Games age like milk, oder?

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    Coming soon! Der critically-acclaimed, beloved und sehnlichst gewünschte Re-Release Ihres Lieblingsgames aus dem letzten Jahrzehnt – in HD!
    Neulich kündigte Crytek, einzig verbliebener, deutscher Triple-A-Entwickler sagen nicht wenige, Crysis Remastered an. Die Neuauflage des Erfolgstitels von 2007. Welche Ironie. Das wohl einzige Spiel aus dem letzten Jahrzehnt, das wirklich keinen Remaster benötigt, weil es technisch schon damals der Konkurrenz so weit überlegen war, dass es auch heute noch gut aussieht, bekommt eine Schönheitskur.
    „Jawoll!“ sagen nicht wenige voller Vorfreude und zücken schon die Brieftaschen. Doch braucht es das? Ich frage mich, ob es bei einem so toll aussehendem Spiel, dass nebenbei immernoch nicht durchweg ruckelfrei läuft, wirklich nach einer Neuauflage verlangt.
    Die Vermutung, Crytek wolle sich mit diesem outgesourcten Fanserviceprojekt (Sabre Interactive übernimmt die Portierung) schnell die Taschen füllen, liegt natürlich nahe. Die Spiele des Unternehmens aus Frankfurt am Main hatten stets Kritiker hervorgerufen, die ihm vorwarfen interaktive Tech-Demos zu entwickeln statt echter Spiele; alles mit dem Ziel, man wolle die hauseigene Engine vermarkten.
    Ich zählte mich nie zu dieser Gruppe. Für mich sind Crysis und Far Cry tolle Sandbox-Actionspiele, die hervorragende Ideen neben ebensolcher Grafik boten. Doch nun sehe ich mich die Seiten wechseln, denn was jetzt passiert ist anders als vor 13 Jahren. Jetzt erscheint ein schon fertiges Spiel lediglich neu, in der neusten Cry-Engine. Damit wird es von den Vorteilen der weiterentwickelten Engine profitieren und besser laufen. Doch abseits der Optik ändert sich nichts; eine Tech-Demo also soll es werden und das verleiht den Argumenten dieser Kritiker von damals wieder Gewicht. Interessanterweise sind diese anscheinend heute verstummt. Eine ablehnende Reaktion auf Cryteks Ankündiung sucht man nämlich weit und breit vergeblich. Wieso?
    Ein Erklärungsansatz könnte darin bestehen, dass das erste Crysis einen besonderen Platz in der Spielehistorie, für die PC-Community gar einen Kultstatus besitzt. Crysis war der ultimative Benchmark für damalige Rechner. Den Nachfolgern fehlte, ohne an sich schlechte Spiele zu sein, schlicht der WOW-Effekt, den Crysis anno 2007 erzeugte. Die Nachfrage nach genau solch einem Titel ist in der PC-Community deshalb seit einiger Zeit hoch, denn was Crysis damals visuell im Wettbewerb geliefert hat, sucht seither seines Gleichen. Möglicherweise ist die Hoffnung wieder einen solchen Titel geliefert zu bekommen größer als jedwede Skepsis gegnüber fragwürdigen komerziellen Prakiken. Doch es drängt sich die Frage auf: Hätte es hierfür nicht auch ein gänzlich neues Spiel sein können? Ein Crysis 4 gar?
    Seit Jahren verbreitet sich in der Spieleindustrie der offenbar ansteckende Trend zur technischen Aufbereitung. Dabei ist dieser ja kein neuartiges Phänomen. Die Geschichte der Computerspiele ist eng verknüpft mit technischem Fortschritt und mit neuer Hardware kam oft auch der Wunsch einher, ein gelungenes Werk der Vergangenheit nochmal mit den neuen visuellen Möglichkeiten zeitgemäßer Technik zu realisieren. Besonders wenn auf Konsolen die Backwards-compatibility fehlt, ist solchen Tendenzen Vorschub geleistet. Man schaue sich nur mal an, wie viele PS2-Klassiker ihren Weg auf die PS3 gefunden haben. Daran gibt es im Grunde auch nicht viel auszusetzen. Man bedenke, dass auf diese Weise den Fans die Möglichkeit geben wird, ihre Lieblingsspiele nochmal neu zu erleben, in einer Qualität wie sie früher nicht möglich gewesen ist. Alles halb so wild also?
