Magic Arena - RNG

Von RichardDudgeon · 7. Januar 2020 · Aktualisiert am 12. Januar 2020 · ·
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  1. In letzter Zeit habe ich Magic-Arena ausführlich gespielt und möchte nun eine persönliche Meinung zum Thema "Kartenglück" abgeben. Der Vollständigkeit halber möchte ich vorneweg erwähnen, dass ich wie Mac Moneysac noch keinen müden Heller bei Magic liegen gelassen habe, weshalb das Spiel potentiell jeden Grund hätte, mir "schlechte Karten" zu geben.

    Neulich war ich auf der Brettspielmesse. Es war ein Werktag, früh morgens, wenig Publikumsverkehr. Ich schlenderte alleine durch die Halle, als mich auf einmal drei ältere Frauen fragen, ob ich mit ihnen eine Runde Bridge spielen möchte. Sie suchten Nachwuchs für ihren Verein. Ich setzte mich dazu und ließ mir das ganze erklären. Es waren eingefleischte Spielerinnen. Als zwei Runden mit gezinkten Karten vorbei waren, denn natürlich wollten sie, dass ich das erste Mal knapp verliere und das zweite Mal gewinne, unterhielt ich mich lange mit ihnen über das Spiel. Irgendwann stellte ich die Frage: "Wie kann man bei Bridge betrügen?" Eine Spielerin antwortete sofort: "Gar nicht." Die Club-Chefin berichtigte sie, worauf ihre Mitspielerin aus allen Wolken fiel und sich nachher über ihre langjährige Leichtgläubigkeit ärgerte.

    Lange zuvor unterhielt ich mich mit einem Arbeitskollegen über "Magic-Arena". Ich fragte ihn: "Wer sagt Dir, dass das Spiel die Karten ordentlich mischt und Dich nicht, je nachdem wie viel Geld Du liegen gelassen hast, bevorzugt?" Er lachte mich aus und war voll und ganz davon überzeugt, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Ich suchte kurz im Internet und fand sofort eine Studie zum Thema (reddit.com/r/MagicArena/comments/b21u3n/i_analyzed_shuffling_in_a_million_games/). Der Kollege nahm es ungläubig zur Kenntnis. Heute spielt er das Spiel nicht mehr.​

    Drei kleine Anekdoten, die sich alle an einem Tag ereigneten:
    1. Ich öffnete zwei Packungen zu je acht Karten aus dem Core-Set 2020 und erhielt als Rare-Karte zweimal den Starfield-Mystic. Momentan befinden sich im Core-Set 2020 insgesamt 86 Rare- und Mythic-Karten. Auch wenn ich davon ausgehe, dass die Drop-Rate nicht für alle Rare-Karten die gleiche ist, war dieses Ereignis sehr unwahrscheinlich.
    2. Nach einer quasi-unspielbaren Starthand führte ich einen Mulligan durch. Ich bekam drei meiner vier im Deck befindlichen Brazen-Borrowers. In diesem Fall ist es einfacher die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis abzuschätzen, da von einer Gleichverteilung ausgegangen werden kann. Geneigter Leser, erinnere Dich an die 10. Klasse! P < 4* (4/60*3/59*2/58), der Vorfaktor ergibt sich aus einer großzügigen Abschätzung für die anderen Zweige des Wahrscheinlichkeitsbaumes. Werden 2000 Hände verteilt, sollte dieses Ereignis laut Rechnung einmal vorkommen.
    3. Einmal geschah es, dass es sich bei drei der vier Karten, die ich per Secretkeeper von meinem Stapel in den Friedhof befördert hatte, um Emry gehandelt hat.

    Nun drängt sich mir der Verdacht auf, dass die größte Herausforderung bei Arena das Programmieren des Zufallszahlengenerators sein muss. Schließlich ist es ja nicht so, dass jeder Zugang zu guten Generatoren hat. Die rationale Begründung für die obigen Erlebnisse finden sich in einem Comic von Dilbert, der auf random.org/analysis/ abgedruckt ist. Wozu die Seite sonst noch benutzt werden könnte, ist im Kontext dieses Artikels komplett irrelevant.

