Mass Effect. The good, the bad and the ugly. (8)

Von Thore · 28. Mai 2021 ·
  1. Das tut so weh
    Die Reaper verlieren als Antagonisten eine Menge an Qualität in Mass Effect 2. Der Reaper mit dem Shepard sich dieses Mal herumschlagen muss, wird „Harbinger“ genannt. Im Laufe der Hauptstory kommt der Moment, in dem Harbinger sich direkt am Geschehen beteiligen möchte. Dann dröhnt er „Assuming direct control“ und übernimmt einen der gerade herumstehenden Kollektoren. Es ist immer ein Kollektor der Kanonenfutter-Klasse, welcher dann ein paar mehr Lebenspunkte bekommt. Harbinger verhöhnt Shepard dann mit Sprüchen wie „This Hurts you, Shepard“, oder „My attacks will tear you apart“. So lahme One-Liner, die jeder x-beliebige Gegner sagen könnte. Shepard zerlegt ihn dann jedes Mal nach Strich und Faden und macht dann einfach weiter, als wäre nix gewesen.

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    (ASSUMING DIRECT CONTROL)

    Da ist so viel verkehrt dabei, dass es wirklich weh tut. Harbinger (also im Prinzip Cthulhu) sollte über so mondänen Dingen stehen, wie tatsächlich an jedem x-beliebigen Feuergefecht teilzunehmen. Und selbst wenn, dann sollte er nicht ständig in Grund und Boden gestampft werden, während er dieselben billigen One-Liner wiederholt.
    Aber wenn man das unbedingt haben muss, dann sollte Shepard und Crew wenigstens so tun, als wären sie etwas eingeschüchtert, oder zumindest besorgt. Wenn Shepard und Konsorten nicht auf Harbinger reagieren, welchen Sinn hat dann sein erscheinen? Damit man noch einen Gegner mehr zum Umschießen hat? Dafür opfert man den Status der Reaper, als unnahbare und unergründliche gottgleiche Maschinen?

    Harbinger wirkt, als Würde er verkrampft versuchen Shepard irgendwie aufzuhalten und Shepard prügelt ihn jedes Mal wortlos aus dem Bild, als wäre Harbinger kaum seiner Aufmerksamkeit wert. Es sollte genau anders herum sein!

    Plot bis Horizon
    Der Plot funktioniert nur dadurch, dass alle Parteien das Skript gelesen haben und nicht an den eigenen Zielen arbeiten, sondern an denen des Autors.

    Den übergreifenden Plot von Mass Effect 2 kann man in folgende Punkte einteilen:
    - Shepards Tod und Projekt Lazarus
    - Freedoms Progress
    - Kollektor Angriff auf Horizon
    - Die Falle der Kollektoren
    - Der tote Reaper
    - Normandy Crew wird entführt
    - Suicide Mission

    Shepard wird von Tim unter Einsatz von viel Zeit, Geld, Personal und Ressourcen wiederbelebt, weil Shepard so ein „Held und Idol“ ist. Das wird nur im Laufe der Handlung ständig dadurch konterkariert, dass abseits der rekrutierbaren Nebenfiguren ihm niemand vertraut. Die Allianz will nix mit ihm zu tun haben, weil er mit Cerberus arbeitet. Der Rat glaubt wieder, dass die Reaper eine Fantasie von Shepard sind. Die Möglichkeit für diese Parteien zu arbeiten wird dem Spieler genommen, weil der Autor Cerberus für cool hält. „Cool“ übertrumpft dann auch jede Logik und alle Story-Ansätze des ersten Teils. Schlimmer: Um das irgendwie zum Funktionieren zu bringen, wird die Allianz einfach dümmer oder ignorant dargestellt, als im ersten Teil. Entweder es kümmert sie nicht, dass „hunderttausende“ Kolonisten entführt werden (ignorant), oder es kümmert sie plötzlich doch, aber dann funktionieren die Geschütze nicht, die sie den Kolonisten zur Verfügung stellen (inkompetent).

