
    Ich gehöre ja zu der Fraktion, die ein Rollenspiel primär der Atmosphäre wegen und nicht wegen des Gameplays spielt. Wenn das Gameplay gelungen ist, gut funktioniert und spannende Spielstunden bringt um so besser. Unwichtig ist das Gameplay aber bei Leibe nicht, denn zu viel Akribe kann das Spiel auch bremsen und kaputt machen. Für viele Leute waren Klassiker wie Arcanum (ha, ob das wohl jemand kennt...) viel zu spröde, weil die Kämpfe rundenbasiert mit Rundenpunkten liefen und somit zeitlich sehr in die Länge gehen konnten. Ähnlich als würde man ein Pen-And-Paper-RPG spielen, bei dem es durchaus vorkommen kann, dass man gut 2 Stunden braucht um einen Kampf durchzuspielen, der in Echtzeit wohl kaum mehr als 2 Minuten dauern würde... Aber das macht für viele den Reiz aus, denn man selbst trifft nur Entscheidungen WAS man tut, das WIE wird jedoch stets vom Zufall (Würfel) entschieden.
    Nun wirft BioWare die Komplexität, die in DA:O noch vorhanden war, in den Augen vieler komplett über den Haufen... doch kann man darüber jetzt schon urteilen, obwohl keiner außer Messebesuchern das Spiel in Aktion gesehen hat?

    BioWare ist traditionell und dann auch wieder nicht

    Traditionell in Hinsicht auf die Story. Es gibt Scherzbolde, die BioWare-Titel auf bestimmte Kategorien im Ablauf reduziert haben und Flowcharts dafür erstellt haben, denn es lassen sich bestimmte Muster in jedem BioWare-Titel ausmachen, die fast alle Spiele gemein haben. Dabei zeigt sich BioWare bisher allerdings recht kreativ mit dem, womit sie diese Kriterien ausfüllen.

    Was ist nun an BioWare nicht traditionell? Das Gameplay. Ja, sie sind festgelegt aufs Fach der Rollenspiele, aber sie wechseln sehr häufig das zu Grunde liegende spielerische Regelwerk oder versuchen neue Ansätze zu suchen, um diese adäquat und doch gut spielbar für den PC (ah hoppla, für die Konsolen ;) ) umzusetzen.
    Die Baldur's-Gate-Reihe hielt sich noch recht strikt an das D&D-Regelwerk, auch wenn es freilich nicht den Umfang hatte. Für ein RPG am PC waren diese Spiele aber sehr komplex, man konnte und musste sich reinarbeiten um die sehr taktischen Kämpfe überhaupt zu überstehen. Einfaches draufklicken und dann tot gab's hier nicht. Für viele ist Baldur's Gate (vor allem Teil 2) daher der Inbegriff des epischen und komplexen RPGs.

    Die Ära "D&D" neigt sich dem Ende zu

    Es folgte dann mit Neverwinter Nights das erste RPG von Bioware mit 3D-Grafik, für viele Segen und Fluch zugleich. Segen, weil sie nun das Bild drehen konnten wie sie lustig waren (Baldur's Gate war noch in starrem 2D, zwar mit sehr schön gezeichneten Umgebungen, aber dennoch statisch). Es war nun möglich Kämpfe aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Für viele litt aber die Ästethik ein wenig, weil die 3D-Grafik zwar hübsch beleuchtet und flüssig animiert war, aber etwas detailarm und vor allem steril, was man an dem Reisbrett-artigen Aufbau der Umgebungen sah, die sehr künstlich wirkten. Und Gameplay-technisch war das Spiel zwar gewohnt komplex, aber für viele wars ein herber Rückschlag, dass es keine Begleiter mehr gab. Trotz der nach wie vor komplexen Charaktererstellung also weit weniger komplexe taktische Kämpfe, mehr ein Diablo mit sehr aufgemotztem Kampfregelwerk. BioWare begründete das damals mit technischen Gründen: Es sei noch zu aufwändig eine volle Spielergruppe mit all ihren Fähigkeiten und den einhergehenden Effekten in 3D-Umgebungen zu bieten, außerdem litt in Versuchen das Gameplay deutlich, weil die Übersicht verloren ginge. Man war offenkundig bedacht behutsamer vorzugehen und auch die Spieler an diese neue Spielumgebung zu gewöhnen.