    Sicherlich dachte der ein oder andere von euch bei der Erwähnung der Brazen-Borrowers bei sich: "Was für ein Spielverderber, er spielt das übelste Control-Deck!" Anfangs hab' ich ein Karneval-Deck gespielt: Alle Farben, Kreaturen aus aller Herren Länder, eine lustige Truppe. Fast jeder im Deck war ein Individuum, was seinen Wiedererkennungswert nach einem Mulligan deutlich erhöhte. Als ich nach einem Mulligan drei der sieben Karten noch einmal sah, dachte ich endgültig, dass etwas nicht stimmen kann. Wer möchte, kann sich jetzt die absurd geringe Wahrscheinlichkeit ausrechnen. Ich überlegte mir, wie ich ein Deck zusammenstellen kann, welches relativ unabhängig vom "Kartenglück" ist. So landete ich bei einem Secretkeeper/Lucky Clover-Control-Deck, das mir mit den vielen Entscheidungsoptionen durch Abenteuer relativ gute Dienste erweist. Für sich betrachtet, handelte es sich beim Erstellen des Control-Decks um einen traurigen Abstieg.

    Ein andermal meldete ich einen Bug auf der Support-Seite von Arena. Lustigerweise stieß ich auf einen Eintrag, bei dem sich ein Spieler darüber beklagte, dass er ein Artefakt auf dem Feld liegen habe, bei dem die oberste Karte im Stapel sichtbar ist (Bolas Citadel). Wenn er jetzt eine Karte mit "Mische das Deck" bekommt, würde sich die oberste Karte aber nie ändern. Ich habe es nicht nachgeprüft. Wobei ich denke, dass eine mögliche Spielmanipulation effektiver funktioniert, wenn die Kartenabfolge im Deck nicht komplett zu Beginn festgelegt wird, sondern in Abhängigkeit der Spielsituation angepasst wird.

    Butter bei die Fische! Was brächte es den Zauberern der Küste, wenn nicht ordentlich gemischelt würde? Vielleicht könnte man diejenigen, die viel Geld investieren, öfter gewinnen lassen und sie so mehr motivieren. Spieler würden öfter neue Decks ausprobieren, da sie mit einem unentwickelten Deck mehr "Kartenglück" bekämen und so gewinnen würden. Und neue Decks brauchen neue Karten.
    Ich gehe davon aus, dass es noch keine ordentliche künstliche Intelligenz für Arena gibt, sonst könnte man die Leute, die Geld investieren, gezielt gewinnen lassen, indem man sie gegen die Bots gewinnen lässt. Es gibt ohnehin noch keinen Chat, durch den festgestellt werden könnte, ob ein Roboter gegenüber sitzt.

    Traurigerweise bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es bei einer Arena-Partie anscheinend immer einen von den Zauberern bevorzugten Spieler gibt. Pay-to-Win bezieht sich nicht nur auf die besseren Karten im Deck, die man sich leistet, sondern auf eine ganz spezielle In-Game-Dimension, die ich mir so bislang nicht ausgemalt hatte. Wenn ich daran denke, hinterlässt es einen unangenehmen Beigeschmack. Und bis ich mir den gleichverteilten Zufallszahlengenerator dazukaufen kann, heißt es: "Git gud!" und "Deal with it." Weshalb kann dem Klientel von Souls-like Spielen Frustration zugemutet werden, Arena-Spielern aber nicht? Die von den Statistikern gefütterten Zauberer-Psychologen sind jetzt versucht mir ihre Auswertungen über Kaufverhalten vor den Latz zu knallen und mir das Gegenteil fein säuberlich zu präsentieren: "Du weißt nichts!" Aber sie dürfen nicht, denn das wäre ein Skandal.
    Wie könnten die Zauberer sich von diesen äußerst dreisten Vorwürfen reinwaschen? Eine Art unabhängiger Spielbeobachter zur Erhöhung der Transparenz wäre eine mögliche Lösung. Solange niemand in den Stapel sehen kann, kann Schindluder nach Belieben getrieben werden.

