Hör mir auf mit Open-World!

Von Nick2000 · 2. Juni 2015 · Aktualisiert am 3. Juni 2015 ·
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  1. Freeeeeeeeeeedoooooooooooom! So schallt der letzte Ruf von William Wallace im Film Braveheart, kurz bevor ihm endgültig das Licht ausgeknipst wird. Freiheit! In diesem letzten Aufschrei lag seine ganz persönliche Erlösung, so war zumindest mein damaliger Eindruck. Und Freiheit ist es auch, worin momentan viele Spiele-Entwickler ihre Erlösung vermuten. Das Zauberwort heißt Open-World.

    Open-World soll dem Spieler genau das, was der Name impliziert, also eine offene Welt und damit Freiheit bieten und ihn ermuntern, auf Entdeckungstour zu gehen und herauszufinden, was sich die jeweiligen Entwickler so ausgedacht haben, um die offene Welt interessant zu gestalten. Der Spieler wird nicht bevormundet, er kann von Anfang hin, wo er möchte, er kann machen was er will. It's your game, your choice, you decide... Und riesig sind die Open-Worlds! Man braucht 30 Minuten um von einer Seite der Karte zur anderen zu rennen! Na, das muss ja gut sein!

    "Klasse!" schreit die Masse. Und es klingt ja auch toll. Keine Schlauchlevel wie bei CoD! Endlich Umfang und nicht nach 5 Stunden durchgezockt wie The Order. Keine Ladebildschirme zwischen Levels, und und und.

    Also rein in die Open-World und ausgetobt! Was könnte es schöneres geben?

    Hmm, tja, schöner wäre es z.B. wenn man, ich weiß nicht, mal überlegen, wenn man nicht KREPIEREN würde vor Langeweile in der verdammten Open-World! Ich habe noch kein Spiel erlebt, das es geschafft hätte, seine Open-World wirklich durchgängig mit interessanten Inhalten zu füllen. Oftmals wird z.B. die Open-World mit Sammelitems gefüllt. Was soll das? Ist doch klar, mit solchen Tricks wird unser primitiver Sammeltrieb angesprochen. Aber Spaß macht mir das nicht, es mutet eher wie Arbeit an. Wie oft wollte ich eine Spiele-Session schon beenden, hab dann aber doch noch 10 Minuten weiter gespielt, weil oben rechts auf der Minimap noch ein Sammelitem lockte!? Zu oft. Spaß haben mir diese zusätzlichen 10 Minuten nie gemacht. Ich musste es tun, es ist wie ein Zwang (zumindest solange ich noch nicht komplett die Lust an dem jeweiligen Spiel verloren habe). Diese hirnlose Sammelei bringt das Spiel nicht voran und wenn überhaupt gibt es nur lächerliche Vorteile für den Spieler (Achievements).

    Oder es werden Minispiele und Zusatzaktivitäten eingebaut (z.B. Dart spielen in GTA). Was für ein Käse, das hat mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun und keiner kann mir erzählen, dass er sowas über eine Runde zum Ausprobieren hinaus weiter spielt.

    Und wenn es denn mal wenigstens ne wirklich glaubwürdige Open-World wäre. Das fängt schon an beim Namen... So ne richtig offene Welt hab ich noch in keinem Spiel gesehen. Überall wird man von Gebirgen, Flüssen, Meeren oder magischen Barrieren o.ä. begrenzt. Und mit der Größe ist es meistens auch nicht weit her. Da lauf ich länger durch Frankfurt, als durch Himmelsrand.