    Freedoms Progress ist eine der Kolonien, die von den Kollektoren überfallen wurde und Shepard wird nach dem Tutorial dahin geschickt. Irgendwie trifft man hier auf Tali und in Anbetracht der Größe der Galaxie stehen die Chancen dafür um einige Kommastellen niedriger, als im Lotto zu gewinnen. Shepard hätte Tali im voraus kontaktieren und sie bitten können, sich dort zu treffen? Dann hätte er einen aktiven Part in der Story und Tali hätte mit ihren technischen Fähigkeiten einen Grund dort zu sein. Ob Shepard in der Szene anwesend ist, ändert dann aber auch nichts. Shepard stolpert durch die Kolonie und hat keine Ahnung, nach was oder wem er sucht, stattdessen schießt er nur alles über den Haufen, bis ihm NPC xy den nächsten Plotpunkt liefert.
    Angeblich hat niemand eine Ahnung, wer die Kolonisten entführt und es werden nie auch nur Spuren der Übeltäter gefunden. Aber ein halbwegs verrückter Quarianer reicht, um Beweise für die Beteiligung der Kollektoren zu liefern, die mit ihrem riesigen Raumschiff immer direkt neben den Kolonien landen. Die parken ihren fliegenden Asteroiden da einfach in der Landschaft und hinterlassen keine Spuren? Hmkay.

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    (Du hier? Was ein Zufall...)

    Nach ein paar Nebenmissionen wird man von Tim dann zur menschlichen Kolonie "Horizon" geschickt. Horizon wird gerade von den Kollektoren angegriffen. Dabei wieder dasselbe Problem: Shepard ist total passiv. Er treibt die Story keinen Meter voran, sondern trottet immer nur brav in die Richtung, die Tim ihm aufzeigt, wenn Tim danach ist.
    Bevor man in der Kolonie landet, fragt Shepard den gerade frisch zur Crew gestoßenen Wissenschaftler Mordin, ob das Gegenmittel zur Lähmung, die mit den Angriffen der Kollektoren einhergeht, gefunden wurde. Das ist das große Problem, wogegen sich niemand wehren konnte und was die Kollektoren so effektiv macht (zumindest im Sinne der Entführungen, ihr großer Plan ist ziemlich bekloppt). Der Wissenschaftler sagt: »Ja.«. Einfach so.
    »Wir haben ein großes Problem, warte, es ist gelöst« ist keine gute Methode um Drama zu kreieren. Währenddessen zoomt die Kamera immer näher auf einen der Käfer heran, die vor einem Angriff von den Kollektoren losgeschickt werden und die Lähmung auslösen. Wo hat er den her? Ich frage mich wieder, ob die Kollektoren jetzt Spuren hinterlassen oder nicht? Also das Spiel sagt uns das sie keine Spuren hinterlassen, aber es zeigt uns was völlig anderes.
    Captain Anderson hat am Anfang des Spiels gesagt, dass die Kolonisten in die entlegenen Gegenden der Galaxie gezogen sind, um aus dem Einflussbereich der Allianz zu entfliehen. Warum sie der Allianz den Rücken kehren wollen wird nie erläutert. Und wenn Shepard auf Horizon auftaucht, dann ist die Allianz trotzdem da. Anscheinend hat sie endlich Hilfe geschickt und ist doch nicht so nutzlos, wie Shepard glauben gemacht werden sollte. Dann findet er heraus, dass genau einen Soldaten und ein Haufen kaputter Geschütze geschickt wurden, was bedeutet, dass sie eben doch komplett inkompetent ist.

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    (Vielleicht werden die Kollektoren ja durch den Anblick der Geschütze abgeschreckt...)