    Mit Freunden spielte ich zu viert das Kartenspiel "Tempel des Schreckens". Es ist lustig. Bis Du feststellst und nachweisen kannst, dass es im Endeffekt egal ist, wie Du dich verhältst, denn letztendlich entscheidet der Zufall, wer gewinnt, wenn Du rational spielst. Wir spielen es nicht mehr, weil ich denke, dass ich sie überzeugt habe und ich ihnen jeden Spaß daran genommen habe. Jetzt stelle ich ernüchtert fest, dass das immer noch besser ist, als wenn das Spiel aufgrund eines unsichtbaren Knete-Faktors entscheidet. Das Spiel als trauriges Modell der Wirklichkeit, how delightfully ironic...

    Danke für's Durchhalten und Mitdenken!

    Errata (Nachtrag):
    Die abgeschätzte Wahrscheinlichkeit zu den 3 von 4 Brazen Borrowers war falsch. Tatsächlich kommt dieses Ereignis wesentlich häufiger vor und kann mit der hypergeometrischen Verteilung berechnet werden.

    Für mein Beispiel:
    N: Anzahl der Karten im Deck (60), M: Anzahl an Brazen Borrowers im Deck (4), n: Anzahl an Karten in der Starthand (7), k: Anzahl an gewünschten Treffern (3). Daraus ergibt sich dann eine Wahrscheinlichkeit von 0,0038, d.h. diese Kombination sieht man ungefähr in einer von 250 Starthänden.

    Für das Emry-Beispiel ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von N = 50, M = 4, n= 4, k = 3: P = 0,0008 , also einmal pro 1250 Secretkeeper-Abenteuer.

    Habe ich mich folglich selbst vom Gegenteil überzeugt? Nicht wirklich, denn heute kamen nach einem Mulligan noch einmal 3 von 4 Dwarven Mines, die ich schon vor dem Mulligan auf der Hand hatte. Quadriert die Wahrscheinlichkeit des Brazen-Borrower-Beispiels!

    (Falls ein Statistiker vorbeistolpert und immer noch Fehler findet, bitte in den Kommentaren melden.)

Kommentare

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  1. Scario
    Entschuldige - das war nicht die Absicht^^. Ich kenn das nur von mir selbst das ich gerne über das Kartenglück der anderen schimpfe und mein eigenes oft gar nicht wahrnehme.

    Das mit den Karten-Bestenlisten kann funktionieren, allerdings würde es gerade den Leuten Steine in den Weg legen die außerhalb der Meta was eigenes bauen wollen. Finde mitunter die langweiligste Phase in Kartenspielen ist die wenn jeder nur noch die 2-3 gleichen Decks spielt. Falls man da ankommt würde das wahrscheinlich sehr gut funktionieren jemanden Karten zuzuschustern. Wäre allerdings nicht besonders gut fürs Spiel denke ich.

    Ich denke die P2W Leute kann man beim Öffnen von Booster Packs einfacher belohnen - und man muss keinen anderen Spieler dafür abstrafen. Wenn das System "daneben" liegt was der Spieler den grad für ne Karte will - ists auch nicht schlimm. Es ist ja zumindest von Entwicklerseite schon confirmed das bei den Boosterpacks mit pseudorandom gearbeitet wird - was soviel bedeutet wie: Die Chance auf ein Legendary steigt für jede Karte die man bekommt welche kein Legendary ist.
    Gefühlt ist es auch so dass wenn man sich nach langer Zeit mal wieder in Hearthstone einlogt, die nächsten geöffneten Packs sehr belohnend ausfallen. Zufall? Wer weiß^^.
  2. RichardDudgeon
    Ein aufrichtiges Lob für den Umgang miteinander!

