KC Kontroverse zwischen Journalismus und Hexenjagd

Von Kigosh · 19. Januar 2018 · Aktualisiert am 25. Januar 2018 ·
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  1. Wer ist Jan Heinemann? Ist Daniel Vávra ein Neonazi? Transportiert KC:D rechtsextreme Ideologien? Muss sich die Gamestar Vorwürfe machen? Ein relativ unbekannter Blogger zwingt Gamer, Spielejournalisten und Spieleentwickler sich unangenehme Fragen zu stellen. Doch wie sehen die Argumente dieses Bloggers genau aus? Schaut man genau hin, offenbaren sich Brüche.

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    Ein Blogbeitrag eines deutschen Geschichtsstudenten zu «Kindom Come: Deliverance» erhitzt die Gaminggemüter und beschäftigt Spielejournalisten und -Journalistinnen im ganzen deutschsprachigen Raum. Selbst die angelsächsische Community hat von dieser Kontroverse Kenntnis genommen und debattiert u.a. auf Reddit.

    Daniel Vávra, Chefentwickler vom durch Crowdfunding finanzierten Spiel KC:D, ist zur persona non grata geworden. Der Blogger Jan Heinemann holt zunächst zu einem Rundumschlag aus. Er kritisiert das Marketing des Spiels, welches mit den Begriffen «Realismus» und «historischer Authentizität» wirbt und wirft der Spielepresse und Fans vor, diese Werbesprüche unreflektiert zu übernehmen und das Spiel zu einer historischen Realitätssimulation zu überhöhen. Nachdem sich Heinemann auf das Spiel und die Berichterstattung dazu eingeschossen hat, fährt er schweres Geschütz gegen Daniel Vávra auf: «Daniel Vávra ist ein Rassist und Sexist mit revisionistischen Geschichtsvorstellungen – und diese Vorstellungen finden Eingang in sein Spiel. Kingdom Come: Deliverance stellt das Mittelalter so dar, wie Vávra es für authentisch hält».

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    Den Rassismus-Vorwurf stützt der Autor durch ein «Burzum» T-Shirt ab, das Vávra während einem Gamescom Interview im Jahr 2017 trug. Weiter erwähnt Heinemann, wie Vávra auf seinem Youtube Kanal «abstruse Metal-Videos» und «Verschwörungstheorien» mit Likes versehen hat. Der Blogger liefert Screenshots von Twitterdiskussionen, in denen Vávra behauptete, es hätte keine «nicht-weissen Menschen» in Nordwesteuropa gegeben. Er sammelt weitere Interviews von Vávra, die er «GamerGate» nahen Blogs und dem rechtspopulistischen Magazin Breitbart gegeben hat.

    Seinen Blogartikel schliesst Heinemann mit einem Seitenhieb gegen die Spielepresse, indem er fragt «Warum schweigt die Spielepresse?».



    Die Rassismus Vorwürfe werde ich nur kurz im ersten Absatz thematisieren, ohne beurteilen zu wollen, ob sie so stimmen oder nicht. Die Reaktionen zu Heinemanns Blog haben sich hauptsächlich auf diesen Aspekt konzentriert und die Historismus Debatte weitgehend ausgeklammert, respektive sie nur in Zusammenhang mit Vávras möglicher inneren Einstellung diskutiert. Mein Blogbeitrag versucht andere Akzente zu setzen.

    Ich werden mich auf Heinemanns Argumente zu den Realimus- und Authentizität-Vorwürfen beschränken. Ich werde seine Argumentation Schritt für Schritt durchgehen, seine Belege genau analysieren und aufzeigen, dass seine Argumentation massive Schwächen hat. Hierin findet der oder die Leser/in den wohl grössten Mehrwert meines Blogartikels, da ich hier nicht nur einen Kommentar verfasse, sondern die von Heinemann zitierten Artikel gelesen habe und sie in den Kontext seiner Argumentation einordne.

    Ich möchte aufzeigen, wie Heinemann selbst das Narrativ des «Realismus-Hypes» konstruiert, Spielejournalisten und Fans Worte in den Mund legt, um anschliessend seine Argumentation daran auszurichten.

    In den Schlussbetrachtungen möchte ich darlegen, wieso ich die Debatte, die Herrn Heinemann angestossen hat, wichtig finde und wieso es umso bedauerlicher ist, dass sie mit schlechten Argumenten angestossen wurde. Ausserdem würdige ich zum Schluss das Verhalten der Gamestar im Rahmen dieser Kontroverse.

    Eine wichtige Debatte mit zweifelhaften Argumenten

    Geschichte wird von unterschiedlichen Gruppen zu unterschiedlichen Zwecken instrumentalisiert. Politikerinnen und Politiker begründen gerne ihr Parteiprogramm mit historischen Argumenten. In der Schweiz nimmt dies teilweise abstruse Züge an. Das rechte Lager behauptet gerne, das Schweizer Volk sei «schon immer frei» gewesen, hätte sich «von Europa nie etwas vorschreiben lassen» und führt das Überleben des Kleinstaates auf seine angebliche «historische» Neutralität zurück. Die politische Linke hingegen benutzt Geschichte gerne als Mahnmal und betont, man solle die Fehler der Vergangenheit (Isolation, unheilige Allianzen) nicht widerholen. Geschichtswahrnehmung wird immer durch ein Spannungsverhältnis von gegensätzlichen Positionen bestimmt. Problematisch wird es, wenn sich Rechtsextreme versammeln und an pseudo-historisch-mythischen Orten einer verklärten Vergangenheit huldigen und die Geschichte für sich in Beschlag nehmen. Oder wenn Linksextreme Geschichte als eine Abfolge von Unrechtsakten gegen- und Ausbeutung vom Volk deuten und deshalb neue, radikale Gesellschaftsordnungen fordern.