    Auf Horizon macht sich Harbinger dann auch zum ersten mal mit seinem „Assuming direct control“ lächerlich. Shepard repariert die Geschütze und diese fangen an, auf das Schiff der Kollektoren zu schießen. Die Kollektoren starten also ihren gigantischen Antrieb (ohne Spuren zu hinterlassen) und verschwinden mit der Hälfte der Kolonie. Wenn die Geschütze also von vornherein funktioniert hätten, dann wäre das Problem gar nicht erst aufgetreten?
    Darauf folgt ein Gespräch mit einem Kolonisten, der im Prinzip alles repräsentieren soll, wofür wir in diesem Spiel kämpfen. Der Kolonist betritt die Bühne, beschwert sich bei Shepard, dass sein 3-Mann Team nicht eine ganze Armee der Kollektoren besiegt hat, und haut dann wieder ab. Dieser Auftritt ist die ganze Charakterisierung, die wir für die Kolonisten bekommen, an denen unser emotionales Investment hängen soll. Darf ich mich jetzt wieder um die Reaper kümmern?

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    (And i am all the colonists!)

    Natürlich nicht. Stattdessen darf der Spieler sich noch von Ashley oder Kaiden beschimpfen lassen. Dabei spielt es keine Rolle, welcher von beiden ME1 überlebt hat. Der Dialog ist derselbe, obwohl beide nicht unbedingt dieselbe Persönlichkeit haben. Ich kann nicht anders, als komplett verwirrt zu sein von dem Dialog. Erst betiteln sie Shepard als „Gott“ bzw. "Legende" und beschweren sich dann, dass er sich in der Zeit, in der er tot war, nicht gemeldet hat. Wer hat das geschrieben?! Es gibt einfach nichts, was diesen Dialog retten kann. Kaiden oder Ashley wechseln tonal von Bewunderung ohne Umwege zu wütend und verletzt, nachdem Shepard nur „Hallo“ gesagt hat. Wurde da was vergessen bei der Vertonung? Was soll der Zuschauer bei dem Dialog fühlen, oder wie dem Gespräch folgen?
    Shepard muss im Laufe des Gesprächs Cerberus erwähnen und wird daraufhin zum Verräter gebrandmarkt. Kaiden oder Ashley verschwinden dann wieder und wollen der Allianz bericht erstatten.
    Danke für den Besuch, was war der Zweck? Sollte noch ein Charakter aus ME1 irgendwie mit ins Spiel gequetscht werden? Das Gespräch hat nichts Substantielles, man kann als Spieler weder Kaiden oder Ashleys Meinung über Cerberus zustimmen noch Cerberus terroristische Handlungen als notwendiges Übel verteidigen. Die Allianz weiß zudem schon lange, dass Shepard mit Cerberus zusammenarbeitet. Captain Anderson hat das bereits am Anfang des Spiels erfahren.
    Der Spieler wird außerdem wieder von Shepard getrennt. Man kann bspw. „Ich arbeite nicht für Cerberus“ im Dialograd auswählen, woraufhin Shepard das genaue Gegenteil sagt.

    Dieser ganze Abschnitt ist einfach ein total konfuses Zusammenspiel der verschiedenen Figuren und Parteien, das ich mich gerne dem Glauben verweigern würde, dass es von Bioware ist. Das Dialograd wird zum Glücksspiel und die Charaktere wechseln ihre Persönlichkeit nach Windrichtung. Das hat die schreiberische Qualität schlechter Fanfiction, was durch ein großes Budget verschleiert wird.

    Noch schlimmer wird es in den Gesprächen mit Tim zwischen den Missionen. Da bekommt man das Gefühl, dass der Autor völlig vergessen hat, welche Partei wo steht und welche Informationen wem zur Verfügung stehen.

    Über den Autor

    Thore
    Jahrgang 85. Ich spiele Videospiele seit ich 7 oder 8 Jahre alt war. Ich bin schon immer von gut erzählten Geschichten fasziniert gewesen.

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