Wer kennt sie nicht - die magischen Momente?
Begebenheiten, Ereignisse und Impressionen, die einzigartig waren, die sich positiv eingeprägt haben, an die man gerne zurück denkt.
Es gibt sie überall - nicht zuletzt in Spielen - oder durch diese ...
"Magical Moments" ist zwar eine uralte Alliteration, doch auch eine nach wie vor sehr zutreffende. Als magischen Moment bezeichnet man einen einzigartigen, emotional in positiver Weise aufwühlenden Augenblick (wieder so eine Alliteration, die aber viel zu sperrig ist, um genutzt zu werden). Einen Augenblick, an den man sich selbst nach Jahren, vielleicht sogar bis ans Lebensende immer noch erinnern kann - und dies auch gerne tut.
Der erste Kuss zum Beispiel ist in vielen Fällen solch ein unvergesslicher Moment.
Das Live-Hören der historischen Worte "That’s one small step for man ... one ... giant leap for mankind" von Neill Armstrong, während dieser als erster Mensch den Mond betrat, war ebenfalls ein solcher. Sogar ein kollektiver, der sich unauslöschlich in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat. Schliesslich wurde er anno 1969 weltweit von mindestens Hunderten Millionen, eher sogar einer Handvoll Milliarden Menschen mehr oder weniger gleichzeitig empfunden. (Ich habe diesen leider um ein paar Jahre verpasst, das nehme ich meinen Eltern bis heute übel ;-)).
Wobei magische Momente nicht gleichzeitig auch monumentaler Art sein müssen.
Sie können auch durch vermeintliche Kleinigkeiten ausgelöst werden.
Im Film "American Beauty" war es für einen der Protagonisten, nämlich den filmenden Jungen, eine vom Wind hin und her flatternde Plasiktüte, welche dieser in einer Studie aufnahm, die einen geradezu ZEN-meditativen Charakter hatte.
Ziellos rotiert die Tüte dort im Wind, umgeben von einem Reigen beteiligter Blätter.
Dieser Akt assoziierte gleichzeitig Freiheit und Lethargie, verlieh einem typischen Symbol unserer Wegwerfgesellschaft plötzlich eine unerwarte Bedeutung, personalisert es gar - und hatte damit etwas Melancholisches. Weh- und Schwermut sind jedoch nicht dasselbe wie Traurigkeit und Depression, werden im künstlerischen oder literarischen Kontext eher positiv wahrgenommen.
Nicht alle magischen Momente sind zudem wirklich einzigartiger Natur, einige wiederholen sich fortlaufend. So stellen etwa Sonnenauf- oder Untergänge jedes Mal einen "Magical Moment" dar - für zahlreiche Menschen. Für andere ist es das Beschleunigen des Wagens, wenn die Ampel endlich, nach gefühlten hundert Jahren Wartezeit, auf Grün schaltet. Wieder andere schwören auf den ersten Kaffee am Morgen - oder die berühmt-berüchtigte "Zigarette danach".
Also nach dem Kaffe ;-).
Die betreffenden Personen werden sich an die einzelnen Begebenheiten kaum erinnern, empfinden daher jede Wiederholung als würde diese zum ersten Mal geschehen. Die Einzigartigkeit ist entsprechend eine subjektiv wahr genommene, keine objektiv vorhandene.
Das ändert freilich nichts an der Wirkung.
Küsse, Mondlandungen, Tüten, Sonnenuntergänge, Ampeln, Gesellschaftsdrogen - es scheint kein Schema zu geben, ausser dem anfangs erwähnten:
Der Moment wühlt positiv auf und wird als einzigartig empfunden, unabhängig davon, ob er das auch wirklich war. Solche Augenblicke kann man auch beim Bücher lesen, Musik hören, Filme schauen - oder eben bei Computerspielen haben.
Ich könnte nun etwas über eigene Momente dieser Art schreiben.
Zum Beispiel über das Ableben meines Barbaren-Veteranen in Diablo II - im Hardcore-Modus (Permadeath).