    Was damals noch fehlte war das Schlagwort „Remaster“, ein Begriff den man eher aus der Musikbranche kennt. Gefühlt angefangen sich zu verbreiten hat dieser sich mit The Last of Us, welches 2014 als „Remastered“ ein Jahr nach ursprünglichem PS3-Release auch auf Sonys neuer PS4-Konsole Einzug fand. Und das ergab auch durchaus Sinn, war Naughty Dogs Abenteuer doch ein Spiel, das nur kurz vor Veröffentlichung der neuen Konsole erschienen und stark von der limitierten Technik der alten Maschine zurückgehalten worden war. Dieses Spiel daher visuell aufzumöbeln und auf die neue Konsole zu bringen war so naheliegend, dass sich jegliche Unterstellung niederer Absichten verbat; zudem ein großer Erfolg, zahlten viele Fans schließlich mit Vergnügen ein zweites Mal den Vollpreis. Rockstar Games machte es mit GTA V gleich nach. Seither, so scheint es, haben andere Publisher diesen erfolgreichen Feldversuch als Inspiration genommen, ähnliche Vorgehensweisen zu ünernehmen, das Verkaufsargument „ Remastered“ sich angeeignet und einfaches Geld verdient. Klar, war das Angebot auch einfach verlockend. Mit stark reduziertem technischen und komplett gestrichenem kreativen Aufwand konnte man kostengünstig einen Vollpreistitel in die Läden bringen, der sich auch noch gut verkaufte. Ein „No-brainer“, sagen die Angelsachsen. Publisher wie Capcom oder Square Enix lassen gar vollwertige „Remakes“ zu alten Spielen anfertigen, doch ist dies ein Sonderfall, der durchaus mehr Aufwand mit sich bringt.
    Nur für PC-Spieler geht die Rechnung nicht auf. Als Angehöriger dieser Spieleplattform lädt man sich im Netz frei zugängliche, kostenlose Modifikationen herunter, die seine in die Jahre gekommenen alten Lieblinge wieder auf moderner Hardware spielbar machen oder so schärfen, dass man ihnen ihr Alter kaum noch ansieht. Ein Grund wieso sich Remaster wie beispielsweise die Skyrim Speciel Edition auf dem PC bei weitem nicht so gut wie auf den Konsolen verkauft haben. Nur gehen solche Methoden nur so weit. Irgendwann sind die Grenzen der Aufberreitung erreicht. Die Wahrheit ist, dass der zeitige Fortschritt den Spielen ihre Attraktivität raubt. Was vor zehn Jahren noch hervorragend aussah, beeindruckt heute niemanden mehr. Mit zunehmendem Alter schwindet auch das Interesse des Spielers – plattformunabhängig. Es ist ein natürlicher Prozess, dem man weder als Entwickler noch als Modder effektiv entgegenwirken kann, so gut das Spiel auch ausschaut.
    Zum Glück kommt genau hier der Nostalgiebonus ins Spiel! Buchstäblich. Es ist eben dieses Gefühl, die Erinnerung an eine tolle Spielerfahrung, das so manch einem Spiel Unsterblichkiet garantiert und dafür sorgt, dass der eine oder andere von Zeit zu Zeit ein verstaubtes Produkt aus vergangenen Jahrzehnten noch heute auf seinem Rechner installiert um ein wenig in Wehmut zu schwelgen.
    Was heißt das? Jedes Spiel ist ein Kind seiner Zeit, ein Unterhaltungsprodukt gemacht für die Spieler der Gegenwart, intendiert von eben diesen gespielt zu werden. Ihnen garantiert ist letztlich nur die Spielerfahrung und die bleibende Erinnerung. Und genau darauf zielen die Remaster ab. Sie schlagen Kapital aus den Erinnerungen und Sehnsüchten der Spieler, die diese mit einem critically-acclaimed, beloved Titel verbinden. Was Publisher versuchen zu verkaufen ist lediglich die Illusion nochmal in den selben Fluss steigen zu können.
    Deshalb sei gesagt: Lasst die Klassiker Klassiker sein. Das einmalige Spielgefühl von damals wird keiner zurückholen können und daran ist nichts Schlimmes. Und wennimmer die Sehnsucht nach der tollen Erfahrung von damals wieder aufkommt, dann probiere man es vielleicht nochmal mit der Installation des Originals.

    Über den Autor

    DonSwingKing
    Don ist seit 2010 beim GSPB. Als Vorsitzender des "Für Helli-Beiträge müssen immer geliked werden"-Auschusses konnte er bedeutende Erfahrungen im Forendasein sammeln. Als Berater des Bundesministeriums für Gaming erfüllt er einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.

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