Mass Effect. The good, the bad and the ugly. (6)

Von Thore · 14. Mai 2021 ·
  1. Wir haben den Tod geheilt
    Im Laufe des ersten Teils hat der Rat Shepard nicht geglaubt, bis Sovereign einen massiven Angriff auf den Sitz der galaktischen Regierung gestartet hat. Das sie am Ende ebenfalls überzeugt von der Bedrohung waren, gehörte mit zu den Errungenschaften, die man als Spieler erreicht hat. Die Galaxie war nun bereit, in Aktion zu treten und aktiv nach einer Lösung zu suchen! Oder?

    Nope! Shepard verliert nach seinem Sieg jede eigene Handlungsfähigkeit und der Rat schiebt die Bedrohung auf die Geth. Shepard wird aufgetragen irgendwelchen Überresten der Flotte der Geth nachzujagen, bis die Kollektoren auftauchen und die Normandy zerstören. Warum betreibt die Galaxie wieder „Business as usual“? Warum wird Sovereigns Angriff vertuscht? Wie kann man so etwas überhaupt vertuschen? Sovereigns Überreste sind immerhin über die ganze Citadel geregnet...
    Und was wäre passiert, wenn die Kollektoren nicht in dem Moment auftauchen? Wäre er dann ewig im Kreis den Geth hinterhergeflogen, bis die Reaper angekommen wären? Der Countdown dazu lief doch bereits und Shepard weiß das, warum dödelt er noch mit den Geth herum? Warum ist die Normandy alleine unterwegs? Ja, sie ist das modernste Schiff, was die Allianz besitzt, aber sie ist nicht unbedingt für den Kampf optimiert. Die ganzen Rettungskapseln der zerstörten Normandy werden von den Kollektoren auch ignoriert, damit die Crew auch ja noch dabei ist, wenn Shepard die Normandy zurückbekommt. Plot-Armor und so... wobei mir gerade sogar noch auffällt, dass die anderen Schiffe, die verschwunden sind, keinerlei Überlebenden hatten, was es nur noch schlimmer macht.

    Das Spiel dauert noch nicht mal 5 Minuten und mir schwirren schon diese ganzen Fragen durch den Kopf und hindern mich daran, wieder in das Universum einzutauchen.

    Etwas später im Spiel hab ich mich dann zusätzlich gefragt, warum die Kollektoren die Normandy überhaupt angegriffen haben? Aus Spaß? Das verläuft komplett entgegengesetzt zu ihrem Ziel im Geheimen so viele Menschen wie möglich zu entführen. Ein Schiff der Allianz zu zerstören würde normalerweise deren Aufmerksamkeit garantieren. Gerade wenn es sich um so ein prestigeträchtiges Schiff wie die Normandy handelt. Aber die Kollektoren scheinen das Skript gelesen zu haben, welches die Allianz zur apathischen Nutzlosigkeit verdammt. Wenn Schiffe aus ungeklärten Ursachen verschwinden, dann würde das ebenfalls die Siedler abschrecken, die sie dann auch nicht entführen könnten.

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    (Gut, das wir das Schiff samt Crew in ein paar Minuten wiederbekommen. Drama!)

    Wie auch immer. Shepard ist also „nur“ verstorben oder hört komplett auf zu existieren. Je nachdem, ob man der Szene glaubt, in der sein Körper in die Atmosphäre eintritt. Mal im Ernst: Die beste Verteidigung, die ich dagegen gefunden habe, ist, dass es einfach nicht möglich wäre, dass er in der Atmosphäre verglüht und danach noch genug übrig ist für Projekt Lazarus. Demnach ist es nicht passiert, völlig egal was auf dem Bildschirm dargestellt wurde.

    Shepard wacht danach in einem brennenden Cerberus Labor auf. Der Arzt, der Shepard im Koma (im Tod?) pflegt, versucht ihn zu töten. Der Plan des Arztes bringt dann jeden um außer Shepard, setzt die Station in Brand und endet damit, dass der Arzt selbst getötet wird. Cerberus generelle Kompetenz wird hier ganz gut wiedergegeben. Das Ende vom Lied ist jedenfalls: Shepard war tot (oder nonexistent), hat sich aber erholt.