    Immer mehr Action

    Hiernach folgte dann das unter Fans heiß geliebte Knights of the Old Republic. Für viele war das Spiel ein Segen, weil es endlich ein Star Wars Spiel war, das dem mittlerweile sehr umfangreichen Hintergrund des SW-Universums gerecht wurde. Der Ansatz war ähnlich wie in Neverwinter Nights: Weg von der Taktik, noch mehr hin zum direkter steuerbaren Spielercharakter. Anders als in Neverwinter Nights hat man hier jedoch wieder Begleiter, wenn auch nur 3 an der Zahl. Somit wurde der Taktik-Anteil gegenüber NWN wieder erhöht, da man nun die Fähigkeiten anderer Chars im Kampf zur Verfügung hatte und sie auch direkt steuern konnte. Aber die Kämpfe an sich wurden so konzipiert, dass man sie oft einfach "laufen lassen" konnte und mit den Spezialfähigkeiten nur unterstützend eingreifen musste. Das Spielgefühl war nun deutlich intensiver, wozu auch die Third-Person-Kamera beitrug. Auch hier wurden bereits Kritiker laut, die dem Spiel vorwarfen ein Actiontitel mit Möchtegern-RPG-Regeln zu sein. Doch enthielt das Spiel nachwievor alle Elemente, Inventar samt Upgradesystem, Charaktersystem mit Talentbäumen etcpp. Nur beruhte das Spiel nicht mehr auf D&D, sondern wie die Pen and Paper Vorlage des Star Wars RPGs auf dem sogenannten Dice-20-System, eine allgemeinere und schlichtere Form des D&D-Systems.

    Das folgende Jade Empire setzte diesen Trend erneut fort, die Kamera-Perspektive wurde bei behalten (3rd-Person), allerdings gab es neue Ansätze: Nunmehr nur ein Begleiter, der - soweit ich mich recht erinnere - nur indirekt steuerbar ist, und ein auf Kombos basierendes Kampfsystem, das direkteren und auch reaktionsabhängigen Einfluss des Spielers erforderte. Insgesamt präsentierte sich Jade Empire als eine ausgewogene Mischung aus Story, Charakterentwicklung (das Skillsystem ist durchaus nicht zu unterschätzen) und Action wie in einem Beat-em-up.

    Nun kam Mass Effect daher... zu dem noch exklusiv auf XBox360, zumindest zunächst. Bei Erfolg nahm man sich aber schon vor auch eine PC-Version zu entwickeln. Die Entscheidung für Konsole zu entwickeln beruhte wohl darauf, dass man vor Beginn der Entwicklung beeindruckt von den Next-Gen-Konsolen war... man wollte wohl Neuland betreten und ein technisch bestechendes Spiel machen. Letztlich gelang dies zumindest optisch, denn die Performance auf der XBox360 war - gelinde gesagt - stockend. Die Neuerung nun: Man schaffte es optisch unglaublich lebensecht wirkende Charaktere zu erschaffen und kombinierte es mit der Erfahrung auch Persönlichkeiten zu erschaffen (denn dies war seit jeher eine der großen Stärken der BioWare-Titel). Das Gameplay hingegen war absolutes Neuland: Ein Shooter mit Rollenspielelementen. Mass Effect wurde zwar nachwievor durch Charakterentwicklung und Dialoge dominiert, aber wollte offenkundig das fortsetzen, was mit KotOR und vor allem Jade Empire begonnen wurde: Mehr direkte Kontrolle, weniger Zufall und keine Rundentaktik, stattdessen ein flüssiges Gameplay. Fähigkeiten hatten nun Abklingzeiten, wodurch Balance gewährleistet werden sollte. Für viele Spieler war die Umsetzung eher gut gemeint als gut ausgeführt, aber die Fans überschütteten das Spiel mit viel Lob für die Story und die Inszenierung, die mehr an einen Film als an ein Spiel erinnerte.