    @ Scario: Ich verstehe, was Du mit der Gewinnstrategie meinst. Im ersten Anlauf würde wahrscheinlich das Durchsuchen des verbleibenden Stapels auf eine Karte nach einer Karten-Bestenliste (wie z.B. auf draftsim.com unter Pick-Order) genügen.

    Ihr lasst mich wie einen schlechten Verlierer dastehen :-)

    Ihr habt mitgedacht. Das ist alles, was ich wollte.

    "Das Glück ist eine leichte Dirne, und weilt nicht gern am selben Ort;
    Sie streicht das Haar Dir von der Stirne und küsst Dich rasch und flattert fort.
    Frau Unglück hat im Gegenteile Dich liebefest an's Herz gedrückt;
    Sie sagt, sie habe keine Eile, setzt sich zu Dir an's Bett und strickt."
  3. Crogy2
    @Scario Kann ich so nur unterschreiben, find ich einen guten Einwand.
  4. Scario
    Ich kann dir natürlich nicht das Gegenteil beweisen. Ich kann dir nur sagen das Spieler gerne spielerische Missgeschicke auf alles andere als sich selbst schieben - so auch die Randomness. Gleichzeitig ist aber das subjektive Empfinden für Glück oder Pech komplett fehlgeleitet. "Ich hab immer Pech - ich bekomme immer viel stärkere Gegner - ich bekomm immer die schlechtersten Karten". Ich hatte schon oft genug Momente in denen ich mich so fühlte. Mit kritischem Nachdenken hatte das aber wenig zu tun. Vielmehr bleiben die Eindrücke welche am nächsten liegen, oder wenn man wie in deinem Fall förmlich danach sucht. Ich dachte mir oft nach einem LoL Abend - Boah.. diesen Abend haben wir ja fast nur verloren. Letztendlich beim nackkucken seh ich das ich 3 gewonnen und danach 3 verloren hatte.

    Und selbst wenn wir jetzt mal bei deiner Argumentation bleiben das Pay2Win Spielern heimlich Karten hingemischt werden. Woher soll denn das Spiel eindeutig wissen welche Karte grade für dein Deck und deine persönliche Strategie gut ist. Gewinnstrategien sind bei Magic alles andere als einfach zu erkennen manchmal. Würde es dann Pay2Win Leute versehentlich bestrafen?
    Letztendlich ist es denke ich gefährlicher die Authenzität seines Spiels zu gefährden nur um evtl jemanden mal Glück zu bescheren. Besonders bei Multiplayer-Duellen leidet ja auf der anderen Seite auch immer ein Spieler darunter.

    Und ich war mir nicht sicher ob du das mit den Random-Generatoren sarkastisch meintest. Aber es ist kein Problem Randomness zu erzeugen für das ziehen von Karten.
      Crogy2 gefällt das.
  5. Crogy2
    Puh, da jeder aus seinen eigenen Erfahrungen bzw. mit evtl. gleichgesinnten geteilten Meinungen von Anderen sich ein Bild macht, bitte.
    So lange aber keiner weiß wie die Implementierung der Funktionen/Algorithmen in Arena aussehen, ist das alles Spekulation und Wortklauberei!
    Ja, es benötigt einige Zeit bis man sich ohne Einsatz von Geld einen gewissen Kartenpool erspielt hat. Während dieser Zeit wird es immer wieder Spiele gegen vermeintlich bessere Decks geben. Selbst mit einem Metadeck wirst du es aber auch nicht immer schaffen zu gewinnen! Alleine weil hier jederzeit das Stein/Schere/Papier zum tragen kommen kann.
    Btw. deine Anekdoten sind und bleiben einfach Pech oder Glück je nach Spielausgang oder gezogener Karte, egal wie die Chancen dafür stehen! In diesem Fall hast du halt diesen Fall abbekommen. Ist wie Lotto, das kannste auch die Quote berechnen und trotzdem nix treffen.
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