    Wenn selbst eine oftmals «gebildete» (im Sinne eines hohen Bildungsabschlusses), akademische und politisch engagierte Bevölkerungsgruppe solchen pseudo-historischen Verlockungen erliegt, wäre es da nicht vermessen zu glauben, dass ausgerechnet Videospiele dieser Versuchung erhaben seien? Verzerrte Geschichtsbilder und interessensbasierende Geschichtsdeutungen werden in unserer westlichen Gesellschaft über alle Medien transportiert, seien es Nachrichtenformate, Unterhaltungsfilme, Dokumentationen, Musik oder eben Videospiele. Selbst Historikerinnen und Historiker sind gegen politische oder soziale Voreingenommenheit nicht geimpft. Deshalb sind die wohl wichtigsten Lektionen, die ein angehender Geisteswissenschaftler/in lernen muss: «Stelle Autorität in Frage!», «Hinterfrage dich selbst!», «setze nichts als Selbstverständlich voraus!», «suche nicht die Wahrheit, sondern Komplexität!».

    Vor diesem Hintergrund erscheint es mir wichtig, dass die Spielepresse Konsumenten informiert, wenn Spiele problematische Geschichtsbilder oder Ideen transportieren. Es ist berechtigt darauf aufmerksam zu machen, wenn ein leitender Entwickler problematische Äusserungen macht. Ob ein Spieler oder eine Spielerin dieses Informationsangebot wahrnehmen möchte, sich an verzerrten Geschichtsbildern stört oder sogar im Extremfall ein Spiel deswegen boykottiert, muss er oder sie für sich selber entscheiden. Damit aber dieser persönliche, zum Teil sehr intime Entscheidungsprozess stattfinden kann, braucht es ein sorgfältiges, gründliches und tiefgehendes Informationsangebot seitens der Spielepresse. Deshalb ist Jan Heinemanns Frage, warum vereinzelte Spielemagazine nicht intensiver über die Person Daniel Vávra berichtet haben, berechtigt. Es ist aber genau so wichtig diese Debatte(n) besonnen, unaufgeregt, mit einem kühlen Kopf und differenziert zu führen. Dies tut Jan Heinemann nicht.

    Wie ein Narrativ konstruiert wird

    «Mit dem realistischsten Kampfsystem, das ein Spiel jemals hatte. [1] Die Spielfigur muss essen, trinken und schlafen und wird bei häufiger Nutzung der Schnellspeicherfunktion betrunken. Eine „realistische Mittelalter-Simulation“, die gar „schöner als die Realität“ sei. [2] Das Spiel ist angeblich sogar „So Historically Accurate Historians Are Consulting The Dev Team“ [3]. Und auch die Entwickler*innen halten sich mit derartigen Zuschreibungen natürlich nicht zurück. Auf der Homepage des Spiels wird „Realism“ als wichtigstes Gamefeature genannt.» (Jan Heinemann)

    In der Einleitung legt der Autor sein Problemfeld dar und sagt weshalb er es für nötig erachtet seinen Blogartikel zu schreiben. Der erste Vorwurf: Dem Spiel werde Realismus und historische Genauigkeit nachgesagt und der Entwickler würde diese Eigenschaften zu Unrecht bewerben.

    Zunächst zitiert er den GS Redakteur Dimitry Halley und seinen Artikel zu KC:D, in dem er fünf Aspekte aufgreift, die das Spiel von anderen Games unterscheiden. Halley nennt hierzu «Es hat das "realistischste" Kampfsystem» und dass es «eine glaubhafte historische Rekonstruktion einer längst vergessenen Ära» biete.

    Jan Heinemann und Dimitry Halley haben offenbar zwei unterschiedliche Realismus-Begriffe. Halley führt in seinem Artikel klar aus, warum er den Begriff «realistisch» für das Kampfsystem verwendet:

    «Ähnlich wie bei Chivalry: Medieval Warfare bestimmt man mit der Maus die Schlagrichtung, muss blocken, kontern und Ausfallschritte wagen. Aber die ganze Trefferberechnung erfolgt viel detaillierter und komplexer. Wer beispielsweise mit dem Schwert auf Plattenpanzer einprügelt, erreicht damit überhaupt nichts.» (Dimitry Halley)

    Halley behauptet nie, dass die Figuren in KC:D so kämpften, wie die böhmischen Ritter des 15. Jahrhunderts. Er sagt lediglich, dass die Kampfmechanik, also das spielerische Kampfelement, mehr an der Realität orientiert ist, da man nicht einfach wild auf eine Taste draufhämmern kann.

    Er schreibt weiter, dass es sich bei diesem Spiel um eine «glaubhafte historische Rekonstruktion» handelte. Es ist hierbei ein Unterschied, ob man sagt, es handle sich um eine historisch «exakte» Rekonstruktion, oder eben um eine «glaubhafte». Jan Heinemann interpretiert diese Textstelle als «exakte Rekonstruktion», freilich muss er das auch, sonst hätte er kein ergiebiges Thema, über das er schreiben könnte. Da ich Dimitry Halley keine Worte in den Mund legen will, belasse ich es dabei, dass diese Textstelle für mich persönlich alles andere als eindeutig ist. Für mich ist historische Glaubhaftigkeit gegeben, wenn historische Figuren vorkommen, ihre Namen, Familienverhältnisse, Titel und Hintergrundgeschichten einigermassen den historischen Quellen folgen. Glaubhaft bedeutet eben nicht «exakt» im mathematischen Sinne.

