Freeeeeeeeeeedoooooooooooom! So schallt der letzte Ruf von William Wallace im Film Braveheart, kurz bevor ihm endgültig das Licht ausgeknipst wird. Freiheit! In diesem letzten Aufschrei lag seine ganz persönliche Erlösung, so war zumindest mein damaliger Eindruck. Und Freiheit ist es auch, worin momentan viele Spiele-Entwickler ihre Erlösung vermuten. Das Zauberwort heißt Open-World.
Open-World soll dem Spieler genau das, was der Name impliziert, also eine offene Welt und damit Freiheit bieten und ihn ermuntern, auf Entdeckungstour zu gehen und herauszufinden, was sich die jeweiligen Entwickler so ausgedacht haben, um die offene Welt interessant zu gestalten. Der Spieler wird nicht bevormundet, er kann von Anfang hin, wo er möchte, er kann machen was er will. It's your game, your choice, you decide... Und riesig sind die Open-Worlds! Man braucht 30 Minuten um von einer Seite der Karte zur anderen zu rennen! Na, das muss ja gut sein!
"Klasse!" schreit die Masse. Und es klingt ja auch toll. Keine Schlauchlevel wie bei CoD! Endlich Umfang und nicht nach 5 Stunden durchgezockt wie The Order. Keine Ladebildschirme zwischen Levels, und und und.
Also rein in die Open-World und ausgetobt! Was könnte es schöneres geben?
Hmm, tja, schöner wäre es z.B. wenn man, ich weiß nicht, mal überlegen, wenn man nicht KREPIEREN würde vor Langeweile in der verdammten Open-World! Ich habe noch kein Spiel erlebt, das es geschafft hätte, seine Open-World wirklich durchgängig mit interessanten Inhalten zu füllen. Oftmals wird z.B. die Open-World mit Sammelitems gefüllt. Was soll das? Ist doch klar, mit solchen Tricks wird unser primitiver Sammeltrieb angesprochen. Aber Spaß macht mir das nicht, es mutet eher wie Arbeit an. Wie oft wollte ich eine Spiele-Session schon beenden, hab dann aber doch noch 10 Minuten weiter gespielt, weil oben rechts auf der Minimap noch ein Sammelitem lockte!? Zu oft. Spaß haben mir diese zusätzlichen 10 Minuten nie gemacht. Ich musste es tun, es ist wie ein Zwang (zumindest solange ich noch nicht komplett die Lust an dem jeweiligen Spiel verloren habe). Diese hirnlose Sammelei bringt das Spiel nicht voran und wenn überhaupt gibt es nur lächerliche Vorteile für den Spieler (Achievements).
Oder es werden Minispiele und Zusatzaktivitäten eingebaut (z.B. Dart spielen in GTA). Was für ein Käse, das hat mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun und keiner kann mir erzählen, dass er sowas über eine Runde zum Ausprobieren hinaus weiter spielt.
Und wenn es denn mal wenigstens ne wirklich glaubwürdige Open-World wäre. Das fängt schon an beim Namen... So ne richtig offene Welt hab ich noch in keinem Spiel gesehen. Überall wird man von Gebirgen, Flüssen, Meeren oder magischen Barrieren o.ä. begrenzt. Und mit der Größe ist es meistens auch nicht weit her. Da lauf ich länger durch Frankfurt, als durch Himmelsrand.
Das größte Problem an Open-World ist m.E. aber, dass dadurch Tempo aus dem Spiel genommen wird. Weil man ja alles abklappern will/muss, entstehen lange Pausen zwischen den Missionen/Quests. Oft gehe ich auch erst in einen neuen Teil der Open-World, wenn ich alle Nebenquests erledigt habe, man will ja später nicht unnötig zurück rennen. Und so verfolge ich die (ja eigentlich bestimmt dringliche) Haupthandlung nicht, sondern verzettel mich in Sammel- und sonstigen Nebenmissionen. Und Minispiele will ich ja auch noch ausprobieren (wie z.B. Dart in GTA). Das hat dann alles zur Folge, dass ich irgendwann die maximale Zeit, die ich mit einem Spiel verbringen kann, bevor es mich langweilt, überschritten habe, ohne das Ende der Haupthandlung gesehen zu haben. Denn Konsequenzen haben meine Erkundungstouren ja nie. Egal wie lange ich mich mit dem ganzen Zusatz-Schnickschnack beschäftige, der jeweilige Obermotz wartet brav auf mich und beginnt erst dann mit der Zerstörung der Welt, wenn ich mich endlich aufraffen konnte, die Haupthandlung weiterzuverfolgen und es bis vor seine Tür geschafft habe, um ihn kurz vor knapp aufzuhalten. Soviel zu glaubwürdiger Open-World.
Ein weiteres Problem an Open-World ist natürlich das Balancing der Gegner. Da gibt es auch keine richtige Lösung für. Entweder man arbeitet über Levelscaling der Gegner, wie z.B. Oblivion damals. Egal wo man hingeht, man trifft immer Gegner, die dem eigenen Level entsprechen. Das führt dazu, dass sich das Ganze beliebig anfühlt (Ratten sind immer gleich stark) und Loot-Probleme gibt's dann auch (Am Anfang lassen Banditen einfache Eisendolche fallen, später die gleichen Banditen mit Edelsteinen besetzte magische Superdolche). Die andere Variante liegt in Gegnern, deren Level nicht skaliert. Das hat dann aber den Nachteil, dass man vom Spiel ziemlich deutlich gesagt bekommt, dass man in einem bestimmten Gebiet noch nichts verloren hat (man kriegt z.B. vom Schwarzen Troll dermaßen auf die Mütze wie in Gothic 1). Bei dieser Variante kann man also gar nicht mehr wirklich von Open-World sprechen, denn man kann ja gerade nicht überall hin, zumindest nicht ohne zu sterben.
Alles in allem kann ich mich mit dem Konzept Open-World also nicht so richtig anfreunden. Ich mag Spiele mit abgeschlossenen Karten/Bereichen/Leveln lieber (zB Pillars of Eternitiy, da hat man dann auch weniger Angst, was zu verpassen). Mir gefallen ganz wenige Open-World Titel wirklich gut. Früher war es vor allem die Gothic-Reihe und aus jüngerer Zeit fällt mir Red Dead Redemption und aktuell überraschender Weise der Witcher ein. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, haben diese Spiele alle eine gute Story (Gothic 3 mal ausgenommen) gemeinsam, vielleicht ist das der entscheidende Knackpunkt. HEUREKA! Notiz an mich: Publishern das Geheimnis guter Spiele verkaufen: Storytelling! Dann geht auch Open-World.
Hör mir auf mit Open-World!
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