Wie lange hatte ich diesen Brutalo-Haudrauf damals gespielt, Tage? Wochen?
Wie vorsichtig, ja geradezu paranoid bin ich an jede Gegnergruppe herangegangen, sogar mit Schild! Wie sehr habe ich mich vor den berüchtigten Serverlags gefürchtet, gerade in der Nähe von Nilathak und seiner "Kadaver-Explosion"?
Und am Ende folgte das, äh, Ende.
Das ultimative welche, wie ein vergleichsweise harmloser Vorgeschmack auf das, was eines Tages letzlich jeden Menschen im realen Leben erwartet, ob wir es wahr haben wollen oder nicht. Jedenfalls eines hoffentlich weit entfernten Tages!
Also schnell wieder zurück zum Spiele-Tod, der für mich dennoch einprägend war:
Die Spielleistung anerkennend schrieb ein mir unbekannter Spieler im Allgmein-Chat:
"Wieder ist einer von uns gegangen: Yeager, Barbar, 85. Weit gekommen... "
Was die anderen mit dem altbekannten "R.I.P." quittierten, manche sogar auf Latein (Requiescat in pace), wonach dann Schweigen im Chat einkehrte, da ein Jeder wusste, was das hiess, dass es ihn als Nächstes treffen könnte.
Niemand wollte etwas (Falsches) sagen, es war - passenderweise - totenstill geworden. Da kämpfte ich sogar mit Tränen, um ehrlich zu sein. Es war, als hätte ich einen bis dato vitalen Teil meiner selbst oder einen guten, alten Freund verloren.
Nicht missverstehen, das Bizarre daran war mir durchaus bewusst. Trotzdem musste ich im Geiste regelrecht auf mich selbst einreden, dass es nur ein Spiel sei.
Dass sich nur eine Handvoll Pixel verabschiedet hätten, ein Datenbank-Eintrag gelöscht worden war. Nicht mehr.
Es fühlte sich ganz anders an.
Und gleichzeitig fühlte ich mich geehrt durch das virtuelle Mahnmal des kollektiven Schweigens und die ehrliche Anerkennung mir wildfremder Personen.
Das hatte ich von der sonst so pubertär wirkenden Community nicht erwartet.
Ich könnte auch über andere Momente schreiben.
Zum Beispiel, was ich empfand, als der Forscher in Mass Effect 3 seinen Fehler wieder gutmachte - im Turm, sein Lied aus fernen Kindertagen singend.
Mehr zu schreiben hiesse spoilern.
In meinen Augen ist diese Szene jetzt schon ein Klassiker.
Aufwühlend, berührend, unvergessen ist sie irgendwo in meinem Schädel abespeichert, abrufbereit. Sie ist dort etikettiert mit dem Zusatz "virtuell", aber nichts in mir scheint sich für diese Randnotiz besonders zu interessieren, ich sehe sie fast als real an.
Gewissermassen stimmt das auch, denn das Spiel mit dieser Szene habe ich ja wirklich gespielt.
Oder über ganz andere Momente könnte ich schreiben.
Wie jenen, als mir eine der Heilerinnen unserer WoW-Gilde in Teamspeak in einem Privatchannel den wahren Grund für ihr auffälliges Unvermögen mitteilte:
Immer wieder ging ihre Gruppe in Raids als Erste drauf, weil, so schien es mir als Raid-Leader, die Nachtelfen-Sanitäterin scheinbar Opfer einer Art geistigen XOR-Schaltung war, sich entweder bewegte oder heilte. Beides zugleich geschah viel zu selten. Dadurch gingen wertvolle und in der Bewegung anwendbare Heilungen verloren - und mit ihnen unser Erfolg als Team.
Ich ärgerte mich in meiner Vermessenheit ob dieses scheinbaren Newbie-Niveaus, bot ihr, wenn auch zugegeben etwas widerwillig, Hilfestellung an, stellte mich geistig auf Anfänger-Fragen der "untersten" Schublade ein.
"Ach, mit WASD kann ich auch steuern?"