    «Ich kann bei diesem Authentizitäts-Taumel nur den Kopf schütteln. Vor allem, weil er in der Regel fernab aller geschichtswissenschaftlichen Forschungsergebnisse oder -diskussionen verläuft, sondern sich stattdessen auf verbreitete Vorstellungen von Geschichte stützt, die als absolute Wahrheit gesetzt werden.» (Jan Heinemann)

    Er zitiert in seinem ganzen Blogartikel keine geschichtswissenschaftlichen Forschungsergebnisse oder Diskussionen. Er nennt vereinzelte Blogs von Künstlerinnen und Historikern, doch Blogs sind keine geschichtswissenschaftliche Sekundärliteratur. Er impliziert damit, dass es einen klaren historischen Forschungsstand zu den von ihm aufgeworfenen Fragen gäbe, der so sonnenklar sei, dass man ihn nicht speziell formulieren müsste. Hier lässt er seine Wurzeln als Geschichtsstudent durchblicken, jedoch müsste in einer geschichtswissenschaftlichen Arbeit an dieser Stelle der sogenannte Forschungsabriss kommen. Dort würde der Autor über die Forschungsarbeiten berichten, die vor ihm kamen, und diese kritisch reflektieren. Dieses Vorgehen ist ein essenzieller Teil wissenschaftlicher Arbeit, denn er dient dazu dem Leser oder der Leserin klar auszuweisen, auf welchem Vorwissen die aktuelle Arbeit aufbaut und wie sie dazu steht. Heinemann deklariert aber nicht, welchen Forschungsstand er genau meint. Er müsste eigentlich klar kommunizieren, was seiner Meinung nach der geschichtswissenschaftliche Konsens zu den Fragestellungen sei, die er aufgreift, und wie sich das Spiel KC:D zu diesem Konsens verhält. Allerdings schreibt Heinemann auch keine wissenschaftliche Arbeit, sondern einen Blogartikel. Wer jedoch historische Forschungsergebnisse heraufbeschwört, sollte diese auch zitieren, oder wenigstens benenn.

    Weiter zitiert Heinemann einen gameswelt.de Artikel von Andreas Philipp. Hier bekleckert sich der angehende Historiker nicht gerade mit Ruhm, denn das Zitat stimmt so nicht. In seinem Absatz unter dem Kapitel «Die "realistischste" Mittelaltersimulation ever!!!1!elf» sagt er Andreas Philipp würde behaupten KC:D sei «schöner als die Realität».

    Ein genauer Blick in den gameswelt.de Artikel offenbart, dass dieser Satz lediglich ein Untertitel und mit einem Fragezeichen versehen ist. Ein korrektes Zitat müsste also so aussehen: «Schöner als die Realität?». Dieses Fragezeichen verändert die Bedeutung des Satzes ziemlich stark. Im Artikel selber schreibt Philipp:

    «So authentisch wie nur möglich. Ganz bewusst setzen die Entwickler auf ein echtes Gebiet in Böhmen, die Region zwischen Rataje und Sázava, und arbeiten mit tatsächlich vorhandenen Landschaften und Gebäuden. Wir hatten die Gelegenheit, bei unserem Besuch einige der Originalschauplätze des Spiels zu besuchen, wie die Ortschaft Tarnberk oder das Kloster von Sásava, und waren beeindruckt, wie viel Liebe zum Detail die Entwickler in das Spiel stecken, um das Mittelalter so authentisch wie möglich darzustellen. Sogar eine Historikerin hat man dafür ins Entwickler-Team aufgenommen. Nicht mehr vorhandene oder zerstörte reale Gebäude wurden für das Spiel von Zeichnern in Zusammenarbeit mit der Historikerin rekonstruiert, noch bestehende hingegen detailgetreu umgesetzt. Selbst kleinere Aspekte wie Werkzeuge, Waffen, Kleidung oder Wandmalereien werden exakt nachgebildet. Die NPCs werden zurzeit mittels Face-Scan und Motion-Capturing so natürlich wie möglich gestaltet. Dabei hat man sogar daran gedacht, das alltägliche Leben der Bewohner mit seinen Tagesabläufen möglichst realistisch wiederzugeben.» (Andreas Philipp, gameswelt.de)

    Auch hier sollte man dem Autor gegenüber fair sein und diese Textstelle genau lesen. Er behauptet in der Überschrift, das Spiel sei «so authentisch wie nur möglich» und verwendet die Formulierung «möglichst realistisch». Damit impliziert er, dass die Authentizität durchaus ihre Grenzen hat. Die Tatsache, dass eine Historikerin in das Team aufgenommen wurde, sollte Herrn Heinemann eigentlich gnädiger stimmen, da sie eine wissenschaftliche Perspektive in die Entwicklung einbringen kann.

    Als nächstes zitiert der Blogautor einen Artikel der englischsprachigen Website xboxachievements.com vom Autor Dom Peppiatt. Dazu schreibt Heinemann «das Spiel ist angeblich sogar "So Historically Accurate Historians Are Consulting The Dev Team"». Wiederum zitiert er nur die Hauptüberschrift des Artikels und geht nicht auf den Inhalt ein. Gute Recherchearbeit und schlüssiger Argumentationsaufbau sehen anders aus. Auch hier lohnt sich ein genauer Blick in den Artikel:

    «The game is being developed with a full-time historian on-staff, and Warhorse Studios has been working closely with Universities and Museums to recreate real-world locations that existed in the 15th century, when King Sigismund and his Hungarian army marched into Bohemia intent on conquering the land.» (Dom Peppiatt, xboxachievements.com)

    Eigentlich ein löbliches Unterfangen. Die Entwickler sind sich bewusst, dass sie Laien sind und stellen deshalb eine ausgebildete Historikerin Vollzeit ein. Diese leitet ein Team und betreibt historische Archivforschung:

    «found a letter signed by King Sigismund, in the year 1403, which was written somewhere in central Bohemia. It was just a letter about some farmers problems back home - he was just signing it to send to Hungary - but it placed him in the district Kutna Hora in 1403.».