    Ein ehrlicher Versuch Tradition zu bewahren, mit Erfolg


    Zwischenzeitlich befand sich Dragon Age: Origins in Entwicklung, das von BioWare als geistiger Nachfolger der Baldur's-Gate-Reihe angekündigt worden war. Man wollte endlich wieder die Komplexität der ehrwürdigen Spielreihe auf moderne Weise auf den Schirm bringen, da die Technik dies nun zuließe. Zu Gunsten besserer Übersicht gab es zwar nachwievor keine 6 steuerbaren Begleiter, aber immerhin 4. Die Taktik stand beim Entwickeln des Gameplays klar im Vordergrund. Eine ausgewogene Gruppe ist essenziell für den Erfolg, ebenso gezielte Kampftaktiken. Wer gefährliche Gegner wie feindliche Magier oder auch Heiler nicht als erstes aufs Korn nahm und seine leichter gerüsteten Begleiter nicht vor feindlichen Nahkämpfern schützte, der konnte eigentlich gleich neu laden. Im direkten Vergleich ist DA:O zwar immer noch spürbar weniger komplex, als BG, aber es war deutlich klassischer, als die Spiele in den Folgejahren. Und die Story: gewohnt episch und auf hohem Niveau.

    Die Spiele entwickeln sich weiter


    Man muss aber dazu sagen, dass DA:O sich fünf Jahre in der Entwicklung befand. Zu jenem Zeitpunkt war man gerade mit KotOR fertig und die stärkere Action-Ausrichtung allgemein im RPG-Genre war erst im Begriff aufzukommen. Nach wie vor erschienen komplexe CRPGs. Erst in den letzten 5 Jahren hat sich das Action-Prinzip immer mehr durchgesetzt, zu sehen auch an den MMOs, die zwar gern als komplex angesehen werden mit ihren vielen Fähigkeiten, aber dennoch direkt steuerbare Chars bieten, denn die Begleiter werden ja nunmehr von anderen Menschen gesteuert. Das Spielgefühl hat sich insgesamt deutlich verändert im Vergleich zu vor fünf Jahren.

    Ein Beweis dafür ist auch Mass Effect 2, bei dem sich BioWare offenkundig eines auf die Fahne geschrieben hatte: Das Gameplay soll der Story und dem Szenario dienen, es soll nicht versucht werden letztere beiden einem Gameplay-Regelwerk unterzuordnen. Eine meiner Meinung nach sehr konsequente und auch richtige Entscheidung. Das Gameplay in ME2 ist deutlich besser und ausgereifter, als in ME1, weil man hier so ehrlich ist und die Ballerei stärkt und keine Komplexität mehr heuchelt. Es macht einfach mehr Spaß, als Teil 1, obwohl die Story - zwar trotz besserer Inszenierung - vom handwerklichen her auf gewohntem Niveau ist, aber von vielen trotzdem als schwächer angesehen wird, da der Ablauf vom Einsammeln der Begleiter dominiert wird (ich seh hier zwar die Stärke des Spiels, aber diese Meinung teilen tatsächlich nicht so viele Leute^^).

    Mit Dragon Age 2 will BioWare offenkundig ähnliches versuchen: Man will das Gameplay der Story und dem Szenario unterordnen und legt Wert darauf, dass das Spielgefühl passt. Man will keine Taktiker bedienen, man will den Heroismus hervor heben, das Kampfgefühl intensivieren. Mag sein, dass die Ausführung dieses Bestrebens den Möglichkeiten der Konsolen untergeordnet wird, weil diese nun direkt im Entwicklungsprozess Einfluss haben (im Gegensatz zum Vorgänger), aber in meinen Augen ist das immer noch der richtige Weg beim Entwickeln eines Spiels. Das Gameplay sollte stets dem Spiel dienen, der Atmosphäre, der Story. Nicht umgekehrt. Als kurzes Beispiel sei hier wieder das Pen-And-Paper-RPG erwähnt: Man kann sich hier sklavisch an alle Regeln halten und jeden Mist auswürfeln, wodurch man aber alles in die Länge zieht und Ereignisse von wenigen Augenblicken sich über ganze Stunden hinziehen können. Man kann sogar auswürfeln wie viele Blasen sich die Helden laufen, wenn sie von Ort A zu B wandern. Oder man kann bei einem guten Spielleiter Atmosphäre walten lassen, Entscheidungen treffen anstatt die Würfel zu werfen, wodurch der Spielfluss erhalten bleibt und die Spieler nach wievor mittendrin sind. Auch Kämpfe lassen sich dadurch beschleunigen und aufregender machen. Bei einem akribisch ausgeführten Kampf brauchen die Leute jedoch oft mehrmals Pause, weil die Berücksichtigung sämtlicher Regeln anstrengend sein kann.