    Das größte Problem an Open-World ist m.E. aber, dass dadurch Tempo aus dem Spiel genommen wird. Weil man ja alles abklappern will/muss, entstehen lange Pausen zwischen den Missionen/Quests. Oft gehe ich auch erst in einen neuen Teil der Open-World, wenn ich alle Nebenquests erledigt habe, man will ja später nicht unnötig zurück rennen. Und so verfolge ich die (ja eigentlich bestimmt dringliche) Haupthandlung nicht, sondern verzettel mich in Sammel- und sonstigen Nebenmissionen. Und Minispiele will ich ja auch noch ausprobieren (wie z.B. Dart in GTA). Das hat dann alles zur Folge, dass ich irgendwann die maximale Zeit, die ich mit einem Spiel verbringen kann, bevor es mich langweilt, überschritten habe, ohne das Ende der Haupthandlung gesehen zu haben. Denn Konsequenzen haben meine Erkundungstouren ja nie. Egal wie lange ich mich mit dem ganzen Zusatz-Schnickschnack beschäftige, der jeweilige Obermotz wartet brav auf mich und beginnt erst dann mit der Zerstörung der Welt, wenn ich mich endlich aufraffen konnte, die Haupthandlung weiterzuverfolgen und es bis vor seine Tür geschafft habe, um ihn kurz vor knapp aufzuhalten. Soviel zu glaubwürdiger Open-World.

    Ein weiteres Problem an Open-World ist natürlich das Balancing der Gegner. Da gibt es auch keine richtige Lösung für. Entweder man arbeitet über Levelscaling der Gegner, wie z.B. Oblivion damals. Egal wo man hingeht, man trifft immer Gegner, die dem eigenen Level entsprechen. Das führt dazu, dass sich das Ganze beliebig anfühlt (Ratten sind immer gleich stark) und Loot-Probleme gibt's dann auch (Am Anfang lassen Banditen einfache Eisendolche fallen, später die gleichen Banditen mit Edelsteinen besetzte magische Superdolche). Die andere Variante liegt in Gegnern, deren Level nicht skaliert. Das hat dann aber den Nachteil, dass man vom Spiel ziemlich deutlich gesagt bekommt, dass man in einem bestimmten Gebiet noch nichts verloren hat (man kriegt z.B. vom Schwarzen Troll dermaßen auf die Mütze wie in Gothic 1). Bei dieser Variante kann man also gar nicht mehr wirklich von Open-World sprechen, denn man kann ja gerade nicht überall hin, zumindest nicht ohne zu sterben.

    Alles in allem kann ich mich mit dem Konzept Open-World also nicht so richtig anfreunden. Ich mag Spiele mit abgeschlossenen Karten/Bereichen/Leveln lieber (zB Pillars of Eternitiy, da hat man dann auch weniger Angst, was zu verpassen). Mir gefallen ganz wenige Open-World Titel wirklich gut. Früher war es vor allem die Gothic-Reihe und aus jüngerer Zeit fällt mir Red Dead Redemption und aktuell überraschender Weise der Witcher ein. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, haben diese Spiele alle eine gute Story (Gothic 3 mal ausgenommen) gemeinsam, vielleicht ist das der entscheidende Knackpunkt. HEUREKA! Notiz an mich: Publishern das Geheimnis guter Spiele verkaufen: Storytelling! Dann geht auch Open-World.

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    Nick2000
    Ich lasse mich zu schnell triggern von Shitstorms, Flamern, Hatern, Trollen und allen anderen Segen unserer modernen Internetgemeinde. Ich muss dann in immer meinen Senf dazu geben. Wenn mich jemand als SJW betitlelt, nehme ich das als Kompliment.
    Meine Meinung ist meine Meinung und nicht deine Meinung.

Kommentare

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  1. Takamisakari
    Du scheinst dich wohl gerne ablenken zu lassen. Wenn dir die Nebenmissionen/Minispiele/etc. auf den Keks gehen, dann lass' die doch einfach links liegen, statt darüber zu klagen. Sie sind (in der Regel) optional und keine Pflicht.

    Ich stimme dir aber auch zu, dass Open World meistens (immer?) nicht so dargestellt wird, wie man es vermuten würde. Das fängt ja schon damit an, dass man nur bestimmte Gebäude usw. überhaupt betreten kann. In einigen Spielen werden Teile der Welt sogar erst im Zuge der Story freigeschalten.

    Was mich aber eher stört, sind die Storys, die dem Schlauchlevel-Stil noch nicht entkommen sind. Hier hat es den meisten Nachholebedarf. Es sollte dem Spieler überlassen sein, wie/wann/wo er eine Mission erledigt, sprich selbst die Lösung finden. Des Weiteren sollte es nicht "die" Story geben. GTA 2 hatte damals gezeigt, dass der Verlauf davon abhängig ist, wem ich mich gut stelle und wen ich gegen mich aufhetze. Apropo: Meistens gehen Aktionen von einem selber aus, doch selten (nie?) wird man selbst in eine Aktion verwickelt (außer im typischen Schlauchlevel-Skript).