    Das Team hat sich seine historischen Details nicht aus den Fingern gesaugt, sondern eine Fachperson angeheuert, die wiederum direkte Quellenarbeit leistete. Um die Lebenswelt des Spiels so authentisch «wie möglich» darzustellen, arbeitete das Studio mit entsprechenden Fachbehörden eng zusammen. Eigentlich ein löbliches Vorgehen. Auch wenn die Homepage des Spiels mit Realismus wirbt, bedeutet es nicht, dass die Spielemacher ihren Kunden versprechen ein Spiel zu entwickeln, das die Welt des mittelalterlichen Böhmens so zeigt, wie es «wahrhaftig» war. Man gibt lediglich das Versprechen, sich zu bemühen das Spielgeschehen «möglichst» Faktenbasierend (d.h. Quellengetreu) darzustellen.

    Heinemann lobt daraufhin die CryEngine, «komplexe Interaktionsmechanik des Spiels» und schreibt:

    «Vor allem, dass Fantasy-Elemente gänzlich fehlen, reizt auch mich. Realistisch ist es deswegen aber noch lange nicht.» (Jan Heinemann)

    Hier verpasst der Autor eine weitere wichtige Gelegenheit und begeht einen «Fehler», der einem werdenden Historiker nicht passieren sollte: Er operiert mit Begriffen, ohne klar zu sagen, was er unter ihnen versteht.

    Vereinfacht ausgedrückt ist sein Vorwurf folgender: Die Entwickler werben für KC:D mit Realismus und vereinzelte Spielemagazine loben es für historische Authentizität. Das Spiel sei aber weder «realistisch», noch «historisch akkurat». Um diesen Vorwurf zu belegen müsste Heinemann an dieser Stelle deklarieren, was er unter «Realismus» und «historischer Genauigkeit» versteht. Wie am Zitat von Dimitry Halley gezeigt wurde, hat «Realismus» verschiedene Stufen und Schattierungen. Jan Heinemann deklariert nicht, wieso ein Kampfsystem nicht im Sinne von Halley realistisch sein kann. Er spricht pauschal allen Spielen «Realismus» und «historische Genauigkeit» ab, ohne zu reflektieren, dass Menschen unter diesen Begriffen unterschiedliche Sachverhalte verstehen können.

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    Sein nächstes Kapitel heisst «Der irrige Traum von historischer Wahrhaftigkeit» und er schreibt hierzu:

    «Ich kann bei diesem Authentizitäts-Taumel nur den Kopf schütteln. Vor allem, weil er in der Regel fernab aller geschichtswissenschaftlichen Forschungsergebnisse oder -diskussionen verläuft, sondern sich stattdessen auf verbreitete Vorstellungen von Geschichte stützt, die als absolute Wahrheit gesetzt werden.» (Jan Heinemann)

    Ob drei Spielemagazine, die über das zentrale Alleinstellungsmerkmal eines Spiels berichten, einen «Authentizitäts-Taumel» ergeben, sei dahingestellt. Es scheint aber auch nicht klar, ob Heinemann hier über KC:D spricht, oder ein allgemeines Phänomen zu beobachten glaubt. Zumindest für KC:D hat der Artikel von Dom Peppiatt gezeigt, dass dessen Geschichtsbild alles andere als «fernab aller geschichtswissenschaftlichen Forschungsergebnisse oder -diskussionen» liegt. Die Entwickler suchen den Austausch mit Geschichts- und Museumswissenschaften und engagierten sogar eine Historikerin. Um seiner Textstelle Nachdruck zu verleihen, zitiert Heinemann einen Blogbeitrag des Arbeitskreises Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele. Auf diesem Blog veröffentlichen Doktorierende und Studierende der Geschichtswissenschaften und verwandten Fächern Artikel zum Thema Spiele und Geschichte. Eugen Pfister, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der ÖAW, schreibt dort:

    «Eine fortwährende Debatte über die historische Authentizität in digitalen Spielen ist meiner Ansicht nach nicht nur vergeudete Zeit, nein, sie läuft auch Gefahr, ein falsches Bild der Historiographie in der Öffentlichkeit zu perpetuieren.» (Eugen Pfister)

    Und weiter:

    «Worauf ich eigentlich hinaus will: Wenn HistorikerInnen sich nur Gedanken über die Authentizität historischer Repräsentationen in Spielen machen, können sie nur wenig richtig, aber sehr viel falsch machen: 1. Haben HistorikerInnen ein anderes Verständnis davon, was „authentisch“ ist, und 2. laufen sie so immer Gefahr, Instrumente einer aktuellen Identitätsdebatte zu werden.» (Eugen Pfister)

    Diesen Aussagen ist m.E. zuzustimmen. Deshalb verstehe ich nicht, warum Herr Heinemann Pfister zitiert. Das Argument, das er zu machen scheint lautet in etwa: «Debatten um die Authentizität der Geschichtsdarstellung in digitalen Spielen, Filmen oder anderen Medien führen darum häufig unmittelbar zu energisch geführten Identitätsdebatten» (Heinemann), deshalb sollte man sie vermeiden, denn dies sei «nur vergeudete Zeit, nein, sie läuft auch Gefahr, ein falsches Bild der Historiographie in der Öffentlichkeit zu perpetuieren» (Pfister). In seinem gesamten Blogbeitrag führt Heinemann aber genau eine solche Authentizitätsdebatte und lanciert dadurch die laut ihm zu vermeidenden Identitätsdebatten. Sein Argument ist lediglich, dass KC:D nicht authentisch sein kann, weil es Authentizität nicht gibt. Zu den Identitätsdebatten muss man bloss diverse Kommentar auf Gamestar.de oder auf Twitter lesen, die paraphrasiert lauten: Darf ich das Spiel kaufen oder nicht? Was ist denn ein historisch akkurates Spiel? Ist Herrn Vávra ein Neonazi? Muss man ein Spiel eines mutmasslichen Neonazis boykottieren? Muss ein Spielemagazin über die politische Gesinnung eines Entwicklers berichten? Was ist «guter» (Spiele-) Journalismus?