Das meine ich mit "unterster" Schublade, so etwas erwartete ich gefühlt prophetisch kopfschüttelnd, mir meiner Arroganz, meiner Vorurteile leider nicht bewusst.
Sie bat um ein diskretes Gespräch, im welchen sie mir nichts, dir nichts sagte, sie sei behindert zur Welt gekommen, habe nur einen Arm.
Einfach "so", quasi nebenher, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt.
Logisch, wie mir später klar wurde, weil es das auch war - für sie.
Zum Beweis (den ich nicht wollte) schickte sie mir ein Foto von sich, das eine junge, lebensfrohe Frau zeigte - mit eben nur einem Arm.
Es kam mir vor, als könnte man das Geräusch meines Schluckens bis nach Mexiko wahrnehmen. Denn ich versuchte mir vorzustellen, wie ich wohl mit nur einer Hand dieses skillüberwucherte Spiel in Echtzeit spielen würde - und mit welchem "Ergebnis". Meine Gruppe hätte nicht einmal den Instanzeingang wohlbehalten erreicht, vom Kampf gegen anspruchsvolle Bosse mal gar nicht zu reden!
Sie hingegen wollte kein Mitleid und daher keine Sonderbehandlung.
Sie wollte es nur erklären und hatte tatsächlich ein paar Fragen an mich:
Ob ich denn von besseren Eingabehilfen wüsste, als jenen, die sie bereits ausprobiert hatte.
Ob ich andere Mods kennen würde, als die, die sie bereits einsetzte.
Ob ich eine bessere, frei programmierbare Multi-Tasten-Maus kannte, als die, die sie schon nutzte.
Oder ob ich Ahnung hätte von weiterführender Makro-Programmierung in der verwendeten Skriptsprache LUA, weiter führender, als das, womit sie sich bis dahin beschäftigt hatte. Wohlgemerkt mit nur einer Hand komplexen, langen Code tippend!
Ich wurde mikroskopisch klein mit Hut und fühlte mich, wie eine unansehnliche Mischung aus einem nassen Pudel und einem Vollidioten.
Ausserdem dämmerte es mir langsam und schmerzhaft, wer hier der Noob war...
Dieser "magical moment" hatte beim besten Willen nichts mit mir zu tun, sondern mit meinem spontanen und aufrichtigen Drang mich verneigen zu wollen vor so viel Können anderer Personen unter schwierigsten Bedingungen.
Was ich auch tat: mich reflexhaft verneigte.
Bis mir einfiel, dass man das bei Teamspeak nicht sehen kann, was mein Gefühl des Trotteldaseins nur noch verstärkte
Unter anderem lernte ich daraus, dass gute Mikrophone auch Nachteile mit sich bringen können, denn das Klatschen meiner offenen Hand auf meine Stirn war deutlich vernehmbar.
Ich hatte schon bessere Tage als Raid-Leader erlebt. Insofern, dass ich nicht das Gefühl hatte nur noch peinlich zu sein. In meinen Ansichten, in meiner vermeintlich elitären Geistes- und Erwartungshaltung.
Der magische Moment hierbei war der, dass die einarmige Spielerin mich unabsichtlich daran erinnerte, dass wir alle nur Menschen sind - und ich absolut keinen blassen Schimmer davon habe, was wirklich elitär ist.
Es war bewegend und erhellend, tat mir gut, beseitigte meine Arroganz nachhaltig.
Zumindest als Raid-Leader bei WoW ;-)
Ja, über solche Momente könnte ich schreiben.
Doch hier soll es um Eure gehen!
Meine bisher genannten waren nur Beispiele mit Aufforderungs-Charakter.
Was waren Eure magischen Momente in Computerspielen?
Was empfandet Ihr als positiv aufwühlend und einzigartig?
Was hat sich in Euer Gedächtnis eingebrannt?
Ich bin gespannt auf die Geschichten, bedanke mich im Voraus und entschuldige mich für meine Zungenbrecher-Alliteration im Titel.
Sie bot sich einfach an
Monument magischer Momente
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