    Zuletzt noch kurz zu Sammel-Missionen: Wenn auf der Karte verzeichnet ist (und sei es nur, wenn man in der Nähe ist), wo sich ein Sammel-Item befindet, dann ist das ganze hirnlos und ist wirklich nur Beschäftigungs-Therapie und hat keinen Reiz, etwas entdeckt zu haben.
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  2. Jackhammer
    Minecraft ist glaube ich komplette (nur nach unten und durch Rechnerleistung begrenzte) open world.

    Ansonsten ist Storytelling nicht alles. Ich habe gefühlt über 200 Rollenspiele gespielt, von Baldurs Gate über TES, Vampires the Masquerade, Mass Effekt, Witcher... aber von wie vielen habe ich dann auch das Storyende gesehen. Von den bisher genannten noch keines, weil das Gameplay sich irgendwann abnutzt man eine Pause braucht und wenn man ein halbes Jahr später wieder Lust hat, fängt man wieder von vorne an, statt sich in seine alten Savegames wieder reinzufitzen. Das trifft aber auf alle Spiele bei mir zu. Jagged Alliance 2 hab ich zwar schon 2 mal beendet aber dafür bestimmt schon 40 mal angefangen. Auch bei Master of Orion 2, Civ 5 oder ProEvoSoccer hab ich noch nie einen Spielstand geladen, der älter als ein Monat war.

    Von daher ist es egal ob open world oder nicht, ein Spiel braucht Gameplay (Counter Strike, MoO 2, Minecraft) oder Story (Baphomets Fluch, Sam&Max Hit the Road, Day of the Tentacle) oder beides (Fallout 3, JA2, GTA VC/SA/5) um langfristig bestehen zu können. Deswegen ist open world an sich, wie du schon sagst, nicht der heilige Gral der Spieleentwicklung.
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  3. Bethoniel
    Argh! NEIIIIIIIN musstest du auch einen Blog zum Thema Open World schreiben, hab auch grade einen Fertig und wollte den am WE veröffentlichen. Gut, meiner vergleicht Open World mit klassisch linear aufgebauten Spielen.

    Im Tenor gebe ich dir recht, OW-Spiele sind selten wirklich gut, weil das Konzept dahinter einfach nicht konsequent umgesetzt und es fast überall an gescheitem balancing mangelt, und zwar in allen Aspekten.
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  4. Bethoniel
    Auf jeden, muss den nur noch gegenlesen lassen, sollte am WE kommen
  5. Heinrich Bhaal
    Danke für den Blog. Fallout 1/2 haben zeitliche Konsequenzen oder das Zelda mit dem Mond. Nur wurden sie durch die Massenmarktoptimierung halt entfernt. "Es soll ja jeder das Spiel durchspielen können" Darunter leidet dann auch die Qualität.

    Und ich muss Bethoniel vollkommen beipflichten, dass die Grundidee nicht konsequent durchgeführt wird. Man müsste ja eigentlich dann halt wirklich Inhalt in das Spiel bringen und dynamische Abläufe welche auf dein Handeln eingehen. Sammelzeug und sich ewig wiederholende Abschnitte ohne Konsequenzen sind schnell platziert. Aber eine System zu schreiben, was auf dein Handeln wirklich reagiert, andere Dialoge und Reaktion bei der Ki freischaltet, Veränderungen in der Spielewelt erzeugt, davor scheuen sich die Studios. Weil man förmlich das Spiel zweifach entwickeln müsste und Aufwand betreiben. Hat nicht Todd von Bethesda in einer Interview hier gesagt, dass sie bei der Entwicklung schauen, welche Features sich am leichtesten in das Spiel integrieren lassen? Morrowind war damals ein Glücksgriff, weil je nachdem sich das Spiel verkauft hätte, hätte es das Studio nicht mehr gegeben. Da sie jetzt Geld und einen bestimmten Ruf haben, fahren sie halt aus Faulheit die aktuelle Schiene.