    TIM
    Tim (der Unbekannte, vom englischen „The Illusive man“) wird in Mass Effect 1 mit keiner Silbe erwähnt. Man lernt ihn inTeil 2 für 5 Minuten kennen und es ist etwas befremdlich, dass er in Mass Effect 2 dann der Einzige ist, der die Handlung vorantreibt. Tim wählt die Teammitglieder aus, die Shepard anheuern soll. Tim schickt Shepard auf die Missionen, die Tim selbst aussucht. Tim gibt die Befehle, die Shepard befolgen muss und die Shepard kaum hinterfragen kann. Die Missionen sind fast ausschließlich sehr kampflastig. Shepard wird von Tim in eine Richtung gedreht, läuft los und schießt so lange alles über den Haufen, bis sich nichts mehr bewegt.

    Sobald das Spiel die Quests der Nebencharaktere verlässt und zur Hauptstory wechselt, ist das Dialograd auf Schienen geschnallt. Man kann nur „zustimmen“, oder „widerstrebend zustimmen“. Tim sagt nicht viel, um Shepard zu überzeugen für ihn zu arbeiten. Etwas vereinfacht ungefähr so:
    Shepard: „Cerberus ist böse“
    Tim: „Nö, ist es nicht“
    Shepard: „Okay“
    Wobei das Dialograd nicht nur auf Schienen geschnallt ist, Shepard sagt auch vollkommen andere Sachen, als man als Spieler annehmen würde. "Sie sind nicht mein Freund" als Text im Dialograd wird gesprochen zu "Sie müssen sich das Recht auf solche Fragen erst verdienen!". Also klingt Shepard plötzlich eingeschnappt, obwohl man als Spieler eine ganz andere Reaktion zeigen wollte. (Im Englischen ist es an der Stelle noch schlimmer).
    Die Spieler, die ein Problem mit Cerberus haben, werden dann natürlich auch nicht dadurch überzeugt, dass Shepard plötzlich sein Durchsetzungsvermögen und seine eigentliche Mission vergessen hat. Der Spieler bekommt nie die Möglichkeit Tim mit Cerberus Gräueltaten zu konfrontieren. Hauptsache Tim sitzt in seinem abgedunkelten James Bond Bösewicht-Büro und raucht, das sieht cool aus und muss als Überzeugung reichen. Der Autor sagt uns permanent, dass Cerberus so mächtig und clever ist. Aber was man im Spiel gezeigt bekommt sind fast ausschließlich krasse Fehlschläge (Show, dont Tell und so).
    Das waren der Thresher Maw Zwischenfall, die durchgedrehte AI/VI auf dem Mond, die Rachni in ME1, der halbtote Reaper, in dem all ihre Wissenschaftler wahnsinnig wurden und die Nazi Gewalt- und Folterorgie, die Jack so traumatisiert hat (ich hab bestimmt noch einige vergessen). Projekt Lazarus ist auch in Flammen aufgegangen, aber Shepard war wieder lebendig, von daher nur ein halber Fehlschlag.

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    (Ein typischer Arbeitstag bei Cerberus)

    Und selbst wenn einige dieser Projekte auf dem Papier „erfolgreich“ waren, dann werden die Fortschritte, die man dadurch angeblich erzielt hat nie erwähnt.
    In jeder Basis von Cerberus sind bei Shepards Ankunft entweder alle Mitarbeiter bereits tot, indoktriniert, einfach wahnsinnig oder alles zusammen. Ergo ist Cerberus Führung entweder inkompetent oder moralisch so weit abgedriftet, dass man nicht mit ihnen und schon gar nicht für sie arbeiten möchte.

    Nächstes mal dann ein paar Worte zu den Kollektoren und den Siedlern, an denen die ganze Haupthandlung hängt.

    Über den Autor

    Thore
    Jahrgang 85. Ich spiele Videospiele seit ich 7 oder 8 Jahre alt war. Ich bin schon immer von gut erzählten Geschichten fasziniert gewesen.

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