    Im nächsten Absatz artet der ansonsten um saubere und nachvollziehbare Argumentation bemühte Heinemann in reine Polemik aus:

    «Sorry für den Immersionskiller, aber die Vorstellung, dass Schwertkämpfe im hochmittelalterlichen Böhmen oder sonst wo nach den Regeln des Talhoffer Fechtbuches, einem Handbuch der Fechtkunst, ausgetragen wurden, ist doch reichlich amüsant.» (Jan Heinemann)

    Hierzu fehlt eine Quellenangabe. In den bisher zitierten Artikeln konnte ich keine Textstelle finden, in der behauptet würde, KC:D würde seine Schwertkämpfe nach einem historischen Lehrbuch darstellen. Entweder hat Heinemann vergessen das entsprechende Zitat zu liefern oder legt einem nicht näher genannten Akteur Worte in den Mund und macht seine eigene Argumentation dadurch erst plausibel.

    Im folgenden Abschnitt macht Heinemann eine wichtige und richtige Aussage:

    «Denn in Wahrheit will kein Mensch ein realistisches Spiel Spielen! Es würde keinen Spass machen.»

    Hierzu zitiert er ironischerweise einen Gamestar Artikel von Rainer Sigl, der schreibt:

    «Spiele können niemals die ganze Realität zeigen, niemals völlig "authentisch" sein - täten sie tatsächlich, wären sie ziemlich schrottige Spiele. Hierin liegt ein zentraler Irrtum: Eigentlich wollen wir gar keinen "Realismus" - sondern durchdachte Inszenierung in glaubwürdiger Kulisse. Eigentlich geht es uns nicht um "Authentizität" - sondern um Stimmigkeit und intelligenten Umgang mit dem historischen Vorbild. Denn mal ehrlich: Eigentlich wollen wir nicht "erleben, wie es wirklich war" - sondern uns nur gut unterhalten. Und das eine schließt das andere meist aus.» (Rainer Sigl, Gamestar.de)

    Heinemann schreibt in seinem ersten Satz KC:D würde von der Gamingpresse als authentischstes Historygame seit Langem gefeiert, liefert aber selber den Nachweis, dass es durchaus differenzierte Berichterstattung zur Frage der historischen Authentizität gab. Man kann sogar soweit gehen und nach genauer Analyse der bisher zitierten Artikel feststellen, dass die Behauptung die Gamingpresse und Fans feierten das Spiel als authentischstes «Historygame», bloss ein Narrativ ist, das Heinemann mit seinem Text konstruiert und so, in dieser Eindeutigkeit, die er postuliert, nicht existiert.



    Der Rest des Blogartikels geht auf die Person Daniel Vávra ein und sammelt Indizien, die andeuten er hätte rechte Ideologien inkorporiert und dass sich diese Ideologien u.a. im Form von «whitewashing» in KC:D niederschlugen. Ich möchte auf die Rassismusvorwürfe, die Heinemann explizit erhebt, nicht eingehen. Dies würde den Rahmen dieses Textes – er ist schon lang genug – sprengen. Viel wichtiger aber, ist es sehr schwierig eine innere Haltung eines Menschen anhand von Twitter Nachrichten, Youtube Likes und einer einmalig getroffenen Kleiderwahl zweifelsfrei nachzuweisen. Bei einem Rassismus und Neonazi Vorwurf muss der Nachweis eindeutig und jedem berechtigten Zweifel erhaben sein, denn solche Vorwürfe wiegen schwer, können Betroffene und ihr direktes Umfeld tief verletzen und sogar Karrieren zerstören.

    Ich finde es jedoch erstaunlich, wie sicher sich Heinemann ist, dass sich die mutmassliche braune Ideologie des Chefentwicklers im Spiel KC:D wiederfindet. Erstaunlich, weil ich es bezweifle, dass Heinemann das Spiel schon einen Monat vor seiner Veröffentlichung komplett durchgespielt hat. In seinem Blogbeitrag bringt er keinen einzigen Beleg aus dem Spiel heraus – kann er ja gar nicht – sondern konzentriert sich lediglich auf die Person Vávra. Diese Argumentation ist höchst unseriös und vor allem eins: unsachlich. Heinemann benutzt ad hominem Argumente, konstruiert Narrative, die sich so nicht belegen lassen und polemisiert gegen ein Spiel, das noch gar nicht erschienen ist, und schreibt sich hehre Ziele auf sein Banner. Er verwendet ein akademisches Vokabular, lässt seinen geschichtswissenschaftlichen Hintergrund durchschimmern und verleiht seinem Text durch Zitate – mit denen er sich kaum auseinandersetzt – einen wissenschaftlichen Nimbus, um seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen. Wer nicht genau hinschaut, reflektiert und sich die Mühe macht seine Zitate zu lesen, kann schnell in sein Spinnennetz tappen.

    Wer ist Jan Heinemann?

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    Der Geschichtsstudent Jan Heinemann betreibt einen Blog und den dazugehörigen Youtube Kanal namens «Let's Play History». Der Youtube Kanal hat 69 Abonnenten und Abonnentinnen und seine Facebook Seite wurde von 60 Personen mit «gefällt mir» markiert und von 63 Leuten abonniert. Auf Twitter hat der Autor 350 «Follower». Alle Angaben stammen vom 19.01.2018. «Let's Play History» wird seit März 2017 betrieben und ist demnach ein relativ junger Blog.

    Der Artikel zu KC:D erschien am 13.01.2018 und wurde auf Twitter mit dem Hashtag «#KingdomComeDeliverance» versehen sowie an die einflussreichen Accounts von Gamescom, ARD_Presse, ZDF und GameStar_de adressiert. Keine seiner vorhergehenden Tweets oder Blogbeiträge haben eine vergleichbare Aufmerksamkeit genossen, wie sein Artikel zu KC:D.