    Und seitdem Videospiele Mainstream geworden sind, sind viele Leute ohne Anspruch dazu gestoßen und verdrängen durch ihre Masse die alten Zielgruppen. Die alten Zielgruppen sind ich genauso groß wie damals oder etwas größer, aber sie werden halt von den Massen überstimmt.

    Deswegen sprießen auch so viele kleine Titel aus dem Boden und finden ihre Käuferschicht, weil die Leute in vielen Bereichen Abstriche in Kauf nehmen, dafür aber vielleicht vom alten Grundgedanken etwas wieder zurückerhalten. Glaub mir, ich habe keine Lust auf die Strategiespiele mit der taktischen Tiefe von C&C1. Aber der Kauf der Spiele bringt auch die Hoffnung, dass die Studios größer werden und die Ansprüche und die Qualität steigt. Ich brauch wirklich nicht mehr diese rudimentären Möglichkeiten von C&C1, damals war es ja in Ordnung, aber ich bin mit den Spielen gewachsen und fühle mich unterfordert. Ich selbst warte ja auf ein Spiel welches das Konzept von COH1 vertieft.


    Mir selbst gefällt das System, dass Feinde nicht mitleveln mehr als Skalierung. Da eben bestimmte Bereiche eine Unterstreichung ihrer Wichtigkeit erhalten. Es wäre auch nicht logisch, wenn du als Anfänger plötzlich in das Hauptlager des Feindes einfach so eindringen könntest.

    In New Vegas wurde da endlich ein Schadensreduzierungssystem eingeführt, was die Todeskrallen nördlich der Anfangsstadt absolut tödlich für einen Anfänger gemacht hat. Was aber dafür gesorgt hat, dass man die Angst und die Gefahr aus der Lore vor den Todeskrallen verstanden hat. Genauso wurden auch die Powerrüstungen übermächtig, wie sie nach der Welt sein sollten. Weil du nur durch bestimmte Kaliber überhaupt Schaden machen konntest, ansonsten prahlt die Kugel ab. Und nicht wie in Fallout 3, wo du dann einen
    größeren Lebensbalken beim Feind hast. Und mit der Anfangssystem mit Ausdauer und Munition so eine Rüstung tragenden Feind töten kannst.

    Aber ich denke, die Zukunft gehört dem System wo die Feinde mit einem vorgegebenen Level starten und dann aktiv durch ihr eigenes Handeln mitleveln.
    Damit wäre auch eine Herausforderung gegeben, wenn das Spiel dem Ende zugeht. Heutzutage kannst du ja ab der Mitte schnell die Balance kippen lassen und dann reduzieren viele Spiele sich zu Moorhuhn.

    Stalker Call of Pripyat hat ein interessantes Archivment System gehabt, wo diese Veränderungen im Spiel hervorgerufen haben. Leider hat es bis jetzt keiner die Idee übernommen und ausgebaut.
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  6. syntax error
    Kommt ein bisschen einseitig rüber. Ein einziges Gemotze warum du Open World nicht magst ist mir für einen interessanten Blog zu wenig.

    Ansonsten mag ich Open World aber auch lineare Spiele.
    In Open World Spielen hat man ein Gefühl von Freiheit. Das tun zu können was man möchte ohne einer Schiene folgen zu müssen macht schon Spaß.

    Open World ist aber oft gerade deshalb anstrengend durch lange Wege oder durch die zahlreichen Nebenaufgaben durch die man das Gefühl bekommt nicht so recht vorwärts zu kommen.
    Die Stärke der Gegner ist auch so ein Problem das schwierig in den Griff zu bekommen ist. Ich persönlich bevorzuge im Ernstfall die Version mit verschieden starken Gegnern pro Abschnitt, auch wenn damit praktisch Open World eingeschränkt wird. Skalierende Gegner machen das Spiel wie gesagt irgendwie beliebig. Wozu levele ich denn meinen Charakter hoch wenn es sowieso egal ist weil die Gegner mitleveln.

    Da ist ein lineares Spielchen zwischendurch recht entspannend wo man nicht noch lange den Weg und die nächste Aufgabe suchen muss.


    Hat beides seinen Platz, aber Open World ist nicht das Allheilmittel für ein gutes Spiel.
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