    Weniger kann auch Mehr sein

    Ich will damit nicht sagen, dass Komplexität schlecht ist. Baldur's Gate war absolut genial und vieles wird iin den Spielen ja vom Computer ausgeführt, trotzdem bleibt das Spiel dabei nachvollziebar. Aber wären die Kämpfe nicht so komplex wäre die Spieldauer deutlich geringer. Ob das nun gut oder schlecht ist sei jedem selbst überlassen. Aber zu jener Zeit waren die Bedingungen gänzlich anders: Komplett-Vertonung war damals eine schwierige Sache, da MP3 noch nicht gänzlich etabliert war und somit auch kaum in Spielen vorhanden, Datenmenge ist hier das Stichwort. Zum anderen verbrauchten die 2D-Hintergründe noch massig Speicherplatz. Ebenfalls der Technik geschuldet ist eine eher abstrakte Darstellung, man sieht die Charaktere als Pixelsprites in einer isometrischen Ansicht, also von Haus aus eher wie ein Taktik- oder Strategiespiel. Mit der 3D-Grafik hingegen ergab sich, dass dieses Spielprinzip nicht immer so gut funktioniert und es schwierig ist zeitgleich ein Mittendrin-Gefühl und Komplexität zu bieten. Die Komplexität kann den Spielfluss behindern, wodurch der höhere Realismus bei der Charakter-Darstellung und der Animation der Kämpfe manchmal wie eine Farce wirken kann.

    Ich kann aber die Leute verstehen, die ein komplexeres Spiel wie den Vorgänger erhofft hätten. Allerdings finde ich es mittlerweile sehr grotesk, wie sehr sich die Leute jetzt schon über Dragon Age 2 auslassen und dem Spiel zum Teil null Chance einräumen. Vor allem finde ich es deshalb grotesk, weil etliche der Kritker das Spiel trotzdem spielen werden. Als hätten sie gar keine andere Wahl...

    Nicht nur motzen, auch den Geldbeutel zu lassen!

    Wenn ihr den Entwicklern tatsächlich zeigen wollt, dass die Marschrichtung von DA2 verkehrt ist, dann geht das vor allen Dingen durch eines: Kauft das Spiel nicht! Allein bei der Kritik belassen kann man es nämlich nicht. Wenn die Gegenstimmen jetzt so laut sind, der Erfolg aber trotzdem groß wird (so wie zu erwarten), dann fühlen sich die Entwickler - zu Recht - nur bestätigt in ihrer Entscheidung. Denn wenn die Verkaufszahlen stimmen juckt es kaum jemanden mehr, was danach an Kritik kommt. Man nimmt sich zwar vielleicht manches für die weiteren Spiele zu Herzen, aber ein Miserfolg hätte hier eine deutlichere Wirkung.

    Am liebsten würde ich von allen Unkenrufern die Bestätigung bekommen, dass sie DA2 niemals spielen werden, da es ja ein schlechtes Spiel wird und es ihren Erwartungen nicht gerecht werden kann. Man wäre sicherlich verblüfft wie viele diese momentan ablehnende Haltung aufgeben werden.

    Damit will ich sagen: Das Ei ist noch nicht gelegt, aber die Henne wird schon zum Schlachten getragen... lasst die Henne erst mal in Ruhe ihr Ei legen, vielleicht wirds ja doch ein Schönes... Ich jedenfalls gebe diesem Spiel die Chance und habe keine Lust mehr mir die Laune verderben zu lassen. Es wird nämlich momentan echt schlimm, weil viele ihre Enttäuschung und Wut auch in andere Themen und andere Spiel einfließen lassen... das zeigt zwar auch die Passion der Fans von CRPGs, aber auch die Engstirnigkeit und den Glauben, BioWare müsse Spiele so entwickeln wie die Fans es wollen... dass aber die Fans eigentlich das spielen sollten, was sie wollen und sie nicht jeden BioWare-Titel kaufen müssen und vertilgen müssen, dass vergessen scheinbar viele in ihrer Rage. Da sind mir die noch am liebsten, die sagen "oh weh, gefällt mir gar nicht was ich bisher höre... wird wahrscheinlich nicht gespielt". Das ist wenigstens ehrlich und straight. Und nicht wie das Gewäsch mancher Idioten, die bei jedem aktuellen RPG irgendwie DA2 mit ins Gespräch bringen.

    Sorry für den langen Text, aber momentan bewegt mich das Thema sehr, weil die Auseinandersetzung der meisten Leute damit einiges an Fairness und Vernunft vermissen lässt.

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