    Eine (zu) intensive Kontroverse?

    Im Zeitalter der Sozialen Medien ist es keine Seltenheit, dass relativ unbekannte Bloggerinnen und Blogger mit vergleichbar kleiner Leserschaft und Reichweite, punktuell grössere Debatten anstossen können. Heinemann hat in seinem Blogartikel nicht nur die Person Vávra zum Thema gemacht, sondern die deutschsprachige Spielepresse direkt mit Vorwürfen konfrontiert. Über KC:D wurde viel und äusserst wohlwollend Berichtet. Das Spiel konnte sich über die Jahre hinweg eine grosse Fangemeinde aufbauen und Gamerinnen und Gamer haben ein Auge darauf geworfen. Sein Tweet, der darauf ausgelegt war eine grosse Menge an Menschen zu erreichen, profitierte von dieser generellen Aufmerksamkeit des Spiels. In einer Masse positiver Berichterstattung sticht ein provokanter, reisserisch geschriebener und kritischer Artikel deutlich heraus. Es ergeben sich hier Parallelen zum Phänomen Derek Smart und Star Citizen. Kritiker von beliebten Spielen mit grossen Communities profitieren von der Popularität dieser Spiele und je lauter und deutlicher die Kritik, desto stärker die (Gegen-) Reaktion darauf. Es ist kaum zu beurteilen, ob Heinemann diese Umstände bewusst benutzt hat oder sie ein für ihn glücklicher Zufall sind. Letztlich ist diese Frage bei einer sachlichen Diskussion auch irrelevant.

    Fazit

    Jan Heinemann stellt in seinem ausführlichen Blogartikel «Das „authentischste“ Historienspiel aller Zeiten?! Die gewaltige Schräglage von „Kingdom Come: Deliverance“» wichtige und interessante Fragen. Er recherchiert gründlich zur Person Daniel Vávra und stellt Indizien zusammen, die den KC:D Entwickler in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Er mahnt zurecht zur Vorsicht und rät seinen Leserinnen und Lesern sich gegen etwaige historische Verzerrungen in Videospielen zu wappnen. Aber Jan Heinemann erhebt auch schwere Vorwürfe, die tief greifen, verletzten, Karrieren schädigen und den finanziellen Erfolgen eines Spiels beeinträchtigen können, das nicht von einem Investor getragen wird, sondern von leidenschaftlichen Fans, die ihr privates Geld dem Entwickler vorschiessen. Wer in diesem Kontext solche Vorwürfe erhebt, sollte dies entweder auf eine differenzierte, vorsichtige und sachliche Art tun, oder hieb- und stichfeste (Schwertkampf-pun not intended) Beweise vorlegen.

    Jan Heinemann macht weder das eine, noch das andere. Differenziert ist er nicht, weil er all seine Argumente aus (s)einer Perspektive heraus beleuchtet. Gegenpositionen zitiert und reflektiert er nicht. Vorsichtig ist er nicht, weil er Vávra offen einen Rassisten und Neonazi nennt und behauptet dessen mutmassliche Ideologie würde sich im Spiel KC:D wiederfinden, ohne dass er das Spiel getestet hat. Sachlich ist er keines Falls, da er für seine These, KC:D wäre historisch verzerrt, ideologisch gefärbt und würde «whitewashing» betreiben, keinen einzigen Beleg aus dem Spiel heraus liefert. Seine ganze Argumentation spinnt er um die persona Vávra herum und konstruiert das Narrativ eines «Authentizitäts-Hypes», das es in dieser Deutlichkeit nicht gibt. Seine Leser/innen können diese Behauptungen nicht überprüfen, da das Spiel gar nicht veröffentlicht wurde. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm zu glauben oder nicht zu glauben. Beweise liefert Heinemann m.E. auch nicht, denn es braucht mehr als ein T-Shirt, Youtube Likes und eine Handvoll Twitternachrichten, um die innere Überzeugung eines Menschen zweifelsfrei nachzuweisen. Selbstverständlich relativiert das nicht die Aussagen, die Vávra in seinen Twitternachrichten und Interviews gemacht hat. Sie sind bestenfalls unüberlegt und lächerlich, aber in den extremeren Fällen hetzerisch und widerlich. Darauf hinzuweisen ist richtig, wichtig und hierfür würdige ich Herrn Heinemanns Leistung. Aber es braucht ein gutes Stück mehr als problematische Aussagen, um aus einem Menschen einen Neonazi zu machen.

    Ich möchte meinen Blogbeitrag mit einer positiven Note schliessen und das Verhalten der Gamestar während dieser Kontroverse ausdrücklich loben. Das Spielemagazin hat sich nicht zu Schnellschüssen hinreissen lassen, sondern hat die Anschuldigungen überprüft, recherchiert und ein Statement des Beschuldigten eingeholt. Eine der grössten Errungenschaften unserer westlichen Demokratie ist es, dass wir keinen Angeklagten verurteilen, ohne ihm/ihr die Chance zu geben, sich zu verteidigen. Wieso kommen wir im Internet immer wieder von diesem Grundpfeiler unserer Gesellschaft ab? Die Gamestar hat nicht nur den Entwicklern Raum gegeben, sondern die Vorwürfe aus mehreren Perspektiven beleuchtet, sich aber keine Vorverurteilungen erlaubt. Sie wartet besonnen das Erscheinen des Spiels ab, um es auf Herz und Nieren zu prüfen und überlässt es in der Zwischenzeit ihren Leserinnen und Lesern sich ein Urteil über die Kausa Vávra zu bilden. Sie hat ihre journalistische Pflicht zu informieren erfüllt. Heiko Klinge war ausserdem durchaus offen für die Kritik nicht früher auf die problematischen Äusserungen von Vávra eingegangen zu sein. Vorbildlich! Uns bleibt nicht mehr übrig, als auf die ersten Tests von Kingdom Come: Deliverance zu warten und gegebenenfalls in seine Welt einzutauchen oder auf das nächste historische Rollenspiel zu warten, das von einem weniger schillernden Chefentwickler stammt.

    Über den Autor

    Kigosh
    Die Göttin des Waldes hat mich auf die Mission geschickt eine entführte Prinzessin zu retten. Mein alter Mentor hat mich in die Mysterien der Macht eingewiesen und ich bin ein Mitglied eines jahrtausendealten Assassinenordens. Ich suche Begleiter, die sich meinem Abenteuer anschliessen wollen. Am liebsten Magie-, Schwert-, Bogen- und Gesangsbegabte. Wir reisen in meinem Raumschiff durchs Universum. Die Crew besteht aus loyalen und sterbewilligen Redshirts. Keine Herausforderung ist zu gross für mich, und wenn doch, senden mir meine Overlords eine heilige Lootbox. Valar Morghulis!

Kommentare

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  1. Lost Prophet
    Inhaltlich wahnsinnig stark argumentiert von Dir!
      6 Person(en) gefällt das.
  2. Angelus_lul
    Kannst du deine offensichtliche Agenda vielleicht irgendwo anders fahren? Wer den Islam kritisiert ist keinesfalls sofort ein Rassist, wer allerdings auf einer Gamingside unter einem Userblog einen hetzerischen, vollkommen überflüssigen Beitrag postet, der sollte sich vielleicht fragen, ob er nicht mindestens Tendenzen in diese Richtung hat.
      4 Person(en) gefällt das.
  3. Kigosh
    Vielen Dank für diesen Hinweis, kannte das Video tatsächlich nicht und ist wirklich eine gute Ergänzung zum Blog :)

    Vielen Dank für die netten Worte. Ich denke die meisten Menschen wissen sehr wohl zu differenzieren und können sich eine eigene, fundierte Meinung bilden zum Spiel, wenn es bald raus kommt.
      2 Person(en) gefällt das.
  4. Lucky Number Slevin
    Sehr guter Artikel über eine traurige Debatte. Hoffentlich bekommen ihn viele zu lesen. Danke auch an die GameStar, den Blog auf die Startseite zu nehmen!
      6 Person(en) gefällt das.
  5. Whimsy
    Oft werden aber Themen zu sehr verkompliziert, zu viel hineingedacht, fehlinterpretiert oder verallgemeinert.

    Oft fühlen sich Leute bereits angegriffen, wenn irgendwo auf der Welt, irgendein Typ etwas Schlimmes sagt.

    Man sollte einfach über manche Dinge stehen und nicht alles persönlich nehmen.

    Ein Angriff ist erst dann ein Angriff, wenn er tatsächlich verletzt und nicht dann, wenn man etwas liest, was irgendjemand denkt, sagt oder schreibt. Denn dann sieht man plötzlich fast überall Beleidigungen, moralische Verletzungen usw., wie z.B. manche Kulturkreise, mit übertriebenen und empfindlichen Vorstellungen von Sitten und Moral.

    Das soll kein Freifahrtschein für Rassismus etc. sein. Bitte genau lesen und denken!
      3 Person(en) gefällt das.
  6. thegutman
    Würdest du auch ein schönes Bild kaufen wenn du wüsstest das der Künstler dich eigentlich hasst, weil du Moslem, schwul, dunkelhäutig oder einfach anders bist. Dieses ich trenne Kunst vom Künstler gehabe funktioniert immer nur so lange wie es einen selbst nicht betrifft. Denkt vielleicht bevor ihr irgendetwas macht über euren eigen Horizont hinweg und überlegt ob gewisse Überzeugungen in euer Wertesystem passt.
      5 Person(en) gefällt das.
  7. vajar
    Und auch hier wieder falsch. Es wird Personen aus anderen Kulturkreisen geben, nur keine Schwarzen. Das passiert wenn man die eine Meinung liest.
      2 Person(en) gefällt das.
  8. Whimsy
    Manche Leute haben Zeit und Sorgen...

    ...und verbringen Stunden damit, Texte zu schreiben und Quellen zu überprüfen, wodurch sich letztlich nur wenig ändert.

    Gekauft wird das Spiel trotzdem.

    Mir persönlich ist egal, was die Entwickler tun und welche Ansicht sie haben, solange das Spiel unterhaltsam ist.

    Manche Debatten sollen wohl nur die Lebenszeit der Menschen aufsaugen...

    (Nicht persönlich oder böse gemeint.)
      5 Person(en) gefällt das.
  9. Lost Prophet
    [...]

    Worum es Dir geht ist die Geschichtsanalyse nach Marx, den historischen Materialismus, also die Idee, dass die Geschichte nicht, wie im bürgerlichen Verständnis, von wenigen mächtigen Einzelpersonen bestimmt wurde, wie wir es in den Schulbüchern lernen, sondern eine Abfolge von Klassenkämpfen ist. Schaut man sich die Geschichte nun an, scheint das auch erstmal so zu stimmen, z.B. der Übergang vom Feudalismus in den Kapitalismus. Es gibt und gab immer eine ausgebeutete Klasse, die sich dann in einer Revolution erhebt und fundamentale Rechte und Freiheiten erstreitet, dadurch oft aber selbst auch zur herrschenden Klasse wird (siehe die Ablösung des Adels durch das Bürgertum). Marx schließt daraus einen Geschichts-Positivismus, also die Idee, dass die Geschichte einen "natürlichen" Verlauf hat, der irgendwann in einer klassenlosen Gesellschaft enden wird, enden muss. Insbesondere Adorno und Horkheimer haben das angezweifelt und sehen die industrielle, staatlich organisiert Massenvernichtung der Shoah als Singularität und den Beweis dafür, dass technischer Fortschritt nicht zwangsläufig in einer Verbesserung enden muss, sondern auch katastrophal benutzt werden kann. (Alles jetzt sehr verkürzt.) Darüber kann man natürlich streiten und diskutieren, selbst über die Geschichtsanalyse von Marx, aber inwiefern es gleichermaßen schlimm ist, dass Menschen gesellschaftlichen Fortschritt fordern, während andere Tod, Vertreibung und Unterdrückung von Menschen fordern, erschließt sich mir nicht. Ich halte schon diese Grundannahme für pervertierte Logik.

    @Kigosh: Abgesehen von diesem einen Punkt, finde ich Deinen Artikel aber super! Wirklich sehr gute Arbeit! Ich fand den ursprünglichen Blog-Eintrag auch verdammt schwach geschrieben, gerade in Blick auf die vermeintliche historische Genauigkeit. In Bezug auf Daniel Vavra bin ich jedoch ganz anderer Meinung. Vielleicht teile ich hier bei Gelgenheit noch 'mal meinen Kommentar zur Recherche über die Band "Burzum" und die Trennung zwischen Kunst und Künstler, den ich unter dem ursprünglichen Artikel von GameStar verfasst habe.

    (Zusammenfassung ohne Belege: Burzum ist ein Ein-Mann-Projekt eines verurteilten Mörders und eindeutigen Faschisten, der sich selbst als Rassist bezeichnet und das als Inspiration für seine Musik angibt. Trennung zwischen Kunst und Künstler ist also nicht möglich. Wer ein T-Shirt einer solchen Band trägt, impliziert Zustimmung und identifiziert bis solidarisiert sich damit. Insbesondere Vavras extrem schwache PR-Antwort macht hier stutzig, da er sich selbst als ausgemachten Metal-Fan bezeichnet, aber nichts von Burzums Hintergrund gewusst haben will. Das klingt nach der typischen Ausrede Rechtsradikaler, die ihre menschenfeindliche Verachtung ins Internet kotzen und dann aber bloß auf der Maus ausgerutscht und/oder von nichts gewusst haben wollen. Zusammen mit seinen anderen Aussagen ergibt sich schon ein ziemlich eindeutiges Bild der Person.)

    PS: "...oder auf das nächste historische Rollenspiel zu warten, das von einem weniger schillernden Chefentwickler stammt." Die ebenfalls verkappten bis offenen Nazis der Hatred-Macher veröffentlichen bald ein Spiel im Mittelalter, das historisch korrekt sein möchte. Es gibt auch bereits eine Vorschau der GameStar dazu. ;)
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  10. Lost Prophet
    @Kigosh: Puhhh, gleich zu Anfang erstmal mit der Hufeisen-Theorie jede Kritik erschlagen. Direkt ominösen "Linksextremismus" mit Rechtsextremismus gleichgesetzt und damit letzteren relativiert. Rechtsextremismus ist ein System, das auf die Unfreiheit von Menschen abzielt und in seiner Konsequenz Diskriminierung, Gewalt, Unterdrückung und Krieg bedeutet. Dies ist der Ideologie immanent. Es ist nicht davon zu trennen. Aus einem Rassenwahn, der die Überlegenheit der eigenen "Rasse" (des eigenen Geschlechts, der eigenen Sexualität etc.) propagiert folgt logisch notwendigerweise eine vermeintliche Minderwertigkeit anderer proklamierter "Rassen". Rechtsextremismus ist im Kern immer eine Ungleichbehandlung von Menschen, die mit einer vermeintlichen Ungleichheit gerechtfertigt wird. Damit ist selbstverständlich eine Ungleichheit in Rechten und Pflichten gemeint, nicht dass alle Menschen den selben Musikgeschmack haben oder welche blödsinnigen Argumente da gerne angeführt werden. Dies greift Menschen essenziell in ihrer Würde und ultimativ in ihrem Lebensrecht an. Linke Ideologien zielen auf Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Die gedankliche Gleichsetzung mit autoritärem Sozialismus, der in der Geschichte ebenfalls zu diversen Unrechtsstaaten geführt hat, ist argumentativ eine billige Abkürzung, die inhaltlich dann eben auch genau das ist: verkürzt. Sobald es um faschistische Ideologien geht, geht es ultimativ auch immer um das Existenzrecht von Menschen. Zumindest um deren Grundrechte. Wer meint das Absprechen und das Verteidigen von Grundrechten seien zwei gleichberechtigte politische Positionen, der hat fundamental wichtige Dinge für ein friedliches Zusammenleben nicht verstanden und offensichtlich leider überhaupt nichts aus der Geschichte gelernt.

    "Oder wenn Linksextreme Geschichte als eine Abfolge von Unrechtsakten gegen- und Ausbeutung vom Volk deuten und deshalb neue, radikale Gesellschaftsordnungen fordern."

    Fangen wir also ganz sanft mit einer einfachen Frage an: Was ist daran denn schlimm? Inwiefern ist das ein Problem? Die Gesellschaft in der wir heute Leben ist zweifelsfrei ein Produkt genau dieser gesellschaftlichen Kämpfe und Bestrebungen um mehr Freiheit und Gerechtigkeit. Das ist unabstreitbar. Die Aufhebung der Sklaverei, der "Rassentrennung", das Wahlrecht für Frauen, Krankenversicherung, Arbeitnehmerschutz und -rechte. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. Wir haben diese Gesellschaft nur weil es Menschen gab, die den Status Quo nicht akzeptiert und ein besseres Leben gefordert, erstritten und erkämpft haben. Und zwar Dinge, die aus heutiger Sicht völlig noraml sind, bei denen es geradezu absurd und unvorstellbar scheint, dass es 'mal Menschen gab, die sich dagegen gewehrt haben (wie die Abschaffung der Sklaverei). Genauso gibt es eben auch heute Menschen, die sich gegen Forderungen wehren, die hoffentlich in naher Zukunft schon als völlig selbstverständlich gelten werden.

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